Leitsatz (redaktionell)
Auch bei nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO krankenversicherten Berufsunfähigkeitsrentnern lebt der Krankengeldanspruch bei Erreichen einer neuen Drei-Jahres-Frist wieder auf. Die derzeitige - ggf unbefriedigende - Rechtslage kann nicht durch die Rechtsprechung, sondern nur durch den Gesetzgeber geändert werden.
Orientierungssatz
Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs - Begriff der Arbeitsunfähigkeit - Höhe des Krankengeldes - Einheit des Versicherungsfalles - Bezugszeit iS des § 183 Abs 5 RVO - Kassenzuständigkeit für Rentner - Kassenwechsel:
1. Die Wiedergewährung des Krankengelds in einem neuen Dreijahreszeitraum ist bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht deshalb ausgeschlossen, weil die vom Arbeitsunfähigen fortgesetzte Mitgliedschaft nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld ausgestattet ist (vergleiche BSG vom 1979-11-28 3 RK 90/78 = BSGE 49, 163; BSG vom 1981-04-28 3 RK 8/80 = BSGE 51, 281).
2. Die Einheit des Versicherungsfalles beruht darauf, daß die Behandlungsbedürftigkeit und die Arbeitsunfähigkeit nur verschiedene Erscheinungsformen derselben Krankheit sind (vergleiche BSG vom 1957-08-21 3 RK 8/57 = BSGE 5, 283, 286; BSG vom 1962-02-13 3 RK 63/61 = BSGE 16, 177, 180).
3. Ein Versicherter ist arbeitsunfähig, wenn er infolge der Krankheit die zuletzt verrichtete oder eine ähnlich geartete Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr fortzusetzen vermag (vergleiche BSG vom 1981-12-16 GS 3/78 und GS 4/78 = BSGE 53, 22 mwN).
4. Für die Höhe des Krankengeldanspruchs ist nicht mehr das Arbeitsentgelt vor der Erkrankung, sondern das vor Eintritt der letzten Arbeitsunfähigkeit maßgebend (§ 182 Abs 4 und 5 RVO idF des Gesetzes vom 12.7.1961; vergleiche BSG vom 1957-08-21 3 RK 8/57 = BSGE 5, 283).
5. Mit der Wiederaufnahme der Krankengeldzahlung in einer neuen Dreijahresfrist beginnt keine neue Bezugszeit iS des § 183 Abs 5 RVO; die einmal eingetretenen Voraussetzungen für die Kürzung des Krankengeldes wegen Bezugs der BU-Rente werden durch die Unterbrechung der tatsächlichen Krankengeldzahlung nicht berührt (vergleiche BSG vom 1975-02-13 3 RK 41/74 = SozR 2200 § 183 Nr 5).
6. Zur Kassenzuständigkeit und Leistungspflicht der zuständigen Kasse bei Kassenwechsel eines Rentners.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1975-06-24, Abs. 4 Fassung: 1961-07-12, Abs. 5 Fassung: 1961-07-12, § 183 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1961-07-12, Abs. 5 Fassung: 1961-07-12, § 257a
Verfahrensgang
Tatbestand
Umstritten ist die Wiedergewährung von Krankengeld in einem neuen Dreijahreszeitraum iS des § 183 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nach Zubilligung einer Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) auf Dauer.
Der 1939 geborene Kläger war zuletzt als Maurer versicherungspflichtig beschäftigt. Dieser Beschäftigung geht er seit 15. Juni 1973 wegen eines Arbeitsunfähigkeit bedingenden Wirbelsäulenleidens nicht mehr nach. Er erhielt von der beklagten Ortskrankenkasse (OKK) Krankengeld in der ersten Blockfrist bis 8. Dezember 1974 und in der zweiten Blockfrist vom 15. Juni 1976 bis 12. Dezember 1977. Seit 1974 ist er ununterbrochen beim Arbeitsamt gemeldet. Zur Zeit führt er den Haushalt und versorgt die 1964 und 1979 geborenen Kinder; seine Ehefrau ist berufstätig. Aus der Arbeiterrentenversicherung erhält er eine BU-Rente, die ihm zunächst wiederholt auf Zeit, dann aber aufgrund eines Vergleichsvorschlages vom 12. Januar 1979 mit Bescheid vom 25. Juli 1979 rückwirkend ab 1. September 1973 auf Dauer zuerkannt wurde. Bis 30. Juni 1977 war er bei der Beklagten, anschließend bei der beigeladenen Betriebskrankenkasse und seit 1. September 1979 wieder bei der Beklagten Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Am 29. Juni 1979 stellte er bei der Beklagten Antrag auf Wiedergewährung des Krankengelds. Von der Beklagten aufgefordert, seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen, teilte er mit Schreiben vom 17. August 1979 mit, daß er BU-Rente beziehe und die Arbeitsunfähigkeit durch die im Rentenstreitverfahren eingeholten Gutachten ausreichend nachgewiesen sei. Bei einer von der Beklagten veranlaßten vertrauensärztlichen Begutachtung am 1. April 1980 wurde Arbeitsunfähigkeit wegen des Wirbelsäulenleidens ab 17. März 1980 (Röntgenuntersuchung) festgestellt. Im April 1980 ging bei der Beklagten und der Beigeladenen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes des Klägers vom 24. März 1980 ein. Die Beklagte gewährte nun ohne förmlichen Bescheid Krankengeld ab 25. März 1980. Einen Antrag des Klägers vom 25. Juni 1980, Krankengeld bereits ab Beginn der neuen Blockfrist am 15. Juni 1979 zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juli 1980 ab. Mit einem weiteren Bescheid vom 13. Oktober 1980 stellte sie die Krankengeldzahlung ein. Die Widersprüche gegen beide Bescheide wies sie zunächst in vollem Umfange mit der Begründung zurück, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit nicht vor dem 24. März 1980 nachgewiesen und außerdem sei er wegen seines Wirbelsäulenleidens von 1978 bis März 1980 nicht mehr behandlungsbedürftig gewesen, so daß kein einheitlicher Versicherungsfall mehr vorliege. Während des anschließenden Klageverfahrens erkannte sie jedoch auch noch für die Zeit vom 15. Oktober bis 11. Dezember 1980 den Krankengeldanspruch an. Der Kläger begehrte darüber hinaus die Gewährung des Krankengelds auch für die Zeit vom 15. Juni 1979 bis 24. März 1980. Die Beklagte und die Beigeladene hielten dieses Begehren für nicht gerechtfertigt. Hilfsweise stellte die Beklagte vor dem Sozialgericht (SG) den Antrag, die Beigeladene zur Erstattung des dem Kläger gezahlten Krankengeldes für die Zeit vom 25. März bis 11. Dezember 1980 zu verurteilen.
Das SG hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt: Der Kläger sei zwar in der umstrittenen Zeit arbeitsunfähig gewesen und die Arbeitsunfähigkeit habe seit 1973 ununterbrochen wegen derselben Krankheit bestanden. Diese Krankheit, das Wirbelsäulenleiden des Klägers, habe sich nicht gebessert, sondern bis zum Frühjahr 1980 noch verschlimmert. Für die Zeit vom 15. Juni 1979 bis 28. Juni 1979 könne der Kläger aber schon deshalb Krankengeld nicht beanspruchen, weil er seine Arbeitsunfähigkeit erst am 29. Juni 1979 geltend gemacht habe (§ 216 Abs 3 RVO). Für die Zeit vom 29. Juni 1979 bis 24. März 1980 habe der Kläger die Arbeitsunfähigkeit unter Hinweis auf ärztliche Gutachten ordnungsgemäß gemeldet. Ein Krankengeldanspruch für diese Zeit sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger wegen seines Wirbelsäulenleidens von Anfang 1978 bis 1980 nicht in ärztlicher Behandlung gestanden habe. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Krankengeld, weil er als Mitglied der KVdR nur noch ohne Krankengeldanspruch versichert gewesen sei (§ 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO). Entgegen der vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht müsse auch im Zeitpunkt des Wiederauflebens des Krankengeldanspruchs nicht nur eine Mitgliedschaft überhaupt, sondern eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld bestehen. Wenn ein Anspruch nur bei Bestehen der Mitgliedschaft gegeben sei, so sei es naheliegend, daß diese Mitgliedschaft den Anspruch in seiner Art mitbeinhalten müsse. Auch die Regeln über das Ende des Krankengeldanspruchs bei Rentenbezug bzw die Anrechnung von Rente auf das Krankengeld (§ 183 Abs 3 bis 5 RVO) zeigten, daß der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen sei, der Krankengeldanspruch könne ohne Rücksicht auf die jeweils bestehenden versicherungsrechtlichen Beziehungen ständig wiederaufleben. Die Ansicht des BSG führe zu widersprüchlichen und unbilligen Ergebnissen, vor allem zu unterschiedlicher Behandlung der Arbeitsunfähigen je nach dem, ob sie eine neue versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen oder nicht und ob sie der Rentenversicherung angehören oder nicht. Schließlich berücksichtige die Rechtsprechung des BSG nicht angemessen das in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Risiko. Die Krankenversicherung decke primär das Risiko der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit ab. Müsse die Krankenversicherung bei dauernder Arbeitsunfähigkeit zeitlich unbegrenzt leisten, dann übernehme sie Aufgaben der Rentenversicherung oder der Arbeitslosenversicherung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Sprungrevision des Klägers. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das SG verkenne, daß in § 183 Abs 2 Satz 1 RVO ein Anspruch auf Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung statuiert werde. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und den gesetzgeberischen Motiven dieser Vorschrift. Das Gesetz vom 12. Juli 1961 - das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle (BGBl I 913) - habe die Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug abgeschafft; es sei nur noch eine Unterbrechung des Leistungsbezuges vorgesehen. Dem Anspruch auf das nach Ablauf von jeweils 3 Jahren wiederaufgelebte Krankengeld stehe die Vorschrift des § 182 Abs 1 Nr 2 RVO nicht entgegen. Der ausdrückliche Hinweis auf § 183 RVO mache deutlich, daß für KVdR-Versicherte der Anspruch auf Krankengeld nicht schlechthin ausgeschlossen sei. Die vom SG angestrebte Lösung würde die Wiedereinführung der Aussteuerung bedeuten. Das wäre eine das Gesetz in sein Gegenteil verkehrende Abänderung, die nur der Gesetzgeber selbst, nicht aber das Gericht vornehmen könne.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beigeladene zur Krankengeldgewährung für die Zeit vom 29. Juni 1979 bis zum 31. August 1979 und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 1. Juli 1980 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1980 zur Krankengeldgewährung für die Zeit vom 1. September 1979 bis zum 24. März 1980 zu verurteilen, hilfsweise, die Beigeladene oder die Beklagte zu verurteilen, ihm für die gesamte Zeit vom 29. Juni 1979 bis zum 24. März 1980 Krankengeld zu leisten.
Sowohl den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag schränkt er insoweit ein, als er nur das um die gezahlte BU-Rente gekürzte Krankengeld begehrt.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte hält ihren Hilfsantrag nicht aufrecht.
Beklagte und Beigeladene halten das Urteil des SG im wesentlichen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Krankengeld in dem zuletzt geltend gemachten Umfang zu. Leistungspflichtig ist für die Zeit vom 29. Juni 1979 bis zum 31. August 1979 die Beigeladene und für die Zeit vom 1. September 1979 bis zum 24. März 1980 die Beklagte.
Die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), ergeben, daß der Kläger in der streitbefangenen Zeit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Maurer arbeitsunfähig krank gewesen ist und daß die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, eines Wirbelsäulenleidens, seit dem 15. Juni 1973 ohne Unterbrechung vorgelegen hat. Ferner ist ihnen zu entnehmen, daß der hier maßgebende Versicherungsfall der Erkrankung während der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers als Maurer, also während einer Mitgliedschaft mit Krankengeldberechtigung eingetreten ist (§§ 206, 306 Abs 1 RVO) und die Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Beginn der hier umstrittenen Bezugszeit fortbestanden hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG lebt unter diesen Voraussetzungen der Krankengeldanspruch mit Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums iS des § 183 Abs 2 RVO wieder auf. Dem steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, daß der Kläger zuletzt nur noch in der Krankenversicherung der Rentner versichert gewesen ist. Die Wiedergewährung des Krankengelds in einem neuen Dreijahreszeitraum ist bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht deshalb ausgeschlossen, weil die vom Arbeitsunfähigen fortgesetzte Mitgliedschaft nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld ausgestattet ist (BSGE 49, 163; 51, 281). Die gegenteilige Auffassung des Sozialgerichts (SG) findet im Gesetz keine Grundlage.
Der Anspruch auf Krankengeld entsteht, sobald eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht (§ 40 Abs 1 des Sozialgesetzbuches -Allgemeiner Teil- -SGB I- iVm § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 1 RVO). Die Entstehung des Anspruchs setzt also ein Versicherungsverhältnis voraus, das diese Versicherungsleistung vorsieht, und außerdem, daß der Versicherte infolge einer Krankheit arbeitsunfähig wird. Nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) und des BSG sind die Anspruchsvoraussetzungen auch dann als erfüllt anzusehen, wenn der Versicherungsfall der Erkrankung während einer Mitgliedschaft mit Krankengeldberechtigung, die Arbeitsunfähigkeit aber erst nach Beendigung dieser Mitgliedschaft, jedoch noch während einer sich daran anschließenden Zeit eingetreten ist, für die zumindest hinsichtlich der die Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheit Anspruch auf Krankenpflege bestanden hat (RVA AN 1917, 462; 1936, 207; 1944, 38; BSGE 25, 37; 31, 125; 52, 261 mwN). Diese Rechtsprechung geht vom Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles aus, der darauf beruht, daß die Behandlungsbedürftigkeit und die Arbeitsunfähigkeit nur verschiedene Erscheinungsformen derselben Krankheit sind (BSGE 5, 283, 286; 16, 177, 180; 51, 261, 264). Schon das Krankenversicherungsgesetz (KVG) vom 15. Juni 1883 (RGBl 1883, 73) hatte die Krankenpflegeleistungen und das Krankengeld unter dem Begriff der "Krankenunterstützung" zusammengefaßt und gemeinsamen Regelungen unterstellt (§§ 5, 6 KVG). Der Grundsatz, daß der Zeitpunkt der Erkrankung für die Beurteilung aller aus einem Unterstützungsfall erhobenen Ansprüche maßgebend ist (RVA AN 1917, 462; 1936, 207), ist zwar im Laufe der Zeit mehr und mehr eingeschränkt worden. Eine Einschränkung ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des RVA und BSG zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit, wonach ein Versicherter arbeitsunfähig ist, wenn er infolge der Krankheit die zuletzt verrichtete oder eine ähnlich geartete Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr fortzusetzen vermag (RVA EuM 30, 142; BSGE 53, 22 mwN). Dabei kann es sich um eine Beschäftigung oder Tätigkeit handeln, die erst nach Beginn der Krankheit aufgenommen worden ist (RVA AN 1916, 343; 1940, 138; BSGE 19, 179; 32, 18). Ferner ist auf die Einschränkungen hinzuweisen, die sich nach der Rechtsprechung des Senats aus der Unterbrechung der Mitgliedschaft oder der Arbeitsunfähigkeit ergeben können (BSGE 51, 287; 52, 261). Schließlich ist für die Höhe des Krankengeldanspruchs nicht mehr das Arbeitsentgelt vor der Erkrankung, sondern das vor Eintritt der letzten Arbeitsunfähigkeit maßgebend (§ 182 Abs 4 und 5 RVO idF des Gesetzes vom 12. Juli 1961; in diesem Sinne schon RVA AN 1943, 145; BSGE 5, 283). Hat dadurch der Leistungsfall der Arbeitsunfähigkeit auch eine weitgehende Verselbständigung erfahren, so ist doch der Grundsatz von der Einheit des Versicherungsfalles nicht aufgegeben worden (BSGE 16, 177, 180; 45, 11, 16, 19; 51, 281, 284).
Ist ein Anspruch auf Krankengeld entstanden, so hat ihn der Versicherte in vollem Umfange erworben. Der Anspruch steht dem Versicherten, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, im Rahmen des Gesetzes unabhängig davon zu, ob das den Anspruch begründende Versicherungsverhältnis fortbesteht (RVA AN 1936, 207; 1944, 38; 1944, 286; BSG SozR Nr 10 zu § 183 RVO; BSGE 22, 115; 25, 37; 26, 57). Das folgt aus dem allgemeinen versicherungsrechtlichen Prinzip, daß das Versicherungsrisiko während des Bestehens des Versicherungsverhältnisses getragen wird und demzufolge mit Eintritt des Versicherungsfalles während des Versicherungsverhältnisses alle für diesen Versicherungsfall vorgesehenen Leistungen anfallen. In der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dieser versicherungsrechtliche Grundsatz zwar insoweit nicht zum Tragen, als die besondere Aufgabenstellung dieses Sozialversicherungszweiges entgegensteht. Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine aktuelle, auf die Gegenwart bezogene Versicherung. Sie soll denjenigen schützen, der einem vom Gesetz als schutzwürdig anerkannten Personenkreis angehört (§§ 165 ff RV0). Dieser Versicherungsschutz ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Versicherte aus der Versicherung ausscheidet und ihm zugemutet werden kann, für einen neuen Versicherungsschutz (eventuell im Rahmen einer freiwilligen Weiterversicherung nach § 313 RVO) zu sorgen. Dieser Aufgabenstellung entspricht es, daß für die Versicherungspflichtigen mit ihrer Mitgliedschaft auch dann der Anspruch auf die Regelleistungen der Krankenversicherung entsteht, wenn die Krankheit bereits vor Beginn der Versicherung vorgelegen hat; lediglich bei freiwillig der Versicherung beigetretenen Versicherungsberechtigten ist ein Anspruch auf Kassenleistung für eine im Zeitpunkt des Beitritts bereits bestehende Krankheit ausgeschlossen (§§ 206, 310 Abs 2 RVO). Scheidet ein Kassenmitglied aus der Versicherung aus, so endet auch ein bereits erworbener Anspruch auf Krankenpflege, und zwar spätestens 26 Wochen nach dem Ausscheiden (§ 183 Abs 1 Satz 2 RV0; vgl BSGE 28, 249). Für einen bereits erworbenen Anspruch auf Krankengeld gibt es keine entsprechende Regelung (BSGE 26, 57). Einem arbeitsunfähigen Versicherten wird sogar, solange ihm Krankengeld zu gewähren ist, der Versicherungsschutz für neue Versicherungsfälle eingeräumt, bleibt doch seine Mitgliedschaft während des Krankengeldbezuges erhalten (§ 311 Satz 1 Nr 2 RVO).
Nach § 183 Abs 2 RVO idF des Gesetzes vom 12. Juli 1961 wird Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung gewährt, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für höchstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren (Satz 1); tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, so wird die Leistungsdauer nicht verlängert (Satz 2). Diese Vorschrift regelt nur die Bezugszeit des Krankengeldes, sie setzt den Anspruch auf Krankengeld voraus. Sie enthält keine Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Krankengeld entsteht oder wegfällt. Ihr ist insbesondere auch keine dem § 183 Abs 1 Satz 2 RVO entsprechende Regelung zu entnehmen. Daraus folgt, daß ein einmal entstandener Anspruch auf Krankengeld die Kasse zur Krankengeldzahlung an den Versicherten im Rahmen des § 183 Abs 2 RVO verpflichtet, solange die leistungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen und keine dem Anspruch entgegenstehenden Gründe hinzukommen. Dies gilt auch für einen neuen Dreijahreszeitraum. Der Senat hat bereits früher dargelegt, daß es dem Willen des Gesetzgebers widerspräche, die sich aus der Einheit des Versicherungsfalles ergebenden Konsequenzen auf den ersten Dreijahreszeitraum zu beschränken (BSGE 31, 125, 127 f).
Das SG, das vor allem darauf abstellt, die Krankenversicherung habe primär das Risiko der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit abzudecken, berücksichtigt nicht ausreichend, wie der Kläger zu Recht rügt, die Entstehungsgeschichte und die Motive des Gesetzes vom 12. Juli 1961. Die Neuregelung der Bezugszeit des Krankengelds durch das Gesetz vom 12. Juli 1961 geht auf den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (KVNG) zurück, der mit § 203 (BT-Drucks III/1540, Seite 13) eine Vorschrift enthielt, die nahezu wortgleich als Absatz 2 in den § 183 RVO übernommen wurde. In der Begründung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfes wurde darauf hingewiesen, daß es mehr und mehr langwierige Krankheiten sind, die die Hilfe der Versichertengemeinschaft erfordern, und daß deshalb weder bei den Leistungen, die der Heilung des Erkrankten dienen, noch bei den Leistungen, die für die wirtschaftliche Sicherung des Berechtigten bestimmt sind, eine Zeitspanne entstehen darf, in der der Versicherte ohne Schutz ist. Der Gesetzentwurf ging zwar davon aus, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen den Anschluß der Rente an den Krankengeldbezug sichern, das Krankengeld also keine Dauerleistung ist. Dennoch wollte man den Krankengeldbezug nicht endgültig begrenzen. Es sollte sichergestellt sein, daß die Leistungen lückenlos ineinandergreifen (BT-Drucks aaO Seite 63). Der KVNG-Entwurf sah daher vor, wie später auch gesetzlich bestimmt wurde, daß der Krankengeldanspruch erst mit der tatsächlichen Gewährung der Rente endet bzw gekürzt wird (§ 200 KVNG-Entwurf; BT-Drucks aaO Seite 77; § 183 Abs 3 und 5 RVO). Das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit (EU) oder Berufsunfähigkeit (BU) allein sollte also keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Krankengeldanspruch haben. Die Bundesregierung war sich auch bewußt, daß die vorgeschlagenen Regelungen über die Wiedergewährung des Krankengelds in neuen Dreijahreszeiträumen die Aussteuerung praktisch beseitigt (BT-Drucks aaO Seite 63). Dieser Gesetzesvorschlag ist dann im wesentlichen in das Gesetz vom 12. Juli 1961 übernommen worden. Auch in dem zu diesem Gesetz führenden Gesetzgebungsverfahren wurde hervorgehoben, daß mit der Neuregelung keine Aussteuerung mehr, sondern nur noch eine Unterbrechung des Leistungsanspruchs erfolgen kann (Stenografischer Bericht Bundesrat, 1961 Seite 156 ff; Stenografischer Bericht Bundestag, 3. Wahlperiode, Seite 9297 ff).
Das SG stützt daher seine Entscheidung zu Unrecht auf § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 und § 183 Abs 3 ff RVO. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich lediglich, daß die Krankenversicherung der Rentner selbst keinen Anspruch auf Krankengeld begründet und daß sich Rentenleistungen auf einen Krankengeldanspruch aus einem anderen Versicherungsverhältnis auswirken können. Der Krankengeldanspruch wird jedoch nur durch solche Rentenleistungen beeinträchtigt, die zugebilligt sind (Absatz 3 und 5 des § 183 RVO) bzw bezogen werden (Absatz 4 RVO). Darüber hinaus ist der Krankenkasse das Recht eingeräumt, einen Versicherten, der erwerbsunfähig ist oder die Voraussetzungen für den Bezug des Altersruhegeldes erfüllt und das 65. Lebensjahr vollendet hat, zur Inanspruchnahme der in einem solchen Fall vorrangigen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufzufordern; kommt der Versicherte dieser Aufforderung nicht nach, so entfällt der Anspruch auf Krankengeld (§ 183 Abs 7 und 8 RVO). Das Gesetz räumt ein solches Recht der Kasse jedenfalls nicht ein, wenn der Versicherte, wie im vorliegenden Fall, nur die Voraussetzung der BU-Rente erfüllt. Ist der Versicherte auf Dauer berufsunfähig und kann dieser Zustand nicht durch eine Heilbehandlung behoben werden (vgl §§ 63, 66 Abs 2 SGB I), so bleibt dem Versicherten, solange er das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, der Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des § 183 Abs 5 RVO erhalten (BSGE 26, 288). Dabei ist zu beachten, daß mit der Wiederaufnahme der Krankengeldzahlung in einer neuen Dreijahresfrist keine neue Bezugszeit iS des § 183 Abs 5 RVO beginnt; die einmal eingetretenen Voraussetzungen für die Kürzung des Krankengeldes wegen Bezugs der BU-Rente werden durch die Unterbrechung der tatsächlichen Krankengeldzahlung nicht berührt (BSG SozR 2200 § 183 RVO Nr 5).
Die Krankenkasse hat jedoch Krankengeld nicht mehr zu zahlen, wenn der Arbeitsunfähige überhaupt nicht mehr der gesetzlichen Krankenversicherung angehört. Diese Einschränkung ergibt sich daraus, daß die Krankenkasse grundsätzlich nur Leistungen an Versicherte zu erbringen hat (BSGE 45, 11). Wer sich endgültig von der gesetzlichen Krankenversicherung löst, scheidet aus der Solidargemeinschaft der Versicherten und damit aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten aus. Auch die gesetzlichen Regelungen über die Krankengeldgewährung setzen voraus, daß der Anspruchsberechtigte Versicherter ist (vgl § 183 Abs 5 bis 8 RVO). Das Krankengeld ist eine die Krankenpflege und medizinische Rehabilitation ergänzende Leistung (vgl § 12 Nr 1 RehaAnglG); sie dient der wirtschaftlichen Sicherung des Versicherten während der Erkrankung. Ist die Krankenkasse nicht (mehr) zur Behandlung der Krankheit verpflichtet, so kann es grundsätzlich auch nicht ihre Aufgabe sein, für die wirtschaftliche Sicherung des Erkrankten zu sorgen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß § 183 Abs 1 Satz 2 RVO nicht für den Anspruch auf Krankengeld gilt; denn der Anspruch auf Krankengeld erhält nach § 311 RVO die Mitgliedschaft und damit auch den Anspruch auf Krankenpflege. Einer zur Krankengeldzahlung verpflichteten Krankenkasse obliegt es, die Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen und nach Möglichkeit zu beseitigen; sie kann diese Aufgaben aber nur einem Versicherten gegenüber erfüllen. Auch die gesetzlichen Regelungen über die Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten gehen davon aus, daß bei Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit eine Heilbehandlung von dem zuständigen Leistungsträger veranlaßt werden kann (§§ 63, 66 Abs 2 SGB I). Zu dieser Mitwirkung an einer Heilbehandlung kann die Krankenkasse aber nur ein Kassenmitglied heranziehen. Die Voraussetzung der mitgliedschaftlichen Zugehörigkeit des Arbeitsunfähigen zur gesetzlichen Krankenversicherung ist bereits dann erfüllt, wenn der Arbeitsunfähige aufgrund einer eigenen Mitgliedschaft zumindest für die der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegenden Krankheit Anspruch auf Krankenpflege hat. Das ist noch der Fall bei einem nachgehenden Anspruch auf Krankenpflege, aber ebenfalls bei einer neuen Mitgliedschaft, die an das den Krankengeldanspruch begründende Versicherungsverhältnis mit Krankengeldberechtigung ohne eine längere Unterbrechung anschließt, auch wenn sie selbst keinen neuen Anspruch auf Krankengeld zu begründen vermag (BSGE 51, 281; 51, 287; 52, 261).
Der Kläger hat den Anspruch auf Krankengeld auch nicht deshalb verloren, weil er sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat. Soweit er sich damit bereitgefunden hat, eine seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Tätigkeit aufzunehmen, hat er sich noch keinem neuen Beruf mit der Folge zugewandt, daß die für seinen Krankengeldanspruch maßgebende Arbeitsunfähigkeit entfallen wäre. Die Arbeitsunfähigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Versicherte auf Dauer durch Krankheit gehindert ist, die zuletzt verrichtete oder eine ähnlich geartete Tätigkeit aufzunehmen, jedoch in der Lage wäre, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen (BSGE 26, 288, 290, 292; RVA EuM 25, 38, 39; Breithaupt 1929, 287). Nimmt der Versicherte aber tatsächlich eine berufliche Tätigkeit auf, so können sich in bezug auf den Krankengeldanspruch andere Konsequenzen ergeben (vgl BSGE 19, 179; 32, 18; RVA AN 1916, 343; 1940, 138). Solange jedoch die Vermittlungsbemühungen zu keinem Erfolg geführt haben, kann der arbeitsunfähige Versicherte nicht auf eine neue berufliche Tätigkeit mit der Maßgabe verwiesen werden, daß die bisherige Arbeitsunfähigkeit nicht weiterhin anerkannt wird.
Auch wenn man mit dem SG die derzeitige Rechtslage nicht für befriedigend hält, so kann der Rechtsauffassung des SG doch nicht gefolgt werden. Für diese lassen sich weder dem Wortlaut, noch der Entstehungsgeschichte noch den Motiven des Gesetzes Anhaltspunkte entnehmen. Eine Änderung der Rechtslage muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Der Senat hat schon 1967 darauf hingewiesen, daß er sich angesichts der klaren gesetzlichen Regelung nicht für befugt hält, den herkömmlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit von sich aus zu modifizieren und auf Zustände vorübergehender Art zu beschränken (BSGE 26, 288, 291). Trotz dieses Hinweises hat es der Gesetzgeber bisher nicht für erforderlich gehalten, die Rechtslage, wie sie vom RVA und BSG dargestellt worden ist, zu ändern. Es ist deshalb der Rechtsprechung heute erst recht verwehrt, eine solche Änderung vorzunehmen.
Die jeweilige Zuständigkeit der hier leistungspflichtigen Krankenkasse ergibt sich aus § 257a RVO. Diese Vorschrift regelt die besondere Kassenzuständigkeit für Rentner und Rentenantragsteller (§ 315a Abs 3 RVO). Bestände ohne die Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO Anspruch auf Familienkrankenpflege, so ist bis zum Ablauf des Monats, in dem der die Rente gewährende Bescheid zugestellt wird, die Kasse zuständig, der der Versicherte angehört, dem der Anspruch auf Familienkrankenpflege zustände (Absatz 1 Satz 2 des § 257a RVO). Für die Zeit danach hat der Versicherte ein Wahlrecht; er kann die Mitgliedschaft bei der Kasse beantragen, bei der er zuletzt vor der Rentenantragstellung Mitglied war oder bei der der Ehegatte versichert ist (Abs 3). Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, daß der Kläger in der streitbefangenen Zeit bis zum 31. August 1979 Mitglied der Beigeladenen und ab 1. September 1979 wieder Mitglied der Beklagten war. Der für die Zeit ab 29. Juni 1979 zustehende Krankengeldanspruch ändert an diesen Kassenzuständigkeiten nichts. § 311 Satz 1 Nr 2 RVO findet keine Anwendung. Der Rentenantragsteller, der die Voraussetzungen der Rente erfüllt, ist von Stellung des Rentenantrages an Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 306 Abs 2 RVO). Die Entscheidung über den Rentenantrag führt nur in Fällen der Ablehnung zu einer Beendigung der -fiktiven- Mitgliedschaft (§ 315a Abs 2 Satz 2 RVO). In diesem Falle kann ein Krankengeldanspruch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner erhalten. Dagegen besteht bei Zubilligung der Rente die Mitgliedschaft schon aufgrund des Rentenbezuges fort. Wählt der Rentner gemäß § 257a Abs 3 RVO eine andere Kasse, so ändert sich nur die Kassenzuständigkeit. Das Wahlrecht ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Rentner Anspruch auf Krankengeld hat. Mit dem Kassenwechsel endet die Mitgliedschaft und damit auch die Leistungspflicht der bisher zuständigen Kasse, gleichzeitig beginnt die Leistungspflicht der nun zuständigen Kasse (§ 312 Abs 1, § 212 RVO; BSGE 51, 281).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen