Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 01.03.2021; Aktenzeichen S 22 R 1256/19) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen L 5 R 160/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahr 1955 geborene Kläger begehrt die Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltpunkte (1,0 statt 0,75 Entgeltpunkte ≪EP≫ pro Kalenderjahr) für die Zeit seines bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR abgeleisteten Wehrdienstes (2.5.1974 bis 31.10.1975) bei seiner Altersrente.
Klage und Berufung gegen die ablehnenden Entscheidungen des beklagten Rentenversicherungsträgers sind ohne Erfolg geblieben (Rentenbescheid vom 13.8.2019, Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019, Gerichtsbescheid des SG vom 1.3.2021, Urteil des LSG vom 25.1.2022). Das LSG hat ausgeführt, die Bewertung der Wehrdienstzeit des Klägers sei nach der Regelung in § 256a Abs 4 SGB VI zur Ermittlung von EP für Zeiten im Beitrittsgebiet erfolgt. Die Vorschrift verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Bewertung von Wehrdienstzeiten, die vor dem 1.1.1992 im Beitrittsgebiet abgeleistet worden seien, mit 0,75 EP je Kalenderjahr entspreche der Bewertung von Wehrdienstzeiten in den alten Bundesländern, die ab dem 1.1.1982 zurückgelegt und für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt worden seien. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, die Wehrdienstzeiten in der DDR vor dem 1.1.1982, für die keine Beiträge abgeführt worden seien, in der gesetzlichen Rentenversicherung gleich hoch zu bewerten wie die in dieser Zeit in der Bundesrepublik Deutschland mit Beitragszahlung zurückgelegten Wehrdienstzeiten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise dargelegt. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff). Daran fehlt es hier.
Der Kläger formuliert folgende Rechtsfrage:
"Verstößt die Vorschrift des § 256a Abs. 4 SGB VI gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn für den Zeitraum des Wehrdienstes im Beitrittsgebiet für die Zeit vom 01.05.1961 bis zum 31.12.1981 für jedes volle Kalenderjahr nur 0,75 Entgeltpunkte berücksichtigt werden, statt 1,0 Entgeltpunkte gem. § 256 Abs. 3 SGB VI?"
Er legt jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dar. Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darstellen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN). Dem wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.
Er zeigt mit seinen Ausführungen zu Art 3 Abs 1 GG zwar auf, warum er selbst die Regelung in § 256a Abs 4 SGB VI für verfassungswidrig hält. Dabei stellt er maßgeblich darauf ab, dass nach einfachem Recht Wehrdienstleistende sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR von ihrem Wehrsold selbst keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt hätten und dass nach § 248 Abs 1 SGB VI Wehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet trotz fehlender Beitragszahlung als Pflichtbeitragszeiten zu berücksichtigen seien. Hieraus schlussfolgert er, es müsse dann auch die Bewertung dieser Pflichtbeitragszeiten in derselben Höhe erfolgen. Auf die vom LSG in Bezug genommene Rechtsprechung des BVerfG zur besonders großen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche geht er jedoch nicht einmal ansatzweise ein (vgl BVerfG Urteil vom 28.4.1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 52; BVerfG Beschluss vom 21.11.2001 - 1 BvL 19/93 ua - BVerfGE 104, 126, 147 = SozR 3-8570 § 11 Nr 5 S 50 f; BVerfG Beschluss vom 12.2.2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218, 246; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.1.2005 - 1 BvR 286/04 - SozR 4-3100 § 84a Nr 5 RdNr 12 = juris RdNr 15; BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 ua - BVerfGE 112, 368, 401 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 54 = juris RdNr 98; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 30.8.2005 - 1 BvR 616/99 ua - SozR 4-2600 § 256a Nr 1 RdNr 33 = juris RdNr 37).
Das BVerfG geht in den genannten Entscheidungen davon aus, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, im Rahmen der Rentenüberleitung die Berechtigten aus Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt (vgl BVerfG Urteil vom 28.4.1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 40 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 53; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 30.8.2005 - 1 BvR 616/99 ua - SozR 4-2600 § 256a Nr 1 RdNr 45 = juris RdNr 49). Der Kläger stellt in seiner Beschwerdebegründung nicht dar, weshalb der Gesetzgeber verfassungsrechtlich dennoch verpflichtet sein könnte, Wehrdienstzeiten in der NVA der DDR im gesamtdeutschen Rentenrecht in identischer Höhe zu bewerten wie die zu derselben Zeit in der Bundeswehr zurückgelegten Wehrdienstzeiten. Ebenso wenig befasst er sich damit, dass die von ihm geforderte Anwendung der nach Zeitabschnitten (entsprechend der Höhe der tatsächlichen Beitragsabführung) differenzierenden Regelung für Wehrdienstzeiten in den alten Bundesländern (§ 256 Abs 3 SGB VI) auch auf in der DDR abgeleistete Wehrdienstzeiten zu neuen Verwerfungen innerhalb der Gruppe derjenigen Versicherten, die in der NVA unter denselben rentenrechtlichen Bedingungen ihren Wehrdienst absolviert haben, führen würde.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring Gasser Körner
Fundstellen
Dokument-Index HI15274508 |