Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 26 697,64 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Im Streit ist ein Anspruch auf Kostenersatz in Höhe von 26 697,64 Euro für die Frau R. (R) ab dem 21.6.2007 bis zum 26.2.2012 erbrachten Leistungen der stationären Hilfe zur Pflege.
Die Klägerin zu 1 ist die Tochter, der Kläger zu 2 der Ehemann, und beide sind die Erben der am 26.2.2012 verstorbenen R. Am 21.6.2007 zog R aus der mit ihrem Ehemann gemeinsam bewohnten Eigentumswohnung in ein Pflegeheim. Der Beklagte gewährte ihr von da an Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die ungedeckten Heimkosten unter Berücksichtigung eines von den Eheleuten zu erbringenden monatlichen Kostenbeitrags von zunächst 492,88 Euro (ab 1.7.2007 495,84 Euro). Die gegen den Kostenbeitrag von R eingelegte Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Detmold vom 26.10.2010). Anschließend nahm die Trägerin des Pflegeheims R zivilrechtlich auf Bezahlung offener Heimkosten in Anspruch. R wurde verurteilt, einen Betrag von 23 647,97 Euro nebst Zinsen an die Heimträgerin zu bezahlen (Versäumnisurteil des Landgerichts ≪LG≫ Bielefeld vom 3.2.2012).
Nach Versterben der R forderte der Beklagte die Kläger als Erben zu Kostenersatz gemäß § 102 SGB XII für der R gewährte Sozialhilfe in Höhe von 33 697,64 Euro auf (Bescheid vom 8.3.2013; Widerspruchsbescheid vom 10.7.2013). Die dagegen beim SG Detmold eingelegte Klage ist (nur) insoweit erfolgreich gewesen, als ein Kostenersatz von mehr als 26 697,64 Euro festgesetzt worden war (Urteil vom 22.3.2016). Auf die dagegen von den Klägern eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG abgeändert und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Wert des Nachlasses, mit dem die Erben gemäß § 102 Abs 2 Satz 2 SGB XII hafteten, sei nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben und folglich anhand der Differenz zwischen Aktivbestand und Passivbestand im Zeitpunkt des Erbfalls zu bestimmen. Daher sei von dem Nachlasswert die mit Versäumnisurteil titulierte Forderung in Höhe von 23 647,97 Euro nebst vorgerichtlichen Kosten abzusetzen. Billigkeitserwägungen hätten keinen Platz.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es stelle sich die Frage, ob "bei der Bestimmung der Nachlassverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht der Erben nach § 102 SGB XII der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bei einer zum Zeitpunkt eines Erbfalls bereits titulierten privatrechtlichen Forderung über den Eigenanteil an der Sozialhilfeleistung zu berücksichtigen" sei. Hierzu gebe es keinerlei höchstrichterliche Rechtsprechung. In der gesamten Rechtsprechung zu § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und § 102 SGB XII habe es bislang keine vergleichbare Fallkonstellation gegeben, in der eine derartige Verquickung wie hier von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Forderungen bestehe.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Es kann offenbleiben, ob der Beklagte mit der Formulierung, ob "bei der Bestimmung der Nachlassverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht der Erben nach § 102 SGB XII der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bei einer zum Zeitpunkt eines Erbfalls bereits titulierten privatrechtlichen Forderung über den Eigenanteil an der Sozialhilfeleistung zu berücksichtigen" sei, überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage gestellt hat. Es fehlt jedenfalls an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig. Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist. Daran fehlt es.
Der Beklagte versäumt es, sich mit den bereits zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des § 92c BSHG ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen zur Ermittlung des Nachlasswertes bei der Erbenhaftung im Sozialhilferecht auseinanderzusetzen, wonach der Wert des Nachlasses bei Heranziehung der Erben zum Kostenersatz nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts zu ermitteln ist, weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass dem Nachlassbegriff in diesem Zusammenhang eine andere, spezifisch sozialhilferechtliche Bedeutung beigelegt worden ist, und deren Schlussfolgerung, dass die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten den sozialhilferechtlichen Forderungen vorgehen (vgl BVerwGE 66, 161, 163; dem ausdrücklich folgend BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1). Insbesondere legt er nicht schlüssig dar, warum in der hier vorliegenden Konstellation dennoch (ausnahmsweise) ein spezifisch sozialhilferechtlicher Nachlassbegriff gelten solle. Der Hinweis darauf, dass bislang keine vergleichbare Fallkonstellation zu entscheiden gewesen sei, genügt insoweit nicht. Der Beklagte zeigt weder auf, welche Sachverhaltskonstellationen bereits entschieden sind, noch weshalb sich die dazu ergangene Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen lasse. Er legt auch nicht dar, dass der Rechtsprechung des erkennenden Senats in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird. Der Hinweis auf das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis und die Rechtsprechungszitate hierzu vermögen die erforderliche Auseinandersetzung mit der bislang hierzu ergangenen Rechtsprechung nicht zu ersetzen. Warum ein Vorrang der sozialhilferechtlichen gegenüber der zivilrechtlichen Schuld mit der Folge einer Haftung des Erben auch über den Nachlass hinaus resultieren solle, wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Es wird auch nicht ansatzweise schlüssig erläutert, inwiefern der für Leistungen geltende sog Nachranggrundsatz auf Ersatzansprüche Anwendung finden soll und darüber hinaus auf die keine Sozialhilfe beanspruchenden Erben "durchschlagen" soll.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Fundstellen
Dokument-Index HI11554072 |