Verfahrensgang
SG Speyer (Entscheidung vom 09.10.2020; Aktenzeichen S 18 R 727/18) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.05.2021; Aktenzeichen L 1 R 288/20) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Mai 2021 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung. Sein im April 2018 gestellter Antrag blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 7.8.2018, Widerspruchsbescheid vom 11.12.2018). Das SG hat ein orthopädisches, ein internistisches und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten samt ergänzender Stellungnahmen der Sachverständigen sowie weitere aktuelle Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Mit Gerichtsbescheid vom 9.10.2020 hat es die Klage abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen beim Kläger keine auch nur teilweise Erwerbsminderung vorliege. Bei einem grundsätzlich vollschichtigen Leistungsvermögen bestünden nur einzelne qualitative Einschränkungen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das LSG hat sich nach Beiziehung weiterer Befundberichte den umfassenden Ausführungen des SG angeschlossen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 11.5.2021).
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Sache sowie Verfahrensmängel geltend. Zudem hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt.
II
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Kläger erfüllt zwar die wirtschaftlichen Voraussetzungen der PKH. Seine bereits durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde bietet jedoch keine hinreichenden Erfolgsaussichten, da sie unzulässig ist (dazu sogleich unter 2.). Damit kommt eine Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hinreichend dargelegt noch einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ausreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
a) Der Kläger hat den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise aufgezeigt.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN).
Entsprechender Vortrag fehlt hier praktisch vollständig. Der Kläger gibt lediglich an, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage zu klären sei, "mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Gutachter das Vorliegen einer Berufskrankheit festzustellen hat, dass sich ein Gericht darauf stützen könnte". Weitere Ausführungen dazu macht er nicht. Damit ist bereits die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage zur tatsächlichen Feststellung "einer Berufskrankheit" im Verfahren über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erkennbar. Im Dunkeln bleibt aber auch, inwiefern nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung des BSG zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG, vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 128 RdNr 3a ff) hierzu noch weiterer Klärungsbedarf besteht.
b) Auch ein Verfahrensmangel ist in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.
aa) Soweit der Kläger einen "Verstoß gegen Paragraf 103 SGG" rügt, trägt er lediglich vor, dass das LSG aufgrund der von ihm eingeholten Befundberichte weitere Stellungnahmen "bei den Gutachtern" hätte einholen müssen, weil der Sachverhalt noch nicht ausreichend aufgeklärt gewesen sei. Einen darauf gerichteten Beweisantrag des Klägers, den er bis zum Schluss aufrechterhalten habe, benennt er jedoch nicht (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN).
bb) Der Vorhalt, § 105 SGG sei verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorgelegen hätten, betrifft das erstinstanzliche Verfahren. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann aber grundsätzlich nur auf einen Verfahrensfehler des LSG gestützt werden. Ein Mangel im Verfahren vor dem SG ist nur von Bedeutung, sofern er in die nächste Instanz fortwirkt und damit zugleich einen Mangel des Verfahrens vor dem LSG bildet (vgl BSG Beschluss vom 30.10.2020 - B 4 AS 267/20 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 15.6.2021 - B 5 R 52/21 B - juris RdNr 11). Dass und weshalb Letzteres hier ausnahmsweise der Fall sein könnte, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
cc) Die Rüge, "der Gutachter" hätte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwingend angehört werden müssen, damit "dieser seine schriftlichen Ausführungen mündlich erörtert, um Klarheit zu schaffen", lässt schon nicht erkennen, welcher der drei Sachverständigen zu welchen Fragen hätte mündlich gehört werden sollen (zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen vgl zB BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 301/20 B - juris RdNr 6 mwN). Soweit der Kläger damit zugleich beanstanden will, dass das LSG ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, legt er nicht dar, dass das für eine solche Verfahrensweise erforderliche Einverständnis der Beteiligten (vgl § 124 Abs 2 SGG) nicht vorgelegen habe (s auch den Antrag des Klägers vom 30.4.2021, "ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung zu treffen").
dd) Schließlich rügt der Kläger eine Verletzung von § 124 SGG, weil weder das SG noch das LSG ihn "in Augenschein genommen" hätten und deshalb eine Überprüfung unterblieben sei, "ob die Darlegungen in den Gutachten und Befundberichten mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen sind". Damit macht er in der Sache eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das LSG geltend (zum Einverständnis des Klägers mit einer Entscheidung des LSG ohne mündliche Verhandlung s bereits oben unter cc). Die besonderen Voraussetzungen einer Rüge der Verletzung des § 103 SGG erfüllt dieses Vorbringen jedoch nicht. Im Übrigen muss einem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis nach § 124 Abs 2 SGG erklärt, klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden will (dazu und zum Grundsatz von Treu und Glauben im Prozessrecht s auch BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 8 mwN).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14800537 |