Leitsatz (amtlich)
1. Ein Abänderungsbescheid, der nach Ergehen des Widerspruchsbescheides, aber vor Erhebung der Klage erlassen wird, wird nach SGG § 86 Gegenstand des Vorverfahrens.
2. Die Rückforderung einer Leistung gemäß AFG § 152 Abs 1 Nr 1 setzt nicht nur die Aufhebung des Bewilligungsbescheides (AFG § 151) und die schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht durch den Leistungsempfänger sondern auch einen Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Leistung voraus. Die Rückforderung ist der Höhe nach nur gerechtfertigt, soweit (AFG § 152 Abs 1) dieser Kausalzusammenhang besteht.
Normenkette
SGG § 86 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; AFG § 151 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 152 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 148 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 05.04.1977; Aktenzeichen L 7 Ar 146/76) |
SG Aurich (Entscheidung vom 28.07.1976; Aktenzeichen S 5 Ar 91/73) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 5. April 1977 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 15. Juni 1972 bis 31. März 1973. Streitig ist, ob sie es grob fahrlässig unterlassen hat, den Wechsel der Ausbildungsstelle anzuzeigen und dadurch eine Zahlung verursacht hat, die ihr nicht zustand.
Die Klägerin stand ab 1. April 1971 bei der Firma W, Teehandelsgesellschaft KG in N, in einem Ausbildungsverhältnis zum Großhandelskaufmann. Nach dem Ausbildungsvertrag sollte die Ausbildungszeit am 31. März 1974 enden. Die Ausbildungsvergütung betrug monatlich 220,- DM brutto. Für die jeweiligen Bewilligungsabschnitte wurde BAB bewilligt, zuletzt mit Entscheidung vom 14. Juni 1972 für die Zeit vom 1. Juni 1972 bis zum 31. März 1973. Bis zum 31. Dezember 1972 betrug die BAB monatlich 121,- DM. Ab 1. Januar 1973 wurde die BAB von Amts wegen auf 136,- DM erhöht. Das Ausbildungsverhältnis der Klägerin wurde am 14. Juni 1972 wegen Geschäftsaufgabe beendet und ab 15. Juni 1972 bei der Firma Getränkehaus M N in N fortgesetzt. Die Ausbildungsvergütung betrug bei dieser Firma 250,- DM brutto monatlich zuzüglich 17,50 DM Fahrkostenerstattung.
Im März 1973 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der BAB. Erst dadurch erfuhr die Beklagte von dem neuen Ausbildungsverhältnis. Mit Bescheid vom 11. April 1973 bewilligte die Beklagte in Abänderung des früheren Bescheides vom 14. Juni 1972 für die Zeit vom 13. März 1973 bis 31. März 1973 BAB in Höhe von monatlich 113,- DM und ab 1. April 1973 in Höhe von monatlich 71,- DM.
Mit Bescheid vom 12. April 1973 hob die Beklagte den Bescheid vom 14. Juni 1972 über die Bewilligung der BAB für die Zeit vom 15. Juli 1972 bis 12. März 1973 ganz und für die Zeit vom 13. März 1973 bis 31. März 1973 teilweise in Höhe von 23,- DM monatlich auf und forderte den für diese Zeit überzahlten Betrag in Höhe von 1.010,05 DM zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe es unterlassen, den Wechsel der Ausbildungsstelle und die damit verbundene Erhöhung der Ausbildungsvergütung sowie die Erstattung der Fahrkosten unverzüglich anzuzeigen. Die Überzahlung sei von der Klägerin grob fahrlässig verschuldet worden. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 31. Oktober 1973) und wies darauf hin, daß versehentlich nur die für die Zeit vom 15. Juli 1972 bis 12. März 1973 gezahlte BAB zurückgefordert worden sei, obwohl die BAB bereits ab 15. Juni 1972 zurückverlangt werden müsse. Insoweit werde noch ein Bescheid ergehen. Mit Bescheid vom 9. November 1973 änderte die Beklagte den Aufhebungs- und Rückzahlungsbescheid vom 12. April 1973 dahingehend, daß die BAB für die Zeit vom 15. Juni 1972 bis 12. März 1973 ganz und für die Zeit vom 13. März 1973 bis 31. März 1973 teilweise in Höhe von 23,- DM monatlich aufgehoben werde. Der Rückforderungsbetrag erhöhte sich dadurch auf 1.129,15 DM.
Das Sozialgericht (SG) Aurich hat den Bescheid der Beklagten vom 12. April 1973 und den Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1973 antragsgemäß insoweit aufgehoben, als sie die Rückforderung von BAB enthalten (Urteil vom 28. Juli 1976). Eine grob fahrlässige Verletzung der Meldeverpflichtung könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden.
Mit Urteil vom 5. April 1977 hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen sowie die Anschlußberufung der Klägerin betreffend die Rückforderung im Änderungsbescheid der Beklagten vom 9. November 1973 zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Änderungsbescheid vom 9. November 1973, der nach Erteilung des Widerspruchsbescheides und vor Erhebung der Klage ergangen sei, sei in entsprechender Anwendung des § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Er sei jedoch ebenso wie die übrigen angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Wenn auch allein der Hinweis der Beklagten in den Antragsvordrucken und den Bewilligungsbescheiden auf die Anzeigepflicht beim Wechsel der Ausbildungsstelle den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei Unterlassung der Anzeige nicht in jedem Falle begründen könne, so lägen hier jedenfalls besondere Umstände vor, die das Unterlassen der Anzeige als grob fahrlässig erscheinen ließen. Der Wechsel der Ausbildungsstelle falle hier nämlich zeitlich mit dem Zugang des letzten Bewilligungsbescheides zusammen. Der letzte Bewilligungsbescheid datiere vom 14. Juni 1972, der Lehrstellenwechsel sei am 15. Juni 1972 erfolgt. Die entsprechend dem Antrag vom 12. April 1972 für die Ausbildung bei der Firma W bewilligte BAB und der Hinweis in dem Bewilligungsbescheid vom 14. Juni 1972, daß der Wechsel der Ausbildungsstelle und Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung unverzüglich anzuzeigen seien, ließen hier die Nichtanzeige der eingetretenen Änderung als grob fahrlässig erscheinen. Es müsse erwartet werden, daß der Adressat einen Bescheid, der nur einen Umfang von einigen wenigen Zeilen habe, zumindest beim Empfang durchlese. Damit sei die Berufung der Beklagten begründet, die Anschlußberufung der Klägerin, mit der sie den Änderungsbescheid vom 9. November 1973 zusätzlich angefochten habe, unbegründet.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 78, 96 SGG und des § 152 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie des § 8 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (AAusb) vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213). Das LSG habe in der Sache keine Entscheidung treffen dürfen, solange das Vorverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1973 nicht durchgeführt worden sei. Das LSG habe auch nicht beachtet, daß, wenn die Klägerin die Anzeige nach § 148 Abs 1 AFG gemacht hätte, ein Anspruch auf BAB bestanden hätte, ohne daß es hierzu eines besonderen Antrages bedurft hätte. Die AAusb 1969 schreibe nicht vor, daß bei einem Ausbildungsstättenwechsel ein neuer Antrag zu stellen sei. Auch die Bewilligungsbescheide der Beklagten enthielten keinen Hinweis darauf, daß bei einem Wechsel der Ausbildungsstelle ein neuer Antrag fristgerecht zu stellen sei. Daraus folge, daß zwar der Anspruch auf BAB bei der Firma W ab 15. Juni 1972 entfallen, statt dessen aber ein Anspruch auf BAB bei dem neuen Ausbilder begründet worden sei.
Nur die Differenz zwischen dem, was tatsächlich an BAB gezahlt worden sei und dem, was die Klägerin rechtmäßigerweise beanspruchen könne, beruhe auf der unterlassenen Veränderungsanzeige. Nur insoweit sei der Beklagten überhaupt ein Schaden entstanden. Im übrigen fehle es an einer Kausalität zwischen der unterlassenen Anzeige und der Weiterzahlung durch die Beklagte. Nicht die unterbliebene Anzeige, sondern der nicht rechtzeitig erneut gestellte Antrag habe das ausgelöst, was die Beklagte als Überzahlung ansehe. Gegen diesen von der Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunkt habe das LSG Bremen im Urteil vom 5. Dezember 1975 - L 5 Ar 15/75 - zu Recht den Einwand des Rechtsmißbrauchs als gegeben angesehen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1973 aufzuheben sowie die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Aurich vom 28. Juli 1976 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Gegenstand des Verfahrens sind nicht nur die Bescheide vom 12. April 1973 und 31. Oktober 1973, sondern auch der Bescheid vom 9. November 1973, der die vorangegangenen Bescheide abgeändert und ersetzt hat. Dem steht nicht entgegen, daß dieser Bescheid weder bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheides noch nach Klageerhebung (§ 96 SGG) ergangen ist. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, daß in solchen Fällen § 96 SGG anzuwenden ist (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 96 Rdnr 2; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, § 96 Anm 1 d; aA Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung S 242 q unter Hinweis auf Miesbach, Die Abänderung oder Ersetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes während des sozialgerichtlichen Verfahrens S 29, der durch Auslegung ermitteln will, ob der Kläger beide Verwaltungsakte hat anfechten wollen). Auch der Senat ist der Meinung, daß abändernde oder ersetzende Bescheide, die nach Erlaß des Widerspruchsbescheides, aber noch vor Klageerhebung ergehen, dem der Regelung in §§ 86, 96 SGG zugrunde liegenden Gedanken der Prozeßökonomie entsprechend in das Klageverfahren über die abgeänderten oder ersetzten Bescheide einzubeziehen sind. Sinn des § 86 und des § 96 ist es nämlich, eine schnelle und erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis möglich zu machen (BSG 5, 158, 162; 11, 146, 147). Wollte man weder § 86 noch § 96 in einem solchen Falle anwenden, so würde das bedeuten, daß zwar die abändernden und ersetzenden Verwaltungsakte vor Ergehen des Widerspruchsbescheides und während des gerichtlichen Verfahrens in die Überprüfung einbezogen werden würden, nicht aber die "zwischen beiden Verfahren" ergangenen Verwaltungsakte. Für sie wäre auch ein besonderes Vorverfahren erforderlich, was aber der zweckstrebenden Natur des Verfahrensrechtes widersprechen würde.
Nach Auffassung des Senats ist der Bescheid vom 9. November 1973 bereits nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden; er ist damit, wie es von der Klägerin auch ausdrücklich beantragt wurde, mit der Klage wirksam angefochten worden. Nach § 86 Abs 1 Satz 1 SGG wird jeder neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, der während des Vorverfahrens den - ursprünglichen - Verwaltungsakt abändert.
Im gerichtlichen Verfahren ist anerkannt, daß in der Zeit nach Ergehen des Urteils aber vor Einlegen des Rechtsmittels die Sache in der unteren Instanz anhängig ist oder doch, daß dieser Verfahrensabschnitt der unteren Instanz zuzurechnen ist (Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht 11. Aufl 1974 § 31 III 1 S 143; § 130 II 2, S 681). Der Devolutiveffekt, dh die Überwälzung in die höhere Instanz, tritt erst mit der Einlegung des Rechtsmittels ein. So geht auch eine Sache von der Zuständigkeit der Verwaltung erst mit Rechtshängigkeit der Klage in die des Gerichts über. Bis dahin, also auch nach Ergehen des Widerspruchsbescheides, ist allein die Widerspruchsbehörde zuständig. So lange läuft gewissermaßen noch das Vorverfahren, so daß § 86 SGG anzuwenden ist, wenn in dieser Zeit ein abändernder Bescheid ergeht. Geht dann durch Erhebung der Klage die Sache über an das SG, wird auch der abändernde Bescheid Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Diese Auslegung stimmt damit überein, daß auch solche Bescheide nach § 96 SGG Bestandteil des Berufungsverfahrens werden, die nach Erlaß des Urteils erster Instanz, aber vor Einlegung der Berufung ergehen (BSG SozR 1500 § 96 Nr 6).
Der Zusammenhang zwischen den Bescheiden vom 12. April 1973, 31. Oktober 1973 und dem Abänderungsbescheid vom 9. November 1973, der eine einheitliche Behandlung im Verfahren gebietet, wird im vorliegenden Fall auch insofern besonders deutlich, als der Bescheid vom 9. November 1973 im Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1973 bereits angekündigt war.
Soweit die Bescheide die Aufhebung der Leistungsbewilligung enthalten, sind sie bindend geworden, da sie insoweit von der Klägerin nicht angefochten worden sind.
Inwieweit die Rückforderung berechtigt ist, ist aufgrund der Feststellungen des LSG noch nicht zu entscheiden. Nach § 152 Abs 1 Nr 1 AFG ist die Leistung insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er eine Anzeige nach § 148 Abs 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat. Aus § 152 Abs 1 Nr 1 AFG ist zu entnehmen, daß die Rückforderung einer Leistung nicht bereits dann zulässig sein soll, wenn der Empfänger seine Anzeigepflicht verletzt hat und wenn die Aufhebung des bewilligenden Bescheides zu Recht erfolgt ist, die Leistung also damit ihre rechtliche Grundlage verloren hat. Vorausgesetzt wird darüber hinaus vielmehr, daß zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und der Gewährung der Leistung ein Zusammenhang in der Weise besteht, daß gerade die Verletzung der Wahrheitspflicht (also: falsche oder unvollständige Angaben, pflichtwidrige Unterlassung einer Anzeigepflicht) die Leistung veranlaßt hat. Bei richtigen Angaben und rechtzeitiger Anzeige dürfte es also zu der Leistung nicht gekommen sein. Zu Recht wird in Rechtsprechung und Literatur darauf hingewiesen, daß zwischen den falschen Angaben oder der Vorenthaltung von Tatsachen seitens des Antragstellers und der Leistung ein Kausalzusammenhang bestehen muß. Er fehlt dann und insoweit, als das Arbeitsamt auch bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Leistung bewilligt hätte (Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 152 Anm 7; Schoenefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 152 Rdnr 5). Der Beklagten muß durch das Verhalten des Leistungsempfängers gewissermaßen ein "Schaden" entstanden sein (Urteil des Bayerischen LSG vom 23. Oktober 1975, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung B 19). Daran fehlt es, soweit die Bundesanstalt zwar nicht in Kenntnis des richtigen Sachverhalts geleistet hat, sich aber bei nachträglicher Prüfung ergibt, daß aus anderen Gründen hätte geleistet werden müssen.
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Zweckbestimmung der Leistungen nach dem AFG. So würde es dem Zweck, dem die BAB zu dienen bestimmt ist, widersprechen, wenn es zur Rückforderung ausreichen würde, daß dem Auszubildenden ein, sei es auch grob fahrlässiges, Versehen unterlaufen wäre, dessen Bekanntwerden die Bundesanstalt zur Aufhebung des ursprünglichen Bescheides veranlaßt hatte. Wenn aufgrund nachträglicher Prüfung feststeht, daß die BAB dennoch die ihr vom Gesetz zugedachte Aufgabe erfüllt hat, einem Auszubildenden, bei dem die Leistungsvoraussetzungen vorliegen, der also insbesondere geeignet und bedürftig ist, die Erreichung des Ausbildungszieles zu ermöglichen, so besteht vom Zweck des Gesetzes her kein Grund zur Rückforderung.
Es ist ferner nicht Sinn der Rückforderungsbestimmungen, worauf das Bayerische LSG (aaO) bereits zutreffend hingewiesen hat, eine Strafe für Fehlverhalten im Bewilligungsverfahren aufzuerlegen oder demjenigen sachlich ungerechtfertigte Nachteile zuzufügen, der Anträge nicht rechtzeitig gestellt hat, obwohl die Leistungsvoraussetzungen ansonsten vorgelegen haben. Zwar erfordert die Bewilligung von Leistungen auch den rechtzeitigen Antrag als Leistungsvoraussetzung. Wenn die Beklagte aber - wie hier - auf Veranlassung eines Leistungsempfängers geleistet hat, bei dem auch die Leistungsvoraussetzungen gegeben waren, rechtfertigt sich eine Rückforderung nicht wegen eines tatsächlich fehlenden Antrages in bezug auf die richtige Neubewilligung der Leistung anstelle der aufgehobenen früheren Bewilligung. Denn § 152 Abs 1 Nr 1 AFG setzt voraus, daß die bisher (zu Unrecht) erbrachte Leistung allein auf falschen Angaben oder dem Verschweigen von Veränderungen beruht.
Aus § 152 Abs 1 AFG ist auch zu entnehmen, daß eine von der Beklagten erbrachte Leistung nicht vollständig zurückgefordert werden kann, wenn sie nur teilweise gerechtfertigt war. Denn nach § 152 Abs 1 AFG ist die Leistung "insoweit" zurückzuzahlen, als sie ohne ohne gültigen Bewilligungsbescheid und infolge unwahrer oder unterlassener Angaben hingegeben worden ist.
Ob die Voraussetzungen der Rückforderung im vorliegenden Fall sämtlich gegeben waren, und, falls sie vorlagen, bis zu welcher Höhe der von der Beklagten an die Klägerin erbrachten Leistungen, läßt sich aufgrund der von dem LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen.
Die bewilligende Entscheidung ist zwar bindend aufgehoben (§ 151 Abs 1), die Klägerin hat auch Angaben unterlassen, die sie zu machen hatte, und dieses Unterlassen ist vom LSG ohne Rechtsfehler als grob fahrlässig gewertet worden. Ob und ggf in welcher Höhe dieser Pflichtwidrigkeit aber eine Überzahlung an die Klägerin verursacht hat (§ 152 Abs 1 Nr 1 AFG), steht nicht fest.
Nach § 148 Abs 1 AFG - seit dem 1. Januar 1976 ersetzt durch § 60 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch (SGB), Allgemeiner Teil (SGB I) - ist der Bezieher einer laufenden Leistung verpflichtet, ohne Aufforderung jede Änderung in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Die BAB ist eine laufende Leistung iS des § 148 Abs 1 AFG, obwohl sie bei der Legaldefinition des § 143 Abs 1 nicht genannt ist (BSGE 42, 184). Eine laufende Leistung iS des § 148 Abs 1 AFG ist jede Leistung, die über einen gewissen Zeitraum in - nicht notwendig regelmäßigen - Abständen wiederkehrend gezahlt wird. Dieser Pflicht zur Anzeige von Veränderungen ist die Klägerin allerdings nicht nachgekommen. Anzuzeigen waren nach § 148 Abs 1 AFG solche Tatsachen, die "für den Anspruch auf die Leistung erheblich sind". Da der Anzeigepflichtige damit selbst feststellen soll, ob eine konkrete Änderung der Verhältnisse für den Anspruch auf Leistung erheblich ist, wird ihm eine eigene (zutreffende) rechtliche Wertung abverlangt (BSGE 42, 184, 188). Pflichtwidrigkeit und Schuldhaftigkeit der unterlassenen Anzeige können deshalb nur dann bejaht werden, wenn der Verpflichtete die erforderliche Einsicht in die Erheblichkeit der betreffenden Tatsache hatte oder haben konnte.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die 1955 geborene Klägerin für das Verhalten ihrer Eltern, die hier für sie gehandelt haben, einzustehen hat (BSGE 42, 184, 186) und ferner, daß die Eltern die Notwendigkeit einer Anzeige zu erkennen vermochten; denn es war ihnen nicht verborgen geblieben, daß die Klägerin gleichzeitig mit dem Wechsel der Ausbildungsstelle auch einen höheren Lohn und eine Fahrkostenerstattung erhielt, und zwar zu einem Zeitpunkt, als ihr gleichzeitig nochmals ein Bescheid der Beklagten mit einer die Anzeigepflicht betreffenden zutreffenden Belehrung zuging.
Das LSG hat ohne Rechtsfehler eine grobe Fahrlässigkeit der gesetzlichen Vertreter der Klägerin angenommen. Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltsverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich überschreitet. Es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sein, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muß (BSGE 42, 184, 187 = BSG SozR 4100 § 152 Nr 3). Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Eltern sowie auf die besonderen Umstände des Falles an (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, BSGE 35, 108, 112). Das LSG hat die grobe Fahrlässigkeit der Eltern der Klägerin darin gesehen, daß der Wechsel der Ausbildungsstelle hier zeitlich mit dem Zugang des Bewilligungsbescheides zusammenfiel. Beim Zugang des letzten Bewilligungsbescheides, der nach der Feststellung des LSG frühestens am 15. Juni 1972 erfolgt sein kann, war die Klägerin nicht mehr bei der Firma W in der Ausbildung. Er enthielt den Hinweis, daß der Wechsel der Ausbildungsstelle und Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung unverzüglich anzuzeigen waren. Da die Klägerin in der neuen Ausbildungsstelle mehr verdiente als in der bisherigen, lag bei jedem der Schluß nahe, davon müsse der Beklagten Anzeige gemacht werden. Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann nicht abschließend durch feststehende Formeln bestimmt werden, sondern ist vom Tatrichter im Einzelfall zu entscheiden (RGZ 141, 131; 166, 98; BGH VersR 1959, 370; Soergel/Siebert, Kommentar zum BGB, 10. Aufl, § 277 Anm 4; Palandt, Kommentar zum BGB, 37. Aufl, § 277 Anm 2). Das LSG hat jedenfalls mit seiner Würdigung des Verhaltens der Eltern der Klägerin den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht verkannt.
Allein daraus, daß zu Lasten der Klägerin eine Anzeigepflicht grob fahrlässig verletzt wurde und daß die Beklagte, wenn die Anzeige erfolgt wäre, zunächst jedenfalls den Bewilligungsbescheid aufgehoben hätte, folgt allerdings noch nicht, daß die Klägerin mittels des Fehlverhaltens, hier also der unterlassenen Anzeige, "die Gewährung herbeigeführt hat". Das wäre vielmehr, wie dargelegt, nur dann der Fall, wenn der Beklagten durch das Verhalten des Leistungsempfängers ein "Schaden" entstanden ist, wenn und soweit sie also bei ordnungsmäßigem Verhalten des Empfängers die Leistung nicht oder nicht in gleichem Umfang hätte gewähren müssen. Zwischen der Vorenthaltung von Tatsachen und der Leistung muß, wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, ein Kausalzusammenhang bestanden haben. Er besteht dann und insoweit nicht, als das Arbeitsamt auch bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Leistung bewilligt hätte. Wenn die Klägerin rechtzeitig den Wechsel der Lehrstelle angezeigt hätte, hätte die Beklagte zu prüfen gehabt, ob weiterhin die Voraussetzungen vorlagen, unter denen die BAB gewährt wurde. Die Förderung hängt dann von den Einzelumständen des konkreten Lehrverhältnisses ab. Maßgebend ist ua, ob der Lehrbetrieb geeignet ist. Aber auch die Höhe der von dem neuen Lehrherrn gezahlten Vergütung spielt für die Zahlung der BAB, insbesondere für ihre Höhe, eine Rolle. Einer solchen Prüfung wäre die Beklagte auch nicht dann enthoben gewesen, wenn anzunehmen wäre, daß die Klägerin lediglich die Anzeige über den Wechsel der Lehrstelle an die Beklagte gerichtet hätte, ohne einen ausdrücklichen Antrag auf Weitergewährung zu stellen.
Dabei kann es dahinstehen, ob der ursprünglich gestellte Leistungsantrag nicht auch für die Fortsetzung der Ausbildung bei einer anderen Ausbildungsstelle gilt, wenn der Auszubildende Mitteilung über eine Veränderung macht. Dafür spricht nicht nur die Überlegung, daß wenn dies nicht der Fall wäre, die Beklagte schon bei jeder Anzeige über eine erhebliche Veränderung (ohne Neuantrag) den Leistungsbescheid aufheben könnte, ohne die neue Rechtslage prüfen zu müssen, ohne also prüfen zu müssen, ob dem Leistungsempfänger wenigstens noch ein Teil der ursprünglich bewilligten Leistung zustände. Denn es fehlte für die Weiterbewilligung am Antrag. Angesichts des offenkundigen Gesetzeszweckes, der Beklagten durch die Veränderungsanzeige eine Überprüfung der materiellen Rechtslage zu ermöglichen, wäre dies ein widersinniges Ergebnis. Der Senat hat auch bereits ausgesprochen, daß ein Förderungsantrag sich im Regelfall auf die gesamte Bildungsmaßnahme bis zu ihrem Abschluß bezieht (BSG SozR 4460 § 21 Nr 1). Jeder, wie auch immer geäußerte Antrag eines Bildungswilligen umfaßt den gesamten Bildungsweg zu dem angestrebten Ziel, sofern er nicht ausdrücklich beschränkt wird. Schon im Hinblick darauf, daß die Förderung einer Bildungsmaßnahme nach dem AFG zweckmäßig und wirksam sein soll, ist es geboten, den Antrag eines Bewerbers regelmäßig so umfassend zu deuten, daß er mit der Förderung die Möglichkeit erhält, ein von ihm beabsichtigtes (förderungsfähiges) Ziel zu erreichen (BSG SozR 4460 § 21 Nr 1). Auch aus § 20 Abs 8 Satz 2, Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (AAusb) vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1971, 480) folgt nichts anderes. Zwar bestimmt diese Vorschrift, daß die BAB in der Regel für einen Zeitabschnitt von 12 Monaten bewilligt und monatlich im voraus gezahlt wird und daß am Ende dieser Zeiträume von dem Auszubildenden ein Antrag auf Weiterbewilligung erwartet wird. Aus dieser Bestimmung ergibt sich aber nicht, daß beim Auftreten von Umständen, die für die Beklagte ein Überdenken der Bewilligung und damit eine Anzeige durch den Auszubildenden erfordern, ebenfalls ein Weiterbewilligungsantrag oder gar ein Neuantrag gefordert wird.
Aber auch, wenn man den ursprünglichen Antrag oder den zuletzt gestellten Weiterbewilligungsantrag bei Auftreten von Umständen, die eine Überprüfung der Bewilligung durch die Beklagte erforderlich machen, nicht als weitergeltend ansehen wollte, so ist jedenfalls in der Mitteilung über die Änderung von Verhältnissen gleichzeitig der Antrag auf die Weiterbewilligung zu sehen. Denn derjenige, der in dieser Weise seine Anzeigepflicht nach § 148 Abs 1 AFG erfüllt, läßt damit gleichzeitig erkennen, daß er an einem Fortbestehen des Leistungsverhältnisses interessiert ist (so auch das Bayerische LSG aaO). Daß die Anzeige tatsächlich unterblieben ist, spielt - wie schon ausgeführt - keine Rolle. Denn für den Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach § 152 Abs 1 Nr 1 AFG kommt es nur darauf an, wie sich die Rechtslage darstellte, wenn eine Anzeige erstattet worden wäre, also auch nur darauf, welche Rechtswirkungen einer derartig angenommenen Anzeige beizumessen wären.
Das LSG hat, da es den Anspruch der Klägerin auf BAB für die Zeit zwischen dem Wechsel der Ausbildungsstelle und dem Bekanntwerden dieses Umstandes bei der Beklagten schon deshalb gänzlich verneint hat, weil es ihn mit der Verletzung der Anzeigepflicht als beendet betrachtet hat, Feststellungen zu der Frage, inwieweit die Voraussetzungen für eine Förderung auch nach dem Wechsel der Ausbildungsstelle gegeben waren, nicht getroffen. Die Beklagte hat zwar, nachdem sie von dem Wechsel der Ausbildungsstelle erfahren hat, für die Zukunft die BAB weiterbewilligt. Ob in der Zeit davor die Voraussetzungen für die Gewährung von BAB vorlagen, steht jedoch für das Revisionsgericht, dem eigene tatsächliche Feststellungen verwehrt sind, nicht fest. Auch die Höhe einer der Klägerin ggf weiter zu gewährenden BAB und damit der Umfang des danach gerechtfertigten Rückzahlungsanspruchs der Beklagten sind noch zu ermitteln. Ob und inwieweit die Klägerin in dieser Zeit einen Anspruch gegen die Beklagte hatte, bedarf daher der Prüfung in tatsächlicher Hinsicht.
Die Sache ist somit an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen