Leitsatz (redaktionell)
Im Gerichtsverfahren haben Kläger und Beklagter grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß die Schädigungsfolgen vollständig und richtig festgestellt und anerkannt werden, weil davon nicht nur die Höhe der Rente, sondern auch die Art und der Umfang der Heilbehandlung abhängen.
Normenkette
SGG § 123 Fassung: 1953-09-03, § 128 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03; BVG § 1 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1967 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Bei dem Kläger sind durch die Bescheide vom 13. Mai 1950 und 23. November 1951 (Umanerkennung ohne Nachuntersuchung) "Erblindung des linken Auges durch Granatsplitterverletzung und Entstellung des Gesichts" als Schädigungsfolgen anerkannt bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H.. Der Anerkennung lag ein Gutachten von Frau Dr. M. vom 27. Februar 1947 zugrunde. Bei einer Nachuntersuchung am 17. Oktober 1952 äußerte der Augenarzt Dr. K die Erblindung eines Auges werde mit 30 % bewertet; wenn man die kosmetische Entstellung durch die Schielstellung des linken Auges berücksichtigen wolle, käme eine MdE von 35 % in Betracht. Durch Bescheid vom 9. April 1953 wurde die MdE unter Hinweis auf § 86 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf 40 v. H. herabgesetzt. Im Klageverfahren erklärte der Sachverständige Dr. B wenn man außer der Erblindung, die mit 30 % zu bewerten sei, die Schielstellung und die kosmetisch wenig beeinträchtigenden Narbenverhältnisse mitberücksichtige, werde man eine MdE von 35 bis 40 % vertreten können. Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat den Beklagten durch Urteil vom 23. Mai 1956 verurteilt, wegen der anerkannten Schädigungsfolgen weiterhin Rente nach einer MdE um 50 v. H. zu zahlen, weil der Kläger durch die Augenverwundung in seinen früheren beruflichen Betätigungen besonders stark beeinträchtigt sei. Die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 30. Januar 1957 zurückgewiesen.
Im August 1964 wurde bei dem Kläger das linke Auge operativ entfernt, eine Supramidplombe eingepflanzt und anschließend eine Augenprothese eingesetzt. Der Kläger beantragte am 2. Oktober 1964 bei dem Beklagten, die Bezeichnung der anerkannten Schädigungsfolgen zu ändern in: "Verlust des linken Auges". Der Sachverständige Dr. U. Facharzt für innere Krankheiten, äußerte in seinem Gutachten vom 25. November 1964, die Gesichtsentstellung sei praktisch im gleichen Ausmaß wie früher vorhanden, da zusätzlich zu der leichten Schielstellung noch eine operativ bedingte geringe Verformung des linken Oberlides mit narbiger Einziehung hinzugekommen sei. Die MdE nach § 30 Abs. 1 BVG betrage 40 %. Durch den angefochtenen Bescheid vom 15. Januar 1965 wurde die Leidensbezeichnung geändert in "Verlust des linken Auges" und die MdE "unter Berücksichtigung des § 30 Abs. 2 BVG" auf 40 % festgesetzt. Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme von dem behandelnden Augenarzt Dr. H. bei. Darin heißt es, die implantierte Kunststoffplombe sitze unverändert und reizfrei; der heutige Zustand stelle gerade in bezug auf die Gesichtsentstellung gegenüber dem früheren Zustand eine wesentliche Besserung dar. Durch Bescheid vom 14. Juli 1966 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Das SG hat ein Gutachten von Oberarzt Dr. G Universitäts-Augenklinik M, vom 30. September 1966 eingeholt und die Klage durch Urteil vom 28. November 1966 abgewiesen. Das LSG hat durch Urteil vom 12. Dezember 1967 das Urteil des SG Koblenz vom 28. November 1966 und den Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) K vom 15. Januar 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1966 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger "wegen der mit Bescheid vom 23. November 1951 anerkannten Schädigungsfolgen über den 28. Februar 1965 hinaus Versorgung nach einer MdE von 50 % zu gewähren". In den Gründen wird ausgeführt, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 BVG, die nach den Verwaltungsvorschriften wenigstens 10 % betragen müsse, liege nicht vor. Frau Dr. M habe bei der Erstbegutachtung im Februar 1947 nur eine summarische Bildung der Gesamt-MdE vorgenommen und dabei auch "die Beeinträchtigung des Klägers im Erwerbskampf" berücksichtigt. Der Augenarzt Dr. K habe im Jahre 1952 für die kosmetische Entstellung eine zusätzliche MdE von 5 % angenommen Das besondere berufliche Betroffensein des Klägers sei alsdann von dem LSG offenbar mit 15 bis 20 % bewertet worden, da andernfalls der Gesamtsatz von 50 % nicht erreicht worden wäre. Nach den Befunderhebungen der nach der Augenoperation gehörten Ärzte sei davon auszugehen, daß eine Entstellung tatsächlich auch heute noch vorhanden, aber äußerst unauffällig und daher geringfügig sei. Insoweit sei zwar durch die Augenoperation eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, diese sei jedoch nicht wesentlich, da sie nur zwischen 0 bis 5 % liegen könne. Das Gericht würde überdies zum gleichen Ergebnis gelangen, wenn die Gesichtsentstellung durch die Operation ganz in Wegfall gekommen wäre, da der Kläger glaubhaft dargetan habe, daß das Augeninnere oft schmerzhaft entzündet sei und eitere. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen" (Neuausgabe 1965) sei bei Verlust eines Auges die zusätzliche dauernde, einer Behandlung nicht zugängliche Eiterung der Augenhöhle gleichrangig mit der Entstellung des Gesichts. Bei Bestehen auch nur einer dieser beiden Alternativen betrage die MdE aus medizinischer Sicht allein 40 bis 50 %. Da also jedenfalls eine dieser Alternativen, nämlich der regelmäßige, ärztlich nicht mit vollem Erfolg zu beeinflussende Eintritt eitriger Entzündungen in kurzen Abständen unverändert fortbestehe, sei die MdE, medizinisch gesehen, schon mindestens mit 40 % anzunehmen. Bei Berücksichtigung des Berufsschadens in Höhe von 15 bis 20 % bestehe die Gesamt-MdE um 50 % sicher fort.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 10. Januar 1968 zugestellt, der dagegen mit Schriftsatz vom 19. Januar 1968, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 23. Januar 1968, Revision eingelegt und diese mit demselben Schriftsatz begründet hat.
Der Beklagte beantragt,
1. Das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1967 aufzuheben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Koblenz vom 28. November 1966 - Az.: S 7 V 492/66 - zurückzuweisen.
Hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Rheinland-Pfalz zurückzuverweisen.
Der Beklagte will die Statthaftigkeit der Revision aus § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) herleiten und rügt in seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, ausdrücklich die Verletzung der §§ 128 und 103 SGG. Er trägt u. a. vor, die vom LSG vorgenommene Tenorierung widerspreche der klaren Sach- und Aktenlage, da nach dem von dem LSG ausdrücklich aufrechterhaltenen Bescheid vom 23. November 1951 unter anderem "die Erblindung des linken Auges" anerkannt sei, während heute auf jeden Fall "der Verlust des linken Auges" anerkannt werden müsse. Durch die Enucleierung des linken Augapfels sei außerdem nach den ärztlichen Befunderhebungen von Dr. H und der Universitäts-Augenklinik M die früher bestehende und als Schädigungsfolge anerkannte Entstellung durch Linsentrübung und Fehlstellung des Auges beseitigt; insoweit liege eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor. Wenn das LSG aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung dauernde eitrige Entzündungen der Augenhöhle angenommen habe, so sei diese Feststellung im Hinblick auf die entgegenstehenden ärztlichen Befunde der Universitäts-Augenklinik M und von Dr. H nicht verständlich. Jedenfalls hätte das Gericht diese subjektiven Angaben des Klägers einer objektiven ärztlichen Befunderhebung unterziehen müssen.
Der Kläger beantragt,
1. Die Revision als unzulässig zu verwerfen.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in sämtlichen Rechtszügen dem Beklagten aufzuerlegen.
Er meint, die von dem Beklagten gerügten Verfahrensmängel lägen nicht vor; jedenfalls beruhe das angefochtene Urteil nicht auf diesen Mängeln. Für das Vorbringen des Klägers im einzelnen wird auf die Revisionserwiderung vom 12. März 1968 Bezug genommen.
Die Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, ist die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (BSG 1, 150), oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Der Beklagte will die Statthaftigkeit der Revision aus § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG herleiten und rügt in seiner Revisionsbegründung ausdrücklich nur eine Verletzung der §§ 128 und 103 SGG. Seinem Vorbringen kann jedoch entnommen werden, daß er auch eine Verletzung des § 123 SGG durch das LSG rügen will. Zwar hat er diese Verfahrensvorschrift nicht ausdrücklich bezeichnet; nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. 1, 227) genügt es jedoch, wenn aus dem substantiierten Vorbringen des Revisionsklägers ersichtlich ist, welche verfahrensrechtlichen Normen als verletzt angesehen werden.
Die Rüge einer Verletzung des § 123 SGG durch das LSG greift durch. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Das vorliegende Verfahren ist durch den Antrag des Klägers vom 2. Oktober 1964 in Gang gesetzt worden, die Bezeichnung der anerkannten Schädigungsfolgen zu ändern in: "Verlust des linken Auges" - statt bisher "Erblindung des linken Auges" -. Diesem Antrag hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 15. Januar 1965 stattgegeben, jedoch gleichzeitig die bisher als weiteres Versorgungsleiden anerkannte "Entstellung des Gesichts" aberkannt und die MdE von bisher 50 v. H. auf 40 v. H. herabgesetzt. Der Kläger hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG beantragt, "unter Aufhebung des Urteils des SG Koblenz vom 28. November 1966 und des Bescheides des Versorgungsamtes K vom 15. Januar 1965 ... den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger "Entstellung des Gesichts" wieder anzuerkennen und ihm über den 28. Februar 1965 hinaus Versorgung nach einer MdE um 50 % weiterzugewähren". Dieser Antrag des Klägers war durchaus sachgerecht, wobei lediglich zu erwägen wäre, ob der Bescheid des VersorgA K vom 15. Januar 1965 aufzuheben oder abzuändern war. Jedenfalls aber hat der Kläger eine Aufrechterhaltung der mit Bescheid vom 23. November 1951 anerkannten Schädigungsfolgen nicht beantragt, weil auch nach seiner Auffassung eine wesentliche Änderung der Schädigungsfolgen durch die inzwischen erfolgte Augenoperation eingetreten und nunmehr die neue Schädigungsfolge ("Verlust des linken Auges") vom Beklagten bescheidmäßig anzuerkennen war. Wenn demgegenüber das LSG den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger "wegen der mit Bescheid vom 23. November 1951 anerkannten Schädigungsfolgen" ... Versorgungsrente zu gewähren, so hat das LSG nicht "über die vom Kläger erhobenen Ansprüche", sondern über etwas entschieden, was von keinem Beteiligten beantragt war und was auch nicht der wahren Sach- und Rechtslage entsprach (vgl. Bl. 3 unten, 10 der Urteilsabschrift). Durch diese Entscheidung ist zunächst nur der Kläger beschwert, der keine Revision eingelegt hat. Eine Beschwer liegt aber auch bei dem Beklagten vor (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 134 Anm. II 1 b). Beide Beteiligten haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß die Schädigungsfolgen vollständig und richtig festgestellt und anerkannt werden, weil davon nicht nur die Höhe der Rente, sondern auch die Art und der Umfang der Heilbehandlung (vgl. §§ 10 ff BVG) abhängen. Insbesondere im vorliegenden Fall ist es für den Beklagten von entscheidender Bedeutung, ob er nur Heilbehandlung wegen "Erblindung des Auges" oder auch orthopädische Versorgung (Augenprothese) wegen "Verlust des Auges" zu gewähren hat (vgl. § 13 BVG). Das LSG hat daher bei seiner Entscheidung § 123 SGG verletzt. Diese Verletzung stellt einen wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar, so daß die Revision statthaft ist. Die Revision ist auch, soweit es sich um die richtige Bezeichnung der Augenverletzung handelt, begründet. Gleichwohl hielt es der Senat für untunlich, in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. § 170 Abs. 2 SGG), weil noch ein weiterer Verfahrensmangel vorliegt, der jedenfalls zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG führt. Der Beklagte greift nämlich auch die Feststellung des LSG, daß bei dem Kläger eine dauernde, einer Behandlung nicht zugängliche Eiterung der Augenhöhle vorliegt, mit Erfolg an.
Das LSG hat in seinem Urteil zunächst festgestellt, daß die mit Bescheid vom 23. November 1951 neben der Erblindung des linken Auges als Schädigungsfolge anerkannte "Entstellung des Gesichts" auch heute noch vorhanden, aber "äußerst unauffällig und daher geringfügig" ist, und hat alsdann die Auffassung vertreten, daß diese Besserung des äußeren Erscheinungsbildes "nicht wesentlich im Sinne des § 62 BVG ist", weil die Bewertung dieser Gesichtsentstellung gradmäßig vor der Operation immer nur bei 5 % gelegen habe, so daß der Wert der Besserung nur zwischen 0 bis 5 % liegen könne (vgl. S. 10/11 der Urteilsabschrift). Für die vorliegende Beurteilung kann dahinstehen, ob diese Auffassung des LSG richtig ist und ob nicht auch eine Änderung des besonderen beruflichen Betroffenseins eingetreten ist, denn jedenfalls fährt das LSG dann wörtlich fort: "Übrigens würde der Senat zum gleichen Ergebnis gelangen - gemeint ist damit die Weitergewährung der Rente nach einer MdE um 50 v. H. -, wenn die Gesichtsentstellung durch die Operation ganz in Wegfall gekommen wäre". Seine Auffassung begründet das LSG damit, daß bei dem Kläger jedenfalls eine "zusätzliche dauernde, einer Behandlung nicht zugängliche Eiterung der Augenhöhle unverändert fortbesteht". Wortlaut und Inhalt der Urteilsgründe ergeben somit, daß das LSG seine Entscheidung mit zwei selbständigen Begründungen rechtfertigen wollte - nämlich daß die Besserung bzw. Beseitigung der Entstellung nicht wesentlich im Sinne von § 62 BVG ist oder daß jedenfalls eine dauernde Eiterung der Augenhöhle besteht -, wobei das LSG jeweils unterschiedliche Tatbestände zugrunde gelegt hat und wobei jede Begründung für sich allein den geltend gemachten Anspruch rechtfertigen sollte. Jedenfalls ergibt sich aus dem Urteil nicht, daß nur die erste Begründung die Entscheidung tragen und die zweite nur eine bedeutungslose Erwägung des Gerichts sein sollte. Bei einer solchen doppelten Begründung ist die Revision schon dann statthaft, wenn auch nur eine dieser Begründungen verfahrensrechtlich nicht einwandfrei zustande gekommen ist; es kommt für die Statthaftigkeit der Revision nicht darauf an, ob auch die hinsichtlich der anderen Begründung geltend gemachten Rügen wesentlicher Mängel des Verfahrens durchgreifen (vgl. BSG vom 18. März 1964 - 10/11 RV 1004/62 - in Breithaupt 1964, 882). Da es der Sinn der auf § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gestützten Statthaftmachung der Revision ist, ein auf einem fehlerhaften Verfahren beruhendes Berufungsurteil der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zuzuführen, muß ein gerügter Verfahrensmangel auch dann zur Statthaftigkeit der Revision führen, wenn der Mangel auch nur einer der vom Berufungsgericht gegebenen Begründungen für seine Entscheidung anhaftet. Ob dieser Mangel allerdings zur Aufhebung des Berufungsurteils führen muß oder ob das Berufungsurteil etwa allein aus der anderen vom Berufungsgericht gegebenen Begründung gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG aufrechterhalten werden kann, ist eine andere Frage (vgl. BSG aaO).
Soweit es sich um die zweite vom LSG gegebene Begründung, daß die MdE in jedem Fall weiterhin 50 v. H. beträgt, handelt, rügt der Beklagte eine Verletzung des § 128 SGG und trägt dazu vor, das LSG sei den tatsächlichen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung über immer wiederkehrende Entzündungen und Eiterungen der Augenhöhle gefolgt, obwohl in den ärztlichen Gutachten und Befundberichten darüber nichts erwähnt sei; über diese medizinischen Befunderhebungen habe sich das LSG nicht einfach hinwegsetzen dürfen. Die Rüge einer Verletzung des § 128 SGG durch das LSG ist gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; in dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das LSG hat, wie seine Entscheidungsgründe ergeben, die Angaben des Klägers als glaubhaft angesehen, daß das Augeninnere oft schmerzhaft entzündet sei und eitere (vgl. Bl. 11 unten der Urteilsabschrift). Gegen diese Beweiswürdigung wäre aus verfahrensrechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Das LSG hat jedoch übersehen oder jedenfalls völlig unberücksichtigt gelassen, daß der behandelnde Arzt Dr. Hartung in seinem ausführlichen Befundbericht vom 2. Februar 1966 (Bl. 149 der Versorgungsakte) ausdrücklich betont hat, die implantierte Kunststoffplombe sitze unverändert und sei reizfrei, und daß auch in dem Gutachten der Universitäts-Augenklinik M vom 30. September 1966, das aufgrund einer "eingehenden Untersuchung" erstattet ist, weder bei den Angaben des Klägers zur Vorgeschichte noch bei der augenärztlichen Befunderhebung eine dauernde Entzündung und Eiterung erwähnt ist. Vielmehr heißt es in diesem Gutachten, der Bindehautsack der linken Augenhöhle sei "im ganzen reizlos"; lediglich im nasalen Lidwinkel befinde sich unmittelbar hinter der Prothese etwas Sekret. Die augenfachärztlichen Befunde stehen somit in so augenfälligem Gegensatz zu den Angaben des Klägers, daß sich das LSG - jedenfalls, sofern es den Angaben des Klägers folgen wollte -, bei seiner Beweiswürdigung mit diesen Befunden auseinandersetzen mußte und sie nicht einfach unerwähnt lassen durfte. Da somit bereits die Rüge einer Verletzung des § 128 SGG durchgreift, kann dahinstehen, ob sich das LSG nicht gedrängt fühlen mußte, einen weiteren Befundbericht oder ein weiteres fachärztliches Gutachten einzuholen (§ 103 SGG).
Die Revision ist daher statthaft, soweit es sich um die zweite von dem LSG gegebene Begründung - Vorliegen einer dauernden Eiterung - handelt. Der Senat konnte jedoch nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Urteil des LSG kann nicht etwa aus dem Grunde aufrechterhalten werden, weil bereits die erste vom LSG gegebene Begründung, für sich allein betrachtet, die Entscheidung des LSG trägt. Das Berufungsgericht hat, wie oben dargelegt, bei seiner ersten Begründung festgestellt, daß die Entstellung tatsächlich noch vorhanden ist. Bei seiner zweiten Begründung betont das LSG, daß der Senat zum gleichen Ergebnis gelangen würde, "wenn die Gesichtsentstellung durch die Operation ganz in Wegfall gekommen wäre", und begründet seine Auffassung damit, daß "jedenfalls eine dieser Alternativen - womit eindeutig und ausschließlich die dauernden eitrigen Entzündungen gemeint sind - unverändert fortbesteht". Das Urteil des LSG ist daher widersprüchlich und läßt eine eindeutige und klare Feststellung darüber vermissen, ob die Entstellung noch vorhanden und weiterhin anzuerkennen ist oder ob sie "ganz in Wegfall gekommen ist". Da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen