Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 25.07.2018; Aktenzeichen S 13 SB 494/15) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 12.01.2021; Aktenzeichen L 9 SB 124/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. Januar 2021 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wehrt sich in der Hauptsache gegen den Entzug des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Mit Bescheid vom 15.3.2000 hatte der Beklagte beim Kläger ua wegen einer Hüftkopfnekrose einen GdB von 50 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen G festgestellt.
Im Jahr 2015 hob der Beklagte den Bescheid mit Wirkung ab 30.3.2015 hinsichtlich des Merkzeichens G auf, weil sich der gesundheitliche Zustand des Klägers verbessert habe (Bescheid vom 25.3.2015, Widerspruchsbescheid vom 4.9.2015).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der beweispflichtige Beklagte habe den Beweis dafür erbracht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse durch die beim Kläger im Jahr 2011 erfolgreich durchgeführte Hüftoperation wesentlich verbessert hätten (Urteil vom 12.1.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt L aus D beantragt. Das LSG habe die Beweismaßstäbe verkannt. Es habe ihm zu Unrecht die Beweislast für den Fortbestand seiner gesundheitlichen Einschränkungen auferlegt. Damit sei es von der Rechtsprechung des BSG abgewichen (Hinweis auf Urteile des BSG vom 28.6.2000 - B 9 VG 3/99 R - SozR 3-3900 § 15 Nr 3 und vom 5.5.1993 - 9/9a RV 1/92 - SozR 3-3100 § 38 Nr 2).
II
1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier bereits (s dazu unter 2.). Schon aus diesem Grund kommt die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig.
Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der Kläger die allein behauptete Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG einander gegenüberzustellen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 18.10.2021 - B 9 V 29/21 B - juris RdNr 10 mwN). Hinreichend genau dargelegt ist die Divergenz nur dann, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (BSG Beschluss vom 31.8.2021 - B 9 V 64/20 B - juris RdNr 2 mwN).
An einer solchen genauen Bezeichnung eines abweichenden Rechtssatzes aus der Entscheidung des LSG fehlt es hier bereits (vgl hierzu BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 9). Der Kläger will dem LSG-Urteil den Rechtssatz entnehmen, der Behinderte trage die Beweislast dafür, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert hätten. Demgegenüber führt das LSG im angefochtenen Urteil aus, nicht der Kläger, sondern der Beklagte sei für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse beweispflichtig. Diesen Beweis habe er aber erbracht. Angesichts dieser Ausführungen des LSG, auf welche der Kläger in seiner Beschwerdebegründung selbst hinweist (S 2 mit Bezugnahme auf S 15 des LSG-Urteils), hätte es notwendig weiterer Darlegungen bedurft, aus welchen von ihm genau zu bezeichnenden Passagen des Berufungsurteils sich der von dem Kläger gleichwohl behauptete gegenteilige Rechtssatz ergeben soll. Dies versäumt er jedoch. Selbst wenn der Kläger einen konkludent, dh verdeckt aufgestellten Rechtssatz behaupten wollte, hätte er darlegen müssen, dass dieser Rechtssatz sich nicht erst nachträglich logisch induktiv aus dem Entscheidungsergebnis herleiten lässt, sondern dass dieses Ergebnis deduktiv aus dem Rechtssatz folgt, der in der Entscheidung zweifellos enthalten ist (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2017 - B 10 ÜG 15/17 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 12 KR 42/11 B - juris RdNr 8, jeweils mwN). Auch hierzu enthält die Beschwerdebegründung nichts. Es ist aber nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich einen abweichenden tragenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil des LSG selbst herauszusuchen.
Letztlich wendet sich der Kläger mit seinem Vortrag insbesondere zu den Ergebnissen seiner im Klageverfahren erfolgten Begutachtung und der daraus resultierenden Einschätzung seines Gehvermögens durch den Sachverständigen gegen die Beweiswürdigung des LSG, die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG indes der Beurteilung durch das Beschwerdegericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (BSG Beschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15020179 |