Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 06.09.1991) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. September 1991 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nur dann Prozeßkostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, denn die von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten eingelegte und begründete Beschwerde des Klägers ist unbegründet, soweit sie nicht unzulässig ist.
Die Begründung der Beschwerde entspricht zum Teil nicht der in § 160a Abs 2 SGG vorgeschriebenen Form. Der Kläger macht von den in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründen ausdrücklich nur Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Der Kläger muß dafür die Tatsachen angeben, die den von ihm behaupteten Verfahrensmangel ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nrn 10, 14).
Der Kläger macht zum einen einen Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 2 SGG geltend. Er sieht einen Widerspruch und damit auch einen Mangel der Gründe des angefochtenen Urteils darin, daß das Landessozialgericht (LSG) zunächst angeordnet hatte, ein Sachverständiger solle bei der Ergänzung seines Gutachtens auch einen Schriftsatz des Klägers berücksichtigen, in den Entscheidungsgründen dann aber ausgeführt hat, daß es nicht notwendig sei, den Sachverständigen sein Gutachten nochmals unter Berücksichtigung dieses klägerischen Schriftsatzes ergänzen zu lassen. Der Verfahrensmangel ist damit nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger selbst trägt vor, daß das LSG begründet hat, weshalb die Einbeziehung der klägerischen Stellungnahme in die vom Gericht geforderte und vom Sachverständigen abgegebene Erläuterung und Ergänzung des Gutachtens nicht notwendig war. Der Kläger trägt nicht vor, daß diese Begründung in sich widersprüchlich ist, sondern sieht den Widerspruch allein darin, daß das LSG zur Notwendigkeit der Einbeziehung früher eine andere Auffassung vertreten hatte, denn es hatte den Sachverständigen zur Einbeziehung des klägerischen Schriftsatzes in seine ergänzende Stellungnahme aufgefordert. Damit hat der Kläger aber keinen Widerspruch der Begründung bezeichnet, sondern lediglich dargestellt, daß das LSG seine früher vertretene Auffassung zur möglichen Entscheidungserheblichkeit der Einbeziehung des klägerischen Schriftsatzes geändert hat. Mit dem vom Kläger bezeichneten Tatsachen ist auch kein sonstiger Verfahrensmangel bezeichnet. Das Gericht ist nicht verpflichtet, eine Beweisanordnung bzw einen Beweisbeschluß auch stets durchzuführen. Im Unterlassen einer zunächst von Amts wegen beschlossenen Beweisaufnahme liegt vielmehr für sich allein kein Verfahrensmangel (vgl BVerwG, Beschlüsse vom 26. August 1980 und 9. März 1989, Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nrn 128 und 207). Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt sich auch, daß das LSG den Kläger nicht überrascht hat, soweit es die Beweisaufnahme in Form einer weiteren ergänzenden Stellungnahme unter Einbeziehung des klägerischen Schriftsatzes unterlassen hat. Der Kläger selbst trägt vor, daß er das Gericht darauf hingewiesen habe, daß seiner Ansicht nach der Sachverständige noch zur Ergänzung seines Gutachtens unter Einbeziehung der klägerischen Stellungnahme aufgefordert werden müsse. Danach ist Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden und in Anwesenheit des Klägers und seines Prozeßbevollmächtigten verhandelt worden. Bei diesem Verfahrensablauf war für den Kläger offensichtlich, daß das LSG die vorher vom Berichterstatter angeordnete Ergänzung nicht mehr unbedingt für notwendig halten werde. Ein Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, § 128 Abs 2 SGG, den er darin sieht, daß das Gericht diese ergänzende Stellungnahme nicht abgewartet habe, ist deshalb auch nicht ausreichend bezeichnet.
Der Kläger hat auch einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet, soweit er rügt, daß das LSG seinem Beweisantrag nicht nachgekommen ist, den nach § 109 SGG benannten Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens mündlich zu hören. In seiner Beschwerdebegründung hat der Kläger insoweit allein auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Antrag Bezug genommen, diesen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens persönlich zu hören. Nur dieser Antrag ist damit in der Beschwerde hinreichend bezeichnet; dies reicht indes für eine formgerechte Bezeichnung nicht aus. Nach § 411 Abs 4 ZPO in der seit 1. April 1991 geltenden Fassung durch Art 1 Nr 27 Rechtspfleger-Vereinfachungsgesetz (Gesetz vom 17. Dezember 1990 BGBl I 2847) haben die Parteien dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Grundsätzlich ist deshalb ein erst in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Anhörung des Sachverständigen verspätet und unbeachtlich. Etwas anderes kann nur gelten, wenn erst in der mündlichen Verhandlung Umstände erkennbar werden, die eine Anhörung des Sachverständigen zu bestimmten Fragen notwendig machen. Dann kann ein Beweisantrag mit konkreten Beweisfragen gestellt werden.
Der Kläger hat ausweislich des Protokolls lediglich beantragt, den Sachverständigen zu hören. Konkrete Beweisfragen hat er nicht genannt. Er hat auch in der Beschwerdebegründung solche Beweisfragen nicht bezeichnet. Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung darüber hinaus auch nicht dargelegt, daß erst im Termin aufgrund neuen Vorbringens eines Beteiligten die Vernehmung des Sachverständigen notwendig geworden sei. Er weist lediglich darauf hin, er habe sich nicht vorstellen können, daß das Gericht hier eine Beweislastentscheidung treffen werde. Nachdem aber das Gericht den Sachverständigen Dr. Z. nach der von ihm vertretenen wissenschaftlichen Methode gefragt hatte, und der Sachverständige Dr. R. … in seiner Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen Dr. Z. auf die unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätze hingewiesen hatte, war erkennbar, daß unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze und Erfahrungen zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen in der Leistungsbeurteilung geführt hatten, wie dies Dr. R. … in seinem Gutachten herausgearbeitet hat.
Soweit der Kläger geltend macht, das LSG hätte sich nicht damit begnügen dürfen, eine ergänzende Stellungnahme von dem vom Gericht nach § 106 SGG beauftragten Sachverständigen zum Gutachten des nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen und eine Ergänzung des letztgenannten Gutachtens anzufordern, rügt er eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Auch insoweit ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger macht damit in der Sache geltend, das LSG hätte die eingeholten Beweise anders würdigen müssen und sich aufgrund der eingeholten Beweise anders entscheiden, möglicherweise zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung (§ 103 SGG) gedrängt sehen müssen. Auch die Abwägung einander widersprechender Gutachten geschieht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (vgl BSG SozR Nr 33 zu § 128 SGG). Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann aber die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden und auf die Verletzung des § 103 SGG nur, wenn ein Beweisantrag ohne zureichende Begründung abgelehnt worden ist. Die Gründe für seine Entscheidung unter Berücksichtigung der Gutachten hat das LSG angegeben. Einen Mangel der Begründung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 SGG behauptet auch der Kläger nicht.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor, soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe in den Entscheidungsgründen zumutbare Verweisungstätigkeiten aufgeführt, ohne ihn dazu vorher gehört zu haben. Das LSG selbst hat den Kläger allerdings nicht auf die von ihm beispielhaft im Urteil aufgeführten Verweisungstätigkeiten vor Erlaß des Urteils hingewiesen. Ein solcher Hinweis ergibt sich nicht aus den Akten. Es kann offenbleiben ob, angesichts der vom LSG angenommenen Verweisungsbreite, nämlich der Verweisung auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, der Kläger nicht schon hätte darlegen müssen, weshalb das LSG unter Berücksichtigung der bei dem Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen überhaupt konkrete Verweisungstätigkeiten benennen mußte. Das LSG mußte den Kläger jedenfalls nur dann auf eine in Betracht kommende Verweisungstätigkeit hinweisen, wenn diese nicht bereits Gegenstand des Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens war. Zu dem Gerichtsverfahren gehört auch das erstinstanzliche Verfahren. Der Kläger ist aber bereits von dem Sozialgericht (SG) in seinem Urteil vom 15. Dezember 1989 auf die Tätigkeiten eines Mitarbeiters in einer Poststelle eines größeren Industrieunternehmens oder eines Registraturarbeiters verwiesen worden. Auch das LSG hat ihn auf die Tätigkeiten eines Bürohelfers (zB Mitarbeiter in einer Poststelle) im öffentlichen Dienst oder in der Wirtschaft verwiesen. Diese Verweisungstätigkeiten waren dem Kläger deshalb bereits aus dem Urteil des SG bekannt. Ob hinsichtlich der weiteren vom LSG genannten Verweisungstätigkeiten der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehört verletzt ist, kann offenbleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen