Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 1996 wird verworfen.
Die Beigeladene hat dem Kläger dessen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden, mit denen die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) gegenüber dem klagenden Zahnarzt die Erstattung von Honorar geltend gemacht hatte, das für die zahnärztliche Versorgung eines über die beigeladene Bundesrepublik Deutschland zu versorgenden Zivildienstleistenden gezahlt worden war.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts, das der Klage auf Aufhebung der Bescheide teilweise stattgegeben hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 24. Januar 1996). Ausweislich des Empfangsbekenntnisses hat die Beigeladene das Urteil des LSG am 8. Mai 1996 empfangen.
Mit beim Bundessozialgericht (BSG) am 31. Juli 1996 eingegangenem Schriftsatz vom 30. Juli 1996 hat die Beigeladene Revision gegen das Urteil eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist beantragt. Zur Begründung führt sie aus, an der Versäumung der Revisionsfrist treffe sie kein Verschulden. Es beruhe auf dem Versehen eines Behördenbediensteten, dessen Verschulden ihr, der Beigeladenen, nicht zugerechnet werden könne. Bei dem für die Führung des Prozesses zuständigen Referatsleiter eingehende rechtsmittelfähige Urteile würden von diesem unter Angabe des Tagesdatums mit einem Sichtvermerk versehen und der Geschäftsstelle zugeschrieben mit der Anordnung, das Empfangsbekenntnis auszufertigen und abzuschicken, die für die weitere Bearbeitung erforderlichen Ablichtungen zu fertigen und das Urteil unter Beifügung der Verwaltungsakte von Hand zu Hand zurückzugeben. Diese Verfügung sei umgehend auszuführen. Nach Rückgabe werde die Prozeßhandakte von dem Referatsleiter mit einem fest aufgehefteten Zettel versehen, auf dem durch roten Filzstift deutlich hervorgehoben das Ende der Rechtsmittelfrist sowie die Bezeichnung des Rechtsmittels vermerkt werde. Die Bearbeitung der Akte beginne sofort. Die Prozeßhandakte werde getrennt von allen anderen Akten an einer sich im ständigen Blickfeld des Referatsleiters befindlichen Stelle seines Schreibtisches verwahrt und verlasse sein Büro grundsätzlich nicht. Entgegen der bestehenden Anordnung und der von ihm ansonsten stets beachteten Verfahrensweise habe der zuständige Geschäftsstellenbedienstete das Empfangsbekenntnis nicht sofort ausgefertigt und auch die Verfügung ansonsten nicht ausgeführt, wobei das zu bearbeitende Urteil offenbar irrtümlich unter anderen Vorgängen „vergraben” worden sei. Erstmals sei der Referatsleiter am 1. Juli 1996 wieder auf den Vorgang aufmerksam geworden, als nämlich die Geschäftsstelle des Bayerischen LSG das fehlende Empfangsbekenntnis angemahnt habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist gemäß § 169 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgemäß eingelegt worden ist.
Gemäß § 164 Abs 1 SGG ist die Revision beim BSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Da das Urteil ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 8. Mai 1996 zugestellt worden ist, endete die Frist zur Einlegung der Revision mit Ablauf des 10. Juni 1996, einem Montag. Die am 31. Juli 1996 eingegangene Revision war mithin verspätet. Gegen die Versäumung der Frist hat die Beigeladene rechtzeitig binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses (§ 67 Abs 2 Satz 1 SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Diesem Antrag kann nicht entsprochen werden, weil die Beigeladene nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Der von einem Prozeßbevollmächtigten vertretene Beteiligte muß sich dessen Verschulden gemäß § 73 Abs 4 SGG iVm § 85 Abs 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zurechnen lassen. Der Prozeßbevollmächtigte wiederum hat ein Versagen einer Hilfskraft nur dann iS des § 67 Abs 1 SGG zu vertreten, wenn er selbst die Ursache einer Fristversäumnis verschuldet hat. Das ist dann der Fall, wenn er nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür gesorgt hat, daß Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Hierzu gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) insbesondere die Notierung von Fristen. Es ist eine klare und allgemeine Anweisung erforderlich, daß stets zuerst die Fristen im Fristenkalender eingetragen werden müssen und erst dann ein entsprechender Erledigungsvermerk auf der Akte anzubringen ist. Insbesondere darf der Prozeßbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, daß die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (vgl zum Ganzen BGH NJW 1996, 1900, 1901; Roth in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl, § 233 RdNr 68). Diese Grundsätze gelten auch für die Träger öffentlicher Verwaltung; denn sie können bezüglich der Zurechnung von Verschulden nicht bessergestellt werden, falls sie sich nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten lassen (BSGE 61, 213, 216 = SozR 1500 § 67 Nr 18).
Die aufgezeigte Sorgfaltspflicht ist durch den zuständigen Bediensteten der Beigeladenen dadurch verletzt worden, daß dieser die eingegangene rechtsmittelfähige Entscheidung lediglich mit einem Sichtvermerk und Arbeitsanweisungen versehen und anschließend in den Geschäftsgang gegeben hat, ohne bei der erstmaligen Bearbeitung sicherzustellen, daß die Rechtsmittelfrist notiert wird. Nach dem eigenen Vortrag der Beigeladenen wird bei ihr weder ein Fristenkalender geführt noch bei der erstmaligen Bearbeitung des Vorgangs die Rechtsmittelfrist berechnet und festgehalten. Nach Weiterleitung der rechtsmittelfähigen Entscheidung in den Geschäftsgang bestehen damit keinerlei Kontrollmechanismen mehr, aufgrund derer bei einem Büroversehen die drohende Versäumung einer Rechtsmittelfrist aufgefangen werden könnte. Dabei kommt dem Umstand, daß nach dem Vortrag der Beigeladenen im zuständigen Referat im Regelfall nicht mehr als eine Rechtsmittelfrist zu überwachen ist, keine entlastende Bedeutung zu. Gerade wenn sich der Umgang mit fristgebundenen Vorgängen nicht als Regel darstellt, erfordert eine ordnungsgemäße Büroorganisation, daß durch die Eintragung von Rechtsmittelfristen in einen Fristenkalender die Versäumung der Frist verhindert wird.
Die hiernach gebotene Vorsorge hat die Beigeladene nicht getroffen, so daß die Versäumung der Revisionsfrist nicht iS des § 67 Abs 1 SGG unverschuldet war.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen