Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 17.01.2017; Aktenzeichen S 2 AL 2525/15) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.04.2021; Aktenzeichen L 13 AL 437/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. April 2021 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die als Zulassungsgrund behauptete Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
a) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119).
Eine solche Divergenz hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie gibt im Rahmen ihrer diesbezüglichen Beschwerdebegründung lediglich drei Formulierungen aus der Entscheidung des LSG wieder, die sich allesamt als auf den konkreten Fall bezogene Subsumtionen darstellen. Hieraus entwickelt die Beschwerdebegründung eigene Rechtssätze, die - von der Klägerin teilweise ausdrücklich als "sinngemäß" bezeichnet - das LSG aufgestellt habe. Die Klägerin benennt damit gerade keine ausdrücklichen abstrakten Rechtssätze des LSG, sondern rügt der Sache nach nur eine am Maßstab der Rechtsprechung des BSG gemessene (vermeintlich) unzutreffende Subsumtion der konkreten Umstände des Einzelfalles (sog bloße Subsumtionsrüge; vgl etwa BSG vom 25.6.2021 - B 13 R 93/20 B - juris RdNr 15). Hierauf kann die Divergenzrüge nicht erfolgreich gestützt werden.
b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Die Klägerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) durch das LSG, weil dieses ihren Vortrag nicht berücksichtigt habe. Sie habe im Berufungsverfahren insbesondere vorgebracht, dass sie aufgrund ihrer behinderungsbedingten Einschränkungen innerbetrieblich "nicht mehr konkurrenzfähig" sei und dies zu Betriebsablaufstörungen führe, dass ihr Arbeitgeber sie nicht als vollwertige Arbeitskraft ansehe, ihre reduzierte Arbeitszeit "nicht praktikabel" sei, ihre Einsatzmöglichkeiten behinderungsbedingt stark eingeschränkt seien und sie erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten habe. Dieses Vorbringen habe das LSG nicht beschieden, was nur den Schluss zulasse, dass das LSG dieses Vorbringen nicht erwogen habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f, mwN; BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, 145; BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f; BVerfG ≪Kammer≫ vom 26.9.2012 - 2 BvR 938/12 - BVerfGK 20, 53, 57 mwN; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6). Um eine Verletzung des Gehörsanspruchs durch Nichtberücksichtigung von Beteiligtenvortrag annehmen zu können, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f, mwN; BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, 145; BVerfG ≪Kammer≫ vom 17.12.1998 - 2 BvR 1556/98 - juris RdNr 10; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6). Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, 145; BVerfG ≪Kammer≫ vom 17.12.1998 - 2 BvR 1556/98 - juris RdNr 10; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6).
Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Gehörsverletzung nicht hinreichend dargetan. Die Beschwerdebegründung führt selbst an, dass das LSG als Indizien für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes behinderungsbedingte Fehlzeiten, das Ob und den Umfang des Bedarfs an technischen Hilfen, eine verminderte Leistungsfähigkeit oder notwendige Hilfeleistungen anderer Mitarbeiter sowie eine eingeschränkte berufliche Mobilität erwähnt habe. Die Klägerin schließt sodann aus dem Umstand, dass das LSG ihrer Rechtsauffassung nicht gefolgt sei, dass das LSG ihr Vorbringen nicht in Erwägung gezogen habe. Damit hat die Beschwerdebegründung eine Gehörsverletzung nicht schlüssig behauptet. Sie rügt der Sache nach nur eine aus ihrer Sicht unzutreffende Beweiswürdigung und Subsumtion des LSG. Hierauf kann die Gehörsrüge indes nicht gestützt werden (vgl etwa BSG vom 25.6.2021 - B 13 R 93/20 B - juris RdNr 13). Art 103 Abs 1 GG enthält keinen Anspruch, dass die Gerichte der Rechtsansicht des Grundrechtsträgers folgen, und schützt nicht vor einer aus dessen Sicht "unrichtigen" Rechtsanwendung (BVerfG ≪Kammer≫ vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 - insofern in BVerfGK 17, 298 nicht abgedruckt).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14800488 |