Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Beschluss vom 05.02.2001) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 5. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin überreichte im Jahr 1996 der Beklagten diverse Heil- und Kostenpläne aus den Jahren 1993 und 1994 in Kopie mit dem Begehren der Abrechnung der sich daraus ergebenden Beträge. Die Beklagte lehnte dies ab, weil sie nur verpflichtet sei, Zahlungen aufgrund von Originalunterlagen zu leisten. Die Klägerin hielt dem entgegen, die Original-Heil- und Kostenpläne seien verloren gegangen bzw fälschlicherweise anderen unzuständigen Krankenkassen (KKn) zugeleitet worden.
Im Verfahren des Sozialgerichts (SG) hat dieses den Antrag der Klägerin, den auf den 27. Oktober 1999, 12,45 Uhr, anberaumten Verhandlungstermin wegen urlaubsbedingter Verhinderung der juristischen Mitarbeiter zu verlegen, abgelehnt. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1999 – beim SG eingegangen am 22. Oktober 1999 – geltend gemacht, der Vorsitzende E. sei befangen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Richterablehnung mit Beschluß vom 26. Oktober 1999 zurückgewiesen. Dieser Beschluß ist der Klägerin am selben Tag ca 17.30 Uhr per Telefax zugegangen, die Ausfertigung ist ihr – nach ihren im Berufungsurteil angegebenen unwidersprochenen Angaben – am 29. Oktober 1999 zugestellt worden. Das SG hat durch Urteil vom 27. Oktober 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden E. – die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten – die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Besetzung der Richterbank des SG als verfahrensfehlerhaft beanstandet, weil der Beschluß des LSG über die Richterablehnung erst später wirksam geworden sei.
Das LSG hat durch Beschluß vom 5. Februar 2001 gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – ohne mündliche Verhandlung – die Berufung zurückgewiesen. In seinen Entscheidungsgründen ist das LSG auf die Verfahrensrüge nicht eingegangen. In der Sache hat es – unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG – ausgeführt, das Erfordernis der Vorlage der Originale sei im Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte normiert und diese Regelung sei auch sinnvoll, um im Massengeschäft der Abrechnung Doppelvergütungen auszuschließen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des LSG macht die Klägerin Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde war zurückzuweisen.
Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ihr sei das rechtliche Gehör nicht im erforderlichen Maß gewährt worden, weil sie weder beim SG noch beim LSG die reale Möglichkeit der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung gehabt habe, hat keinen Erfolg. Sie führt dazu aus, sie habe mangels wirksamer Ablehnung ihres Befangenheitsgesuchs beim SG nicht damit rechnen müssen, daß an dem 27. Oktober 1999 doch noch eine mündliche Verhandlung stattfinde. Unter diesen Umständen hätte das LSG nicht von der Möglichkeit eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 4 SGG Gebrauch machen dürfen. Diese Rüge ist, ihre Zulässigkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet.
Beim SG hat für die Klägerin durchaus die Gelegenheit zu einer mündlichen Verhandlung bestanden. Daß sie daran nicht teilgenommen hat, ist ihr zuzurechnen. Sie hat in Betracht ziehen müssen, daß ihr Befangenheitsgesuch möglicherweise zurückgewiesen werde, und auch, daß dies evtl erst im letzten Moment geschehen und sie davon nicht mehr vor dem Verhandlungstermin erfahren werde. Daraus, daß die förmliche Zustellung der Zurückweisung der Richterablehnung erst nach der mündlichen Verhandlung des SG erfolgt ist, kann sich auch dann, wenn die Zustellung erforderlich ist – was hier nicht zu entscheiden ist –, kein fortwirkender Verfahrensfehler ergeben. Denn im Falle nachträglicher Zustellung der schon zuvor beschlossenen – hier zudem per Telefax mitgeteilten – Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs kann die Rüge unzulässiger Mitwirkung des abgelehnten Richters nicht mehr durchgreifen, weil der Verfahrensfehler als geheilt anzusehen ist (so zuletzt BSG, Beschluß vom 1. August 2000, SozR 3-1500 § 160a Nr 29 = NVwZ 2001, 472 = NZS 2001, 221, schon die Zulässigkeit der Verfahrensrüge verneinend; ebenso BFHE 125, 12, 14 mit Zurückweisung als unbegründet; vgl ferner BayVerfGH NJW 1982, 1746 ohne Stellungnahme zur Frage der Zulässigkeit oder Begründetheit). Nur wenn über die Richterablehnung noch nicht entschieden gewesen oder ihr stattgegeben worden wäre oder wenn deren Zurückweisung auf willkürlichen Erwägungen beruht hätte, könnte die Verfahrensrüge durchgreifen (BSG aaO). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.
Unzulässig ist die Rüge der Klägerin, der LSG-Beschluß sei insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 202 SGG iVm § 551 Nr 7 Zivilprozeßordnung), als das LSG ihren Hilfsantrag – ebenso wie die geltend gemachte Zinsforderung – weder im Tatbestand des Beschlusses aufgeführt noch in den Entscheidungsgründen behandelt habe. Insoweit fehlt es an Darlegungen entsprechend den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen. Die Ausführungen der Klägerin können den geltend gemachten Verfahrensmangel nämlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ergeben (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 29 S 54 = NVwZ 2001, 472 = NZS 2001, 221). Eine nur teilweise Unvollständigkeit einer Gerichtsentscheidung bedeutet nicht, daß sie nicht mit Gründen versehen ist. In einem solchen Fall könnte als Mangel allenfalls in Betracht kommen, das Gericht habe das nicht behandelte Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und damit das erforderliche rechtliche Gehör nicht gewährt. Dies hat die Klägerin indessen nicht geltend gemacht. Aber auch bei Annahme einer ausreichend deutlich konkludent erhobenen Gehörsrüge wäre die Rüge unzulässig; denn es fehlt an jeglichen weiteren Darlegungen gemäß den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.
Unzulässig ist auch die Rüge der Klägerin, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Für die Zulässigkeit ist die grundsätzliche Bedeutung gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung „darzulegen”, dh eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und auszuführen, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. In Fällen, in denen bereits von der Rechtsprechung herausgearbeitete Maßstäbe betroffen sind, muß in der Beschwerdebegründung in Auseinandersetzung mit der Entscheidungsbegründung des LSG dargelegt werden, unter welchem Aspekt noch eine Klärung im Revisionsverfahren erforderlich sein könnte (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38). Diesen Zulässigkeitsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob das Verlangen des LSG nach Vorlage von Originalen der abzurechnenden Heil- und Kostenpläne mit dem gesetzgeberischen Auftrag des § 295 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vereinbar sei, wonach die papierlose Übermittlung der Abrechnungsdaten zwischen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung und den KKen anzustreben sei. Sie anerkennt, daß bisher lediglich ein Auftrag des Gesetzgebers besteht, der noch nicht durch entsprechende Verträge (vgl § 295 Abs 3 iVm § 82 Abs 1, § 87 Abs 1 SGB V) umgesetzt, sondern lediglich in Absichtserklärungen der Vertragspartner aufgegriffen worden ist. Aus welchem normativ anerkennbaren Grund die noch gültigen Regelungen, die die Vorlage von Originalen verlangen, schon vor der Schaffung der vom Gesetzgeber in Auftrag gegebenen neuen Bestimmungen unanwendbar sein könnten, hätte die Klägerin vor diesem Hintergrund näher begründen müssen.
Nach alledem hat die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge entsprechend § 193 Abs 1 und 4 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen