Leitsatz (amtlich)
Der Tatbestand der Ersatzzeit wegen Kriegsgefangenschaft (RVO § 1251 Abs 1 Nr 1) ist nicht für die Zeit gegeben, für welche sich der Versicherte im bisherigen Gewahrsamsland als "freier Arbeitnehmer" verpflichtet hatte (vgl 4. ZVerbg Allg Abk Frankreich SozSich Art 3 von 1950-07-10).
Orientierungssatz
Ist EWG-V 3 Art 28 Abs 1 Buchst b oder ist EWG-V 3 Anh G 1 Buchst b - d oder sind beide Vorschriften in Verbindung miteinander dahin auszulegen, daß für die Entscheidung, ob nach deutschem Recht Ersatzzeiten anzurechnen sind, Beiträge, die nach den Vorschriften eines anderen Mitgliedsstaats der EWG entrichtet sind, den Beiträgen nach den deutschen Rechtsvorschriften gleichstehen ?
Normenkette
RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; EWGV 3 Art. 28 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1958-09-25; EWGV 3 Anh G1 Buchst. b Fassung: 1958-09-25; SozSichAbkZVbg FRA 4 Art. 3 Fassung: 1950-07-10
Tenor
1. Die Verhandlung wird bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EuGH) über nachstehende Auslegungsfrage ausgesetzt.
2. Der EuGH wird gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft angerufen, vorab über die Frage zu entscheiden:
Ist Art. 28 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (EWG-VO Nr. 3)
oder ist der Anhang G I Buchst. B bis D zur EWG-VO Nr. 3
oder sind beide Vorschriften in Verbindung miteinander dahin auszulegen,
daß für die Entscheidung, ob nach deutschem Recht Ersatzzeiten anzurechnen sind, Beiträge, die nach den Vorschriften eines anderen Mitgliedsstaats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entrichtet sind, den Beiträgen nach den deutschen Rechtsvorschriften gleichstehen?
Gründe
Der Kläger war vor seinem Kriegsdienst nicht rentenversichert. Im März 1942 trat er in die deutsche Wehrmacht ein, geriet später in französische Kriegsgefangenschaft und verpflichtete sich im Mai 1947 als Arbeiter in Frankreich. Dort war er bis zu seiner Übersiedlung nach Deutschland im Februar 1951 beschäftigt.
Nach seiner Erkrankung an Tuberkulose wurde ihm von Juli 1961 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung zugebilligt. Die Beklagte lehnte es jedoch ab (Bescheid vom 8. März 1962), dem Kläger die Zeiten seines Kriegsdienstes und seiner Kriegsgefangenschaft als Ersatzzeiten rentensteigernd gutzubringen. Für sie war maßgebend, daß der Kläger nicht innerhalb von drei Jahren, nachdem er in Frankreich ein ziviles Arbeitsverhältnis aufgenommen hatte, in eine nach deutschem Recht rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit eingetreten war (§ 1251 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-).
Der Kläger erhielt - neben der Rente aus der deutschen Rentenversicherung - aus der französischen Rentenversicherung eine Invalidenpension. Dabei wurden Versicherungszeiten von 1947 bis Februar 1951 in Rechnung gestellt.
Die Rente aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung ist dem Kläger nach seiner Genesung und Umschulung wieder entzogen worden.
Die um Erhöhung dieser Rente erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Freiburg durch Urteil vom 22. November 1962 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat dagegen mit Urteil vom 5. April 1965 die Beklagte verurteilt, in die Rentenberechnung die Ersatzzeiten von März 1942 bis Mai 1947 einzubeziehen. Es nahm an, daß die Kriegsgefangenschaft nur bis zur Aufnahme des zivilen Arbeitsverhältnisses in Frankreich im Mai 1947 gedauert habe; denn nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei er als "Freiarbeiter" nicht mehr in einem Lager unter Bewachung festgehalten worden. Die alsdann in der französischen Sozialversicherung verbrachten Beitragsmonate müßten jedoch in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Anhangs G I Buchst. B bis D zur EWG-VO Nr. 3 deutschen Beitragszeiten gleichgestellt werden. Dies rechtfertige - wie auch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 28. August 1964 - 12 RJ 260/61 - (BSG 21, 271) entschieden habe - die Abgeltung der unmittelbar vorhergegangenen Ersatzzeiten.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte hat das Rechtsmittel eingelegt und beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen; hilfsweise bittet sie, zur Auslegung der - in Betracht kommenden - europäischen Rechtsvorschriften den EuGH anzurufen. Sie meint, Ersatzzeiten seien gemäß Art. 27 EWG-VO Nr. 3 nur für den Erwerb des Leistungsanspruchs, also für die Erfüllung der Wartezeit bedeutsam. Bei der Berechnung der Rente seien dagegen nur solche Zeiten in Ansatz zu bringen, die entweder nach binnendeutschen Rechtsvorschriften zu beachten oder im Anhang G I Buchst. B bis D zur EWG-VO Nr. 3 unmittelbar aufgeführt seien. Die Voraussetzungen beider Möglichkeiten seien im Fall des Klägers nicht gegeben.
Der Senat hat die Verhandlung bis zur Vorabentscheidung des EuGH über die in der Beschlußformel angegebene Auslegungsfrage aus den folgenden Erwägungen ausgesetzt.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist die Frage erheblich, ob eine Beitragsleistung in einem anderen europäischen Mitgliedstaat (hier: Frankreich) die Möglichkeit eröffnet, nach deutschem Recht eine Ersatzzeit zu berücksichtigen. Ersatzzeiten werden nach deutschem Recht nur im Rahmen einer bestehenden Versicherung berücksichtigt. Entweder müssen vor dem Ersatzzeitgeschehen Beiträge oder nachher innerhalb von drei Jahren Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sein § 1251 Abs. 2 RVO; BSG 20, 184; 22, 246, 247).
Die Antwort auf die Frage, ob dem Erfordernis bestimmte Beitragsleistungen auch durch Beiträge in einem europäischen Mitgliedstaat genügt wird, ist möglicherweise aus Art. 27 Abs. 1 EWG-VO Nr. 3 vgl. auch Art. 13 Abs. 1 Buchst. a EWG-VO Nr. 4) zu entnehmen. In die gleiche Richtung scheint Art. 28 Abs. 1 Buchst. b EWG-VO Nr. 3 zu weisen, wo davon die Rede ist, daß für die Leistungsberechnung sämtliche in Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und gleichgestellten Zeiten von jeder staatlichen Versicherung so zu behandeln sind, als fielen sie in die eigene Versicherung. Jedoch sollen bei der Festsetzung des einzelstaatlichen Leistungsanteils nur die nach innerstaatlichem Recht jeweils anzuerkennenden Versicherungszeiten und gleichgestellten Zeiten beachtet werden. Wie die Frage aus den angeführten Vorschriften zu beantworten ist, erscheint zweifelhaft, wenn man Art. 28 Abs. 1 Buchst. a EWG-VO Nr. 3 mit heranzieht. Dort ist ausgesprochen, daß der Träger jedes Mitgliedstaats nach seinen Rechtsvorschriften zu bestimmen hat, ob der Versicherte unter Berücksichtigung der in Art. 27 vorgesehenen Zusammenrechnung der Zeiten die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Leistung erfüllt. Aus den angeführten Rechtssätzen hat das BSG bislang gefolgert, daß die Gesamtheit der nach europäischem Recht zu respektierenden Versicherungs- und gleichgestellten Zeiten nicht größer sei, als sich aus einer Addition der Zeiten ergebe, die unmittelbar nach den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu beachten sind (vgl. BSG 21, 271, 275; 22, 246, 250). Dieser Rechtsauffassung neigt auch der erkennende Senat zu. Ihm erscheinen die Vorschriften der Art. 27 und 28 Abs. 1 Buchst. a EWG-VO Nr. 3 lediglich als eine besondere Form der Zusammenrechnungsklausel, wie sie in zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen üblich ist. Freilich rechtfertigt der Wortlaut diese Interpretation nicht mit aller Klarheit.
Anders verhält es sich indessen mit der Rechtsgestaltung für Ausfallzeiten und Zurechnungszeiten (§§ 1259. 1260 RVO). Dazu ist auf Anhang G I Buchst. B Nr. 1 zur EWG-VO Nr. 3 in der Fassung des Art. 6 der VO Nr. 130/63 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 18. Dezember 1963 hinzuweisen. Dort ist ausgesprochen, daß für die Anrechnung von Ausfallzeiten oder Zurechnungszeiten "die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats entrichteten Beiträge und der Eintritt in die Versicherung eines anderen Mitgliedstaats den Beiträgen nach den deutschen Rechtsvorschriften und dem Eintritt in die deutsche Rentenversicherung gleichstehen". In dieser Bestimmung hat nun der 12. Senat des BSG in dem in BSG 21, 271 abgedruckten Urteil die Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens gesehen, daß für solche Zeiten, für die zur Anerkennung als Versicherungszeit eine vorhergehende Beitragszeit verlangt wird, Beiträge in anderen Mitgliedstaaten den deutschen Sozialversicherungsbeiträgen gleichstehen. - Das gleiche müßte auch für den Fall gelten, daß eine nachfolgende Beitragszeit erforderlich ist. - Der 12. Senat des BSG hat dazu ausgeführt, daß ein ausdrücklicher Ausspruch im Sinne des von ihm angenommenen Grundgedankens bezüglich der Ersatzzeiten nur versehentlich, unterblieben sein könne. Die Gleichheit der Interessenlage rechtfertige auch für die Ersatzzeiten die Übernahme der oben erwähnten Regelung. Dafür sprächen auch die Vorschriften in den Buchst. C und D des Anhangs G I. Der 12. Senat war sich seiner Auffassung so sicher, daß er glaubte, von einer Anrufung des EuGH absehen zu können. Der 1. Senat des BSG hat in seiner in BSG 22, 246 veröffentlichten Entscheidung die Erwägungen des 12. Senats zwar erwähnt, aber offen gelassen, ob er ihnen folgen würde.
Der jetzt erkennende Senat hält es für geboten, sich vor allem auch wegen dieser Auslegung an den EuGH zu wenden.
Die Bedenken gegen die erwähnte Auffassung richten sich nicht dagegen, daß die Interpretation des Anhangs G I Buchst. B bis D zur EWG-VO Nr. 3 über das hinausgeht, was der reine Wortlaut ergibt. Wenn auch im zwischen- und überstaatlichen Recht dem Wortlaut der Rechtssätze ein erhöhtes Gewicht beizumessen ist und namentlich die Analogie im allgemeinen unangebracht sein dürfte, weil sonst in die staatliche Entscheidungsfreiheit eingegriffen würde, so wird dies doch nicht in gleichem Maße für die Sinnermittlung europäischer Rechtsvorschriften zu gelten haben. Gegen eine analoge Anwendung des Anhangs G I Buchst. E bis D zur EWG-VO Nr. 3 kann jedoch sprechen, daß man es bei diesen Bestimmungen mit Ausführungsvorschriften zu tun hat, die auf bestimmte Singularnormen hinweisen und nur darauf abgestellt sind.
Am ehesten könnte im Buchst. B des Anhangs G I zur EWG-VO Nr. 3 ein der Verallgemeinerung fähiger Grundsatz zu finden sein. Es fällt jedoch auf, daß dort nur die in den Mitgliedstaaten "entrichteten Beiträge" und nicht - wie etwa sonst - Versicherungs-, Beschäftigungs- oder gleichgestellte Zeiten angeführt werden. Das läßt die Überlegung aufkommen, daß diese Rechtsnorm nur mit ganz bestimmten Vorschriften des deutschen Rentenversicherungsrechts in Verbindung zu bringen ist. In der Tat wird denn auch bei der Ermittlung der sogenannten Halbdeckung für die Anrechnung von Ausfall- und Zurechnungszeiten (§§ 1259 Abs. 3 und 1260 Abs. 1 Satz 2 RVO) speziell auf die Menge der aufgewendeten Beiträge abgestellt. Noch stärker weist in dieselbe Richtung das Merkmal des "Eintritts in die Versicherung". Damit wird auf eine Eigenart der für Ausfall- und Zurechnungszeiten gegebenen Regelungen hingewiesen. Demgegenüber kommt es für Ersatzzeiten nicht auf den Eintritt in die Versicherung sondern darauf an, ob eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in bestimmter Folgefrist begonnen wurde (§ 1251 Abs. 2 RVO).
Sucht man nach dem den Vorschriften in Buchst. B bis D des Anhangs G I zur EwG-VO Nr. 3 gemeinsamen Gedanken, so kann dieser enger verstanden werden, als er vom 12. Senat entwickelt worden ist. Diese Vorschriften mögen durch die Erwägung verbunden sein, daß bestimmte Anspruchsnormen des deutschen Rentenversicherungsrechts eine gewisse Dichte von Versicherungszeiten erfordern, sei es die Dichte innerhalb des Gesamtversicherungsverlaufs - so bei der sogenannten Halbdeckung - oder innerhalb einzelner Kalenderabschnitte - wie bei Aufrechterhaltung der Anwartschaft. Diesem Erfordernis einer Mindestmenge von Versicherungszeiten (Buchst. B und D) soll durch Versicherungszeiten in mehreren Mitgliedstaaten entsprochen werden können. Die Überlegungen des 12. Senats führen aber darüber hinaus und betreffen den Bestand der Versicherung überhaupt. Sie weiten den Inhalt der genannten Normen dahin aus, daß die Versicherung zugleich stets in dem einen wie in dem anderen Staat bestehen soll: Die Versicherung soll schon deshalb in einem Staate - ohne jede Beitragsleistung zu dessen Versicherung - begründet worden sein, weil Beiträge zur Versicherung eines anderen Staates entrichtet worden sind. Auch in Buchst. C des Anhangs G I zur EWG-VO Nr. 3 wird nur auf eine Besonderheit des deutschen Rechte, nämlich die Rentenberechnung nach § 1255 Abs. 4 RVO Bezug genommen. Die ersten fünf Kalenderjahre seit dem Eintritt in die Versicherung sollen für die Ermittlung der Rentenbemessungsgrundlage ausgespart bleiben, weil in diesen Jahren der Arbeitsertrag der Versicherten erfahrungsgemäß unter dem Normalverdienst liegt. Diese Erwägung steht mit dem Beweggrund, der zu dem Ausgleich durch Anrechnung von Ersatzzeiten führt, in einem nur sehr lockeren Zusammenhang. Der Senat vermißt eine hinreichende Rechtsähnlichkeit der Sachverhalte und Tatbestände. Es drängt sich nicht der Gedanke auf, daß "fremde" Beiträge bei der Ersatzzeitanrechnung ebenso berücksichtigt werden müssen wie bei der Ermittlung der Rentenbemessungsgrundlage.
Gegen die Auffassung des 12. Senats kann schließlich eingewendet werden, daß die Buchst. B bis D des Anhangs G I zur EWG-VO Nr. 3 sich ausschließlich auf deutsche Rechtsvorschriften beziehen. Eine Regelung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Beiträge in einem Staate Anknüpfungskriterien für Ersatzzeiten in einem anderen Staate sein können, sollte man unter den allgemeinen Normen erwarten. Es wäre ungewöhnlich, wenn ein solch bedeutungsvoller Grundsatz, wie der, um den es hier geht und der nicht nur für die innerdeutsche Rechtsanwendung allein maßgebend sein könnte, lediglich in nachgeordneten Ausführungsbestimmungen enthalten wäre und aus diesen sogar nur mittelbar gefolgert werden könnte.
Der Unterschied zwischen den Ersatzzeiten einerseits und den Ausfall- und Zurechnungszeiten andererseits kann eine unterschiedliche Regelung auch im überstaatlichen Recht verständlich erscheinen lassen. Es kann eine differenzierende Regelung veranlaßt haben, daß die Ursachen für den Beitragsausfall einmal - bei den Ersatzzeiten - in politischen und wirtschaftlichen Geschehnissen zu suchen sind, die in den Verantwortungsbereich des betreffenden Staates fallen, zum anderen - namentlich bei den Ausfallzeiten - mehr der eigenwirtschaftlichen Sphäre des Versicherten zuzurechnen sind. Die größere Passivität des europäischen Gesetzgebers bei den Ersatzzeiten kann auch dadurch motiviert sein, daß Ersatzzeiten im großen und ganzen an vergangene Ereignisse anknüpfen, Ausfall- und Zurechnungszeiten aber auch in der Zukunft verwirklicht werden können. Das Bedürfnis nach einer Lösung mag im letzteren Falle dringender erschienen sein. Der Aufopferungstatbestände, die sich in den Ersatzzeittatsachen widerspiegeln, hat sich der deutsche Gesetzgeber auch nicht allein in den Versicherungsgesetzen sondern vornehmlich im Lastenausgleichsrecht, Entschädigungsrecht, Verfolgtenrecht, Kriegsopferrecht usw. angenommen.
Die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung durch den EuGH sind gegeben, weil eine Handlung eines Organs der Gemeinschaft, nämlich eine Verordnung des Rates der EWG auszulegen ist (Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Art. 189 Abs. 1 und 2 des Vertrags zur Gründung der EWG). Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ergibt sich aus folgendem:
Nach deutschen Rechtsvorschriften allein besteht keine Handhabe, die Zeiten des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft des Klägers als Ersatzzeiten anzurechnen (§ 1251 Abs. 2 Buchst. a RVO). Das folgt daraus, daß der Kläger nicht innerhalb von drei Jahren eine Beschäftigung oder Tätigkeit aufnahm, die nach Bundesrecht rentenversicherungspflichtig war und für welche Beiträge entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten (§ 1250 Abs. 1 Buchst. a; BSG 20, 184). Ein solches Beschäftigungsverhältnis begründete er zum ersten Mal im Mai 1951. Die in Betracht kommenden Ersatzzeiten waren aber bereits 1947 zu Ende gegangen. Zu dieser Zeit war der Kläger allerdings noch nicht wieder in der Bestimmung seines Aufenthaltsorts völlig frei. Im besonderen war er an der Ausreise aus Frankreich gehindert. Diese Tatsache bedeutet - für sich allein genommen - jedoch nicht, daß seine Kriegsgefangenschaft fortbestand (vgl. BVerwG in NJW 1958, 275). Der Begriff der Kriegsgefangenschaft hat nicht für alle Fälle die gleiche Bedeutung. Nach der aus dem Völkerrecht in die Legaldefinition des § 2 Abs. Satz 1 des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes in der Fassung vom 8. Dezember 1956 - BGBl I 907 vgl. auch BSG 13; 16; 15, 147, 150) - übernommenen Erläuterung sind Kriegsgefangene diejenigen Deutschen, die wegen militärischen oder militärähnlichen Dienstes gefangen genommen und von einer ausländischen Macht festgehalten wurden oder werden. Hieraus ist gefolgert worden, der Tatbestand der Kriegsgefangenschaft werde erst durch Freilassung oder Heimschaffung beendet. Dagegen sei der Status des Kriegsgefangenen nicht dadurch aufgehoben worden, daß der Gefangene im Gewahrsamsland ein Arbeitsverhältnis als sogenannter freier Arbeiter eingegangen sei. Da er nicht die Wahl gehabt habe zu entscheiden, ob er im Gewahrsamsland bleiben oder nach Deutschland zurückkehren wolle, wird seine Überführung in ein freies Arbeitsverhältnis nicht der Freilassung gleicherachtet (vgl. BVerwG in NJW 1958, 1056). Diese Deutung ist für das Recht der Kriegsopferversorgung dahin eingeengt worden (vgl. PSG 3. 268; 13. 16), daß Kriegsgefangener nicht mehr gewesen sei, wer sich in einem - nach arbeitsrechtlichen Vorschriften zu beurteilenden - Arbeitsverhältnis befunden und dem Schutz der Sozialversicherung unterstanden habe. Ob diese Ansicht generell auf § 1251 Abs. Nr. RVO zu übertragen ist, kann dahingestellt bleiben. Für die Rechtssituation, die durch Art. 3 § 1 der 4. Zusatzvereinbarung zum Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 (BGBl II 1951, 177, 195) geschaffen worden ist, hat sie zu gelten. Dies kommt in der Vereinbarung selbst zum Ausdruck, indem dort von den "zu freien Arbeitnehmern gewordenen ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen" die Rede ist. Vor allem macht es die materielle Regelung in der Vereinbarung entbehrlich, von Ersatzzeiten zu sprechen; denn die deutsche Rentenversicherung hat insoweit wie für deutsche Versicherungszeiten einzustehen. Diese "deutschen zivilen Arbeitskräfte" haben "vom Zeitpunkt ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland von den deutschen Versicherungsträgern die Leistungen" zu erhalten, "auf die sie Anspruch hätten erheben können, wenn die in der Bundesrepublik geltende Gesetzgebung über Sozialversicherung auf sie während ihrer Beschäftigungszeit in Frankreich anwendbar gewesen wäre". Diese deutsch-französische Vereinbarung ist ungeachtet der EWG-VOen Nr. 3 und 4 anwendbar geblieben (vgl. Art. 6 Abs. 2 Buchst. e EWG-VO Nr. 3). Sie gestattet jedoch keine dem Kläger günstige Entscheidung. Denn ihre Rechtswohltat ist nur denjenigen zugedacht, die Frankreich noch vor dem 1. Januar 1951 verlassen haben (so Art. 3 § 1 Abs. 1 der 4. Zusatzvereinbarung). Der Kläger ist hingegen erst im Februar 1951 in die Bundesrepublik gekommen. Deshalb hat denn auch der französische Versicherungsträger seine Leistungsverpflichtung aus den Beitragszeiten von 1947 bis Februar 1951 zu Recht anerkannt.
Die Rechtsposition des Klägers ist mithin nach den Vorschriften des EWG-Rechts zu klären.
Fundstellen