Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 24.06.1993) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 1993 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt mit Wirkung vom 22. Dezember 1987 die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten.
Der frühere Arbeitgeber des Klägers – der Beigeladene – kündigte das Arbeitsverhältnis mit einem dem Kläger am 23. Februar 1988 zugegangenen Schreiben zum 30. Juni 1988. Die Hauptfürsorgestelle war nicht eingeschaltet worden. Auf Antrag des Klägers vom 22. Dezember 1987, von dem er dem Beigeladenen im März 1988 Kenntnis gab, setzte das zuständige Versorgungsamt den Grad seiner Behinderung (GdB) mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 11. April 1988 auf 40 vH fest. Auf seinen Antrag vom 18. April 1988 stellte die Beklagte den Kläger mit ebenfalls bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 20. Juni 1988 mit Wirkung vom 18. April 1988 einem Schwerbehinderten gleich. Auf erneuten Antrag des Klägers setzte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 20. Oktober 1988 den GdB wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse ab 7. Juni 1988 auf 50 vH fest. Mit Bescheid vom 29. September 1989 stellte es diesen GdB bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1988 fest. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1989 bestätigte es dem Kläger zudem, daß er bereits am 22. Dezember 1987 den Antrag auf Feststellung des GdB gestellt hatte.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 1988 gab die Beklagte dem Antrag des Klägers statt, die Gleichstellung bereits mit Wirkung ab 21. Dezember 1987 zu datieren. Auf den Widerspruch des Arbeitgebers des Klägers änderte sie jedoch den Beginn der Rückwirkung mit Bescheid vom 11. Mai 1989 wieder auf den 18. April 1988 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1989 bestätigte sie diese Auffassung.
Inzwischen hatte der Kläger beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben, die jedoch erfolglos blieb. Das Landesarbeitsgericht (LAG) gab der Berufung des Klägers mit Urteil vom 18. Dezember 1989 statt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen (Urteil vom 16. August 1991 – 2 AZR 241/90 –): Der Sonderkündigungsschutz des § 15 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) komme in dem besonders gelagerten Fall des Klägers nicht zum Zuge.
Insbesondere habe er innerhalb der dafür vorgesehenen einmonatigen Frist nach Zugang der Kündigung nicht die Korrektur des seine Schwerbehinderteneigenschaft verneinenden Bescheides des Versorgungsamts vom 11. April 1988 betrieben, sondern diesen Bescheid ebenso wie den Gleichstellungsbescheid vom 20. Juni 1988 mit Wirkung vom 18. April 1988 bestandskräftig werden lassen. Innerhalb der Regelfrist habe sich der Kläger deshalb nicht auf das Feststellungsverfahren berufen können. Für die Hauptfürsorgestelle habe damit zunächst ihre Unzuständigkeit für eine Zustimmung zur Kündigung des Klägers bindend festgestanden. Diese Rechtslage könne nicht durch ein Verfahren nach § 48 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – rückwirkend verändert werden.
Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1989 begehrte, wies das Sozialgericht (SG) wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab. Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) als unzulässig verworfen und die Revision nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig; ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach muß in der Beschwerdebegründung der behauptete Verfahrensmangel bezeichnet oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Das ist nicht in hinreichendem Maße geschehen.
Als Verfahrensmangel rügt der Kläger, daß das LSG ein Prozeßurteil statt richtigerweise ein Sachurteil erlassen hat, weil die Berufung nicht bereits nach § 144 Abs 1 SGG in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung (aF) ausgeschlossen sei. Danach ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen oder auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten).
Der Kläger hätte der ihm obliegenden Bezeichnungspflicht insoweit nur genügt, wenn – ua – dieser Verfahrensmangel tatsächlich vorläge. Das kann hier freilich offenbleiben, denn läge er vor, bedarf es weiterhin der Darlegung, daß die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn das LSG das Rechtsmittel nicht unter Berufung auf § 144 Abs 1 SGG aF hätte verwerfen dürfen, sondern erst dann, wenn wenigstens die Möglichkeit besteht, daß das LSG ohne den Verfahrensverstoß zu einem Urteil in er Sache mit einem für den Kläger günstigen Ergebnis hätte gelangen können (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNrn 203, 204; BVerwGE 14, 342, 347). Im einzelnen ist dazu erforderlich, daß der Kläger schlüssig darlegt, daß das LSG die Klage nicht als unzulässig hätte abweisen dürfen, vielmehr eine ihm günstigere Sachentscheidung hätte treffen müssen. Daran fehlt es hier indes. Der Kläger hat zwar im Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung des § 150 Nr 2 SGG aF auch geltend gemacht, das SG habe die Klage nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses abweisen dürfen. Sein Vorbringen ergibt indessen nicht, daß ein Rechtsschutzinteresse besteht. Dies im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu berücksichtigen, ist dem Senat in analoger Anwendung des § 170 Abs 1 Satz 2 SGG (ebenso die entsprechende Vorschrift des § 144 Abs 4 Verwaltungsgerichtsordnung) nicht verwehrt; denn hinter dieser Vorschrift steht der Gedanke, daß ein Verfahren nicht wegen eines Fehlers fortgeführt werden soll, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleiben wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, RdNr 237 sowie im Anschluß daran das BVerwG, Buchholz 310 § 144 VwGO Nr 34; Sendler, DVBl 1992, 240 ff; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 160a RdNr 18, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung sowie für das Revisionsverfahren: BSG, Urteil vom 23. Februar 1989 – 11/7 RAr 103/87 – DVBl 1990, 211). So liegt es in diesem Fall, denn die vom Kläger mit seiner Klage erstrebte Aufhebung des Abhilfebescheides vom 11. Mai 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1989 würde seine Rechtsstellung im rechtlichen Endergebnis, insbesondere im Kündigungsschutzprozeß gegen den Beigeladenen, nicht verbessern. Deshalb ist die weitere Rüge des Klägers, das LSG habe im Tatbestand den Inhalt des Bescheides vom 6. Dezember 1989 unrichtig wiedergegeben, rechtlich unerheblich. Nach den oben unter I. bereits skizzierten Entscheidungsgründen des Urteils des BAG vom 16. August 1991 könnte nämlich auch eine Verlegung der Wirkung der Gleichstellung auf den vom Kläger begehrten Zeitpunkt diesem nicht den Sonderkündigungsschutz des § 15 SchwbG eröffnen. Außerdem würde dieser Umstand auch für die mögliche Behauptung einer sozialen Ungerechtfertigkeit der Kündigung gem § 1 Kündigungsschutzgesetz keine Bedeutung erlangen können. Der Kläger ist nämlich mit Wirkung vom 1. Januar 1988, dh vor dem Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Schwerbehinderter anerkannt worden (Bescheid vom 29. September 1989). Im Hinblick auf sein gekündigtes Arbeitsverhältnis könnte er aber durch eine Gleichstellung mit Wirkung vom 22. Dezember 1987 keinen größeren Schutz als durch die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft ab dem 1. Januar 1988 erlangen. Umstände, die den Sachverhalt, auf dem die Entscheidung des BAG gründet, entscheidungserheblich verändern könnten oder daß das BAG seine Rechtsprechung inzwischen aufgegeben hat, hat der Kläger ebenfalls nicht schlüssig vortragen können.
Der Umstand, daß der Kläger außerdem eine Verletzung des § 150 Nr 2 SGG aF durch das LSG rügt, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß der Kläger insoweit dartun, welche Verfahrensfehler das SG begangen hat, daß er diese bereits vor dem LSG gerügt hat und außerdem, daß das Verfahren vor dem SG aus dessen Sicht auch tatsächlich an den behaupteten Mängeln gelitten hat (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 10).
Soweit der Kläger vorträgt, das SG habe die Klage zu Unrecht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen, hat er nicht dargetan, daß es sich dabei um einen Verfahrensfehler handelt, der tatsächlich vorlag und auf dem das Urteil des SG beruhen könnte. Dies ist oben bereits ausgeführt worden. Soweit er hierzu weiter meint, das SG hätte der Klage bereits deshalb stattgeben müssen, weil der Widerspruch des Beigeladenen im Gleichstellungsverfahren unzulässig gewesen sei, hat er seiner Bezeichnungspflicht ebenfalls nicht genügt. Denn er hätte darlegen müssen, daß dieser Umstand sein Rechtsschutzbedürfnis begründe. Das vermag er jedoch aus den oben wiedergegebenen Gründen nicht.
Die Rüge, er sei in seinem rechtlichen Gehör (§ 62 SGG) verletzt worden, ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet worden, denn dazu gehört die Angabe, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 3-4100 § 128a Nr 3). Der Beschwerdebegründung läßt sich hierzu nichts entnehmen.
Der Kläger hat auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise aufgezeigt. Insoweit müßte er darlegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), daß die Rechtssache Rechtsfragen aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig sind (vgl Kummer aaO RdNr 106 ff). Dazu gehört insbesondere, daß die aufgeworfenen Rechtsfragen für den Streitfall rechtlich erheblich sind. Das aber hat der Kläger weder für die Frage, ob die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten eine Leistung iS des § 144 SGG aF ist, noch zu der Beteiligung des Beigeladenen im Gleichstellungsverfahren aufgezeigt. Bei § 144 SGG aF handelt es sich zudem um ausgelaufenes Recht, für das grundsätzlich keine Klärungsbedürftigkeit mehr anzunehmen ist. In solchen Fällen bedarf es eingehender Darlegungen dazu, daß die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage weiterhin gegeben ist. Auch daran fehlt es hier.
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Die vom Kläger selbst mit Schriftsätzen vom 3. Mai und 20. Juni 1994 in diesem Zusammenhang vorgetragenen Gegenvorstellungen zum Beschluß des Senats vom 14. März 1994 können im Beschwerdeverfahren mangels Postulationsfähigkeit (§ 166 SGG) nicht berücksichtigt werden; sie sind im übrigen verspätet; denn die Begründungsfrist für die Beschwerde war am 2. Dezember 1993 abgelaufen. Nach Auffassung des Senats führen die Ausführungen des Klägers aber auch nicht dazu, daß der Beschluß über die Versagung der Prozeßkostenhilfe an den Kläger abgeändert werden müßte. Zu erkennen ist nämlich nicht, daß das LAG im arbeitsgerichtlichen Verfahren des Klägers nunmehr von einem neuen entscheidungserheblichen Sachverhalt auszugehen hätte.
Fundstellen