Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtsvermutung des BVG § 38 Abs 1 S 2 schränkt eine Prüfung des Ursachenzusammenhanges insoweit ein, als die Frage nicht mehr geprüft werden darf, ob zwischen dem anerkannten Versorgungsleiden und dem schädigenden Vorgang ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dagegen muß und darf die Frage, ob der Tod eines Beschädigten mit dem anerkannten Versorgungsleiden im ursächlichen Zusammenhang steht, stets geprüft werden.
Normenkette
BVG § 38 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Juni 1964 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin beantragte im September 1959 Witwenrente und auch die Auszahlung des vollen Bestattungsgeldes. Ihr am 15. August 1901 geborener und am 13. September 1959 verstorbener Ehemann bezog zuletzt Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H. wegen Herzmuskelschadens. Sie hatte bei der Verwaltung und bei den sozialgerichtlichen Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 3. Juni 1964 die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Ehemann der Klägerin sei nicht an den Folgen des anerkannten Versorgungsleidens, des Herzmuskelschadens, gestorben. Gestützt auf das Gutachten des Chefarztes Dr. M vom 27. Juni 1962 führte das LSG den Tod auf essentiellen Bluthochdruck zurück, der sich erstmals 1950 gezeigt habe. Das Versorgungsleiden habe sich dagegen schon seit 1950 nicht mehr nachweisen lassen. Das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 29. Juli 1957 im Beschädigtenverfahren stehe dem nicht entgegen, weil nach § 38 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) unabhängig von dieser Entscheidung zu prüfen sei, ob der Tod Folge des anerkannten Versorgungsleidens gewesen sei. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses der Klägerin am 30. Juli 1964 zugestellte Urteil hat sie am 7. August 1964 Revision mit dem Antrag eingelegt,
unter Aufhebung der Urteile des LSG und SG die Verwaltungsbescheide dahin abzuändern, daß der Klägerin volles Bestattungsgeld und vom 1. Oktober 1959 an Hinterbliebenenrente gewährt werde.
Sie rügt Verletzung der §§ 36, 38 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und des § 141 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Das sozialgerichtliche Urteil vom 29. Juli 1957 habe nicht nur die Wirkung des Umanerkennungsbescheides vom 29. Januar 1952 wieder hergestellt, sondern zugleich - rechtskräftig - entschieden, daß der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehende Leidenszustand Schädigungsfolge sei. Die im Gefolge der Blutdruckerkrankung aufgetretene Herzmuskelschädigung bleibe daher als Schädigungsfolge anerkannt und führe zur Anwendung der Rechtsvermutung der §§ 36 Abs. 1 Satz 3 und 38 Abs. 1 Satz 2 BVG.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Formel des Urteils vom 27. Juli 1957 sei eindeutig. Sie enthält keine Verurteilung dahin, daß der Beklagte weitere Leiden anerkennen müsse. Der essentielle Bluthochdruck sei daher nicht anerkannt. Das damalige Urteil des SG lasse auch nicht erkennen, daß es die Leidensfeststellung habe erweitern wollen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.
Nach den §§ 36 und 38 BVG ist Voraussetzung des Anspruchs auf das volle Bestattungsgeld und die Hinterbliebenenrente, daß der Beschädigte an den Folgen eines militärischen schädigenden Vorgangs gestorben ist. Nach der Rechtsvermutung der §§ 36 Abs. 1 S. 3, 38 Abs. 1 S. 2 BVG gilt der Tod stets dann als Folge einer Schädigung, wenn der Beschädigte an dem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt ist und für das im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Wie der Senat in seinem Urteil vom 17. Dezember 1965 - 8 RV 1015/63 - dargelegt hat, schränkt diese Rechtsvermutung eine Prüfung des Ursachenzusammenhanges insoweit ein, als die Frage nicht mehr geprüft werden darf, ob zwischen dem anerkannten Versorgungsleiden und dem schädigenden Vorgang ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die Frage, ob der Tod eines Beschädigten mit dem anerkannten Versorgungsleiden im ursächlichen Zusammenhang steht darf und muß jedoch geprüft werden. Denn nur dann, wenn diese Frage bejaht wird, ist der Beschädigte "an" seinem Rentenleiden gestorben. Entgegen der Auffassung der Revision war als Versorgungsleiden des Ehemanns der Klägerin nur ein Herzmuskelschaden festgestellt und anerkannt, nicht aber das Bluthochdruckleiden. Dieses war vielmehr als konstitutionell bedingt ausdrücklich vom versorgungsrechtlich anerkannten Leidenszustand ausgenommen worden (Schreiben der Verwaltung vom 9. September 1950 "Der noch bestehende Bluthochdruck ist konstitutionell beding und nicht auf militärische Dienste zurückzuführen".) Nach den unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Beschädigte nicht an dem als Versorgungsleiden festgestellten Herzmuskelschaden gestorben, sondern an dem essentiellen Bluthochdruckleiden, das den "Herzschlag" herbeigeführt hat. Mit der Ermittlung dieser Todesursache entfällt eine Voraussetzung für die Anwendung der Rechtsvermutung; denn das Todesleiden entspricht nicht dem Versorgungsleiden, so daß es nicht mehr darauf ankommt, ob das SG in seiner Entscheidung vom 29. Juli 1957 zu Recht noch das Fortbestehen eines Herzmuskelschadens festgestellt hat. Keine falls hat aber das SG damals das essentielle Bluthochdruckleiden als wehrdienstbedingte Schädigungsfolge angesehen und anerkannt. Hätte das SG dies gewollt, hätte es sich nicht darauf beschränken dürfen, den Rentenentziehungsbescheid vom 17. Juni 1953 aufzuheben. Auch die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils vom 29. Juli 1957 lassen erkennen, daß es kein weiteres Versorgungsleiden als gegeben festgestellt hat, vielmehr deshalb die Rentenentziehung unterbunden hat, weil nach dem Gutachter Dr. B trotz des Hochdruckleidens die wehrdienstbedingte Myocardschädigung noch vorhanden gewesen sei, während der Sachverständige Dr. M die (noch gegebene) Herzmuskelschädigung auf den nicht wehrdienstbedingten Bluthochdruck zurückgeführt hat und deshalb keines der beiden Leiden (Herz- und Kreislaufschäden) als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG angesehen habe. Herz- und Kreislauf können von zahlreichen verschiedenartigen Leiden befallen sein; im vorliegenden Falle ist aber nach dem Gutachten der Sachverständigen, denen das LSG gefolgt ist, der Beschädigte nicht "an" dem Versorgungsleiden "Herzmuskelschaden" gestorben. Todesursache war vielmehr ein essentieller Bluthochdruck, der weder mit dem Versorgungsleiden noch unmittelbar auf wehrdienstbedingte Schädigungen (§ 1 BVG im Zusammenhang gestanden, sondern sich seit 1950 aus der Konstitution des Beschädigten entwickelt hat. Das LSG hat daher auch bei selbständiger Prüfung der Zusammenhangsfrage ohne Rechtsirrtum volles Bestattungsgeld und Hinterbliebenenrente versagt.
Demgemäß war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen