Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewahrsam eines Kindes. gewahrsamseigentümliche Umstände als Schädigungsursachen. Bindung der Bescheinigung nach § 10 HHG
Orientierungssatz
1. Die vom Regierungspräsidenten gemäß § 10 Abs 4 S 1 HHG ausgestellten Bescheinigungen über den Tatbestand eines Gewahrsams iS des § 4 Abs 1 und des § 1 Abs 1 Nr 1 HHG sind für Behörden, die über die Tatsache des politischen Gewahrsams als Voraussetzung für irgendwelche Ansprüche zu entscheiden haben, zB für Versorgungsbehörden, verbindlich.
2. Durch eine solche Bescheinigung wird jedoch nicht bewiesen, daß ein Versorgungsanspruch nach § 4 HHG besteht, sondern nur der Gewahrsam als Voraussetzung, so daß ein solcher Anspruch entstehen kann. Weitere Voraussetzung ist, daß der Berechtigte die Gesundheitsstörung "infolge des Gewahrsams" erlitten hat.
3. Wenn ein Berechtigter iS des § 1 HHG eine Schädigung, deren Folgen nach § 4 HHG auszugleichen sind, "infolge des Gewahrsams" erlitten haben muß, dann beschränkt sich die Kausalitätsfrage auf einen Ursachenzusammenhang zwischen Beeinträchtigungen der Gesundheit und bestimmten Einwirkungen. Umstände, die derart ursächlich iS der wesentlichen Bedingung gewirkt haben, müssen, ungeachtet dieses Kausalzusammenhangs, dem politischen Gewahrsam als ihm eigentümlich zuzurechnen sein; ein zeitlicher Zusammenhang genügt nicht (vgl BSG vom 1980-10-29 9 RVh 1/79 = SozR 7190 § 4 Nr 1).
4. Zu den Voraussetzungen, unter denen die gesundheitlichen Schäden, die sich ein während des Gewahrsams der Mutter geborenes Kind in der Gewahrsamszeit zugezogen hat, als durch gewahrsamseigentümliche Gefahren bedingt, anerkannt werden können.
Normenkette
HHG § 1 Abs 1 Nr 1, § 4 Abs 1, § 10 Abs 4 S 1, § 10 Abs 6 S 7 Fassung: 1969-05-30; BVFG § 15 Abs 5 S 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 07.07.1982; Aktenzeichen L 5 V 110/79) |
SG Darmstadt (Entscheidung vom 14.09.1978; Aktenzeichen S 4 V 143/77) |
Tatbestand
Die am 21. Oktober 1952 in P./Litauen (UdSSR) geborene Klägerin, die im April 1960 mit ihrer Mutter und mit ihren drei jüngeren Geschwistern in das Bundesgebiet gekommen ist, beantragte im August 1975 Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen des Verlustes des rechten Armes und wegen ausgedehnter Hautschäden. Sie führt diese Gesundheitsstörungen auf eine Verbrennung zurück, die sie im Winter 1956 durch Funkenflug infolge eines Windstoßes aus einem Wohnraumofen, der am Backofen keine Feuertür gehabt habe, erlitten habe. Ihre Mutter war 1945 von den Sowjetrussen aus ihrer Heimatstadt K./Ostpreußen nach Litauen verschleppt worden. Sie lebte dort seit 1946 bei einem litauischen Landwirt und arbeitete zwangsweise in dessen Haus- und Landwirtschaft. Von dem Landwirt stammen die vier Kinder. Der Antrag der Klägerin auf Kriegsopferversorgung wurde abgelehnt, weil keine Schädigung nach § 1 Abs 2 Buchstabe a iVm § 5 Abs 1 Buchstabe d BVG eingetreten sei. Die dagegen gerichtete Klage nahm die Klägerin 1978 zurück, nachdem sie vom Regierungspräsidenten in D. am 20. Juli 1977 eine Bescheinigung nach § 10 Abs 4 Häftlingshilfegesetz (HHG) über die Anerkennung eines Gewahrsams iS dieses Gesetzes und über Eingliederungshilfe erhalten hatte. Die Versorgungsverwaltung lehnte auch eine Versorgung aufgrund des HHG iVm dem BVG ab (Bescheid vom 28. September 1977). Der dagegen erhobenen Klage gab das Sozialgericht (SG) statt (Urteil vom 14. September 1978). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Juli 1982): Die vom Regierungspräsidenten ausgestellte Bescheinigung sei kein Nachweis für einen Versorgungsanspruch nach den §§ 4 ff HHG iVm dem BVG. Wenn aber ein Gewahrsam iS des HHG unterstellt werde, ständen die Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht im erforderlichen Ursachenzusammenhang mit diesem. Die Mutter der Klägerin habe in einem normalen Arbeitsverhältnis gestanden, was sich schon aus ihrer relativen Bewegungsfreiheit und aus einer Entgeltzahlung ergebe. Das schließe aus, den Gewahrsam als wesentliche Bedingung des Unfalles und seiner Folgen zu werten. Der Wohnraumofen, der in der UdSSR üblich sein soll, könne nicht als wesentlich durch den Gewahrsam bedingte Gefahrenquelle beurteilt werden. Eine weitere Sachaufklärung sei nicht möglich, weil die Eltern der Klägerin verstorben seien und die jüngeren Geschwister sich nicht an den Unfall erinnern könnten.
Die Klägerin rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 4 Abs 1 und 3 HHG und des § 1 Abs 2 Buchstaben b und c BVG. Der Unfall habe sich nicht während eines normalen Arbeitsverhältnisses ereignet. Aus der Beziehung zwischen der Mutter der Klägerin zu dem litauischen Landwirt, dem Vater ihrer vier Kinder, könne nicht geschlossen werden, daß sie sich nicht in einer durch die Verschleppung bedingten Zwangssituation befunden und nicht unter menschenunwürdigen Verhältnissen gelebt habe. Nach allgemeiner Erfahrung sei auch nur ein Entgelt gezahlt worden, das gerade die Arbeitskraft erhalten habe. Die Mutter habe infolge der erbärmlichen Lebensverhältnisse nicht hinreichend für die Sicherheit ihres Kindes sorgen können. Auch habe sie unter der seelischen Belastung sehr stark gelitten und sei infolge einer Depression alkoholkrank geworden. Diese Lage der Mutter, die als rechtserheblich berücksichtigt werden müsse, habe nach allgemeiner Erfahrung das Kind instabil und fahrig gemacht und es daher der Gefahr, einen Unfall zu erleiden, stärker ausgesetzt. Schließlich seien die Unfallfolgen dadurch verschlimmert worden, daß die Klägerin infolge der Gewahrsamsumstände nicht ausreichend medizinisch versorgt worden sei. Dies hätte näher durch ein Gutachten aufgeklärt werden müssen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat insoweit Erfolg, als der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das Berufungsgericht hätte nicht über einen Versorgungsanspruch aus § 4 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden - HHG - (in der später nicht mehr einschlägig geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1969 - BGBl I 1793) iVm den §§ 9, 10, 30 ff BVG endgültig befinden und die diesen Streitgegenstand betreffende Klage gegen den Bescheid vom 28. September 1977 abweisen dürfen. Für eine solche Entscheidung, insbesondere für eine rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, wie es durch die Revisionsbegründung klargestellt worden ist, fehlen ausreichende Tatsachenfeststellungen (BSG SozR Nr 6 zu § 163 SGG).
Nach § 4 Abs 1 HHG erhält Versorgung entsprechend den Vorschriften des BVG, wer Berechtigter iS des § 1 HHG ist, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung, die er infolge des Gewahrsams iS dieser Bestimmung erlitten hat, soweit er nicht unmittelbar aufgrund des BVG wegen desselben schädigenden Ereignisses Leistungen beanspruchen kann.
Das Berufungsgericht hat zutreffend den Bescheid vom 18. August 1976 infolge der Klagerücknahme als rechtsverbindlich behandelt (§§ 77, 102 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Damit ist im gegenwärtigen Rechtsstreit jedenfalls nicht mehr zu prüfen, ob der Klägerin Versorgung nach § 1 Abs 1 und 2 Buchstabe a iVm § 5 Abs 1 Buchstabe d BVG wegen eines Verschleppungsschadens zusteht.
Ob durch jene Entscheidung mit Verbindlichkeit für das Verfahren nach dem HHG ein vorrangiger Versorgungsanspruch aufgrund des BVG schlechthin abgelehnt worden ist, kann dahingestellt bleiben. Auch die Versorgungstatbestände einer Kriegsgefangenschaft (§ 1 Abs 2 Buchstabe b BVG; vgl dazu BSGE 13, 16, 17 = SozR Nr 49 zu § 1 BVG) und einer Internierung wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit (§ 1 Abs 2 Buchstabe c BVG), die eine Freiheitsbeschränkung zum Schutz und zur Sicherheit der Gewahrsamsmacht voraussetzt (BSGE 38, 1, 2 f = SozR 3100 § 1 Nr 2) kommen für die Klägerin für die Zeit ihrer Kindheit nicht in Betracht.
Den Tatbestand eines Gewahrsams iS des § 4 Abs 1 und des § 1 Abs 1 Nr 1 HHG, dh eines Festgehaltenwerdens aus politischen und nach freiheitlich-demokratischer Auffassung vom Betroffenen nicht zu vertretenden Gründen (dazu BSGE 14, 50, 53 = SozR Nr 1 zu § 1 HHG; BSG SozR 2200 § 1251 Nr 77; BVerwGE 60, 343, 347 f, 351), hat bereits der zuständige Regierungspräsident bescheinigt. Gerade für den Nachweis dieser für den gegenwärtigen Rechtsstreit bedeutsamen Tatsache des politischen Gewahrsams werden solche Bescheinigungen ausgestellt (§ 10 Abs 4 Satz 1 HHG). Sie sind für Behörden, die über diese Vorfrage als Voraussetzung für irgendwelche Ansprüche zu entscheiden haben, zB für Versorgungsbehörden, verbindlich (§ 10 Abs 6 Satz 7 HHG idF des 3. Änderungsgesetzes vom 30. Mai 1969 - BGBl I 451 - iVm § 15 Abs 5 Satz 1 Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz -BVFG-; BVerwG Buchholz 412.6 § 10 HHG Nr 12). Die Versorgungsverwaltung hat keine "Änderung oder Aufhebung" der der Klägerin erteilten Nachweisurkunde wegen Unrichtigkeit beim Regierungspräsidenten beantragt (§ 15 Abs 5 Satz 2 und 3 BVFG). Allerdings wird durch eine solche Bescheinigung, wie sie die Klägerin besitzt, nicht bewiesen, daß ein Versorgungsanspruch nach § 4 HHG besteht, sondern nur der Gewahrsam als Voraussetzung, so daß ein solcher Anspruch entstehen kann. Weitere Voraussetzung ist, daß der Berechtigte die Gesundheitsstörung "infolge des Gewahrsams" erlitten hat.
Die rechtliche Zuordnung von Gesundheitsstörungen zum Gewahrsam hat bisher das Berufungsgericht nicht zutreffend beurteilt. Als einzigen Ausschlußgrund hat es ein "normales Arbeitsverhältnis" angenommen. In einem solchen hat aber die Klägerin als Kleinkind nicht gestanden. Bei der Auslegung des § 4 HHG ist vielmehr folgendes zu beachten.
Wenn ein Berechtigter iS des § 1 HHG eine Schädigung, deren Folgen nach § 4 HHG auszugleichen sind, "infolge des Gewahrsams" erlitten haben muß, dann beschränkt sich die Kausalitätsfrage auf einen Ursachenzusammenhang zwischen Beeinträchtigungen der Gesundheit und bestimmten Einwirkungen. Umstände, die derart ursächlich iS der wesentlichen Bedingung gewirkt haben, müssen, ungeachtet dieses Kausalzusammenhanges, dem politischen Gewahrsam als ihm eigentümlich zuzurechnen sein; ein zeitlicher Zusammenhang genügt nicht (Urteil des erkennenden Senats in SozR 7190 § 4 Nr 1; vgl ebenso für die Internierung: BSG SozEntsch BSG IX/3 BVG § 1 (b2) Nr 6; BSG 14. Dezember 1961 - 11 RV 552/58; BSG 31. Juli 1962 - 9 RV 854/60 und für die Kriegsgefangenschaft: BSG 11. Mai 1976 - 10 RV 199/75 -; BSG Breithaupt 1961, 925 = Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1961, 2086; BSGE 13, 16, 18 ff; 17, 225 f = SozR Nr 62 zu § 1 BVG). Bei der rechtserheblichen Ursache darf es sich nicht um Ereignisse handeln, die üblicherweise überall vorkommen können. Sie müssen vielmehr gerade durch den Gewahrsam iS des § 1 HHG geprägt sein. Das Fortbestehen einer solchen Freiheitsbeschränkung genügt nicht, zumal nicht bei einem "Anschlußgewahrsam" (§ 1 Abs 4 Satz 2 HHG; BVerwG Buchholz 412.6 § 10 HHG Nr 12). Ein solcher Zustand besteht während des gesamten erzwungenen Aufenthaltes im fremden Staatsgebiet, der an ein Festgehaltenwerden auf eng begrenztem Raum unter dauernder Bewachung als Gewahrsam im engeren Sinn (Satz 1) anschließt.
Entgegen der Auffassung der Revision sind als gewahrsamseigentümlich im bezeichneten Sinn nicht die gesamten Lebensumstände zu berücksichtigen, die für die Mutter der Klägerin durch die Verschleppung aus ihrer Heimat bedingt waren und die die Klägerin als menschenunwürdig beurteilt. Vielmehr müßte eine spezielle Ursache der Verbrennung, die die Klägerin erlitten hat, als für sie persönlich durch den Gewahrsam geprägt gewesen sein. Soweit es sich um Lebensverhältnisse der Mutter handelte, müssen sich diese zugleich für die Klägerin selbst als gewahrsamseigentümlich dargestellt haben. Eine entsprechende abschließende rechtliche Bewertung kommt erst in Betracht, nachdem genau geklärt ist, wodurch der Unfall verursacht wurde.
Wohl könnten die Bedingungen, unter denen ihre Mutter während des Gewahrsams arbeiten mußte, den Unfall im Rechtssinn verursacht haben und gerade auch für die Klägerin gewahrsamseigentümlich zu bewerten sein. Zum Beispiel könnte eine unabwendbare Arbeitspflicht, die in der Stellung der Mutter als verschleppter Deutscher begründet gewesen wäre, sie daran gehindert haben, das Kind ausreichend zu beaufsichtigen. Dieses Hindernis müßte sich durch eine besondere Zwangslage von der bei Landwirtsfrauen üblichen Betätigung im Haushalt und Landwirtschaftsbetrieb unterschieden haben. Anspruchserheblich wären nur Belastungen, die in dem eingetretenen Ausmaß nicht allgemein in der Landwirtschaft vorzukommen pflegen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch unter normalen Verhältnissen kleine Kinder infolge einer Beschäftigung ihrer Mutter zeitweilig ohne Aufsicht sein und infolgedessen einen Unfall erleiden können, insbesondere in ländlichen Verhältnissen. Das kann sogar bei nur ganz kurzer Abwesenheit der Mutter eintreten. Wesentlich für eine gewahrsamseigentümliche Unfallursache könnte eine besondere Stellung gewesen sein, die die Mutter der Klägerin in ihrer näheren Umgebung als verschleppte, an einer Heimkehr gehinderte Deutsche eingenommen hätte. Zum Beispiel könnte sie, obgleich sie mit ihrem Dienstherrn intime Beziehungen hatte, nicht die übliche Bestimmungsfreiheit einer deutschen Ehefrau gehabt haben. Oder Nachbarn und Angehörige des Betriebsinhabers könnten eine jeweils vorübergehende Beaufsichtigung des Kindes wegen des Deutschtums der Mutter abgelehnt haben. Andererseits könnte eine solche mit dem Gewahrsam zusammenhängende Benachteiligung des Kindes dadurch ausgeschlossen gewesen sein, daß der litauische Landwirt tatsächlich der Vater der Klägerin und ihrer Geschwister war. Sorgfältig zu prüfen ist auch, ob die Mutter der Klägerin bereits vor dem Unfall infolge des Gewahrsams - etwa wesentlich wegen der Zwangstrennung von ihrer Heimat und ihren Angehörigen - depressiv war und deshalb die gebotene und sonst übliche Aufsicht des Kindes vernachlässigte. Nur dann, wenn sich die Persönlichkeit der Mutter infolge gewahrsamsbedingter Belastungen krankhaft verändert hätte, wäre zusätzlich zu prüfen, ob sich dies nachteilig auf das Reaktionsvermögen des Kindes ausgewirkt und ob ein solches abartiges Verhalten den Unfall mit verursacht hat.
Obgleich der Klägerin statusrechtlich ein Gewahrsam deshalb zuerkannt worden ist, weil ihre Mutter von der Besatzungsmacht festgenommen worden war (vgl dazu BVerwGE 19, 350, 353; 60, 343, 353; zur Kriegsgefangenenentschädigung: BVerwG, Die öffentliche Verwaltung 1965, 482; NJW 1961, 2175), können sich doch die gemeinsamen Lebensverhältnisse versorgungsrechtlich für das Kind gesondert, und zwar abweichend ausgewirkt haben. Landeseigentümliche Umstände, die als Unfallursache anzusehen sind, können als gewahrsamstypisch im anspruchsbegründenden Sinn zu werten sein, wenn das Kind Opfer solch einer Besonderheit, die für sie in Deutschland nicht bestanden hätte, dadurch geworden wäre. Das wäre insbesondere der Fall, wenn sich die Klägerin als Kleinkind ihnen nicht überlegt und hinreichend gesteuert entziehen konnte.
Schließlich könnten die jetzt bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen - wenigstens teilweise - deshalb auf Umstände, die den Gewahrsam kennzeichneten, zurückzuführen sein, weil die Klägerin grundlegend anders als in Deutschland und als für Einheimische in Litauen üblich ärztlich behandelt, insbesondere verspätet oder sonstwie unzureichend medizinisch versorgt wurde (vgl BSG SozR 7190 § 4 Nr 1; zur Internierung: SozEntsch BSG IX/3 BVG § 1 (b2) Nr 6; zur Kriegsgefangenschaft: SG Hamburg, Breithaupt 1963, 520). Näheres darüber läßt sich eventuell, ergänzend zu Zeugenvernehmungen, durch eine Auskunft des Krankenhauses ermitteln, in dem die Klägerin in der UdSSR operiert wurde.
Das LSG hat nunmehr nach den dargelegten Rechtsmaßstäben Genaues über die Haftumstände und die Verbrennungsursache aufzuklären. Dazu sind die Klägerin und vor allem Personen zu befragen, denen ihre Mutter ebenso wie ihr selbst während ihres Aufenthaltes in Litauen oder ab 1960 im Bundesgebiet über die Ursache ihrer Verhaftung und des jahrelangen Festgehaltenwerdens sowie über das Unfallgeschehen berichtet haben wird. Bekannte aus der litauischen Zeit könnten notfalls mit Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes, des Heimkehrerlagers Friedland und der zuständigen Landsmannschaft ausfindig zu machen sein. Das Ergebnis einer solchen Beweiserhebung ist mit allgemeinen Erfahrungen, die im Schrifttum mitgeteilt worden sind, zu vergleichen.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen