Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung, ob ein Versicherungspflichtiger einer Ersatzkasse angehören darf, kommt es grundsätzlich auf die Abgrenzung des Mitgliederkreises in der zZt seines Beitritts geltenden Satzung an. Gehört der Versicherte schon hiernach nicht zum Mitgliederkreis der Ersatzkasse, so bedarf es keiner Prüfung, ob diese Satzung gegenüber der Satzung zZt der Zulassung der Ersatzkasse eine - unzulässige - Erweiterung des Mitgliederkreises enthält.
2. Putzmacherinnen können nicht Mitglied der Braunschweiger Kasse (Ersatzkasse für das Bekleidungsgewerbe) sein.
Normenkette
RVO § 517 Fassung: 1924-12-15; ErsKV Fassung: 1938-10-26; SVAufbauV 12 Art. 2 § 4 Fassung: 1935-12-24
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Juni 1960 wird zurückgewiesen, soweit es die Beigeladenen A K, S K, Lieselotte St und C von S betrifft.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Beklagte ist im Jahre 1874 vom Allgemeinen Deutschen Schneiderverein, der damals das Schneider-, Kürschner- und Kappenmachergewerbe umfaßte, als Hilfskasse unter der Bezeichnung "Kranken-Unterstützungsbund der Schneider" gegründet worden und führt jetzt die Bezeichnung "Braunschweiger Kasse, Ersatzkrankenkasse für das Bekleidungsgewerbe".
Nach § 3 ihrer vom 1. April 1954 an gültigen Satzung, die das Versicherungsamt (VA) genehmigt hat und die im übrigen hinsichtlich der hier allein in Betracht kommenden Gruppe c) unverändert geblieben ist, können aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei ihr Mitglieder werden:
a) Schneider (Einrichter, Hausgewerbetreibende, Zwischenmeister);
b) Kürschner;
c) Kappenmacher (Mützenmacher);
d) Posamentierer;
e) Schirm- und Handschuhmacher;
f) in der Konfektion sowie in der Schneiderei beschäftigte Zuschneider, Bügler, Stepper und Näher,
wenn sie versicherungspflichtig (§ 165 ff RVO) oder versicherungsberechtigt (§ 176 RVO) sind und in dem Geschäftsgebiet der Kasse wohnen.
Wegen Beitritts zur beklagten Ersatzkasse wurden bei der Klägerin, der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Hamburg, folgende Putzmacherinnen abgemeldet:
von der Firma Toni B in Hamburg
Annemarie L, jetzt verehelichte K zum 2. Oktober 1954,
Edith R, jetzt verehelichte W zum 30. Juni 1955,
von der Firma Margot K in Hamburg zum 31. August 1955
Ruthraut E,
Sigrid Sch, jetzt verehelichte K,
Lieselotte St und Ortrud von S
Im August und September 1955 forderte die AOK die beklagte Ersatzkasse auf, ihr die Beiträge für die genannten Angehörigen der Firmen B und K zu überweisen, weil Putzmacherinnen nicht zum beitrittsberechtigten Mitgliederkreis der Beklagten gehörten. Da diese Aufforderungen trotz wiederholter Erinnerungen erfolglos blieben, erhob die Klägerin im August 1956 vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg Klage auf Feststellung der Kassenzugehörigkeit der beigeladenen Betriebsmitglieder mit der Begründung, Putzmacherinnen dürften von der Beklagten nicht als Mitglieder aufgenommen werden, sie fielen nicht unter den Begriff der Kappenmacher (Mützenmacher); sie seien deshalb auch zu Recht nicht in dem 1949 vom Bundesministerium für Arbeit herausgegebenen Berufsverzeichnis für die Arbeitsstatistik (Systematik der Berufe) unter der Berufsspalte 3491 der "Hut- und Mützenmacher" aufgeführt worden, sondern unter der besonderen Gruppe 3493 "Putzmacherin". Dazu überreichte die Klägerin eine Stellungnahme der Staats- und Universitäts-Bibliothek Hamburg vom 31. Oktober 1956. Darin heißt es, bereits in der "Ökonomisch-technologischen Encyklopädie " von Johann Georg Krünitz (1773 - 1858) seien die Berufe der Kappenmacher und Putzmacherinnen getrennt behandelt worden. Es sei somit ausgeschlossen, daß früher eine Putzmacherin zu den Mützenmachern oder Kappenmachern gerechnet worden sei. Die Fertigung von Kappen stelle zwar grundsätzlich eine schneiderische Tätigkeit dar. In der Putzmacherei handele es sich dagegen im wesentlichen darum, Rohstumpen durch Pressen zu Kopfbedeckungen zu formen. Die Putzmacherei stehe deshalb dem nicht beitrittsberechtigten Hutmachergewerbe viel näher als dem Kappenmachergewerbe.
Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, Kappenmacher und Putzmacher bedeuteten im wesentlichen dasselbe. Kappen als besondere Form der weiblichen Bekleidung würden von Putzmachern hergestellt und gehandelt. Die Tätigkeit der Putzmacher beschränke sich keineswegs im wesentlichen auf Preßvorgänge. Die schneiderische Tätigkeit überwiege noch heute und sei im Zeitpunkt der Kassenzulassung nahezu ausschließlich gegeben gewesen. Die Systematik der Berufe sei kein Beweis für die von der Klägerin vertretene Auffassung. Die Putzmacherei sei erst im Jahre 1935 zu einem selbständigen Handwerkszweig erklärt worden. Die nach der früheren Zulassung der Ersatzkasse für die Kappenmacher bestehende Beitrittsberechtigung sei auch für die Putzmacher gültig bzw. auf diese übergegangen. Dazu berief sich die Beklagte auf zwei Stellungnahmen des Landesinnungsverbandes für das Bekleidungshandwerk in Hamburg vom 22. November 1956 und 23. Mai 1957, außerdem überreichte sie ein Schreiben der Gewerkschaft Textil-Bekleidung, Bezirksleitung Nordmark, in Hamburg vom 2. Januar 1956, in dem im wesentlichen ausgeführt wurde, daß die Tätigkeit der Putzmacher mit der der Kappenmacher weitgehend übereinstimme und überwiegend schneiderischer Art sei. Schließlich berief sich die Beklagte noch auf ein ausführliches, die historische Entwicklung berücksichtigendes Gutachten der Kostüm-, Tracht- und Mode-Bibliothek Dr. phil. Wolfgang J in Reinbek (Bez. Hamburg) vom 25. Juli 1957, in dem die Ansicht vertreten wurde, daß die Putzmacherinnen nach der von ihnen überwiegend verrichteten Tätigkeit (Näharbeiten) sowie nach der Art ihrer Aufgaben (Zusatzarbeiten zur weiblichen Kleidung) zum Bekleidungsgewerbe gehörten.
Das SG hat von der Handwerkskammer Hamburg eine Auskunft und von der Gewerkschaft Textil-Bekleidung eine gutachtliche Äußerung eingeholt und sodann durch Urteil vom 29. April 1959 die von der AOK erhobene Klage auf "Feststellung der Kassenzugehörigkeit von Putzmacherinnen bei den Firmen Toni B; Hamburg …, J. …, und Margot K, Hamburg …., R. …" abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus der Encyklopädie von Krünitz könne entnommen werden, daß unter den historischen Begriff der Mützenmacher alle diejenigen fielen, die für Männer und Frauen Kopfbedeckungen des täglichen Bedarfs handwerksmäßig herstellten. In diesem allgemeinen Sinne sei auch der in der Satzung der Beklagten aufgeführte Berufszweig der "Kappenmacher" zu verstehen. Zwar habe die Tätigkeit der Putzmacherinnen in früherer Zeit vorwiegend darin bestanden, daß sie über das rein Handwerkliche hinaus einen individuell gestalteten "Aufputz" fertigten, der nicht auf Kopfbedeckungen beschränkt gewesen sei. Diese individuelle, möglicherweise mehr zum Beruf eines Modeschöpfers hin tendierende Eigenart der Tätigkeit der früheren Putzmacherinnen dürfte auch die natürliche Erklärung dafür sein, daß in früherer Zeit die Putzmacherinnen in der Organisation des Handwerks keine besondere Berücksichtigung gefunden hätten. Die Industrialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe jedoch zu schwerwiegenden Veränderungen im Bereich der herkömmlichen handwerklichen Tätigkeit geführt. Auch der Beruf der Kappen- und Mützenmacher sei von dieser Entwicklung betroffen worden. Von der Existenz eines Handwerkszweiges, der außerhalb der industriellen Fertigung männliche Kopfbedeckungen herstelle, könne jetzt kaum noch gesprochen werden. Ein gewisser Überrest des alten Kappen- bzw. Mützenmacherhandwerks sei aber insofern erhalten geblieben, als die Putzmacherinnen nach und nach dazu übergegangen seien, anstelle des früher gebräuchlichen "Aufputzes", für den kein Bedarf mehr vorhanden sei, nunmehr in handwerklicher Tätigkeit Kopfbedeckungen für Frauen herzustellen. Sie übten jetzt also praktisch einen Teil derjenigen Tätigkeit aus, die in früherer Zeit zu dem Arbeitsgebiet der Kappen- und Mützenmacher gehört habe. Deshalb müßten die heutigen Putzmacherinnen zu demjenigen Personenkreis gerechnet werden, der durch den historisch bedingten Begriff des Mützen- bzw. Kappenmachers umrissen sei. Hierfür spräche auch, daß die beklagte Kasse als "Ersatzkasse für das Bekleidungsgewerbe" gegründet worden sei und daß nach allgemein üblicher Verkehrsanschauung der Damenhut zur vollständigen Bekleidung einer Frau gehöre. Damit fielen die beigeladenen Putzmacherinnen unter diejenigen Personen, die Mitglieder der beklagten Ersatzkassen werden könnten.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Antrage,
1. das Urteil des SG Hamburg vom 29. April 1959 aufzuheben und festzustellen, daß die Beigeladenen zu 3 bis 8 bei ihr, der Klägerin, pflichtversichert sind;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die für die Beigeladenen zu 3 bis 8 gezahlten Beiträge zu erstatten, soweit keine Leistungen gewährt worden sind bzw. für die Zeit nach der letzten Leistungsgewährung.
Die Klägerin war der Auffassung, das SG sei rechtsirrtümlich von einem "historischen Begriff" des Mützenmacherhandwerks, wie er in der Encyklopädie von Krünitz erläutert werde, ausgegangen. Nach der Grundsätzlichen Entscheidung (GE) des Reichsversicherungsamts (RVA) Nr. 5006 (AN 1936, 263) seien der Sprachgebrauch und die Verkehrsanschauung maßgebend, die bei der Zulassung der Ersatzkasse gegolten hätten. Im Jahre 1909 hätten aber die Mützenmacher nur Mützen hergestellt, während das Hutmachergewerbe die übrigen Arten der Kopfbedeckung, nämlich die Hüte, fabriziert habe. Eine Entwicklung, in deren Verlauf die Putzmacherei das Mützenmacherhandwerk abgelöst habe, lasse sich nicht feststellen, vielmehr hätten beide Gewerbezweige nebeneinander bestanden. Aus der Entstehungsgeschichte der beklagten Ersatzkasse ergebe sich, daß diese ihren Mitgliederkreis bewußt eng auf bestimmte Berufszweige beschränkt habe. Wenn sie später ihrem neuen Namen die Bezeichnung "Ersatzkasse für das Bekleidungsgewerbe" hinzugefügt habe, so sei das für die hier zu entscheidende Frage unerheblich. Unstreitig sei ein großer Teil der im Bekleidungsgewerbe Beschäftigten, wie zum Beispiel die Hutmacher und die Schuhmacher, nicht beitrittsberechtigt.
Dagegen vertrat die Beklagte die Ansicht, das SG sei zu Recht davon ausgegangen, daß ein Putzmacherhandwerk im heutigen Sinne um die Jahrhundertwende noch nicht bestanden habe. Alle früheren Quellen ließen erkennen, daß die Putzmacherei damaliger Prägung überwiegend künstlerischen Charakter getragen habe. Der Wandlungsprozeß vom künstlerischen zum handwerklichen Beruf habe erst kurz vor dem ersten Weltkrieg begonnen, sich nach diesem verstärkt fortgesetzt und schließlich etwa mit der Gründung der Putzmacherinnungen im Jahre 1935 seinen Abschluß gefunden. Da es also zur Zeit ihrer, der Beklagten, Zulassung als Ersatzkasse die Putzmacherei als anerkanntes Handwerk noch nicht gegeben habe, hätten auch die Putzmacherinnen nicht in der Satzung mit aufgeführt werden können. Im Wege der Auslegung müßten sie aber nunmehr mit zu den Kappenmachern gerechnet werden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung in vollem Umfang stattgegeben: Die Beklagte dürfe nur solche Personen aufnehmen, für die sie am 1. April 1909 als Ersatzkasse zugelassen gewesen sei. Nach der Rechtsauffassung des früheren RVA seien bei der Auslegung der in den Satzungen der Ersatzkassen festgelegten Berufe die Verkehrsauffassung und der Sprachgebrauch zugrunde zu legen, die zur Zeit der Zulassung der Ersatzkasse maßgebend gewesen seien. Die Ersatzkassen dürften ihren Mitgliederkreis nur ergänzen und vergrößern, soweit sie sich dabei im Rahmen des schon seither satzungsmäßig festgelegten Personenkreises hielten. Zwar sei es denkbar, daß durch die wirtschaftliche und technische Entwicklung einzelner Gewerbezweige innerhalb bestimmter Berufe eine Spezialisierung eintrete, die sich aber im Rahmen der früheren weitgehenden Berufsbezeichnungen hält. Dem habe die beklagte Ersatzkasse bereits Rechnung getragen. In ihrer seit dem 1. April 1954 gültigen Satzung seien bei der Berufsgruppe "Schneider" (§ 3 Abs. 1a) noch "Einrichter, Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister", ferner bei der Gruppe der "in der Konfektion und in der Schneiderei Beschäftigten" (§ 3 Abs. 1 f) noch die "Näher" hinzugesetzt worden. Diese Änderungen habe auch die Aufsichtsbehörde genehmigt. Dagegen seien, wie sich aus den Akten des VA Hamburg ergebe, Versuche der Beklagten im Jahre 1952 erfolglos geblieben, anläßlich einer neuen Namensänderung ("Braunschweiger Ersatzkasse") den Kreis der Mitglieder auf "die Beschäftigten in Kleider- und Wäschefabriken und in der Konfektion, in der Hut- und Strohhutfabrikation, in der Mützenfabrikation, im Putzmachergewerbe , in Kunststopfereien , in mechanischen Nähereien und im Textilgewerbe" auszudehnen. In der vom 1. September 1952 an gültigen Fassung der Satzung seien diese Änderungen nicht enthalten, woraus zu schließen sei, daß die Beklagte nach Belehrung durch die Aufsichtsbehörde ihre Änderungswünsche nicht weiter verfolgt habe. Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei zu schließen, daß die Putzmacherinnen im Jahre 1909 zu keinem der in § 3 der Satzung aufgezählten Berufe hätten gerechnet werden können. Das Putzmachergewerbe habe sich - entgegen der Auffassung des SG - weder infolge industrieller noch sonstiger wirtschaftlicher Wandlungsprozesse aus einem der in der Satzung festgelegten Berufe heraus entwickelt noch sei es an die Stelle eines dieser Berufe getreten. Die Kappen- und Mützenmacher, d. h. die Hersteller von Uniformmützen, Sportmützen, Schüler- und Studentenmützen, Mützen für verschiedene Berufe, Kindermützen, Kinderkappen, Faschingsmützen usw., seien von je her ein den Schneidern verwandtes Gewerbe, das noch heute ausgeübt werde. Die in diesem Gewerbezweig Tätigen hätten aber mit der Putzmacherei nichts zu tun. Bei dieser handele es sich um ein völlig anderes Gewerbe mit eigenen charakteristischen Tätigkeitsmerkmalen. Es liege somit hinsichtlich der beigeladenen Putzmacherinnen eine Fehlversicherung vor, die auch kein formales Versicherungsverhältnis begründet habe, so daß sowohl die erstrebte Feststellung als auch die Verurteilung der beklagten Ersatzkasse zur Beitragserstattung gerechtfertigt seien. - Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die beklagte Ersatzkasse hat das ihr am 28. Juli 1960 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 23. August 1960, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 24. August 1960, angefochten und darin ausgeführt, daß sie gegen das Urteil des LSG Hamburg innerhalb der "offenen Frist das ausdrücklich zugelassene Rechtsmittel der Revision" einlege, und daß sie sich unter Vorbehalt einer weiteren Stellungnahme zur Begründung zunächst auf das gesamte Vorbringen in I. und II. Instanz berufe. Weiter hat sie in diesem Schriftsatz erklärt, nach ihrer Auffassung könne das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil es das geltende Recht verletze; nach § 505 Abs. 1 RVO dürfe sie, die Beklagte, Versicherungspflichtigen, die zu dem Personenkreis gehörten, für den sie zugelassen sei, den Beitritt nicht versagen; demgemäß hätte sie die Beigeladenen aufnehmen müssen, da sie diese nach pflichtgemäßer Prüfung zu dem beitrittsberechtigten Personenkreis gerechnet habe.
Die klagende AOK beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin sieht die Revision nicht als formgerecht eingelegt an, da sie keinen bestimmten Antrag enthalte, auch sei in der Begründung nicht die verletzte Rechtsnorm bezeichnet worden.
II.
Die fristgerecht eingelegte Revision genügt den Erfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), wonach die Revision außer der Bezeichnung des angefochtenen Urteils noch einen bestimmten Antrag enthalten muß. Zwar würde eine Revisionsschrift, in der nur erklärt ist, daß gegen ein bestimmt bezeichnetes Urteil Revision eingelegt werde, nicht dem Erfordernis des "bestimmten Antrags" entsprechen (BSG 1, 47 und 50; BSG in SozR § 164 SGG Bl. Da 3 Nr. 14). Nach der Rechtsprechung des BSG enthält die Revision den erforderlichen Antrag jedoch jedenfalls dann, wenn in ihr ausdrücklich erklärt ist, daß das Berufungsurteil "in vollem Umfange" angefochten werde (BSG 1, 98). In derselben Richtung geht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist der entsprechenden Vorschrift des § 124 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung über den bestimmten Antrag genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar ist (BVerwGE 12, 189 = NJW 1961, 1642). Damit ist die Voraussetzung erfüllt, daß bereits die Revision einen bestimmten Antrag enthalten muß. Aus dem Gesamtinhalt der Revisionsschrift geht hinreichend deutlich hervor, daß die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG erstrebt wird. Dies reicht zur Erfüllung der gesetzlichen Formerfordernisse aus.
Auch der weiteren Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG ist genügt, wonach die Revisionsbegründung außerdem die verletzte Rechtsnorm bezeichnen muß. Zwar würde die Bezugnahme auf das Vorbringen in der Berufungsinstanz hierfür allein nicht ausreichen (vgl. BSG 6, 269). Aus den übrigen Ausführungen ergibt sich jedoch wiederum mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Verletzung sachlichen Rechts gerügt werden sollte, und zwar unrichtige Anwendung der Vorschriften über den beitrittsberechtigten Mitgliederkreis der Ersatzkassen.
Die danach form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision kann jedoch hinsichtlich der in der Urteilsformel genannten Beigeladenen keinen Erfolg haben. Das LSG hat insoweit mit im wesentlichen zutreffender Begründung der Berufung der Klägerin stattgegeben. Hinsichtlich der Beigeladenen W und E konnte allerdings noch nicht entschieden werden, weil ihr derzeitiger Wohnort unbekannt ist, und ihnen deshalb der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt werden konnte. Daher war der Erlaß eines Teilurteils gerechtfertigt.
Maßgebend für die Begrenzung des Mitgliederkreises der Ersatzkassen war ursprünglich nach § 503 RVO aF (RGBl 1911, 509) der am 1. April 1909 durch die Satzung bestimmte Bezirk und Kreis der versicherungspflichtigen Mitglieder, für den die Ersatzkasse zugelassen worden war (vgl. RVA GE Nr. 2921, AN 1925, 393; GE Nr. 2946, AN 1926, 212; GE Nr. 3036, AN 1927, 258; GE Nr. 4755, AN 1934, 137). In diesem Zusammenhang hatte die Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, daß die Verkehrsanschauung, die am Stichtag vom 1. April 1909 herrschte, für die Auslegung der Kassensatzung maßgebend sein sollte (vgl. ua GE Nr. 5006, AN 1936, 263; GE Nr. 5240, AN 1938, 449). Insbesondere wurde unter diesem Gesichtspunkt der Verwaltungspraxis der Kassen, wie sie am Stichtag bestand, maßgebliche Bedeutung beigemessen (vgl. Dersch, Die Deutsche Ersatzkasse 1937, 165, 168; Traenckner, Zentralbl. f. R. Versich. und R. Versorg. 1938, 381, 386). Hierbei ist aber zu beachten, daß die Ersatzkassen früher eine Doppelstellung innehatten, die ihnen sowohl die Durchführung der reichsgesetzlichen Versicherung als auch private Versicherungsgeschäfte gestattete. Im Zuge der Neuregelung des Ersatzkassenwesens nach 1933 brachte dann Abschnitt II Art. 3 § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Aufbau der Sozialversicherung (AufbauG) vom 5. Juli 1934 (RGBl I 577) die Ermächtigung, den Geschäftsbereich der Ersatzkassen auf die nach der RVO zur Versicherung Verpflichteten und Berechtigten zu beschränken. Nach Abs. 2 aaO war ferner der Reichsarbeitsminister allgemein berechtigt, Vorschriften über die Zulassung von Ersatzkassen zu erlassen. Auf Grund dieser und der weiter in Abschnitt V § 1 AufbauG enthaltenen Ermächtigung ergingen daraufhin die 12. Aufbau-Verordnung (AufbauVO) vom 24. Dezember 1935 - RGBl I 1537 - und später die 15. AufbauVO vom 1. April 1937 - RGBl I 439 -, wobei nunmehr § 503 RVO durch § 18 der 12. AufbauVO aufgehoben wurde. Die frühere Regelung des § 503 RVO aF hatte damit aber, wie das LSG richtig ausgeführt hat, ihre Bedeutung zunächst noch nicht verloren, weil § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12. AufbauVO hinsichtlich des Mitgliederkreises auf die Zulassung als Ersatzkasse abstellte und dieser nach § 503 RVO aF wiederum grundsätzlich auf den am 1. April 1909 satzungsmäßig bestimmten Kreis der versicherungspflichtigen Mitglieder beschränkt war (vgl. die RVA-Entscheidung II K 11/37 BS vom 15. Juni 1938 in DOK 1938, 755 sowie Stamm, DOK 1938, 1061 unter 2); ferner Dersch, Die Ersatzkasse 1939, 181).
Diese Rechtslage hat jedoch in der Folgezeit durch die Verordnung über den Mitgliederkreis der Ersatzkrankenkassen der Krankenversicherung - MitgliederVO - vom 26. Oktober 1938 (RGBl 1519 = AN 433) insofern eine Änderung erfahren, als nunmehr unter Mitgliederkreis im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12. AufbauVO idF der 15. AufbauVO der Personenkreis zu verstehen ist, der in der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Satzung festgelegt ist; dabei ist die Satzung maßgebend, die im Zeitpunkt der Aufnahme des Versicherungspflichtigen oder Versicherungsberechtigten in die Ersatzkasse in Kraft war.
Hierzu ist streitig geworden, ob auf Grund der MitgliederVO eine von der Aufsichtbehörde genehmigte Änderung der Satzung auch eine Ausdehnung des Mitgliederkreises sanktioniert, die an sich den ursprünglichen Mitgliederkreis der Ersatzkassen unzulässigerweise erweitert, oder ob diese Verordnung nur Härten für den einzelnen Versicherten mildern soll (s. einerseits Dersch, Die Deutsche Ersatzkasse 1939, 93, 97; Die Ersatzkasse 1939, 181; vgl. auch Grünwald, DOK 1938, 1189, 1194; a. A. Taprogge, DOK 1956, 533, 537). Diese Frage brauchte der Senat in BSG 16, 165, 169 nicht zu entscheiden. Sie kann auch im vorliegenden Fall dahinstehen. Jedenfalls genügt es, allein die im Zeitpunkt der Aufnahme der Versicherungspflichtigen geltende Satzung der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn schon nach dem in dieser Satzung festgelegten Mitgliederkreis die in Frage kommenden Versicherungspflichtigen von der Ersatzkasse nicht aufgenommen werden durften. Das aber ist hier der Fall. Die in diesem Rechtsstreit maßgebliche Satzung der beklagten Ersatzkasse von 1954 führt die "Putzmacherinnen" unter den Berufen, die zum Mitgliederkreis dieser Ersatzkasse gehören, nicht auf. Dieser Personenkreis gehört auch nicht zu den in der Satzung genannten "Kappenmachern (Mützenmachern)". Die Putzmacherinnen bilden vielmehr im Zuge einer Entwicklung, die schon erhebliche Zeit vor 1954 eingesetzt hat, einen von den Kappenmachern (Mützenmachern) deutlich getrennten Berufszweig. Nach dem vom LSG zu Recht herangezogenen amtlichen Berufsverzeichnis für die Arbeitsstatistik (Systematik der Berufe), das 1949 vom Bundesministerium für Arbeit herausgegeben worden ist und zur Zeit der Satzungsänderung von 1954 schon mehrere Jahre in Kraft gewesen war, sind die Putzmacherinnen getrennt von den Hut- und Mützenmachern unter einer besonderen Nummer (nämlich 3493) in der Berufsgruppe 34/35 "Textilhersteller und -verarbeiter" aufgeführt; sie können somit schon aus diesem Grunde nicht zu den in Nr. 3491 mit aufgeführten Mützenmachern und Kappenmachern gehören. Hiermit im Einklang standen 1954 die tatsächlichen Verhältnisse und die damalige allgemeine Verkehrsanschauung. Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) verrichten die Kappen- und Mützenmacher vorwiegend schneiderische Tätigkeiten, weshalb sie von jeher zum Schneidergewerbe gerechnet worden sind, was jedoch für die Putzmacherinnen, deren Tätigkeit sich im wesentlichen auf die Be- und Verarbeitung weiblicher Kopfbedeckungen beschränkt, nicht zutrifft. Deshalb können die beigeladenen Putzmacherinnen nach dem Wortlaut der Satzungsänderung von 1954, welche die Zustimmung des Versicherungsamts gefunden hat, nicht bei der beklagten Ersatzkasse versichert werden.
Zu der von der Beklagten erstrebten ausdehnenden Auslegung besteht kein Anlaß. Nach den für den Senat wiederum bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG hat es einerseits die Putzmacherei im heutigen Sinne vor dem ersten Weltkrieg noch kaum gegeben, während andererseits das Mützenmacherhandwerk nach wie vor besteht. Damit hat das LSG zu Recht angenommen, daß die Putzmacherinnen weder unter den Begriff der Kappenmacher (Mützenmacher) im Sinne des Sprachgebrauchs von 1909 fallen noch etwa als Nachfolger des Mützen- und Kappenmachers anzusehen sind, so daß eine Übertragung des für diese gegebenen Beitrittsrechts auf jene nicht in Betracht kommen konnte.
Das LSG hat somit der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hamburg zu Recht stattgegeben und dabei auch zutreffend entschieden, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die für die beigeladenen Putzmacherinnen gezahlten Krankenversicherungsbeiträge zu erstatten, soweit keine Leistungen gewährt sind, anderenfalls für die Zeit nach der letzten Leistungsgewährung (vgl. GE 5240 und 5436, AN 1938, 449 sowie 1941, 263).
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung mußte dem Schlußurteil vorbehalten werden.
Fundstellen