Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterbank. formgerechte Rüge. Arbeitsmarkt für Teilarbeitskräfte. Verweisbarkeit
Orientierungssatz
1. Die formgerechte Geltendmachung der Rüge, die Richterbank sei fehlerhaft besetzt gewesen, setzt voraus, daß als Anhaltspunkte dafür konkrete Tatsachen dargestellt werden, aus denen sich die unvorschriftsmäßige Besetzung ergibt. Gegebenenfalls sind vom Beschwerdeführer dazu eigene Ermittlungen anzustellen; es reicht nicht aus zu behaupten, die Richter hätten nicht mitwirken dürfen. Das Gericht braucht den Beteiligten die Ordnungsmäßigkeit seiner personellen Zusammensetzung nicht von sich aus darzulegen.
2. Für noch zu einer Vollzeittätigkeit fähige Personen hat das BSG bereits entschieden, daß die Rechtsprechung des Großen Senats zur Frage, ob der Arbeitsmarkt für Teilzeitarbeitskräfte offen oder verschlossen ist, grundsätzlich nicht angewendet werden kann, und daß für sie grundsätzlich davon auszugehen ist, daß es für Tätigkeiten Arbeitsplätze in einer die Verweisung zulassenden Zahl gibt (s BSG vom 28.7.1970 5/12 RJ 2/68 = BSGE 31, 233).
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3; RVO § 1246 Abs 2 S 2
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.12.1987; Aktenzeichen L 2 J 328/86) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form des § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel - zugelassen werden. Die Klägerin beruft sich auf alle drei Möglichkeiten. In keinem der Fälle kann sie jedoch Erfolg haben.
Die formgerechte Geltendmachung der Rüge, die Richterbank des Landessozialgerichts (LSG) sei fehlerhaft besetzt gewesen, setzt voraus, daß als Anhaltspunkte dafür konkrete Tatsachen dargestellt werden, aus denen sich die unvorschriftsmäßige Besetzung ergibt. Gegebenenfalls sind vom Beschwerdeführer dazu eigene Ermittlungen anzustellen; es reicht nicht aus zu behaupten, die Richter hätten nicht mitwirken dürfen. Das Gericht braucht den Beteiligten die Ordnungsmäßigkeit seiner personellen Zusammensetzung nicht von sich aus darzulegen (vgl zu allem BFH Urteil vom 6. November 1980, Az:IV R 181/79, BFHE 132 S 377; BFH Beschluß vom 7. April 1981, Az: VII R 96/80, nicht veröffentlicht; BVerwG Beschluß vom 25. Juni 1982 Az: 8 C 95.81 DÖV, 1983 S 247; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 3. Aufl, RdNr 16 zu § 160a; Peters/Sautter/Wolff, Komm zum SGG, 4. Aufl, 2f zu § 160a). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht.
Die von der Klägerin an zweiter Stelle geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung "dargelegt" werden. Als grundsätzlich sieht die Klägerin die Frage an, ob die Rechtsfolgen, die sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für einen Kläger ergeben, der nur noch teilschichtig einsetzbar ist und auf Dauer von mindestens einem Jahr nicht vermittelbar war, auch auf solche Personen ausgedehnt werden müssen, die zwar noch vollschichtig tätig sein können, denen aber wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung dennoch der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angegriffen worden und damit gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend sind, ist die Klägerin noch zu leichten Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen ohne schweres Heben oder Tragen, häufiges Bücken und über Kopf arbeiten vollschichtig in der Lage; die bei ihr vorhandenen körperlichen Beeinträchtigungen sind nicht so schwerwiegend, daß nach der Rechtsprechung des BSG die konkrete Benennung einer noch möglichen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, vielmehr kann die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Frauen-Arbeitsmarktes verwiesen werden. Für derartige, noch zu einer Vollzeittätigkeit fähige Personen hat das BSG jedoch bereits entschieden, daß die Rechtsprechung des Großen Senats zur Frage, ob der Arbeitsmarkt für Teilzeitarbeitskräfte offen oder verschlossen ist, grundsätzlich nicht angewendet werden kann, und daß für sie grundsätzlich davon auszugehen ist, daß es für Tätigkeiten Arbeitsplätze in einer die Verweisung zulassenden Zahl gibt (s BSGE 31, S 233; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 19). Eine vom Revisionsgericht entschiedene Rechtsfrage ist aber nur dann klärungsbedürftig, wenn der Rechtsprechung des Revisionsgerichts in nicht geringfügigem Umfang (in der juristischen Literatur) widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung hätte es also gehört, daß die Klägerin Literaturstimmen gegen die genannten Urteile zitiert und sich mit den Urteilen auseinandergesetzt hätte.
Die von der Klägerin schließlich noch als Beschwerdegrund genannte Abweichung ist gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung zu "bezeichnen". Dazu ist nicht nur erforderlich, daß die Entscheidung des BSG, von der das LSG abgewichen sein soll, so genau bezeichnet wird, daß das Revisionsgericht sie ohne Schwierigkeiten heranziehen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Es muß vielmehr auch dargetan werden, zu welcher spezifischen Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt, dh in welchem abstrakt formulierten Rechtssatz sich das vorinstanzliche Urteil von welchem abstrakt formulierten Rechtssatz der abweichungsbegründenden BSG-Entscheidung unterscheidet (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Das ist von der Klägerin weder für die eine noch die andere von ihr zitierte Entscheidung aufgezeigt worden.
Die somit nicht formgerecht begründete und damit unzulässige Beschwerde der Klägerin mußte verworfen werden. Dies konnte gemäß § 202 SGG iVm § 574 der Zivilprozeßordnung und § 169 SGG analog auch ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen