Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsebschwerde. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Unrichtigkeit einer Entscheidung, Einzelfall
Leitsatz (redaktionell)
Die vermeintliche Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall vermag die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht zu begründen:
Normenkette
SGG §§ 73a, 103, 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3; ZPO §§ 114, 121; SGB X § 44; SGB VI § 300 Abs. 5, § 306 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
SG Würzburg (Entscheidung vom 18.12.2018; Aktenzeichen S 2 R 922/16) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 28.07.2020; Aktenzeichen L 19 R 155/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt M beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen kann. Angefochten ist ein Ausführungsbescheid zu einem vor dem SG am 2.3.2016 geschlossenen Vergleich. Mit Urteil vom 28.7.2020 hat das Bayerische LSG einen solchen Anspruch verneint und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 18.12.2018 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel bzw "die weiteren Rechtsgründe gem. § 160 II Ziff. 2, 3 SGG" geltend gemacht (Schriftsätze vom 27.8., 29.9. bzw 2.10.2020). Zudem hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Es werden keine der in § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG genannten Gründe für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff).
Es fehlt bereits an der Formulierung einer aus sich heraus verständlichen abstrakten Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht, auf deren Grundlage die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge geprüft werden könnten (vgl BSG Beschluss vom 21.1.2020 - B 12 KR 64/19 B - juris RdNr 6 mwN; BSG Beschluss vom 19.8.2020 - B 13 R 145/19 B - juris RdNr 12). Der Kläger trägt insoweit vor: "Als Verletzung von grundsätzlicher Bedeutung wird gerügt, dass die Beklagte im Rahmen der Ausführung des Vergleichs vom 02.03.2016 mit Bescheid vom 23.08.2016 nicht neben der reinen Gewährung der Rente für die Vergangenheit ab 01.11.2020 geprüft hat, ob die absolut neue Sachlage aufgrund des Gutachten F nicht bedeuten muss, dass Zeiträume vor dem 01.01.2011 liegen und die entsprechend dem Versicherungsverlauf zum Teil ab 01.04.2005 als Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug und 01.04.2006 als Pflichtbeitragszeit Arbeitslosengeld II mit Arbeitslosigkeit, 01.10.2006 bis 30.03.2007 als Pflichtbeitragszeit berechnet sind, ab 01.04.2007 als Pflichtbeitragszeit Arbeitslosengeld II mit Arbeitslosigkeit, dies dann einschließlich 31.12.2010 nicht zum Teil Arbeitsunfähigkeitszeiten sein müssen, weil eine völlig neue Gesundheitssituation durch das Gutachten F geschaffen wurde." Abgesehen davon, dass sich der Sinngehalt dieses Satzes nur schwer erschließt, betrifft er, ebenso wie alle nachfolgenden Ausführungen, ausschließlich den Fall des Klägers. Die vermeintliche Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall vermag die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht zu begründen (vgl BSG Beschluss vom 6.8.2020 - B 5 RS 7/20 B - juris RdNr 6).
An der Formulierung einer aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage mangelt es auch, soweit der Kläger im Schriftsatz vom 29.9.2020 ergänzend vorträgt, es stehe die Anwendbarkeit des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes im Zentrum der Diskussion und die Argumentation im Berufungsurteil hierzu erscheine verfehlt. Die Beschwerdebegründung legt zudem nicht dar, inwiefern unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Rechtsprechung des BSG zu dem im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 SGB X maßgeblichen Rentenrecht nach zwischenzeitlichen Rechtsänderungen noch weiterer Klärungsbedarf besteht (vgl zuletzt BSG Urteil vom 26.2.2020 - B 5 R 21/18 R - juris RdNr 16, 31, zur Veröffentlichung in SozR 4-6555 Art 25 Nr 1 vorgesehen; zu Rechtsänderungen in Bezug auf die Rentenhöhe s auch § 300 Abs 5 iVm § 306 Abs 1 SGB VI).
Soweit der Kläger eine Verletzung von § 103 SGG rügt, fehlt es an der Bezeichnung eines Beweisantrags, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 5 R 161/20 B - juris RdNr 6 mwN).
Für die Rüge, das LSG hätte dem Kläger für den Termin am 28.7.2020 einen Anwalt bestellen müssen, wird ein bundesgesetzlicher Anknüpfungspunkt nicht deutlich. Der Kläger trägt selbst vor, dass ein Antrag nach § 73a SGG nicht gestellt worden sein dürfte. Soweit er eine allgemeine Fürsorgepflicht aus "entsprechende(n) Fürsorgegesetzen" und "auch aus der Verfassung Art. 3 III Satz 2 GG" herleitet, mangelt es an jeder näheren Begründung.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde bietet - wie bereits ausgeführt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14226171 |