Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung des Verfahrensmangels
Orientierungssatz
Ein Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhen kann, ist nicht schlüssig dargetan, wenn der Kläger vorträgt, das LSG habe sich gedrängt fühlen müssen, seinem Beweisantrag auf Vernehmung medizinisch nicht vorgebildeter Personen zu gesundheitlichen Fragen zu folgen.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.05.1989; Aktenzeichen L 10 Ub 1663/80) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls (Verkehrsunfalls) vom 13. August 1975 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 31. August 1976 hinaus und nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH zu gewähren, teilweise ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 21. Oktober 1977; Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juli 1980 und des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 18. Mai 1989). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall eine Platzwunde am Hinterkopf, eine Gehirnerschütterung und eine Distorsion der Halswirbelsäule mit einer knöchernen Verletzung in Form einer Bogenwurzelfraktur C3 links erlitten habe und daß die dadurch vorhandenen funktionellen Beeinträchtigungen eine MdE um 20 vH bedingten.
Zur Begründung seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger als Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) geltend, das LSG sei seinen Beweisanträgen nicht gefolgt und habe den Sachverhalt bezüglich der psychischen Unfallfolgen mangelhaft aufgeklärt. Außerdem sei das LSG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bezüglich der Beurteilung der MdE und auch der Wertung psychischer Unfallfolgen abgewichen. Ferner beantragt der Kläger die Gewährung von Prozeßkostenhilfe sowie die Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten.
Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe setzt nach § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ua voraus, daß die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall, weil sich die Beschwerde als unzulässig erweist. Sie entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form. Die vom Kläger vorgetragenen Zulassungsgründe sind nicht schlüssig dargelegt (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 24; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44).
1.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) sowie auf eine Verletzung des § 103 SGG (richterliche Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt.
Die Regelung, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 109 SGG nicht gestützt werden kann, gilt ausnahmslos (BSG SozR 1500 § 160 Nr 34). Soweit der Beschwerdeführer daneben eine Verletzung des § 103 SGG sieht, hat er keinen Zulassungsgrund formgerecht bezeichnet. Denn dafür hätte er einen Beweisantrag nach § 103 SGG genau bezeichnen müssen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (s BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Daran fehlt es der Beschwerde ebenfalls. Die Revision ist nicht zuzulassen, wenn sich die behauptete Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG auf einen Beweisantrag bezieht, der nicht darauf, sondern auf das Recht des Klägers nach § 109 SGG gestützt ist. Ein Beweisantrag nach § 109 SGG enthält nicht immer einen Beweisantrag nach § 103 SGG (BSG SozR 1500 § 160 Nr 67 sowie Beschluß des Senats vom 28. Juli 1989 - 2 BU 100/89 -).
2.
Soweit der Kläger ferner als Verfahrensfehler eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG bezüglich der psychischen Unfallfolgen rügt, fehlt es bereits an der Bezeichnung des Beweisantrages, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
3.
Soweit der Kläger ferner vorträgt, das LSG habe sich gedrängt fühlen müssen, seinem Beweisantrag auf Vernehmung der Nachbarn und seiner Familienangehörigen zu folgen, ist ein Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhen kann, ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Der Kläger hat in seinem Beweisantrag zu 1. vom 18. Mai 1989 die Vernehmung dieser Zeugen zu gesundheitlichen Beschwerden und im Ergebnis zu medizinischen Fragen beantragt (ua daß er infolge des Arbeitsunfalls täglich an Schmerzen leide, die vom Nacken über den Hinterkopf bis zu den Augen ausstrahlten, daß wechselnde Schmerz- und Unsicherheitsgefühle beim raschen Lagewechsel, zB beim Aufstehen, besonders aber bei zügiger Bewegung des Kopfes nach vorn und hinten entstünden, daß er morgens unausgeschlafen sei und sich wie zerschlagen fühle). Inwiefern diese medizinisch nicht vorgebildeten Personen hierzu beweiserhebliche Angaben, vor allem auch über die eingehenden Beschwerdeschilderungen des Klägers in den zahlreichen Gutachten hinaus hätten machen können, trägt die Beschwerde nicht vor. Nicht anders verhält es sich mit der Behauptung, diese Zeugen könnten als medizinische Laien Beurteilungen darüber abgeben, daß der Kläger infolge der genannten Beeinträchtigungen die in der Landwirtschaft und Imkerei erforderlichen körperlichen Arbeiten nicht mehr durchführen könne.
4.
Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welcher genau bestimmten, entscheidungserheblichen Aussage das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten Aussage des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (s BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 54). Auch daran fehlt es der Beschwerde.
a)
Eine Abweichung von der Entscheidung des BSG vom 30. Mai 1988 (NZA 1988, 820 = SozR 2200 § 581 Nr 28) ist schon deshalb nicht ausreichend dargetan, weil der Kläger selbst vorträgt, das LSG habe die in dieser Entscheidung aufgestellte "Vorgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beachtet und daher den Einzelfall falsch entschieden". Gegenstand des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die Frage, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Gerade aber dies macht der Kläger im Kern zum Gegenstand seiner Beschwerde.
b)
Ebensowenig hat der Kläger eine Abweichung zu dem Urteil des BSG vom 5. August 1987 (SGb 1988, 297 = SozR 2200 § 581 Nr 26) ausreichend dargetan. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, inwieweit das LSG von einer genau bestimmten Aussage des BSG zur Feststellung psychischer Unfallfolgen abgewichen ist (s BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 54). Vielmehr bezeichnet der Kläger selbst sein Zitat aus dem angefochtenen Urteil (s S 23) "quasi als Rechtssatz". Davon abgesehen legt die Beschwerde nicht dar, mit welcher konkreten Aussage des BSG in dieser angeführten Entscheidung das angefochtene Urteil in unvereinbarer Weise abgewichen sein soll.
5.
Die übrigen Rügen des Klägers betreffen eine nach seiner Ansicht unzutreffende Verwertung und Würdigung der vorhandenen Beweise (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Auf diese Verfahrensrüge kann, wie bereits dargetan, die Beschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG). Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen