Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzanspruch des Trägers der KV gegen den Träger der KOV. zeitlicher Umfang des Ersatzanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Ohne einen bei den in KOVVfG § 6 (SGB 1 § 16) bezeichneten Stellen angebrachten Antrag auf Versorgung nach dem BVG hat ein Antrag auf Leistungen der gesetzlichen KV weder die in BVG § 18a Abs 1 S 3 bezeichnete Wirkung noch Bedeutung für den Beginn der Beschädigtenversorgung (BVG § 60 Abs 1), die ihrerseits Voraussetzung eines Ersatzanspruchs nach BVG § 19 Abs 3 S 1 ist (Fortführung von BSG 1972-10-12 10 RV 486/71 = BSGE 34, 289, 292).

 

Orientierungssatz

Der Ersatzanspruch eines Trägers der KV gegen den Träger der KOV ist ein eigenständiger Anspruch. Zu den seinen zeitlichen Umfang bestimmenden Voraussetzungen gehört nach dem Willen des Gesetzgebers, daß der Ersatz erst nach der Anerkennung der Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge gewährt wird. Ein Ersatzanspruch aus BVG § 19 Abs 3 besteht deshalb nicht für die Zeit vor der Anerkennung. Bei diesem Anspruch hat der Gesetzgeber ausdrücklich an der in BVG § 60 Abs 1 niedergelegten Grundregel des Versorgungsrechts festgehalten, Leistungen erst für die Zeit nach dem Antrag auf Versorgung - ab Beginn des Antragsmonats - zu gewähren. Demgemäß haben die mit der KOV befaßten Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung BVG § 19 Abs 3 S 1 dahin ausgelegt, daß der Ersatz "erst für die Zeit nach der Anerkennung" gewährt wird (so zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 1978-09-06 10 RV 59/77 = SozR 3100 § 19 Nr 7 und Urteil des 9. Senats vom 1978-02-09 9 RV 28/77). Daran ist festzuhalten.

 

Normenkette

BVG § 19 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1964-02-21, § 60 Abs. 1 Fassung: 1966-12-28, § 18a Abs. 1 S. 3 Fassung: 1966-12-28; KOVVfG § 6 Fassung: 1955-05-02; SGB 1 § 16 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 07.07.1978; Aktenzeichen S 18 V 123/77)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7. Juli 1978 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Krankenkasse von der Versorgungsverwaltung den Ersatz von Aufwendungen aus der Zeit vor dem Wirksamwerden der Anerkennung einer Krankheit als Schädigungsfolge verlangen kann.

Als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung begehrt die Klägerin von dem beklagten Träger der Kriegsopferversorgung den Ersatz der Kosten, welche sie für ihr Mitglied E G (G.) in der Zeit vom 28. August bis zum 28. September 1976 aufgewendet hat. G. hatte eine Granatsplitterverletzung am rechten Unterschenkel erlitten, Versorgung aber wegen Geringfügigkeit der zurückgebliebenen Gesundheitsstörungen zunächst nicht beantragt. Am 28. August 1976 wurde er wegen einer Entzündung am rechten Unterschenkel ins Krankenhaus eingewiesen und dort bis zum 28. September 1976 stationär behandelt. Es wurde ein Granatsplitter aus der Entzündungsstelle entfernt.

Auf den am 1. Oktober 1976 gestellten Versorgungsantrag des G. erkannte der Beklagte durch Bescheid vom 27. Juli 1977 ua an: "1.) Narbe an der Innenseite der rechten Wade" und stellte fest, daß ab 1. Oktober 1976 wegen der anerkannten Gesundheitsstörungen Anspruch auf Heilbehandlung bestehe.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrte die Klägerin zunächst die Anerkennung des Heilbehandlungsanspruchs ab 28. August 1976 und Kostenersatz in Höhe der Behandlungskosten von 4.155,20 DM. Der in der mündlichen Verhandlung auf den der Höhe nach unstreitigen Kostenersatzanspruch beschränkten Klage hat das Sozialgericht (SG) Dortmund durch Urteil vom 7. Juli 1978 stattgegeben.

Der Beklagte hat die vom SG nachträglich zugelassene Revision eingelegt. Er hält § 19 Bundesversorgungsgesetz (BVG) für verletzt, verweist hierzu auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des SG Dortmund vom 7. Juli 1978 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie entnimmt BSG SozR 1500 § 81 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein eigenes Klagerecht hinsichtlich der Vorverlegung des Beginns der Heilbehandlung, meint, sie habe darauf trotz Beschränkung der Klage auf die bloße Kostenerstattung nicht verzichtet (BSGE 34, 289) und will die für den Beginn des Heilbehandlungsanspruchs maßgebliche Anerkennung des Versorgungsanspruchs auf den Antrag an die Krankenkasse bezogen wissen, mit dem dort Leistungen wegen der noch nicht als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung beantragt worden sind (BSG in SozR 3100 § 18a BVG Nr 2).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Senat hat nicht darauf einzugehen, ob die Krankenkasse ein eigenes Klagerecht auf Vorverlegung des Beginns der Heilbehandlung hat, wenn während dieser eine noch nicht anerkannte Schädigungsfolge als Gegenstand der Heilbehandlung erkennbar wird. Denn die darauf gerichtete Klage hat die Klägerin jedenfalls durch ihren eindeutigen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 1978 beim SG Dortmund ausweislich der Verhandlungsniederschrift im Anschluß an die ihr mitgeteilte Rechtsauffassung des SG zurückgenommen. Sie hat auch während des Revisionsverfahrens nicht durch im Wege der - selbständigen oder unselbständigen- Anschlußrevision mögliche Verfahrensrügen geltend gemacht, etwa dahin, sie sei in unzulässiger Weise zur Beschränkung der Klage auf den Kostenerstattungsanspruch veranlaßt worden. Die Fragen des eigenen Klagerechts und der Beschränkung des Klageantrags sind auch deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der hier von der Klägerin auf § 19 Abs 3 BVG gestützte Ersatzanspruch die vor der Anerkennung der behandelten Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge liegende Zeit betrifft, während § 19 Abs 3 BVG Ersatz erst nach der Anerkennung gewährt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nämlich nach der Rechtsprechung des BSG in dem beim Träger der Krankenversicherung gestellten Antrag auf Heilbehandlung in Bezug auf noch nicht anerkannte Schädigungsfolgen kein Antrag auf Anerkennung der zur Behandlung anstehenden Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen erblickt werden. Das hat der erkennende Senat im Anschluß an BSGE 2, 289, 292 in seinem von der Klägerin zitierten Urteil BSGE 34, 289, 293 bereits mit eingehender Begründung entschieden. Nur wenn der Beschädigte bei der Versorgungsverwaltung (§ 6 Abs 1 VerwVGKOV) oder bei einer anderen amtlichen Stelle oder einem Träger der Sozialversicherung im Inland oder im Ausland bei einer deutschen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland (§ 6 Abs 2 aaO; § 16 Abs 2 SGB I) den Antrag auf Versorgung gestellt hat, kann ihm mit Rückwirkung auf den Beginn des Antragsmonats (§ 60 Abs 1 BVG) Versorgung gewährt werden. Es sind ohne einen darauf gerichteten Willen und eine diesen Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringende Erklärung weder die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen noch die darauf bezogenen Leistungen (vgl § 9 BVG) möglich. Das gilt, wie dem Wortlaut des § 10 Abs 1 BVG zu entnehmen ist, grundsätzlich auch für die Heilbehandlung des Beschädigten.

Ob abweichend von diesem Grundsatz dem Beschädigten nach § 18 Abs 1 Satz 1 BVG ausnahmsweise auch Kosten erstattet werden können, die ihm vor dem Versorgungsantrag durch eine selbst durchgeführte Heilbehandlung entstanden sind, obwohl er insoweit nicht "Berechtigter" iS von § 18 Abs 1 Satz 1 und § 18a Abs 1 Satz 3 BVG ist (vgl hierzu das Urteil des erkennenden Senats in BSGE 34, 289, 292 ff; aA wohl van Nuis/Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, Stand: Juli 1976, Band III S. 157), bedarf für den hier allein zu beurteilenden Ersatzanspruch aus § 19 Abs 3 BVG keiner Entscheidung. Denn der Ersatzanspruch eines Trägers der Krankenversicherung gegen den Träger der Kriegsopferversorgung ist ein eigenständiger Anspruch. Zu den seinen zeitlichen Umfang bestimmenden Voraussetzungen gehört nach dem Willen des Gesetzgebers, daß der Ersatz erst nach der Anerkennung der Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge gewährt wird. Ein Ersatzanspruch aus § 19 Abs 3 BVG besteht deshalb nicht für die Zeit vor der Anerkennung. Bei diesem Anspruch hat der Gesetzgeber ausdrücklich an der in § 60 Abs 1 BVG niedergelegten Grundregel des Versorgungsrechts festgehalten, Leistungen erst für die Zeit nach dem Antrag auf Versorgung - ab Beginn des Antragsmonats - zu gewähren. Demgemäß haben die mit der Kriegsopferversorgung befaßten Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung § 19 Abs 3 Satz 1 BVG dahin ausgelegt, daß der Ersatz "erst für die Zeit nach der Anerkennung" gewährt wird (so zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 6. September 1978 - 10 RV 59/77 - mwH und Urteil des 9. Senats vom 9. Februar 1978 - 9 RV 28/77). Daran ist festzuhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652335

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