Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel vor dem BSG. Zugelassene Prozessbevollmächtigte. Vertretungszwang

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Beteiligter kann ein Rechtsmittel vor dem BSG nicht selbst führen, sondern muss sich durch zugelassene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen.

2. Der Vertretungszwang soll sicherstellen, dass das Verfahren in dritter Instanz, das der Gesetzgeber zur ausschließlich rechtlichen Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidungen in erster Linie im öffentlichen Interesse (Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung) eröffnet hat, von einer fachkundigen Person mit qualifizierten Kenntnissen des Rechts verantwortlich geführt wird.

3. Das soll auch einen Beitrag dazu leisten, dass die personellen Ressourcen der Justiz effektiv eingesetzt werden können und nicht durch aussichtslose Verfahren blockiert werden.

 

Normenkette

SGG § 73 Abs. 4, § 160a Abs. 4 S. 1, § 169

 

Verfahrensgang

SG Landshut (Entscheidung vom 15.03.2022; Aktenzeichen S 14 R 108/20)

Bayerisches LSG (Urteil vom 25.01.2023; Aktenzeichen L 6 R 175/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids des beklagten Rentenversicherungsträgers vom 17.2.2020 zur Aufrechnung eines Rückforderungsanspruchs mit dem Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Auf die von der Klägerin vorgetragenen Einwendungen hat die Beklagte im Bescheid vom 4.3.2020 klargestellt, dass eine Aufrechnung nicht erfolge, und die Rentenzahlung ab März 2020 weiterhin in voller Höhe angewiesen. Das SG Landshut hat die gleichwohl erhobene Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 15.3.2022). Die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 25.1.2023). Die Klägerin hat sich mit einem von ihr unterzeichneten und (auch) an das LSG gerichteten Schreiben vom 20.2.2023 gegen das ihr am 3.2.2023 zugestellte Urteil des LSG gewandt und ausgeführt, sie lege "Widerspruch, Beschwerde und Klagen" ein. Es dürfe ihr keine Instanz unterschlagen werden und es habe "eine Weiterreichung nach Kassel" zu erfolgen. Dieses Schreiben ist beim LSG per Telefax am 3.3.2023 und - nach Weiterleitung - am 15.3.2023 beim BSG eingegangen.

II

Der Senat wertet das Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 20.2.2023 als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Eine solche Beschwerde ist das einzige im Gesetz vorgesehene Rechtsmittel gegen die Entscheidung des LSG (vgl § 160a SGG).

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Klägerin kann ein Rechtsmittel vor dem BSG nicht selbst führen, sondern muss sich durch zugelassene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 73 Abs 4 SGG). Auf dieses Erfordernis hat die Rechtsmittelbelehrung (Seite 5 des LSG-Urteils) ausdrücklich hingewiesen. Der Vertretungszwang soll sicherstellen, dass das Verfahren in dritter Instanz, das der Gesetzgeber zur ausschließlich rechtlichen Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidungen in erster Linie im öffentlichen Interesse (Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung) eröffnet hat, von einer fachkundigen Person mit qualifizierten Kenntnissen des Rechts verantwortlich geführt wird. Das soll auch einen Beitrag dazu leisten, dass die personellen Ressourcen der Justiz effektiv eingesetzt werden können und nicht durch aussichtslose Verfahren blockiert werden (vgl BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 108/22 AR - juris RdNr 9). Bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am 3.3.2023 ist beim BSG keine Rechtsmittelschrift eines zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingegangen.

Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Körner

Gasser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15673505

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