Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 13.09.2016; Aktenzeichen L 13 SB 2/15)

SG Bremen (Aktenzeichen S 3 SB 203/11)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. September 2016 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt F., H., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens G.

Der Beklagte stellte bei der Klägerin auf deren Antrag einen GdB von 30 fest und lehnte ihren weitergehenden Antrag ab (Bescheid vom 30.12.2010, Teilabhilfebescheid vom 6.4.2011, Widerspruchsbescheid vom 12.7.2011).

Klage und Berufung der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom 4.12.2014, Urteil vom 13.9.2016).

Mit ihrer Beschwerde, für die sie zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und seine Amtsermittlungspflicht verletzt.

II

1. Der PKH-Antrag der Klägerin ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Die unbedingt eingelegte Beschwerde ist unzulässig (dazu unter 2.).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung (a) noch der angebliche Verfahrensmangel (b) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

An diesen Darlegungen fehlt es. Die Beschwerde meint, es verletze ihren Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit, dass das SG ihr einerseits PKH bewilligt, andererseits für ein Gutachten nach § 109 SGG einen Kostenvorschuss angefordert habe. Die Beschwerde hat damit indes schon keine klar erkennbare Rechtsfrage zur Auslegung eines konkreten gesetzlichen Tatbestandsmerkmals formuliert. Soweit sie es der Sache nach für klärungsbedürftig hält, ob bei bedürftigen Klägern die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG von einem Kostenvorschuss abhängig gemacht werden kann, übersieht sie zum einen, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar auf eine Verletzung von § 109 SGG gestützt werden kann. Dieser Ausschluss gilt absolut ausnahmslos und uneingeschränkt für jede fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160 RdNr 57 mwN; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 129/78 - SozR 1500 § 160 Nr 34). Die Klägerin kann ihn daher auch nicht mit dem Vortrag umgehen, die Vorgehensweise des SG werfe grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen auf. Denn in ihrem konkreten Fall würde diese Rüge allein dazu dienen, den Rügeausschluss des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG zu umgehen (vgl BSG Beschluss vom 30.5.2006 - B 2 U 86/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 9).

Zudem hat sich die Beschwerde nicht mit § 73a Abs 3 SGG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt. Danach bleibt die Vorschrift des § 109 Abs 1 S 2 SGG über den Kostenvorschuss von der Bewilligung von PKH unberührt. Effektiven Rechtsschutz erhält der unbemittelte Beteiligte im sozialgerichtlichen Verfahren auch ohne die Möglichkeit der PKH-Gewährung für ein Gutachten nach § 109 SGG, weil die Gerichte in jedem Fall nach § 103 SGG von Amts wegen ermitteln müssen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl BSG Beschluss vom 23.9.1997 - 2 BU 177/97 - SozR 3-1500 § 109 Nr 2 = BSG SozR 3-1500 § 73a Nr 5; BSG Beschluss vom 26.8.1998 - B 9 VS 7/98 B - Juris).

b) Ebenso wenig hat die Beschwerde den behaupteten Verfahrensmangel durch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht dargelegt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.

Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hat keinen konkreten Beweisantrag bezeichnet, sondern lediglich pauschal behauptet, die Klägerin habe im Berufungsverfahren erstinstanzlich gestellte Beweisanträge auf Einholung medizinischer Gutachten wiederholt. Daraus ergibt sich weder, ob die Klägerin, wie es die Rechtsprechung des BSG verlangt (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN), einen Antrag mit hinreichend konkretem Beweisthema unter Angabe des voraussichtlichen Beweisergebnisses gestellt hat, noch, ob sie einen solchen Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat. Das Berufungsurteil macht dazu ebenfalls keine Ausführungen.

Auch eine Gehörsverletzung ist nicht dargetan. Auf die zu § 109 SGG zitierte Rechtsprechung wird insoweit ergänzend Bezug genommen.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10571826

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