Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsrente und gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2000. Hinzuverdienst. Bemessungsgrundlage. Zahlbetrag
Orientierungssatz
Beim 5a. Senat des Bundessozialgerichts wird angefragt, ob er an der Rechtsauffassung festhält, dass nach dem vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2000 maßgebenden Rechtszustand bei einer nach 1998 beginnenden Rente wegen Berufsunfähigkeit und gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld nur dessen Zahlbetrag, nicht jedoch seine Bemessungsgrundlage als Hinzuverdienst berücksichtigt werden darf (vgl BSG vom 17.12.2002 - B 4 RA 23/02 R = SozR 3-2600 § 96a Nr 1 und BSG vom 26.6.2007 - B 4 R 11/07 S).
Normenkette
SGB 6 § 43 Abs. 5 Fassung: 1995-12-15; SGB 6 § 95 Fassung: 1989-12-18; SGB 6 § 96a Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1995-12-15, Abs. 3 S. 1 Fassung: 1997-12-16, S. 3 Fassung: 1997-12-16, S. 3 Fassung: 1998-12-19; SGB6uaÄndG Art. 1 Nr. 8 Buchst. c, Nr. 17; RRG 1999 Art. 1 Nr. 53 Fassung: 1997-12-16, Art. 33 Abs. 13a Fassung: 1998-12-19; SVKorrG Art. 1 § 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) in der Zeit vom 1.1. bis 31.8.2000 deswegen nicht zu zahlen ist, weil die Hinzuverdienstgrenze aufgrund der Berücksichtigung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dessen Bemessungsgrundlage (und nicht in seiner tatsächlichen Höhe) überschritten wird.
Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs bewilligte die Beklagte dem Kläger-Rente wegen BU. Mit Ausführungsbescheid vom 7.11.2003 verfügte sie, die Rente beginne ab 1.7.1999, unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenze werde die Rente für die Zeit von Januar bis August 2000 jedoch nicht gezahlt. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.3.2004).
Die Klage auf Zahlung der Rente wegen BU auch für die Zeit von Januar bis August 2000 hat das Sozialgericht (SG) Magdeburg mit Gerichtsbescheid vom 15.9.2005 abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte in dem genannten Zeitraum nicht den Geldwert des erzielten Alg, sondern das diesem zugrunde liegende Bemessungsentgelt als Hinzuverdienst berücksichtigt. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des 4. Senats (Bezug auf Urteil vom 17.12.2002 - B 4 RA 23/02 R - SozR 3-2600 § 96a Nr 1) sei nicht zu folgen. Sie wende für Renten wegen BU im Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2000 im Wege der erweiternden berichtigenden Auslegung des § 43 Abs 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) aF allein Abs 1 des § 96a SGB VI aF an. Dies übersehe aber § 313 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, welcher im Zeitpunkt der Entscheidung des 4. Senats gegolten habe. § 43 Abs 5 SGB VI aF sei damals nur noch kraft der Übergangsregelung des § 302b SGB VI Rechtsgrundlage gewesen. Diese Rechtsänderung sei für die vorliegende Entscheidung aber maßgeblich gewesen, weil bei einer Entscheidung über eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Nur wenn der 4. Senat noch vor 2001 entschieden hätte, wäre ihm beizutreten gewesen. Nach § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI nF mit der Maßgabe des § 313 SGB VI nF sei Hinzuverdienst das dem Alg zugrunde liegende Bemessungsentgelt. Diese Regelung entspreche dem bis zum 31.12.2000 geltenden Rechtszustand und bilde eine Spezialregelung gegenüber dem gemäß § 302b SGB VI fortgeltenden § 43 Abs 5 SGB VI aF. Nach § 96a Abs 3 Satz 1 SGB VI stehe dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach Abs 1 der Vorschrift die dort aufgezählten Lohnersatzleistungen gleich, hier also das Alg. Mit dieser Regelung solle eine Besserstellung des Beziehers von Lohnersatzleistungen vermieden werden, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung trete. § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI sei daher nach der Rechtsprechung des 13. Senats (Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 3) "im Lichte" der (Grund-)Regel des Abs 1 Satz 2 so zu lesen, dass lediglich das Bemessungsentgelt Anwendung finde.
Der Kläger hat die vom SG wegen der Abweichung von der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) nachträglich zugelassene Sprungrevision eingelegt und verfolgt unter Hinweis auf dieses Urteil seinen Anspruch auf Zahlung der Rente wegen BU für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2000 weiter.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 15.9.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.1.2000 bis 31.8.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit - unter Berücksichtigung des Arbeitslosengelds auf der Grundlage der erfolgten tatsächlichen Leistung - zu zahlen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend, soweit dieses davon ausgeht, dass bei der Bemessung der Rente wegen BU nicht das Alg in der gezahlten tatsächlichen Höhe, sondern das dem zugrunde liegende Bemessungsentgelt zu berücksichtigen sei. Dass § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI dem § 43 Abs 5 SGB VI aF vorgehe, folge bereits aus dem Grundsatz, dass das jüngere Recht das ältere verdränge. Dass im Rahmen der Hinzuverdienstberücksichtigung von bestimmten Sozialleistungen nach § 96a Abs 3 SGB VI nicht erst ab 1.1.2001 die Höhe des Bemessungsentgelts maßgeblich sei, ergebe sich auch aus der Begründung des Gesetzgebers, wonach ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt werden dürfe, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung trete (Bezug auf BT-Drucks 13/8671 S 118) . Ansonsten würden die "passiven" Erwerbsminderungsrentner gegenüber den "aktiven" Erwerbsminderungsrentnern ungerechtfertigt bevorzugt (Bezug auf BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 3) .
Der anfragende Senat hat die aus dem Entscheidungssatz ersichtliche Anfrage mit Beschluss vom 27.3.2007 an den 4. Senat gerichtet; dieser hat mit Beschluss vom 26.6.2007 (B 4 R 11/07 S; beim anfragenden Senat eingegangen am 14.12.2007) geantwortet und im Ergebnis an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Auf den Inhalt beider Beschlüsse wird für die Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Der 13. Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Er sieht sich hieran jedoch nach wie vor durch das Urteil des 4. Senats vom 17.12.2002 (B 4 RA 23/02 R - SozR 3-2600 § 96a Nr 1) gehindert; würde er die mit Antwortbeschluss des 4. Senats vom 26.6.2007 bestätigte Rechtsauffassung, auf der dieses Urteil beruht, auch im vorliegenden Fall zugrunde legen, wären auf die Revision des Klägers die angefochtenen Entscheidungen sowie der angegriffene Gerichtsbescheid aufzuheben und der Klage stattzugeben. Dies macht die aus dem Entscheidungssatz ersichtliche Anfrage gemäß § 41 Abs 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an den 5a. Senat erforderlich; hierdurch kann eine Anrufung des Großen Senats ohne Divergenzlage vermieden werden. Denn nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 2008, RdNr 4, ist der 4. Senat, anders als bisher, nicht mehr für Streitigkeiten aus der allgemeinen Rentenversicherung zuständig; iS des § 41 Abs 3 Satz 2 SGG zuständiger Nachfolgesenat ist, neben dem anfragenden Senat, der 5a. Senat.
2. Der anfragende Senat bezieht sich, um Wiederholungen zu vermeiden, hinsichtlich seines Rechtsstandpunkts zur Zulässigkeit der (Sprung-)Revision - und damit zur Entscheidungserheblichkeit der Divergenz - und seiner Auffassung zum materiellen Recht auf die Darstellung in seinem Anfragebeschluss an den 4. Senat vom 27.3.2007 (zu II 1 und 2; RdNr 9 bis 43) . Dort hat er auch die Begründung berücksichtigt, die der 4. Senat seinem Urteil vom 17.12.2002 beigegeben hatte.
3. Der Antwortbeschluss des 4. Senats vom 26.6.2007 (B 4 R 11/07 S) bedarf jedoch gesonderter Ausführungen. Denn der 4. Senat hält hierin zwar iS des § 41 Abs 3 Satz 1 SGG im Ergebnis an der im Ursprungsurteil vom 17.12.2002 vertretenen Rechtsauffassung fest, unterlegt sie jedoch mit einer entgegengesetzten Begründung.
a) Der Anfragebeschluss des vorlegenden Senats vom 27.3.2007 (RdNr 37 mwN) ist auf die vom 4. Senat im Ursprungsurteil vertretene Rechtsmeinung eingegangen, der Klammerzusatz "(§ 96a Abs. 2 Nr. 2)" in § 43 Abs 5 SGB VI aF enthalte eine statische Verweisung: Für diese sei der am 1.1.1996 in Kraft getretene Rechtszustand maßgebend; § 43 Abs 5 SGB VI nehme daher nicht auf den später in Kraft getretenen § 96a Abs 3, insbesondere nicht dessen Satz 3, Bezug.
Im Antwortbeschluss ist der 4. Senat hiervon abgerückt. Er führt nunmehr aus, § 43 Abs 5 und § 96a Abs 3 SGB VI seien für den maßgeblichen Rechtszustand der Jahre 1999 und 2000 gleichzeitig in Kraft getreten, nämlich aufgrund des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 ≪SVKorrG≫ (BGBl I 3843; s im Einzelnen Antwortbeschluss RdNr 27 ff, 62 ff) . Damit konnte freilich die Argumentation mit einer statischen Verweisung in § 43 Abs 5 SGB VI aF auf den Rechtszustand ab 1.1.1996 nicht mehr tragen.
Vielmehr meint der Antwortbeschluss, dass § 96a SGB VI eine "bloße Ergänzungsnorm" und "keine Ermächtigungsgrundlage" sei. Deshalb sei der Widerspruch zwischen § 43 Abs 5 (der von einem "erzielten" Hinzuverdienst spricht) und § 96 Abs 3 Satz 3 SGB VI (der bei Bezug von Sozialleistungen auf das zugrunde liegende Arbeitsentgelt abstellt) zugunsten des § 43 Abs 5 SGB VI aufzulösen (Antwortbeschluss RdNr 24 ff, 38 f, 53, 59; hierzu im Folgenden unter b) . Daneben (Antwortbeschluss RdNr 69 ff) stützt der 4. Senat seine Rechtsmeinung auf die Entstehungsgeschichte (hierzu im Folgenden unter c) und die Regelungsabsicht (hierzu im Folgenden unter d) des SVKorrG.
b) Den Nachrang der Vorschrift des § 96a SGB VI als "bloße Ergänzungsnorm" begründet der 4. Senat damit, dass "nicht sie, sondern ausschließlich § 43 Abs 5 SGB VI (festlege), in welchem Ausmaß monatliche BU-Zahlungsansprüche zu kürzen" seien. Damit stelle dieser die Ermächtigungsgrundlage dar; "der Einzelanspruch auf BU-Rentenzahlung (sei) nach Maßgabe der Rechtsfolge des § 43 Abs 5 SGB VI auf zwei Drittel, ein Drittel oder auf Null zu kürzen" (Antwortbeschluss RdNr 24 bis 26) .
Demgegenüber ist der Senat in seinem Anfragebeschluss davon ausgegangen, dass der Vorschrift des § 43 Abs 5 SGB VI aF kein derartiger ausschließlicher Regelungsgehalt zukam. So hat er (Anfragebeschluss RdNr 24 f) darauf hingewiesen, dass im Rechtszustand bis zum 31.12.1998 die monatliche BU-Rente auch außerhalb der Verweisung in § 43 Abs 5 SGB VI auf § 96a (Abs 2 Nr 2) einer Kürzung unterlag; denn ein Alg-Bezug war gemäß § 95 SGB VI aF "anzurechnen" (aaO RdNr 30 f) , jedoch nicht als "Hinzuverdienst" (§ 96a SGB VI) zu behandeln. Auch wäre vor dem Hintergrund eines Vorrangs des § 43 Abs 5 SGB VI als "Ermächtigungsgrundlage" (trotz des Erläuterungsversuchs im Ursprungsurteil, SozR 3-2600 § 96a Nr 1 S 6 oben) schwer verständlich, wie es zu einer Kürzung der "monatlichen (Einzel-)Zahlungsansprüche des Versicherten (auch) auf Null" (Antwortbeschluss RdNr 19, 26) kommen konnte, wenn § 43 Abs 5 SGB VI nur eine Kürzung der BU-Rente um ein oder zwei Drittel erlaubte.
Ganz grundsätzlich ist der Vorrang einer Norm desselben (einfachen) Gesetzes (hier: des SGB VI) vor einer anderen iS einer (höherrangigen) "Ermächtigungsgrundlage" einerseits und einer (nachrangigen) "Ergänzungsnorm" andererseits dem deutschen Recht fremd - anders als eine entsprechende Rangfolge zwischen Gesetz und Verordnung. Er ist schon gar nicht aus dem Grundgesetz (GG) herzuleiten.
Vielmehr ist bei der Feststellung eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen zwei gleichrangigen Normen zunächst zu prüfen, ob sich nicht eine ("systematische") Auslegung (zB Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozess der Rechtsanwendung, 1996, S 149 ff) finden lässt, die diesen Widerspruch auflöst (zum Begriff "erzielt" s Anfragebeschluss RdNr 36; Antwortbeschluss RdNr 45 bis 50; ferner könnte man erwägen, den Begriff "Hinzuverdienst" in § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI als "erzielter Hinzuverdienst" zu lesen) . Ist dies nicht möglich, so spricht im vorliegenden Fall alles für den Vorrang des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI aufgrund des "lex posterior"-Satzes (hierzu Anfragebeschluss RdNr 39) ; dies im Übrigen auch dann, wenn man mit dem Antwortbeschluss auf eine Geltung sowohl von § 43 Abs 5 als auch von § 96 Abs 3 Satz 3 SGB VI im maßgeblichen Zeitraum aufgrund des SVKorrG abstellt (hierzu sogleich) .
c) Dem 4. Senat ist darin zuzustimmen, dass die Geltung beider genannter Vorschriften in den Jahren 1999/2000 nicht allein auf dem Rentenreformgesetz 1999 (RRG 1999) vom 16.12.1997 (so freilich auch noch das Ursprungsurteil vom 17.12.2002, SozR 3-2600 § 96a Nr 1 S 7 f) beruhte, sondern auch auf dem SVKorrG vom 19.12.1998. "Gesetzgebungstechnisch" (Antwortbeschluss RdNr 67) wurde dies so geregelt, dass die hier einschlägigen Vorschriften auf Regelungen des RRG 1999 aF Bezug nehmen, ohne jedoch die hierdurch betroffenen Vorschriften (zB "§ 43 SGB VI") oder deren Inhalt (zB "Rente wegen Berufsunfähigkeit") zu benennen: Art 1 § 1 SVKorrG fügt in Art 33 RRG 1999 einen Abs 13a ein, wonach ua die Vorschriften von Art 1 Nr 19, 51 und 53 RRG 1999 - vorbehaltlich einer anderen Regelung zu diesem Zeitpunkt - erst am 1.1.2001 in Kraft treten. Hierdurch blieb der nach dem RRG 1999 ursprünglich nur für das Jahr 1999 vorgesehene, im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtszustand auch noch im Jahr 2000 in Kraft.
Hieraus allein ist jedoch nicht zu schließen, dass hinsichtlich des Verhältnisses von § 43 Abs 5 SGB VI einerseits und § 96a Abs 3 SGB VI andererseits der "lex posterior"-Satz nicht gälte (hierzu Anfragebeschluss RdNr 41 als eines der Argumente gegen den angeblichen Vorrang des § 43 Abs 5 gegenüber § 96a Abs 3 SGB VI) . Entgegen der Rechtsmeinung des 4. Senats (Antwortbeschluss RdNr 60) folgt nicht bereits daraus, dass der Gesetzgeber das Ende der Anwendbarkeit einer Norm regelt (wie hinsichtlich § 43 SGB VI - einschließlich seines Abs 5 - sowohl im RRG 1999 aF als auch in der Fassung des SVKorrG) , dass sie mit zum selben Zeitpunkt neu geschaffenen Normen denselben "zeitlichen Rang" einnimmt.
Nach der vom Antwortbeschluss detailliert dargestellten Abfolge hat der Gesetzgeber des SVKorrG die - übergangsweise - Geltung des hier maßgeblichen Rechtszustands zu den Erwerbsminderungsrenten und den Hinzuverdiensten nach dem RRG 1999 erweitert, um für die eigentlich vorgesehenen Korrekturen der in der ursprünglichen Fassung des RRG 1999 enthaltenen einschneidenden Änderungen des Rentenrechts Zeit (bis zum 1.1.2001) zu gewinnen (vgl BT-Drucks 14/45 S 18, zu Art 1 § 1) . Deshalb hat der vorlegende Senat in seinem Anfragebeschluss (RdNr 41) für die inhaltliche Erläuterung - nicht für die zeitliche Reichweite - des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI zutreffend die Materialien zum RRG 1999 zugrunde gelegt. Entsprechend ist auch für die Anwendung auch des "lex posterior"-Satzes auf die durch das RRG 1999 geschaffene Rechtslage abzustellen.
Insoweit ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber durch eine zeitlich hinausgeschobene Aufhebung oder Neufassung die Norm für die Übergangszeit ausdrücklich in ihrer Geltung bestätigen will; dann besteht keine "lex posterior"-Situation. Anders jedoch dann, wenn der Gesetzgeber lediglich die formelle Weitergeltung früherer Normen noch hinnimmt, damit eine Neuregelung einheitlich in Kraft treten kann (BVerfG vom 16.11.1971, BVerfGE 32, 256, 260 zur Prüfung der "Nachkonstitutionalität" im Rahmen des Art 100 Abs 1 GG; zur Übertragung der dortigen Maßstäbe auf den "lex posterior"-Satz: Laubinger, VerwArch 76 ≪1985≫, 201, 210 f) . Dies aber entspricht der Ausgangslage für § 43 Abs 5 aF SGB VI bei Verabschiedung des RRG 1999. Dessen Gesetzgeber hat jedoch nicht - in welcher Weise auch immer - diese Regelung bestätigt oder konkludent in seinen Willen aufgenommen. Vielmehr hat er lediglich die Ersetzung des gesamten bisherigen § 43 SGB VI (ab 1.1.2000) durch eine vollständig neue Vorschrift geregelt. Wenn er gleichzeitig - für die Übergangszeit bis zum einheitlichen Inkrafttreten der Reform des Rechts der Erwerbsminderungsrenten - eine überaus detaillierte neue Vorschrift (hier: § 96a Abs 3 SGB VI) einfügt, liegt hierin - für den Fall einer Widersprüchlichkeit - geradezu der Standardkonflikt, den der "lex posterior"-Satz löst.
d) Nicht zu folgen vermag der Senat ferner der Argumentation des Antwortbeschlusses (RdNr 78 ff) , soweit dieser aus der gesetzgebungstechnischen Unübersichtlichkeit des SVKorrG (s oben bei c) Folgerungen zieht. Denn wenn er (RdNr 82) verlangt, es müsse den Abgeordneten "stets möglich sein, anstehende Grundrechtseingriffe aus den genannten parlamentsinternen Quellen ≪gemeint sind - RdNr 80 - Entwürfe, Begründungen, Redebeiträge≫ verlässlich erkennen zu können", so war dies beim SVKorrG bereits deshalb gewährleistet, weil sich aus seinem Entwurf iVm dem bereits im Bundesgesetzblatt verkündeten RRG 1999 "verlässlich" die Einfügung des § 96a Abs 3 SGB VI - mit seinem Satz 3 - ergab. Dass "jeder Abgeordnete die Eingriffsregelung erkannt hat", verlangt der Antwortbeschluss (RdNr 82) selbst nicht.
e) Wenn der 4. Senat meint, nur seine Interpretation der Gleichstellung von erzieltem Verdienst und Nichtverdienst durch § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI im Sinne der Maßgeblichkeit der "Eingriffsgrenzen in der Ermächtigungsgrundlage" des § 43 Abs 5 SGB VI sei verfassungskonform (Antwortbeschluss Entscheidungssatz) , so nimmt er damit nicht etwa auf eine materielle Verfassungswidrigkeit des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI Bezug. Vielmehr sieht er nicht nur seine Argumentation zum Gesetzgebungsverfahren des SVKorrG als im GG verankert (aaO RdNr 84) , sondern auch jene zum Vorrang der "Ermächtigungsgrundlage" des § 43 Abs 5 SGB VI (aaO RdNr 41) . Jedenfalls Letzteres ist nicht nachvollziehbar.
Fundstellen