Leitsatz (amtlich)
Für Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung (BGB § 839, GG Art 34) ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auch dann nicht gegeben, wenn die Amtshandlung sich auf eine Angelegenheit der Sozialversicherung (auf die Bewilligung einer Rente der gesetzlichen Unfallversicherung) bezieht. Auch im Wege der Widerklage können solche Ansprüche nicht vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verfolgt werden.
2. Wendet der nach FAG SV §§ 7, 17 Abs 6 zur Weitergewährung einer bindend festgestellten Rente verpflichtete neue Versicherungsträger gegenüber dem Anspruch des vorher zuständig gewesenen Versicherungsträgers auf Erstattung der nach dem Inkrafttreten des FAG SV weitergewährten Rente im Wege der exceptio doli ein, die Rente sei durch Verschulden eines Beamten dieses Versicherungsträgers zu Unrecht festgestellt worden und ihm ständen deshalb Schadensersatzansprüche nach BGB § 839, GG Art 34 zu, so kann dahingestellt bleiben, ob über diesen Einwand im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit entschieden werden kann; der Einwand ist nicht begründet, weil der neue Versicherungsträger nicht "Dritter" iS des BGB § 839 ist.
Normenkette
SVFAG § 7 Fassung: 1953-08-07, § 17 Abs. 6 Fassung: 1953-08-07; BGB § 839; GG Art. 34; SGG §§ 143, 51 Fassung: 1953-09-03, § 100 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juni 1960 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Widerklage als unzulässig abgewiesen wird.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Durch Bescheid vom 7. Januar 1949 gewährte der Landesbezirksdirektor der Finanzen, Abteilung für Straßen-, Wasser- und Vermessungswesen als Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in Karlsruhe dem Glasbläser Johann B, einem Flüchtling aus dem Sudetenland, mit Wirkung vom 1. März 1948 an eine Rente von 50 v. H. der Vollrente wegen einer "Berufskrankheit (Lungenblähung), die durch seine berufliche Beschäftigung als Glasbläser verursacht worden ist". Der Bescheid erging auf Grund des Württ.-badischen Flüchtlingsrentengesetzes vom 4. Dezember 1947 (RegBl. Württ.-Baden 1948, 15). Die Rente wurde - hierüber herrscht unter den Beteiligten kein Streit - zu Unrecht gewährt; denn eine Lungenblähung ist in den Verordnungen über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten unter den zur Entschädigung berechtigenden Krankheiten nicht aufgeführt.
Mit Wirkung vom 1. April 1953 gingen die Aufgaben des Landesbezirksdirektors der Finanzen als Ausführungsbehörde für Unfallversicherung auf den Unfallversicherungsverband der Badischen Gemeinden und Gemeindeverbände als Ausführungsbehörde für Unfallversicherung des Landes Baden-Württemberg für die Regierungsbezirke Nordbaden und Südbaden über (VO des ArbMin Baden-Württemberg vom 7. März 1953 - GBl S. 19). Demgemäß gewährte das klagende Land Baden-Württemberg die Rente weiter, und zwar bis zum 31. Dezember 1953. Von diesem Zeitpunkt an übernahm die beklagte Berufsgenossenschaft, die auf Grund des § 7 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 (FAG) zuständig geworden war, die Rentenzahlungen. Sie gewährte die Leistungen bis Ende Oktober 1959; in diesem Monat starb Johann B.
Da die hier in Betracht kommenden Vorschriften des FAG bereits mit Wirkung vom 1. April 1952 in Kraft getreten sind, verlangt der Kläger von der Beklagten Erstattung der Leistungen, die er für die Zeit vom 1. April 1952 bis 31. Dezember 1953 in Höhe von 2.100,09 DM an B erbracht hat. Demgegenüber macht die Beklagte einen Schadensersatzanspruch geltend, den sie daraus herleitet, daß das frühere Land Württemberg-Baden als Unfallversicherungsträger zu Unrecht eine Berufskrankheit anerkannt hat. Hierzu hat sie ausgeführt: Die mit der Bearbeitung der Angelegenheiten befaßten Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen - der inzwischen verstorbene Ministerialrat R und der Regierungsoberinspektor K - hätten insofern schuldhaft gehandelt, als sie weder den Landesgewerbearzt gehört noch den Rentenausschuß über die Unhaltbarkeit des Entschädigungsanspruchs aufgeklärt hätten. Deshalb seien diese Beamten nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) schadensersatzpflichtig, und der Kläger als Rechtsnachfolger des früheren Landes Württemberg-Baden müsse hierfür einstehen. Dies habe zur Folge, daß der Kläger die Forderung von 2.100,09 DM nicht geltend machen könne (§§ 242, 826 BGB) und darüber hinaus alle der Beklagten auf Grund des FAG entstandenen und noch entstehenden Aufwendungen für B ersetzen müsse. Den Ersatzanspruch macht die Beklagte im Wege der Widerklage geltend.
Durch Urteil vom 15. September 1957 hat das Sozialgericht (SG) Karlsruhe die Beklagte verurteilt, dem Kläger "die Aufwendungen aus der Berentung des Johann B in der Zeit vom 1. April 1952 bis 31. Dezember 1953 zu erstatten". Die Widerklage hat es als unzulässig abgewiesen. Es hat ausgeführt: Das Vorbringen der Beklagten zu § 839 BGB betreffe nicht das der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesene Gebiet des öffentlichen Rechts; mit ihm könne zwar der Klage entgegengetreten, nicht aber die Widerklage vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit begründet werden. § 839 BGB sei im vorliegenden Falle nicht anwendbar, weil die Beklagte nicht "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift sei. Ebensowenig seien die Voraussetzungen des § 826 BGB gegeben; denn von einem vorsätzlichen gegen die guten Sitten verstoßenden Handeln könne keine Rede sein. Somit sei die Klage begründet, die Widerklage aber unzulässig.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 29. Juni 1960 mit folgender Begründung zurückgewiesen: Die Beklagte sei grundsätzlich verpflichtet, dem Kläger die in der Zeit vom 1. April 1952 bis 31. Dezember 1953 an den Versicherten B bewirkten Leistungen zu erstatten. - Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien berufen, über die Einwendungen der Beklagten gegen die Klageforderung zu entscheiden. Dasselbe gelte für die Widerklage. Auch insoweit liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung vor; denn die gegenseitigen Rechtsbeziehungen der Beteiligten beruhten auf dem FAG, also einem Gesetz, das dem öffentlichen Recht angehöre. Auf den Charakter der Rechtsnorm, auf welche die Entscheidung im Einzelfall gestützt werde (hier § 839 BGB), komme es nicht an. Der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei also in vollem Umfang gegeben. - Die Widerklage sei nach § 100 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Diese Vorschrift regele nicht nur die örtliche Zuständigkeit, sondern die Voraussetzungen der Widerklage überhaupt. Der vom Gesetz geforderte "Zusammenhang" bestehe hier darin, daß sowohl der Klageanspruch als auch der Anspruch der Widerklage auf dem Umstand beruhten, daß die Beklagte auf Grund gesetzlicher Vorschrift (§ 17 Abs. 6 FAG) Leistungen weiter zu gewähren habe, die zuvor in die Zuständigkeit des Klägers bzw. dessen Rechtsvorgängers gefallen seien. - Sowohl die Einwendungen gegen die Klage als auch die Widerklage seien unbegründet, weil es an den Voraussetzungen des § 839 BGB fehle. Die Beklagte sei kein "Dritter", dem gegenüber den Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen eine Amtspflicht obgelegen habe. Aus dem Flüchtlingsrentengesetz (FlüRG) ergebe sich nicht, daß nur eine vorübergehende Regelung habe geschaffen werden sollen und daß später einmal die Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers in Betracht kommen könne. Es sei auch nicht voraussehbar gewesen, daß die festgestellte Leistung später für einen anderen Versicherungsträger bindend werden könnte. Gegenüber einem solchen Rechtsnachfolger der den Bescheid erlassenden Behörde habe keine Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB bestanden. Denn diese Behörde sei gerade die Stelle, gegenüber der eine Haftung aus § 839 BGB stets ausscheide. Die Behörde repräsentiere die Gegenseite, an die sich der geschädigte "Dritte" (zB der Verletzte, seine Hinterbliebenen oder die Krankenkasse) nach Art. 34 des Grundgesetzes (GG) bzw. - früher - Art. 131 der Weimarer Verfassung (WeimVerf.) wenden könne. Diese Rechtsposition der damaligen Behörde habe die Beklagte als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes übernommen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Beklagten am 29. Juli 1960 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 26. August 1960 Revision eingelegt und diese am 15. September 1960 begründet. Sie führt aus: Dem LSG sei zwar darin beizupflichten, daß ein Dritter im Sinne des § 839 BGB nicht die Körperschaft sein könne, in deren Diensten der schuldhaft handelnde Beamte stehe; denn der Beamte repräsentiere die verantwortliche Körperschaft und bilde mit ihr eine Einheit. Eine Einheit bestehe aber nicht im Verhältnis zwischen den Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen und der Beklagten als derjenigen, die auf Grund des FAG an die Stelle des Klägers auf die Schuldnerseite des sozialrechtlichen Schuldverhältnisses zu dem Gläubiger B. getreten sei. Das LSG begründe eine solche Einheit durch die Annahme einer Rechtsnachfolge der Beklagten gegenüber dem Kläger. In dem zu entscheidenden Streitfalle liege aber keine Gesamtrechtsnachfolge, sondern nur eine Teilrechtsnachfolge ausschließlich auf der Schuldnerseite vor. In solchen Fällen müsse man dem Teilrechtsnachfolger die Eigenschaft eines Dritten im Sinne des § 839 BGB zuerkennen. Anders sei es bei Katasterveränderungen zwischen Unfallversicherungsträgern; in diesen Fällen sei eine Inanspruchnahme des Vorgängers wegen Fehler seiner Beamten nicht erforderlich, weil Vermögensbestandteile auf den Rechtsnachfolger übergingen. Sei dies aber nicht der Fall, wie bei dem Rechtsübergang auf Grund des FAG, so bestehe kein Anlaß, Haftungen aus § 839 BGB, Art. 34 GG auszuschließen. Das LSG habe zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 839 BGB verneint. Der Landesbezirksdirektor der Finanzen sei gewissermaßen Treuhänder für den Versicherungsträger gewesen, der nach der zu erwartenden bundesgesetzlichen Regelung die Unfallast letztlich habe übernehmen sollen. Deshalb hätten seine Beamten der nunmehr zuständigen Beklagten gegenüber die besondere Amtspflicht gehabt, offensichtliche Fehler bei der Feststellung von Entschädigungsleistungen zu vermeiden. Diese Auffassung entspreche der weiten Auslegung des Begriffs "Dritter" in der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Einem Beamten obliege die Pflicht, sich eines Amtsmißbrauchs zu enthalten, jedem Dritten gegenüber, der durch den Mißbrauch geschädigt werden könnte.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, die Klage abzuweisen und auf die Widerklage den Kläger dem Grunde nach zu verurteilen, der Beklagten alle aus Anlaß der angeblichen Berufskrankheit des Johannes B. vom 1. Januar 1954 an gezahlten Leistungen zu erstatten,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil nebst den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er pflichtet den Ausführungen des LSG bei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt. Der Senat hat von der Befugnis, in dieser Weise zu verfahren (§ 124 Abs. 2 SGG), Gebrauch gemacht.
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), auch form- und fristgerecht eingelegt und Begründet worden, also zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Für den Streit, der den Gegenstand der K l a g e bildet, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Der Anspruch auf Zahlung von 2.100,09 DM wird daraus hergeleitet, daß der Kläger - teilweise schon das frühere Land Württemberg-Baden als sein Rechtsvorgänger - für die Zeit vom 1. April 1952 bis zum 31. Dezember 1953 eine Fremdrente an Johann B gewährt hat, die nach dem FAG (§§ 7, 16, 17 Abs. 6) die Beklagte hätte gewähren müssen. Dies ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG); der Klageanspruch entspringt einem dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Rechtsverhältnis, welches das FAG zwischen dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Leistungen auf Grund der bis zum Erlaß des Gesetzes gegebenen Zuständigkeit erbracht hat, und dem nach dem FAG leistungspflichtigen Versicherungsträger geschaffen hat (vgl. BSG 6, 197, 199).
Die Zulässigkeit der Leistungsklage ergibt sich aus § 54 Abs. 5 SGG. Der Kläger konnte den Klageanspruch nicht durch Erlaß eines Verwaltungsaktes geltend machen, weil die Beklagte als Anspruchsgegner auf dem in Betracht kommenden Rechtsgebiet nicht seiner Hoheitsgewalt unterworfen ist.
Der Klageanspruch ist - darüber sind die Beteiligten sich einig - auch begründet. Für Fälle, in denen auf Grund des § 7 FAG ein Wechsel in der Zuständigkeit des Versicherungsträgers eingetreten ist und der früher zuständig gewesene Versicherungsträger Leistungen für die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes (1. April 1952) bis zu seinem Erlaß (7. August 1953) bzw. bis zur Abgabe der Akten an den neuen Versicherungsträger bereits erbracht hatte, ergibt sich aus der Neuregelung des FAG zugleich die Verpflichtung des neuen Versicherungsträgers, die für die Zeit seiner nunmehr gegebenen Zuständigkeit erbrachten Leistungen jenem Versicherungsträger zu erstatten.
Indem die Beklagte geltend macht, sie könne aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Amtspflicht das, was der Kläger von ihr verlangt, alsbald zurückfordern, erhebt sie gegenüber dem Klageanspruch den Einwand der gegenwärtigen Arglist (exceptio doli generalis). Dieser - auch als Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bezeichnete - Einwand geht auf den gemeinrechtlichen, auch für das bürgerliche Recht allgemein anerkannten Rechtssatz zurück: dolo facit, qui petit, quod redditurus est (vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, 2. Halbband, 1960 S. 1445; RGZ 84, 212; 112, 283; 160, 312; 166, 113, 117). Der Einwand ist nicht davon abhängig, daß die förmlichen Erfordernisse für die Durchsetzung des Rückgewähranspruchs bereits vorliegen; es muß also nicht bereits ein vollstreckbarer Titel vorhanden, er muß aber nach der sachlich-rechtlichen Lage zu erlangen sein (RGZ 166, 117, 118). Die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herzuleitende exceptio doli generalis gilt nicht nur für bürgerlich-rechtliche Schuldverhältnisse, sondern ist, wie das LSG zutreffend angenommen hat, als allgemeingültiger Grundsatz im gesamten Rechtsleben, also auch im öffentlichen Recht, anzuwenden (RGZ 113, 24; Enneccerus/Nipperdey aaO S. 154; Staudinger/Weber, Komm. zum BGB, 1961, § 242 Anm. A 60 ff; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Band, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., S. 154, 155). Der Beklagten muß deshalb grundsätzlich das Recht zugestanden werden, dem Ausgleichsanspruch des Klägers ihren sich auf denselben Zeitraum beziehenden vermeintlichen Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung zum Zwecke der Abwendung des Klageanspruchs entgegenzustellen.
Es fragt sich jedoch, ob der Beklagten die Erhebung der exceptio doli im vorliegenden Streitfalle deshalb verwehrt ist, weil für eine auf § 839 BGB, Art. 34 GG gestützte Klage oder Widerklage - wie bei der Behandlung der Widerklage noch darzulegen sein wird - der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist. Der Senat hat diese Frage unentschieden gelassen, weil der Beklagten ein Anspruch aus § 839 BGB nicht zusteht, die exceptio doli also jedenfalls unbegründet ist. Die aufgeworfene Frage konnte unentschieden bleiben, weil die exceptio doli nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage betrifft. Auch aus der Wirkung der materiellen Rechtskraft ergeben sich keine Bedenken gegen die Auffassung des Senats, weil Entscheidungen über Einwendungen oder Einreden des Beklagten grundsätzlich nicht in Rechtskraft übergehen (Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., S. 753; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, § 322 Anm. 2 C); nur Entscheidungen über das Nichtbestehen einer zur A u f r e c h n u n g gestellten Gegenforderung sind der Rechtskraft fähig (§ 141 Abs. 2 SGG).
Ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger aus § 839 BGB, Art. 34 GG könnte der Beklagten nur dann zustehen, wenn die mit der Bearbeitung der Rentenangelegenheit des Johann B. befaßten Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen eine ihnen der Beklagten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hätten. An dieser Anspruchsvoraussetzung fehlt es, weil die Beklagte, wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, nicht als "Dritter" im Sinne des § 839 BGB anzusehen ist.
Die Beklagte scheidet allerdings nicht schon deshalb als anspruchsberechtigt nach § 839 BGB aus, weil sie Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. "Dritte" im Sinne der angeführten Vorschrift können nicht nur einzelne Staatsbürger oder juristische Personen des Zivilrechts - Angehörige des "Publikums" -, sondern auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sein (RGZ 118, 99; 134, 321; BGHZ 27, 210). Die Amtspflichten, deren Verletzung sich die genannten Beamten schuldig gemacht haben, bestanden jedoch nicht der Beklagten gegenüber. Die Frage, ob die verletzte Amtspflicht einem "Dritten" gegenüber besteht, bestimmt sich in erster Linie nach der Art des Amtsgeschäfts und dem Zweck, dem die Amtspflicht dient (BGHZ 26, 232 und 27, 210). Die Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen hatten den Entschädigungsanspruch des Johann B. zu bearbeiten; dabei hatten sie die Pflicht, die Anspruchsvoraussetzungen sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und einen dem Ergebnis dieser Prüfung entsprechenden Bescheid herbeizuführen. Insoweit oblag ihnen eine Amtspflicht gegenüber dem Versicherten, möglicherweise auch gegenüber dem Träger der Krankenversicherung (vgl. §§ 1505 ff der Reichsversicherungsordnung - RVO -) und dem Träger der Invalidenversicherung (§§ 1522 ff RVO). Außerdem hatten die Beamten die aus dem Beamtenverhältnis fließende Dienstpflicht, die vermögensrechtlichen Belange ihres württembergisch-badischen Dienstherrn wahrzunehmen, vor allen nicht dazu beizutragen, daß eine ungerechtfertigte Rente zu Lasten ihres Dienstherrn bewilligt wurde. Diese letztere Pflicht war aber keine den Beamten einem "Dritten" gegenüber obliegende Amtspflicht. Der Beklagten gegenüber hatten die Beamten weder eine Dienstpflicht noch eine Amtspflicht zu erfüllen. Der Revision ist allerdings darin beizupflichten, daß das württ.-badische FlüRG eine erkennbar lediglich provisorische Regelung geschaffen hatte und daß man damit rechnete, in absehbarer Zeit werde ein anderer Versicherungsträger die Leistungspflicht gegenüber dem durch das Gesetz begünstigten Personenkreis übernehmen (vgl. § 3 FlüRG). Hieraus folgt jedoch nicht, daß die Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen die Möglichkeit in den Kreis der ihnen obliegenden Erwägungen hätten einbeziehen müssen, daß ihre Amtshandlungen einen später zuständig werdenden Versicherungsträger - wie dies auf Grund des § 17 Abs. 6 FAG geschehen ist - binden würden und daß sie deshalb auch ihm gegenüber eine besondere Amtspflicht zur Wahrung seiner Vermögensinteressen gehabt hätten. Die Beklagte ist von der Amtshandlung, welche die Beamten des Landesbezirksdirektors der Finanzen vorgenommen haben, unmittelbar nicht betroffen worden; erst die Regelung des § 17 Abs. 6 FAG hat eine Verpflichtung der Beklagten begründet und insofern als Nachwirkung der fehlerhaften Amtshandlung die Interessen der Beklagten berührt. Solche Nachwirkungen einer Amtshandlung vermögen den im Zeitpunkt ihrer Vornahme feststehenden Kreis der "Dritten" nicht zu erweitern. Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung z. B. ausgesprochen für den Zessionar eines auf einer unrichtigen Aufenthaltsbescheinigung beruhenden Entschädigungsanspruchs (BGH, VersR 1959, 194), für einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten, der sich auf ein unrichtiges, ihm von einer Prozeßpartei vorgelegtes Rechtskraftzeugnis verlassen hatte (BGHZ 31, 888), und für den künftigen Erwerber eines Anwesens, in welches ein Zwangsmieter unter Verletzung einer dem früheren Eigentümer gegenüber obliegenden Amtspflicht eingewiesen worden war (RGZ 138, 309, 313). In allen diesen Fällen sind die Personen, die auf Grund von Rechtsgeschäften oder auf andere Weise an die Stelle derjenigen getreten sind, denen gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen war, nicht als "Dritte" im Sinne des § 839 BGB anerkannt worden. Dies muß auch für einen Versicherungsträger gelten, der auf Grund gesetzlicher Regelung Entschädigungsleistungen übernimmt, die ein anderer Versicherungsträger zu Unrecht festgestellt hat. Dabei ist es unerheblich und konnte daher unerörtert bleiben, ob und inwieweit die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des früher zuständig gewesenen Versicherungsträgers anzusehen ist.
Der von der Beklagten gegenüber dem Klageanspruch erhobene Einwand ist daher unbegründet. Der Klage ist mit Recht stattgegeben worden.
Die W i d e r k l a g e ist entgegen der Auffassung des LSG unzulässig, weil insoweit der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist.
Nach § 100 SGG kann allerdings bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Selbst wenn man einen solchen Zusammenhang im vorliegenden Falle mit dem LSG bejaht, so ergibt sich hieraus allein noch nicht die Zulässigkeit der Widerklage, vielmehr müssen für sie alle Prozeßvoraussetzungen gegeben sein, und es dürfen ihr keine Prozeßhindernisse entgegenstehen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I S. 242 o; Peters/Sautter/Wolff, Komm. der Sozialgerichtsbarkeit, § 100 Anm. 2 S. II/50). Zu den allgemeinen Prozeßvoraussetzungen gehört auch die Zulässigkeit des Rechtswegs vor der angegangenen Gerichtsbarkeit (Rosenberg aaO S. 424 ff, Baumbach-Lauterbach aaO Grundzüge 3 F vor § 253 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Für Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzungen ist, wie das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, der ordentliche Rechtsweg gegeben, und zwar ohne Rücksicht auf die Natur des Rechtsverhältnisses, um das es sich bei der Amtshandlung gehandelt hat (RGZ 87, 119; 103, 429; 106, 34, 42; vgl. auch BVerwG in ZLA 1960, 295). Diese Auffassung wird auch im Schrifttum einhellig vertreten (vgl. z. B. Rosenberg aaO S. 36; Stein/Jonas, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., Anm. II B 1 b vor § 1; Baumbach-Lauterbach aaO § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -, Anm. 7 S. 1634; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Anm. 79). Ihre Richtigkeit ergibt sich mittelbar aus § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, der zwar nicht die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs, aber die Zuteilung der aufgeführten Sachen an die Landgerichte in ausschließlicher Zuständigkeit regelt (BGHZ 9, 322). Bei den Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzungen handelt es sich um "Zivilprozeßsachen kraft Zuweisung". Die Zuweisungsnorm ist in Art. 131 WeimVerf., jetzt Art. 34 Satz 3 GG, und in § 40 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VerwGO) zu sehen (vgl. Rosenberg aaO S. 36; Stein/Jonas aaO S. 12; Eyermann/Fröhler aaO § 40 Anm. 79; Heidenhain, NJW 1949, 841, 843; Hess. VerwGH, VerwRspr. Bd. 12, 677; abw. v. Mangold/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Art. 34 Anm. III 9 b S. 838; wonach Art. 34 Satz 3 GG den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zwar nicht eröffnet, aber verbietet, ihn auszuschließen). Bei den hiernach vor die ordentlichen Gerichte gehörenden Rechtsstreitigkeiten muß es sich um eine echte Schadensersatzklage aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG handeln; eine Nachprüfung des Verwaltungsakts als solchen darf die Klage nicht zum Gegenstand haben. Eine solche echte Schadensersatzklage liegt hier vor. Das Klagevorbringen enthält die gesamten äußeren und inneren Tatbestandsmerkmale der Amtspflichtverletzung; es werden bestimmte Vorgänge behauptet, die sich als eine Amtspflichtverletzung der Sachbearbeiter des Entschädigungsanspruchs des Johann B. darstellen können, nämlich die Nichtanhörung des staatlichen Gewerbearztes und die Nichtprüfung der in der Liste der Berufskrankheitenverordnung aufgeführten Krankheiten. Für diesen Anspruch, den die Beklagte im Wege der Widerklage verfolgt, ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben.
Für das Begehren der Widerklage bieten sich seinem inneren Gehalt nach auch keine sonstigen Klagegrundlagen an, wie z. B. die Rechtssätze der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung mit oder ohne Auftrag oder des öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnisses (vgl. hierzu BGH, MDR 1962, 551). Der Landesbezirksdirektor der Finanzen und später die Ausführungsbehörde für Unfallversicherung des Landes Baden-Württemberg haben für die Zeit bis zum Inkrafttreten des FAG die Rente an Johann B. in eigener Zuständigkeit auf Grund des FlüRG gewährt; sie sind nicht für die Beklagte - auch nicht treuhänderisch - tätig geworden, was schon daraus hervorgeht, daß für die Zeit bis zum 1. April 1952 die Beklagte nicht die Entschädigungslast zu tragen hat.
Hiernach war die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Widerklage als unzulässig abgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen