Orientierungssatz
Erstattungsansprüche der Leistungsträger nach §§ 102 ff SGB 10 begründen ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen den beteiligten Leistungsträgern. Der Erstattungsanspruch ist nicht ein aus der Rechtsposition des Versicherten abgeleiteter, sondern ein eigenständiger Anspruch des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers. Klagt ein Versicherter gegen einen Leistungsträger, hat die ergehende Gerichtsentscheidung auf das Bestehen eines eventuellen Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers gegen den am Prozeß beteiligten Leistungsträger keinen Einfluß, so daß der andere Leistungsträger nicht notwendig zum Rechtsstreit beizuladen ist.
Normenkette
SGG § 75 Abs 2 Alt 1; SGB 10 §§ 102, § 102ff
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 18.08.1989; Aktenzeichen L 14 An 18/89) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1989 ist unzulässig.
Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, wobei der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Diesen Anforderungen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht.
Grundsätzliche Bedeutung hat nach Ansicht des Klägers die vom LSG verneinte Frage, ob ein Versicherter den Berufsschutz eines gelernten Facharbeiters genießt, wenn er diesen Beruf zwar zunächst ausgeübt, ihn später aber aufgegeben und sich einem minderqualifizierten Beruf zugewendet hat, wobei die Aufgabe des erlernten Berufs drei Monate vor Erfüllung der kleinen Wartezeit erfolgt ist.
Mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt worden. Eine Rechtsfrage ist regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig und deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie vom Revisionsgericht bereits geklärt worden ist. Von dieser Regel kann abgewichen und die (erneute) Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden ist und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht worden sind. Das hat der Beschwerdeführer substantiiert darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 f; Nr 65 S 87).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß im Rahmen des Anspruchs auf eine Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit ein Beruf, der vor Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§ 23 Abs 3, § 24 Abs 3 Satz 1 Buchst a des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) aufgegeben worden ist, nicht als bisheriger Beruf und damit auch nicht der Bestimmung des Kreises der beruflich zumutbaren Verweisungstätigkeiten zugrundegelegt werden darf (vgl ua BSGE 47, 183, 185 = SozR 2600 § 45 Nr 24 S 73; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 66 S 204; BSGE 53, 269, 270 = SozR 2600 § 46 Nr 6 S 20; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 155 S 504). Das LSG ist dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Daß, von welcher Seite und mit welcher Begründung ihr widersprochen worden ist und ob sowie welche Einwendungen dagegen erhoben worden sind, hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht vorgetragen.
Er macht als Zulassungsgrund ferner Verfahrensmängel geltend und erblickt einen solchen zunächst darin, daß das LSG unter Verletzung des § 103 SGG seinem (des Klägers) im Schriftsatz vom 15. August 1989 gestellten und in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Antrag auf Beiziehung der Unterlagen der Schmerzklinik Herne nicht entsprochen habe. Mit diesem Vorbringen ist ein Verfahrensmangel nicht formgerecht "bezeichnet" worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Dazu ist, soweit eine Verletzung des § 103 SGG geltend gemacht wird, ua erforderlich, daß der Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt sein soll, so genau bezeichnet wird, daß er für das BSG ohne weiteres auffindbar ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 S 4). Das ist mit dem Hinweis des Klägers auf seinen Schriftsatz vom 15. August 1989 und auf die Konkretisierung des darin angeblich enthaltenen Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung nicht geschehen. Die Bezeichnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten oder konkretisierten Beweisantrages hätte den Hinweis darauf enthalten müssen, daß der Beweisantrag protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt worden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 64 S 68). Einen solchen Hinweis hat der Kläger nicht gegeben; seine Anträge auf diesbezügliche Änderungen der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 18. August 1989 und des Tatbestandes des Urteils vom selben Tage sind durch die Beschlüsse des zuständigen Senats des LSG bzw seines Vorsitzenden vom 5. Februar 1990 abgelehnt worden.
Der Kläger rügt als weiteren Verfahrensmangel, das LSG habe unter Verletzung des § 75 Abs 2 SGG unterlassen, zum Rechtsstreit die Bundesanstalt für Arbeit (BA), vertreten durch den Direktor des Arbeitsamts Dortmund, die Stadt Dortmund als Träger der Sozialhilfe und die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Dortmund beizuladen. Er habe in der hier streitigen Zeit ab 1. April 1986 sowohl von der BA, die ihrerseits von der AOK Dortmund Erstattung aus dem ihm (dem Kläger) zustehenden Anspruch auf Krankengeld gefordert habe, als auch von der Stadt Dortmund als Sozialhilfeträger Leistungen erhalten, welche bei Bewilligung der beantragten Rente entfielen, so daß die Entscheidung auch gegenüber diesen Leistungsträgern nur einheitlich ergehen könne.
Mit diesen Ausführungen sind die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung iS der hier allein in Betracht kommenden ersten Regelung des § 75 Abs 2 SGG (Beteiligung Dritter an dem streitigen Rechtsverhältnis derart, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann) nicht dargelegt worden. Nach feststehender Rechtsprechung des BSG begründen Erstattungsansprüche der Leistungsträger nach §§ 102 ff des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB X) ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen den beteiligten Leistungsträgern. Der Erstattungsanspruch ist nicht ein aus der Rechtsposition des Versicherten abgeleiteter, sondern ein eigenständiger Anspruch des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers (vgl zB BSGE 57, 15, 19 = SozR 4100 § 105b Nr 1 S 2; BSGE 57, 146, 147f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 3; BSGE 58, 119, 125f = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24; BSGE 62, 118, 123 = SozR 2200 § 562 Nr 7 S 10). Als Konsequenz daraus hat das BSG entschieden, daß dann, wenn ein Versicherter gegen einen Leistungsträger klagt, die ergehende Gerichtsentscheidung auf das Bestehen eines eventuellen Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers gegen den am Prozeß beteiligten Leistungsträger keinen Einfluß hat, so daß der andere Leistungsträger nicht notwendig zum Rechtsstreit beizuladen ist (BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr 104 S 222f; bereits zuvor BSG SozR 1300 § 103 Nr 3 S 11). Angesichts dessen hätte der Kläger darlegen müssen, daß und aus welchen Gründen im vorliegenden Rechtsstreit etwas anderes zu gelten hat und auch den von ihm benannten anderen Leistungsträgern gegenüber die Entscheidung über den von ihm geltend gemachten Rentenanspruch nur einheitlich ergehen kann. Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen. Seine der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehende Äußerung, Erstattungsansprüche seien keine eigenständigen Ansprüche, sondern aus der Erwerbsunfähigkeitsrente abgeleitet, vermag die zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels erforderlichen Darlegungen nicht zu ersetzen.
Die Beschwerde des Klägers ist nach alledem mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes unzulässig und in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen