Leitsatz (amtlich)
Die Einbeziehung in ein ausländisches Krankenschutzsystem schließt einen Anspruch auf Beitragszuschuß nur aus, wenn dieses System im Leistungsumfang dem der deutschen gesetzlichen KV im wesentlichen gleicht; daran fehlt es, wenn seine Leistungsbedingungen von den in der deutschen gesetzlichen KV zur gleichen Zeit bestehenden zum Nachteil des Berechtigten in einem nicht nur unwesentlichen oder geringfügigen Ausmaß abweichen (wenn zB - wie in Argentinien seit Dezember 1976 - für stationäre Behandlungen nicht unerhebliche Gebühren gefordert werden.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 1304e Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.10.1978; Aktenzeichen L 9 J 412/78-3) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 27.01.1978; Aktenzeichen S 7 J 2995/76) |
Gründe
I.
Der in Buenos Aires wohnende Kläger bezieht seit 1972 von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seit dem 1. Februar 1976 ist er Mitglied der privaten Krankenversicherung für Rentenempfänger des Deutschen Hospitals in Buenos Aires. Seine Versicherung erstreckt sich auf ambulante und stationäre Behandlung, erstere jedoch unter Ausschluß der Versorgung mit Medikamenten. Der Monatsbeitrag betrug nach einer am 5. Februar 1976 ausgestellten Bescheinigung 780 argentinische Pesos; der Umrechnungskurs für 100 Pesos belief sich Mitte 1977 auf ca 0,57 DM, Mitte 1978 auf ca 0,26 DM.
Den im März 1976 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung eines Beitragszuschusses zu seiner Krankenversicherung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe nach argentinischem Recht einen Anspruch auf kostenlose Gesundheitsfürsorge, die im Kern einer deutschen Vollversicherung entspreche. Das Sozialgericht (SG) hat festgestellt, daß die Beklagte zur Gewährung eines Beitragszuschusses an den Kläger verpflichtet sei, aber nur in Höhe des Beitrages zur privaten Krankenversicherung. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Anspruch auf den Beitragszuschuß erst ab Dezember 1976 bestehe und ab Juli 1977 nicht mehr als 11 vH der monatlichen Rente betragen dürfe. Nach Ansicht des LSG hat der Kläger bis November 1976 gegenüber der argentinischen öffentlichen Gesundheitsfürsorge einen Anspruch auf ambulante und stationäre Behandlung gehabt, der trotz eines Selbstbehalts bei Medikamenten von 30 % dem Schutz durch die deutsche gesetzliche Krankenversicherung annähernd vergleichbar gewesen sei. In der Folgezeit sei jedoch die Kostenfreiheit des Gesundheitsdienstes immer stärker abgebaut worden; insbesondere im Stadtgebiet Buenos Aires seien von da an Gebührentarife eingeführt und laufend der inflationären Entwicklung angepaßt worden; bei stationärer Behandlung seien sie "verhältnismäßig nicht niedrig"; so betrügen 1978 die Kosten für stationäre Krankenhausaufenthalte ohne Operation zwischen 150 und 300 DM und für eine Blinddarmoperation 200 DM. Die Leistungen der argentinischen Gesundheitsfürsorge entsprächen somit seit dem 1. Dezember 1976 auch theoretisch nicht mehr den Leistungen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Dagegen entspreche die vom Kläger abgeschlossene Privatversicherung einer Vollversicherung. Das LSG stimmte dem SG darin zu, daß jedoch wegen der sehr geringen Höhe des Krankenversicherungsbeitrages der Gleichheitssatz eine Begrenzung des Beitragszuschusses schon ab 1. Dezember 1976 auf die Höhe des tatsächlich gezahlten Beitrages gebiete.
Mit der - zugelassenen - Revision beantragt die Beklagte,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, die Kostenbelastung für stationäre Behandlung stehe einer Vergleichbarkeit zwischen der argentinischen Gesundheitsfürsorge und der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Dagegen sei die Privatversicherung des Klägers keine Vollversicherung, weil es an einer Abdeckung der Kosten für Medikamente bei ambulanter Behandlung fehle, was angesichts der Verhältnisse in Argentinien besonderes Gewicht habe.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Da allein die Beklagte Revision eingelegt hat, ist nur darüber zu befinden, ob dem Grunde nach ab 1. Dezember 1976 ein Anspruch auf Beitragszuschuß besteht; die Frage eines Anspruchs für die voraufgegangene Zeit ist einer Prüfung im Revisionsverfahren ebenso entzogen wie die Begrenzung des Zuschusses auf den Betrag des Beitrages zur privaten Krankenversicherung für die Zeit ab 1. Dezember 1976.
Ein Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 381 Abs 4 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 1. Juli 1977 geltenden Fassung (RVO aF) und - ab 1. Juli 1977 - nach § 1304e RVO setzt voraus, daß der Berechtigte eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, nicht in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, aber entweder bei einem Krankenversicherungsträger freiwillig oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen privat gegen Krankheit versichert ist. Diese Voraussetzungen kann auch erfüllen, wer sich im Ausland aufhält. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat jedoch trotz Erfüllung der genannten Voraussetzungen ein Auslandsrentner keinen Anspruch auf Beitragszuschuß, wenn er von einem ausländischen gesetzlichen Krankenschutzsystem als Pflichtmitglied erfaßt wird (vgl zuletzt SozR 2200 § 381 Nr 30), das mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist. Dabei hat die bisherige Rechtsprechung, da keine völlige Gleichheit der Verhältnisse im Auslande mit denen im Bundesgebiet erwartet werden kann, darauf abgehoben, ob das ausländische System dem deutschen wenigstens annähernd vergleichbar ist (SozR 2200 § 381 Nr 22), vor allem, ob die dort dem Pflichtmitglied zustehenden Ansprüche sich im wesentlichen mit den Ansprüchen in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung decken (SozR 2200 § 381 Nr 15).
Die Versagung des Beitragszuschusses wegen Zugehörigkeit zu einem solchen ausländischen Krankenschutzsystem hat ihren Grund in der Erwägung, daß - besonders unter dem Aspekt des Art 3 des Grundgesetzes (GG) - der Auslandsrentner nicht günstiger gestellt werden darf als der Inlandsrentner. Er wäre günstiger gestellt, wollte man ihm den Beitragszuschuß zubilligen, obgleich er aufgrund einer Eingliederung in das ausländische System den gleichen Schutz genießt wie ein Inlandsrentner, der als solcher pflichtversichert ist. Daraus folgt aber zugleich, daß die Einbeziehung in ein ausländisches Krankenschutzsystem einen Ausnahmetatbestand darstellt; wie der Senat schon früher hervorgehoben hat (SozR 2200 § 381 Nr 78), zieht insoweit der Gleichheitssatz einem nach dem Gesetzeswortlaut an sich gegebenen Anspruch eine Grenze. Im Hinblick hierauf kann das Vorliegen einer solchen Ausnahme nur bejaht werden, wenn das ausländische Leistungssystem im Leistungsumfang dem der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung auch wirklich im wesentlichen gleicht. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn seine Leistungsbedingungen zum Nachteil des Berechtigten von den in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zur gleichen Zeit bestehenden in einem Ausmaß abweichen, das nicht als unwesentlich oder geringfügig vernachlässigt werden kann.
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger seit dem 1. Dezember 1976 Gebühren zahlen muß, wenn er sich stationär behandeln lassen will. Die Höhe der Gebühren hat es zwar nur beispielhaft für das Jahr 1978 festgestellt; aus seinen Ausführungen ergibt sich jedoch, daß seit dem 1. Dezember 1976 Gebühren in einer nicht unerheblichen Höhe zu zahlen sind. Eine solche Aufbürdung zumindest eines wesentlichen Teils der Kosten für Krankenhausaufenthalte und Operationen steht jedoch in deutlichem Gegensatz zu den Leistungsbedingungen für die stationäre Behandlung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung für die Zeit ab 1. Dezember 1976. Das LSG ist sonach zu Recht schon deswegen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zugehörigkeit des Klägers zum System der argentinischen staatlichen Gesundheitsfürsorge die Gewährung eines Beitragszuschusses jedenfalls vom 1. Dezember 1976 an nicht mehr auszuschließen vermag. Ob es hierzu zusätzlich auf eine Eigenbeteiligung des Klägers an Medikamenten mit 30 % hätte hinweisen können, kann dahingestellt bleiben.
Keine Bedenken bestehen ferner gegen die Annahme des LSG, daß die Privatversicherung des Klägers den insoweit in der Rechtsprechung gestellten Anforderungen genügt. Der Ausschluß von der Versorgung mit Medikamenten bei ambulanter Behandlung ist in diesem Zusammenhang unschädlich (vgl BSGE 35, 15, 19), zumal für die Zeit ab 1. Juli 1977 nicht unbeachtet bleiben kann, daß der Beitragszuschuß nunmehr in seiner Höhe die tatsächlichen Aufwendungen für die private Krankenversicherung nicht mehr übersteigen kann (vgl demgegenüber SozR Nr 6 zu § 381 RVO; dort wurde das Erfordernis der "Vollversicherung" ua damit gerechtfertigt, der Beitragszuschuß werde ohne Rücksicht auf die Beitragshöhe gewährt). Es besteht deshalb kein Anlaß, die Anforderungen an den Umfang der privaten Krankenversicherung zu überdehnen und sogar nach regionalen Besonderheiten abzustufen, wie das der Beklagten vorschwebt.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Fundstellen
Haufe-Index 1656664 |
BSGE, 286 |
NJW 1980, 544 |