Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1999 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 23. Februar 1999 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Das Leistungsvermögen der Klägerin sei zwar eingeschränkt, sie könne jedoch noch leichte bis mittelschwere Arbeit unter Beachtung zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkung ausführen. Dabei habe sich durch die Revision des linken Carpaltunnelsyndroms im Februar 1996 eine bis dahin bestehende und vom Sozialgericht (SG) in ihren Auswirkungen zutreffend gewürdigte Leistungseinschränkung objektiv verbessert. Mit dem noch vorhandenen Leistungsvermögen müsse sich die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen, auf dem sie noch tätig sein könne. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei dazu nicht erforderlich; denn die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen seien weder als schwere spezifische Leistungsbehinderung noch als Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu bewerten. Davon sei nur auszugehen, wenn die Fähigkeit eines Versicherten, zumindest körperlich leichte Arbeit vollschichtig zu verrichten, zusätzlich in erheblichem Umfang eingeschränkt sei (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 8. Juli 1998 – B 13 RJ 91/97 R –).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Klägerin rügt zunächst als Zulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG Verletzungen des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 SGG). Ein derartiger Verfahrensmangel liegt ua dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ in BVerfGE 25, 137, 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Meyer-Ladewig, SGG mit Erl, 6. Aufl, § 62 RdNr 8 mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Gehörverstoß selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus ist für den Erfolg einer entsprechenden Rüge Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 62 RdNr 11c).
Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang zunächst geltend, das LSG habe sie in Übereinstimmung mit dem SG unter Mißachtung des HNO-ärztlich festgestellten Ausschlusses von Arbeiten mit Publikumsverkehr auf die Tätigkeit einer Museumswärterin verwiesen. Abgesehen davon, daß sie damit im Kern die berufungsgerichtliche Beweiswürdigung iS von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG angreift – was gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zur Revisionszulassung führen kann – fehlt es auch an näheren Ausführungen dazu, was die (damals bereits anwaltlich vertretene) Klägerin im Berufungsverfahren gegen die bereits im erstinstanzlichen Urteil enthaltene, ihrer Ansicht nach fehlerhafte Verweisung unternommen hat. Insbesondere wird diesbezüglich kein vor dem LSG gestellter Beweisantrag bezeichnet, der dieses Gericht in dem betreffenden Punkt zu weiteren Ermittlungen hätte veranlassen können (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).
Soweit die Klägerin die Möglichkeit anspricht, die Vorinstanz könnte bestimmte qualitative Leistungseinschränkungen bei der Beurteilung „ausgeblendet” haben, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, läßt sie es letztlich selbst offen, ob dies zutrifft. Dementsprechend hat sie auch in dieser Hinsicht nicht alle Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Gehörverstoß ergeben kann. Insbesondere hat sie sich nicht eingehend mit den relevanten Darlegungen im Berufungsurteil auseinandergesetzt.
Des weiteren stützt die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Abweichung (Divergenz) iS dieser Vorschrift bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder, anders gewendet, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 163 ff). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl dazu BSG, Beschluß vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Bezogen auf die Darlegungspflicht iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bedeutet das: Die Beschwerdebegründung muß erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz im herangezogenen höchstrichterlichen Urteil enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29 und 67). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen der Klägerin nicht gerecht.
Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, das Berufungsurteil weiche von der Entscheidung des BSG vom 19. August 1997 – 13 RJ 91/96 – ab, mangelt es bereits an der genauen Bezeichnung eines in dem letztgenannten Urteil enthaltenen, die Entscheidung des BSG tragenden Rechtssatzes. Darüber hinaus hat die Klägerin bezogen auf beide Vorinstanzen nur gerügt, daß diese weder in der mündlichen Verhandlung noch durch entsprechende schriftliche Erörterungen die Verweisungsproblematik angesprochen hätten. Damit ist kein im Berufungsurteil aufgestellter Rechtssatz benannt worden.
Auch in bezug auf weitere Senatsurteile vom 19. August 1997 (13 RJ 21/95, 13 RJ 13/95, 13 RJ 55/96, 13 RJ 95/96, 13 RJ 25/95 und 13 RJ 91/96) und 30. Oktober 1997 (13 RJ 49/97) hat es die Klägerin unterlassen, divergenzfähige Rechtssätze herauszustellen. Wenn sie dazu auf der anderen Seite dem Berufungsurteil den „impliziten Rechtssatz” entnehmen will, daß „weder die auf Seite 6 und 7 zitierte Summierung ein Anwendungsfall ist noch das ab März 1996 verbliebene Restleistungsvermögen”, so kennzeichnet sie damit lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung, jedoch keinen abstrakten Rechtssatz des LSG.
Schließlich beruft sich die Klägerin auch auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Um diesen Zulassungsgrund ordnungsgemäß darzulegen, muß ein Beschwerdeführer folgendes aufzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65): (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungs-erheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung).
Auf diese Begründungspunkte ist die Klägerin nicht hinreichend eingegangen. Insbesondere hat sie nicht näher begründet, warum die Frage, ob das von ihr vorzeigbare Ausmaß der Summierung das gleiche Gewicht habe wie die bereits vom BSG entschiedenen Fälle, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitze und nicht bereits auf der Grundlage der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet werden könne.
Die Verwerfung der danach nicht ordnungsgemäß begründeten und somit unzulässigen Beschwerde der Klägerin erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen