Leitsatz (amtlich)
Ist auf Grund eines Antrags nach SGG § 109 Abs 1 ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört worden und beantragt der Kläger im gleichen Rechtszug die Anhörung eines weiteren Arztes nach dieser Vorschrift, so wird durch die Ablehnung des Antrags jedenfalls dann ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht begründet, wenn der neubenannte Arzt auf Grund der gleichen Unterlagen sich zum gleichen Beweisthema wie der bereits nach SGG § 109 gehörte äußern soll und kein vernünftiger Grund vorgebracht wird oder erkennbar ist, warum das früher nach SGG $ 109 eingeholte Gutachten der Ergänzung bedarf.
Normenkette
SGG § 109 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. März 1955 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Mit der vom Landessozialgericht nicht zugelassenen, form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision rügt die Klägerin wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ihrer Ansicht nach hätte das Landessozialgericht nach § 106 SGG dahin wirken müssen, daß sie gemäß § 109 SGG die Einholung eines Gutachtens von dem behandelnden Arzt Dr. D beantragte; außerdem hätte das Landessozialgericht ihrem auf § 109 SGG gestützten Antrag auf Einholung eines Gutachtens von dem Prof. Dr. G stattgeben müssen. Beide Rügen gehen fehl.
Die Befugnisse und Pflichten des Vorsitzenden aus § 106 SGG stehen in engem Zusammenhang mit der nach § 103 SGG dem Gericht obliegenden Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Wenn das Landessozialgericht - wie hier unbedenklich - von seiner Beurteilung aus den Sachverhalt für hinreichend geklärt ansah, bestand für den Vorsitzenden kein Anlaß mehr, darauf hinzuwirken, daß die Klägerin einen Antrag nach § 109 SGG auf Vernehmung des behandelnden Arztes stellte. Jedenfalls ist in der Unterlassung dieses Hinweises kein wesentlicher Mangel im Verfahren des Landessozialgerichts durch Verletzung des § 106 SGG zu sehen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht die Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. G gemäß § 109 SGG beantragt. Da das Landessozialgericht aber schon vorher auf Grund eines Antrags nach § 109 SGG ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Frauenkrankheiten Dr. E eingeholt hatte, war in diesem Falle die Vorinstanz - wie in den Urteilsgründen zutreffend ausgeführt ist - nicht gehalten, nach § 109 SGG über das gleiche Beweisthema noch einen weiteren Arzt gutachtlich zu hören, zumal sich dessen Gutachten nur auf Schlußfolgerungen aus medizinischen Lehrmeinungen und nicht etwa auf eine Ergänzung des dem Gericht vorliegenden Sachverhalts aus Krankengeschichten oder ähnlichem medizinischen Material hätte erstrecken können.
Da die Klägerin bei dem wiederholten Antrag aus § 109 SGG nicht dargetan hat, aus welchen Gründen und in welcher Hinsicht die bisherigen ärztlichen Gutachten - insbesondere das bereits nach § 109 SGG eingeholte - noch der Ergänzung bedurften, konnte das Landessozialgericht unbedenklich einen vernünftigen Grund für die Wiederholung des Antrags nicht als vorgebracht ansehen; er war im übrigen auch nicht erkennbar. Demgemäß konnte das Landessozialgericht den Antrag ohne Verfahrensverstoß ablehnen.
Auch die aus dem Vorbringen der Revision zu entnehmende Rüge der unzureichenden Sachaufklärung und der Überschreitung des Rechts der freien Beweiswürdigung kann nicht durchgreifen. Das Gutachten des Prof. Dr. Freiherr von K, auf das sich das Landessozialgericht hauptsächlich gestützt hat, ist eingehend und wissenschaftlich begründet. Die Vorinstanz hat diesem Gutachten den Vorzug vor dem des Dr. E gegeben, weil die Bruchstelle der Aorta entsprechend der Beschreibung im Sektionsprotokoll gewertet und nicht die Bildung eines bei der Sektion nicht nachweisbaren Aneurysmas als eine medizinische Möglichkeit zwischengeschaltet worden ist. Mit dieser Folgerung sind die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung nicht überschritten. Das Landessozialgericht konnte unbedenklich den Sachverhalt als durch beide Gutachten hinreichend geklärt und die medizinischen Lehrmeinungen als vollständig vorgetragen ansehen. Wenn es mit seiner Begründung sich der einen Meinung anschloß, hat es weder gegen Denkgesetze verstoßen noch die Verpflichtung zu ausreichender Sachaufklärung verletzt. Bei dem bereits gegebenen Überblick über die medizinischen Lehrmeinungen bestand kein Anlaß, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen, das keine Ergänzung der für die Urteilsbildung wesentlichen Tatsachen, sondern wiederum nur medizinische Lehrmeinungen hätte bringen können.
Da sonach das Verfahren des Landessozialgerichts weder gegen § 106 SGG noch gegen § 109 SGG verstößt, auch weitere Mängel des Verfahrens aus dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden können, war die Revision nicht statthaft und mußte nach § 169 SGG verworfen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen