Leitsatz (amtlich)
Ist die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich mit der Beschwerde (§ 621e Abs 1 ZPO) angefochten worden, so beginnt die "Schutzfrist" des § 1587p BGB nicht mit der Entscheidung des OLG, sondern grundsätzlich mit dem Eingang der Mitteilung des Familiengerichts über den Eintritt der Rechtskraft der OLG-Entscheidung beim Versicherungsträger (Fortentwicklung von BSG 7.9.1982 1 RA 61/81 = BSGE 54, 87 = SozR 7610 § 1587p Nr 1 und BSG 1.2.1983 4 RJ 75/81 = BSGE 54, 266 = SozR 7610 § 1587p Nr 2).
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Familiensenat des OLG über den Versorgungsausgleich entschieden und die weitere Beschwerde nicht zugelassen, dann kann durch ein gleichwohl zum BGH eingelegtes (unzulässiges) Rechtsmittel der Eintritt der Rechtskraft bis zur Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung des BGH hinausgeschoben werden (Anschluß an GmS OBG 24.10.1983 1/83 = FamRZ 1984, 975).
2. Werden durch die Entscheidung über den Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften übertragen und sind beide Ehegatten bereits Rentner, dann beginnt die Schutzfrist des § 1587p BGB mit dem Eingang der Rechtskraftmitteilung des Familiengerichts beim Versicherungsträger.
Normenkette
ZPO § 621e Abs. 1 Fassung: 1976-06-14; BGB § 1587p Fassung: 1976-06-14; RVO § 1304a Abs. 4 Fassung: 1976-06-14; ZPO § 705; FGG § 53g Fassung: 1976-06-14
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 04.02.1983; Aktenzeichen L 3 J 177/82) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.06.1982; Aktenzeichen S 6 J 270/79) |
Tatbestand
In diesem Rechtsstreit geht es darum, wann die Schutzfrist des § 1587p des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beginnt.
Die Klägerinnen sind die Rechtsnachfolger der Versicherten B. Deren Ehe mit dem Beigeladenen zu 2) wurde durch Urteil des Familiengerichts (FamG) Mönchengladbach-Rheydt vom 17. April 1978 geschieden. Die Versicherte bezog von der Beklagten seit 1973 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, und der Beigeladene zu 2) erhält von der ebenfalls beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit 1976 Altersruhegeld. Im Verbund mit der Scheidung übertrug das FamG vom Versicherungskonto des Beigeladenen zu 2) eine Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 516,70 DM auf das Rentenkonto der Versicherten. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der beigeladenen BfA änderte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluß vom 25. September 1978 das Urteil des FamG teilweise ab und erhöhte die übertragene Rentenanwartschaft auf monatlich 728,60 DM. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses ging am 6. Oktober 1978 beim Bevollmächtigten der beigeladenen BfA und bei ihr selbst in Berlin vom 16. Oktober 1978 ein. Auf ihre Anfrage vom 23. November 1978 teilte das FamG am 5. Dezember 1978 - eingegangen bei der BfA am 19. Dezember 1978 - mit, der Beschluß des OLG sei am 25. September 1978 rechtskräftig und wirksam geworden. Der Beklagten ging der Rechtskraftvermerk vom 29. Januar 1979 am 31. desselben Monats zu. Die beigeladene BfA teilte der Beklagten am 16. Januar 1979 mit, die Rente des ausgleichspflichtigen Beigeladenen zu 2) werde ab 1. Februar 1979 um die übertragenen Anwartschaften gekürzt. Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 1979 der Versicherten die erhöhte Rente ab 1. Februar 1979.
Dagegen hat die Versicherte Klage erhoben, mit der sie die erhöhte Rente auch für die Monate Dezember 1978 und Januar 1979 begehrt hat. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ist die Versicherte am 13. Februar 1981 gestorben. Die Klägerinnen haben den Rechtsstreit fortgesetzt. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen die um die übertragenen Versorgungsanwartschaften erhöhte Rente der Versicherten bereits ab 1. Dezember 1978 zu zahlen. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 15. Juni 1982).
Die Berufungen der Beklagten und der beigeladenen BfA hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 4. Februar 1983). Der Beschluß des OLG Düsseldorf sei im Zeitpunkt der Entscheidung rechtskräftig und wirksam geworden. Er sei am 16. Oktober 1978 bei der beigeladenen BfA eingegangen, so daß diese von da ab Kenntnis von dem rechtskräftigen Beschluß gehabt habe. Die Frist des § 1587p BGB sei daher mit dem 30. November 1978 abgelaufen, und vom folgenden Tage an hätte das Rentensplitting durchgeführt werden müssen. Sei dem Versicherungsträger bekannt, daß die Splittingentscheidung rechtskräftig und wirksam sei, entweder wegen eines Rechtsmittelverzichtes oder weil - wie hier - Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht gegeben seien, so wäre es bloßer Formalismus, auf den späteren Zugang der förmlichen Rechtskraftmitteilung abzustellen.
Die Beklagte und die beigeladene BfA haben dieses Urteil mit Revisionen angefochten, die vom LSG zugelassen worden sind. Sie rügen eine Verletzung des § 1587p BGB.
Die Beklagte und die beigeladene BfA beantragen, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Revisionen der Beklagten und der beigeladenen BfA sind begründet. Der Versicherten stand die im Wege des Versorgungsausgleichs erhöhte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erst ab 1. Februar 1978 zu. Zutreffend hat das LSG die Berufung als statthaft angesehen, denn die Zulassung der Sprungrevision im Urteil des SG enthält nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zugleich die Zulassung der Berufung (vgl BSG in SozR 1500 § 150 Nr 21 mwN).
Durch den Beschluß des OLG Düsseldorf vom 25. September 1978 sind aus der Versicherung des Beigeladenen zu 2), des geschiedenen Ehemannes, auf diejenige der Versicherten, der geschiedenen Ehefrau, Rentenanwartschaften gemäß § 1587p Abs 1 Satz 1 BGB übertragen worden. Die der ausgleichsberechtigten Versicherten von der Beklagten seit 1973 gezahlte Rente erhöhte sich folglich nach § 1304a Abs 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Ablauf des Monas, in dem die erwähnte Entscheidung des OLG wirksam geworden ist (vgl BSG in SozR 2200 § 1304a Nr 2). § 629d der Zivilprozeßordnung (ZPO) macht von der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs die Wirksamkeit der Entscheidung in Folgesachen abhängig, und nach § 53g des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) werden Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, erst mit der Rechtskraft wirksam.
Da der Beschluß des OLG vom 25. September 1978 am selben Tage rechtskräftig und wirksam geworden ist, stand der Versicherten die erhöhte Rente ab Oktober 1978 zu. Sie muß jedoch nach § 1587p BGB eine Leistung der beigeladenen BfA an den zum Ausgleich verpflichteten früheren Ehemann, den Beigeladenen zu 2), gegen sich gelten lassen, die die BfA "bis zum Ablauf des Monats an den verpflichteten Ehegatten bewirkt, der dem Monat folgt, in dem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist". Dieser Schutz des Rentenversicherungsträgers ist notwendig, weil ein gewisser Zeitraum benötigt wird, um die bisherige Zahlung zu ändern. Soweit § 1587p BGB es auf die Zustellung der Splittingentscheidung abstellt, handelt es sich um ein vom BSG bereits korrigiertes redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. Die Schutzfrist beginnt nicht mit der Zustellung der Entscheidung, sondern mit dem Eingang der Mitteilung des FamG über die Rechtskraft der Entscheidung beim Träger der Rentenversicherung (Urteil des 1. Senats vom 7. September 1982 in BSGE 54, 87 = SozR 7610 § 1587p Nr 1). Diese Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG (Urteil vom 1. Februar 1983 in BSGE 54, 266 = SozR aaO Nr 2) dahingehend fortgeführt, daß die Schutzfrist mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Rentenversicherungsträger von der rechtskräftigen und wirksamen Übertragung der Rentenanwartschaften Kenntnis erlangt. Dabei steht der Kenntnis von der Rechtskraft der Folgesachenentscheidung das Kennenmüssen dieses Ereignisses gleich.
Von den erwähnten Entscheidungen des BSG vom 7. September 1982 und 1. Februar 1983 (aaO) unterscheidet sich der Sachverhalt im Falle der Klägerinnen dadurch, daß hier die Entscheidung des FamG betreffend den Versorgungsausgleich mit der Beschwerde nach § 621e Abs 1 ZPO angefochten worden ist. In solchen Sachen findet eine weitere Beschwerde nach Abs 2 Sätze 1 und 2 der genannten Vorschrift nur statt, wenn das OLG sie zugelassen oder soweit es die Beschwerde als unzulässig verworfen hat. Beides ist hier zu verneinen. Deshalb ist der Beschluß vom 25. September 1978 auch bereits an jenem Tage rechtskräftig und wirksam geworden. Das LSG will daher die Schutzfrist des § 1587p BGB mit dem Zugang dieses Beschlusses beim Träger der Rentenversicherung (16. Oktober 1978) beginnen lassen. Da kein weiteres Rechtsmittel mehr statthaft ist, sieht das Berufungsgericht es als reinen Formalismus an, wenn in einem solchen Fall auf den Zugang der späteren Rechtskraftmitteilung abgestellt würde.
Der Auffassung des LSG vermochte der erkennende Senat nicht zu folgen. Nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) vom 24. Oktober 1983 (SozR 1750 § 705 Nr 1) tritt die Rechtskraft eines Urteils iS von § 705 ZPO erst mit der Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung ein, wenn ein an sich statthaftes und rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel gegen ein Urteil nach Ablauf der Rechtsmittelfrist verworfen ist. Dabei ist unter einem statthaften Rechtsmittel ein solches zu verstehen, das zwar an sich gegeben ist, dessen Zulässigkeit aber an - im konkreten Fall fehlende - besondere Voraussetzungen geknüpft ist. Zwar ist der die Rentenanwartschaft der Versicherten erhöhende Beschluß des OLG vom 25. September 1978 an jenem Tage rechtskräftig und wirksam geworden. Die Rechtskraft mußte aber nicht notwendig mit dem Zeitpunkt der Entscheidung des OLG eintreten. Wäre dessen Beschluß mit der - wenn auch mangels besonderer Voraussetzungen hier nicht zulässigen - weiteren Beschwerde angefochten worden, so hätte das ein Hinausschieben der Rechtskraft bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu Folge gehabt.
Die Ausführungen des GmS-OGB (aaO) beziehen sich allerdings auf die Rechtskraft eines Scheidungsurteils, jedoch ist insoweit hinsichtlich der Folgeentscheidung über den Versorgungsausgleich die Rechtslage nicht anders, so daß die vom GmS-OGB entwickelten Grundsätze auch hier zu gelten haben. Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Revision ist im Verfahren auf Scheidung einer Ehe, daß das OLG die Revision zugelassen (§ 546 Abs 1 ZPO) oder die Berufung als unzulässig verworfen hat (§ 547 ZPO). Dieser Regelung entspricht § 621e Abs 2 ZPO mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Revision die weitere Beschwerde tritt. Ebenso wie bei der Scheidung ist auch beim Versorgungsausgleich daher an sich ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des OLG vorgesehen, bei der Scheidung die Revision und beim Versorgungsausgleich die weitere Beschwerde. Schließlich kann über Scheidung und Folgesachen im Verbund zu entscheiden sein (§§ 623 Abs 1 Satz 1, 629 Abs 1 ZPO). Da die Rechtskraft eines Urteils in einer Scheidungssache und im Verbund erst mit der Verwerfung des an sich statthaften Rechtsmittels (Revision) eintritt, hat gleiches hinsichtlich der isolierten Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu gelten.
Somit kann nicht schon deshalb, weil die weitere Beschwerde im Beschluß des OLG nicht zugelassen worden ist, von dessen Rechtskraft zur Zeit der Beschlußfassung ausgegangen werden. Demzufolge ist auch in solchen Fällen der Rechtskraftmitteilung Bedeutung beizumessen. Die Schutzfrist des § 1587p BGB beginnt daher nach einer Entscheidung des OLG über die von einem Beteiligten eingelegte Beschwerde mit dem Eingang der Rechtskraftmitteilung des FamG beim Versicherungsträger. Dieser Eingang war hier am 19. Dezember 1978, so daß die Schutzfrist des § 1587p BGB am 31. Januar 1979 endete. Die Zahlung der erhöhten Rente im angefochtenen Bescheid ist deshalb zu Recht erst vom 1. Februar 1979 an erfolgt. Da im vorliegenden Fall die beigeladene BfA innerhalb einer angemessenen Frist ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, sich darüber zu informieren, wann die Übertragung der Rentenanwartschaft rechtskräftig geworden ist, kann auch nicht von einem früheren Kennenmüssen dieses Ereignisses zu Lasten des Versicherungsträgers im Sinne der Entscheidung des BSG vom 1. Februar 1983 aaO ausgegangen werden.
Auf die begründeten Revisionen der Beklagten und der beigeladenen BfA mußten daher die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage mußte abgewiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1663091 |
BSGE, 154 |