Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 18.05.2022; Aktenzeichen S 3 KR 35/21) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.11.2023; Aktenzeichen L 5 KR 138/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. November 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Beendigung eines Krankengeldwahltarifs.
Die 1971 geborene Klägerin ist selbstständige Friseurmeisterin und seit 2004 freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse bzw deren Rechtsvorgängerin. Sie leidet an chronischen Erkrankungen und ist als schwerbehinderte Person anerkannt. Zum 1.1.2016 wählte die Klägerin einen von der Beklagten in ihrer Satzung angebotenen Wahltarif mit einem Anspruch auf ein kalendertägliches Krankengeld iHv 180 Euro und kündigte ihre bis dahin bestehende private Krankentagegeldversicherung bei der B. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass die Kostenkalkulation des Wahltarifs nicht tragfähig war, änderte der Verwaltungsrat mit Beschluss vom 14.10.2020 die entsprechende Vorschrift in der Satzung zum 1.1.2021. Seither können die hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen ein kalendertägliches Krankengeld von maximal 50 Euro wählen. Im Dezember 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der bisherige Krankengeldwahltarif zum 31.12.2020 ende. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben mit den Anträgen, den Bescheid der Beklagten aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte über den 31.12.2020 hinaus verpflichtet sei, ihr Risiko gegen Arbeitsunfähigkeit abzusichern bzw absichern zu lassen habe, das einer Absicherung mit einem kalendertäglichen Krankengeld iHv 180 Euro wirtschaftlich gleichkomme. Hiermit ist die Klägerin in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung unter teilweisem Verweis auf die Entscheidungsgründe der vorinstanzlichen Entscheidung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden. Der von der Klägerin gewählte Wahltarif sei durch die wirksame Satzungsänderung zum 31.12.2020 beendet worden. Sie habe keinen Anspruch auf dessen Fortführung oder das Angebot für einen vergleichbaren Schutz. Die Möglichkeit der vollständigen Schließung freiwilliger Krankengeldwahltarife seitens der Krankenkasse ergebe sich bereits aus dem Gesetz(Verweis auf§ 53 Abs 9 und Abs 6 Satz 1,§§ 194 ff SGB V ) . Grenzen für die Beendigung ergäben sich lediglich aus dem verfahrensrechtlichen Rückwirkungsverbot; diese seien hier eingehalten. Für die von der Klägerin begehrte Weiterversicherung gebe es keine rechtliche Grundlage. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen insoweit nicht vor. Die Klägerin mache geltend, dass sie bei einer umfassenden Information über die Möglichkeit einer einseitigen Beendigung 2016 nicht in den Krankengeldwahltarif gewechselt wäre, sondern die private Krankentagegeldversicherung unverändert fortgeführt hätte. Dieser Zustand liege außerhalb der Zuständigkeit der Beklagten und könne schon deshalb von ihr nicht durch eine Amtshandlung hergestellt werden. Für die alternativ begehrte Fortführung des Wahltarifs fehle es an der erforderlichen gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Grundlage. Für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen sei die Klägerin auf den Rechtsweg zu den Zivilgerichten verwiesen.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.
Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) , muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist(vgl zBBSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses MaßstabsBVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN) . Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
1. Die Klägerin formuliert folgende Frage:
"Hat die gesetzliche Krankenversicherung beim Zusammenwirken mit einem Kooperationspartner im Sinne des§ 194 Abs. 1a SGB V auf dem Gebiet des Krankengeldes im Falle einer auf Satzungsänderung beruhenden Beendigung eines Wahltarifs Krankengeld im Sinne des§ 53 SGB V sicherzustellen, dass den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen dadurch Rechnung getragen wird (§ 2a SGB V ), dass dieser Personenkreis gegen das Risiko gegen Arbeitsunfähigkeit adäquat abgesichert bleibt?"
2. Hierbei handelt es sich schon nicht um eine hinreichend konkrete abstrakte Rechtsfrage.
Die Konkretisierung setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "kann sein" hinausläuft(stRspr; vgl zBBSG vom 11.11.2019 - B 1 KR 87/18 B - juris RdNr 6 mwN;BSG vom 27.1.2020 - B 8 SO 67/19 B - RdNr 10 ) . Die Frage der Klägerin ist aber insbesondere im Hinblick auf das Merkmal "adäquat abgesichert bleibt" und das "Zusammenwirken mit einem Kooperationspartner im Sinne des§ 194 Abs. 1a SGB V " so allgemein gehalten, dass ihre Beantwortung eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen würde. Sie könnte offensichtlich nicht losgelöst von näher zu differenzierenden Sachverhaltskonstellationen beantwortet werden. Eine in dieser Weise unkonkrete Frage kann jedoch gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein(vgl hierzu auchBSG vom 1.3.2018 - B 8 SO 104/17 B - juris RdNr 8 ) .
3. Darüber hinaus fehlt es jedenfalls auch an Darlegungen zur Klärungsfähigkeit.
Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist(vglBSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20 ; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses MaßstabsBVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8) . Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG(§ 163 SGG ) festgestellt hat(vglBSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN) .
Gegenstand des Klageverfahrens war die (satzungsmäßige) Beendigung des Krankengeldwahltarifs durch die Beklagte. Die Klägerin macht allerdings selbst geltend, dass sie bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung 2016 gar nicht erst in den Wahltarif gewechselt wäre. Die Sicherstellung der "adäquaten" Absicherung der Arbeitsunfähigkeit, die die Klägerin in der Sache begehrt und auf die die formulierte Frage abzielt, hätte demgemäß nicht allein durch eine - ggf mit§ 53 Abs 9 SGB V und/oder der Satzungsautonomie der Beklagten nicht zu vereinbarende(vgl zur Möglichkeit der Einstellung von Wahltarifen Heberlein in BeckOK SozR, SGB V, § 53 RdNr 42, Stand 1.12.2023; vgl auch§ 406 SGB V ) - Fortführung des Krankengeldwahltarifs erfolgen können, sondern insbesondere auch dadurch, dass der Klägerin seinerzeit geraten worden wäre, nicht in den Wahltarif zu wechseln oder mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen ein vertragliches Rückkehrrecht für den Fall einer Beendigung oder Änderung des Krankengeldwahltarifs ohne (erneute) Gesundheitsprüfung zu vereinbaren. Inwiefern darüber in dem vorliegenden Rechtsstreit entschieden werden könnte, legt die Klägerin nicht dar. Anlass hierzu hätte aber schon deshalb bestanden, weil das LSG näher ausgeführt hat, dass die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorgelegen haben und Schadensersatzansprüche wegen Amtshaftung (ebenso wie solche aus vertraglicher Nebenpflichtverletzung gegen die B) vor den Zivilgerichten hätten geltend gemacht werden müssen.
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des§ 193 SGG .
Scholz |
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Matthäus |
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Bockholdt |
Fundstellen
Dokument-Index HI16283320 |