Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. keine Verteilung des Einkommens. minderjährige bzw volljährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft
Orientierungssatz
Das BSG hat zu der bis zum 30.6.2006 geltenden Rechtslage bereits entschieden, dass aus § 9 Abs 2 S 1 und 2 SGB 2 iVm § 7 Abs 3 Nr 3 und 4 SGB 2 folgt, dass Einkommen des Kindes nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 S 3 SGB 2 ansteht (vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R = SozR 4-4200 § 9 Nr 4). Die Entscheidung betrifft zwar auf Grundlage der alten Rechtslage lediglich minderjährige Kinder. § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 ist aber an die zum 1.7.2006 geänderte Rechtslage angepasst worden und gilt nunmehr (im Übrigen unverändert) auch für volljährige, unverheiratete Kinder.
Normenkette
SGB 2 § 9 Abs. 2 Fassung: 2003-12-24, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2006-03-24, S. 2 Fassung: 2006-03-24, S. 3 Fassung: 2006-03-24; SGB 2 § 7 Abs. 3 Fassung: 2004-07-30; SGB 2 § 7 Abs. 3 Nr. 3 Fassung: 2006-03-24, Nr. 4 Fassung: 2006-03-24
Verfahrensgang
Tatbestand
Einen Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit ab dem 1. Dezember 2006 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die 1987 geborene Klägerin zu 1 sei zwar erwerbsfähig, aber unter Berücksichtigung ihres Einkommens (Kindergeld und Unterhalt) nicht hilfebedürftig. Die beiden anderen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft, nämlich ihre Mutter, die Klägerin zu 2, und ihr 1997 geborener Bruder, der Kläger zu 3, seien nicht erwerbsfähig. Eine Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1, über die allein Ansprüche nach dem SGB II vermittelt werden könnten, bestehe mangels deren Hilfebedürftigkeit nicht (Bescheid vom 14. Dezember 2006; Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2007).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Koblenz hat nach Beiladung des Sozialhilfeträgers die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen zu 1 und 2 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 434 Euro monatlich ab dem 1. Dezember 2006 zu gewähren (Urteil vom 5. Juli 2007). Die Klage im Übrigen hat es abgewiesen. Die Klägerin zu 1 sei entgegen der Auffassung der Beklagten hilfebedürftig, was es im Einzelnen dargelegt hat. Damit ergäben sich auch Ansprüche auf Sozialgeld für die nicht erwerbsfähige Mutter, die Klägerin zu 2. Lediglich der Kläger zu 3 könne seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken und gehöre also nicht der Bedarfsgemeinschaft an.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Kläger, der sich die Beigeladene angeschlossen hat, hat das LSG unter Änderung des Urteils des SG und der angefochtenen sowie der zwischenzeitlich ergangenen Bescheide der Beklagten diese zur Gewährung höherer Leistungen an die Kläger für die Monate Dezember 2006 bis April 2007, Juni 2007 und Oktober 2007 bis März 2008 verurteilt und dabei antragsgemäß wegen der Berechnung im Einzelnen auf eine Probeberechnung der Beklagten Bezug genommen. Es hat zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Klägerin zu 1 sei in den genannten Monaten hilfebedürftig. Der Klägerin zu 2 stehe entgegen der Auffassung des SG die Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu, denn sie sei alleinstehend im Sinne des § 20 Abs 2 und 3 SGB II in der seit dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung. Daraus ergäben sich höhere Leistungen als vom SG angenommen, wie dies im Einzelnen den von der Beklagten vorgelegten Berechnungen zu entnehmen sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil hat die Beigeladene Beschwerde eingelegt und sich dagegen gewandt, dass eine Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Sozialgeld an die Klägerin zu 2 für die Monate Mai 2007 und Juli bis September 2007 nicht erfolgt sei. Die Klägerin zu 1 bilde mit der Klägerin zu 2 nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft, ohne dass hierfür Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 1 gefordert werde. Somit habe die Klägerin zu 2 einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II. Alternativ bestimme sich die Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 SGB II. Nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II werde eine Person, die ihren eigenen Bedarf decken könne, über die Zurechnung zur Bedarfsgemeinschaft hilfebedürftig und damit anspruchsberechtigt nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Das LSG habe in der angefochtenen Entscheidung hierzu nichts ausgeführt, sondern sich lediglich auf die Berechnungen der Beklagten bezogen. Die grundsätzliche Bedeutung liege darin, dass noch keine höchstrichterliche Entscheidung hierzu ergangen sei und durch das vorliegende Verfahren abschließend geklärt werde, welcher Sozialleistungsträger für die Hilfegewährung an Personen wie die Klägerin zu 2 sachlich zuständig sei.
Die Beklagte trägt vor, das Urteil des LSG enthalte zwar insoweit keine ausführliche Begründung, habe aber geklärt, dass über ein erwerbsfähiges, nicht hilfebedürftiges Kind eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II nicht begründet werde und also in den mit der Nichtzulassungsbeschwerde noch angegriffenen Zeiträumen Ansprüche der Klägerin zu 2 nur nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestehen könnten.
Die Kläger haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind. Die Beschwerde war daher ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG).
Die Beigeladene hat die von ihr allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beigeladene formuliert sinngemäß die Rechtsfrage, "ob nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II auch ein erwerbsfähiges, unter 25jähriges Kind, das mit seinem nicht erwerbsfähigen Elternteil in einem Haushalt lebt und seinen eigenen Bedarf durch eigenes Einkommen decken könne, über die Verteilung seines Einkommens zugunsten der Bedarfsgemeinschaft hilfebedürftig und damit anspruchsberechtigt nach § 7 Abs 1 SGB II werde". Sie hat es jedoch versäumt, die abstrakte Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage aufzuzeigen. Das BSG (SozR 4-4200 § 9 Nr 4) hat zu der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Rechtslage bereits entschieden, dass aus § 9 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II iVm § 7 Abs 3 Nr 3 und 4 SGB II folgt, das Einkommen des Kindes nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II ansteht. Die Entscheidung betrifft zwar auf Grundlage der alten Rechtslage lediglich minderjährige Kinder. § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ist aber an die zum 1. Juli 2006 geänderte Rechtslage angepasst worden und gilt nunmehr (im Übrigen unverändert) auch für volljährige, unverheiratete Kinder. Inwiefern auf Grundlage dieser Rechtsprechung und der nunmehr geltenden Rechtslage die aufgeworfene Frage gleichwohl noch ungeklärt sein sollte, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Im Übrigen fehlen auch Darlegungen zur konkreten Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage im vorliegenden Rechtsstreit. Die Beigeladene hat es unterlassen aufzuzeigen, inwieweit sie durch das Urteil des LSG beschwert ist. Vorliegend hat sich die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ausdrücklich dem Antrag der Kläger angeschlossen, die ihrerseits in ihrem Antrag die Probeberechnungen des Beklagten in Bezug genommen haben. Aus den in Bezug genommenen Probeberechnungen der Beklagten, die diese unter Beachtung bestimmter rechtlicher Vorgaben des LSG durchgeführt hatte, ging hervor, dass für die Monate, in denen die Klägerin zu 1 ein Erwerbseinkommen in bestimmter Höhe bezog, ein Anspruch nicht bestehen würde. Der Sache nach haben die Kläger (und dem folgend auch die Beigeladene) mit ihrem Antrag einen Anspruch für Mai 2007 und Juli bis September 2007 damit nicht mehr weiterverfolgt. Da das LSG mit seiner Verurteilung dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Kläger und der Beigeladenen in vollem Umfang entsprochen hat, hätte es einer besonderen Begründung bedurft, warum die von der Beigeladenen angestrebte Klärung in einem durchzuführenden Revisionsverfahren dennoch erfolgen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen