Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzinteresse für Anerkennung weiterer Behinderungen, sofern maximaler Wert von 100 vH erreicht. Feststellung des Grades der Behinderung sowie der Nachteilsausgleiche abhängig von der Anerkennung von Behinderungen. Entscheidungsbefugnis der Gerichte

 

Leitsatz (amtlich)

Behinderungen iS der Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes sind nur festzustellen, wenn davon der Grad der Behinderung oder die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen abhängt.

 

Orientierungssatz

1. Mit der Zuordnung des Behinderten zum Personenkreis der Erwerbsunfähigen (Grad der MdE/Behinderung um 100 vH) sind die auf den Grad der MdE/Behinderung bezogenen möglichen Vergünstigungen - etwa auf steuerlichem Gebiet: § 33b EStG - im höchstmöglichen Umfang erreicht. Die zusätzliche Anerkennung von Behinderungen würde an dem Ausmaß dieser Vergünstigungen nichts mehr ändern. Allerdings ist mit dem Erreichen des maximalen Wertes von 100 vH das Rechtsschutzinteresse des Behinderten, das auf die Anerkennung von weiteren Behinderungen gerichtet ist, nicht ausnahmslos zu verneinen. Die nach anderen Gesetzen vorgesehenen Vergünstigungen für Schwerbehinderte sind davon abhängig, daß in einem Verfahren nach dem SchwbG die dafür maßgeblichen gesundheitlichen Merkmale - Nachtragsausgleiche - festgestellt sind. Über die vom Behinderten begehrte Anerkennung weiterer Behinderungen wäre sachlich zu entscheiden gewesen, wenn der Streitgegenstand im Berufungsverfahren auch die Zuerkennung weiterer gesundheitlicher Merkmale/Nachteilsausgleiche - neben den bereits zugebilligten "RF" und "B" - umfaßt hätte. Dies setzt ein entsprechendes Klagebegehren voraus.

2. Zur Frage, ob die Gerichte befugt sind, Feststellungen nach § 3 Abs 4 SchwbG 1979 bzw § 4 Abs 4 SchwbG 1986 aufgrund einer erstmalig im Klageverfahren begehrten Zuerkennung von gesundheitlichen Merkmalen/Nachteilsausgleichen zu treffen, bevor ein Verwaltungsverfahren durchgeführt ist.

 

Normenkette

SchwbG § 3 Abs 1 Fassung: 1979-10-08, § 4 Abs 1 Fassung: 1986-08-26, § 4 Abs 4 Fassung: 1986-08-26

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 23.08.1985; Aktenzeichen L 9 Vs 92/82)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 13.01.1982; Aktenzeichen S 7 Vs 209/79)

 

Tatbestand

Der Kläger, dessen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) festgestellte Behinderungen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, nunmehr Grad der Behinderung) um 100 vH festgesetzt sind, begehrt die Feststellung weiterer Behinderungen sowie die Festlegung der jeweiligen Einzel-MdE.

Die Versorgungsverwaltung stellte bei ihm zahlreiche Behinderungen mit einer MdE um zunächst 80 vH fest. Die auf Anerkennung weiterer Behinderungen mit einer Gesamt-MdE um 100 vH gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers als weitere Behinderung "Herzleistungseinschränkung bei coronarer Herzkrankheit mit nachfolgendem Infarkt" mit einer nunmehrigen Gesamt-MdE um 100 vH ab 1. August 1979 festgestellt, im übrigen das Begehren des Klägers, weitere Behinderungen anzuerkennen und die Einzel-MdE für alle Behinderungen auszuweisen, abgelehnt. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, es fehle für die begehrten weitergehenden Feststellungen das Rechtsschutzbedürfnis. Mit der Zuerkennung der maximalen Gesamt-MdE um 100 vH erübrige es sich, über weitere etwa noch bestehende Behinderungen zu entscheiden. Im Schwerbehindertenrecht seien die Behinderungen nur im Zusammenhang mit der dadurch bedingten MdE von rechtserheblicher Bedeutung. Auch komme es auf die Feststellung der Einzel-MdE nicht an; entscheidend sei allein die Gesamt-MdE.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 4 SchwbG. Das LSG habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, über weitere bei ihm noch bestehende Behinderungen zu entscheiden sowie die Einzel-MdE für die anerkannten Behinderungen auszuweisen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das Begehren des Antragstellers im Schwerbehindertenverfahren zugleich auch auf Feststellung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gerichtet. Im sozialgerichtlichen Verfahren bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung einzelner Behinderungen und der daraus resultierenden MdE. Diese Feststellung sei für die Zuerkennung von gesundheitlichen Merkmalen zur Inanspruchnahme von Vergünstigungen von rechtserheblicher Bedeutung. Außerdem seien § 106 Abs 1, § 112 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie §§ 14, 16 Abs 3, § 17 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) verletzt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 23. August 1985 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, weitere Behinderungen anzuerkennen;

hilfsweise,

das Urteil des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht erfolgreich. Nach dem zutreffenden Urteil des LSG fehlt dem Kläger für sein Begehren, weitere Behinderungen anzuerkennen und die Einzel-MdE für jede Behinderung gesondert auszuweisen, das Rechtsschutzbedürfnis.

Die vom Kläger angestrebte Anerkennung weiterer Behinderungen läßt sich nicht auf § 3 Abs 1 SchwbG in der ehemals geltenden Fassung vom 8. Oktober 1979 (BGBl I 1649; SchwbG 1979) bzw auf § 4 Abs 1 SchwbG in der ab 1. August 1986 geltenden Fassung vom 24. Juli 1986 (BGBl I 1110) iVm der Bekanntmachung dieser Neufassung vom 26. August 1986 (BGBl I 1421; SchwbG 1986) stützen. Danach stellen auf Antrag des Behinderten die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden - Versorgungsbehörden des Beklagten - das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE: SchwbG 1979) bzw den Grad der Behinderung (SchwbG 1986) fest. Diese dem Versorgungsamt obliegende Statusfeststellung (BSGE 52, 168, 170 = SozR 3870 § 3 Nr 13), die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (§ 31 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - SGB 10), bildet die Grundlage für die Ausstellung eines Ausweises über die Eigenschaft als Schwerbehinderte, den Grad der Behinderung sowie im Falle des § 4 Abs 4 SchwbG 1986 über weitere gesundheitliche Merkmale (nunmehr Nachteilsausgleich genannt: § 48 SchwbG 1986). Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und von Vergünstigungen, die Schwerbehinderten nach diesem Gesetz oder nach anderen Vorschriften zustehen (§ 3 Abs 5 Satz 2 SchwbG 1979, § 4 Abs 5 Satz 2 SchwbG 1986 iVm der Ausweisverordnung SchwbG - SchwbAwV - vom 15. Mai 1981 - BGBl I 431 - idF der Bekanntmachung vom 3. April 1984 - BGBl I 509 -). Er ist, wie auf der Rückseite des Schwerbehindertenausweises abgedruckt (vgl § 1 Abs 1 SchwbAwV und das in der Anlage zu dieser Verordnung enthaltene Muster 1), "amtlicher Nachweis für die Eigenschaft als Schwerbehinderter, den Grad der MdE/Grad der Behinderung, die auf ihm eingetragenen weiteren gesundheitlichen Merkmale/Nachteilsausgleiche und die Zugehörigkeit zu Sondergruppen." Dieses Beweismittel dient der Verwirklichung des nach der Überschrift des SchwbG vorgegebenen Zwecks, Schwerbehinderte in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern.

Das Begehren des Klägers liegt nicht im Rahmen dieser gesetzgeberischen Zielvorstellung. Die zusätzliche Feststellung von Behinderungen (zum Begriff: Urteil des Senats vom 9. Oktober 1987 - 9a RVs 5/86 - zur Veröffentlichung bestimmt) ist nicht ohne weiteres selbständig bedeutsam für die Geltendmachung von Schwerbehindertenrechten; die Behinderungen werden nicht in den Ausweis eingetragen (§ 3 Abs 5 Satz 1 SchwbG 1979, § 4 Abs 5 Satz 1 SchwbG 1986, §§ 1-4 SchwbAwV). Sie sind nur mittelbar für den Schwerbehinderten deshalb wichtig, weil der nach außen allein maßgebende Grad der MdE/Grad der Behinderung von der Behinderung selbst abhängt (Urteil des Senats vom 8. Oktober 1987 - 9a RVs 10/87 -). Demzufolge ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift § 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG 1979/§ 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG 1986 so zu verstehen, daß die zuständige Behörde nicht allein das Bestehen einer Behinderung, sondern darauf bezogen den Grad der MdE/Behinderung festzustellen hat. Beide stehen in einem wechselseitigen Bezug. Die Bewertung nach dem Grad der Behinderung setzt das Bestehen der Behinderung selbst voraus. Wollte man von der Notwendigkeit einer Anerkennung derselben absehen, wäre etwa bei mehreren Behinderungen die Bildung des Gesamtbehindertengrades rechtlich nicht mehr überprüfbar, ebenso wären wesentliche Änderungen in den Verhältnissen im Sinne einer Besserung oder Verschlimmerung (§ 48 SGB 10), bei denen es auf den Zeitpunkt der Anerkennung ankommt, nicht mehr nachvollziehbar. Auch ließe sich das Recht des Behinderten, auf die Anerkennung einer von mehreren vorhandenen Behinderungen gegenüber der Versorgungsbehörde zu verzichten und damit die Feststellung der Behinderungen zu beschränken (vgl Urteil des Senats BSGE 60, 11, 13f = SozR 3870 § 3 Nr 21), nicht mehr verwirklichen. Letztlich wird in § 3 Abs 5 Satz 1 SchwbG 1979/§ 4 Abs 5 Satz 1 SchwbG 1986 durch die Verweisung auf die Abs 1, 2, 3 und 4 der Umfang der Feststellungen, wie er seitens der Versorgungsbehörde vorzunehmen ist, festgelegt und dies zur Grundlage der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises gemacht. Dem Datenschutz wie aber auch dem Persönlichkeitsrecht (Art 1, 2 Abs 1 Grundgesetz: Urteil des Senats in BSGE 60, 284, 286 = SozR 3870 § 3 Nr 23) Rechnung tragend, erstreckt sich der Inhalt des Schwerbehindertenausweises nicht auf das Bestehen der Behinderung; vielmehr sind lediglich deren Auswirkungen, wie sie für die Eingliederung des Schwerbehinderten in Arbeit, Beruf und Gesellschaft bedeutsam sind, festgehalten, nämlich die Eigenschaft als Schwerbehinderter, der Grad der Behinderung sowie weitere gesundheitliche Merkmale.

Mit der im Berufungsverfahren erfolgten Zuordnung des Klägers zum Personenkreis der Erwerbsunfähigen (Grad der MdE/Behinderung um 100 vH) sind die auf den Grad der MdE/Behinderung bezogenen möglichen Vergünstigungen - etwa auf steuerlichem Gebiet: § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) - im höchstmöglichen Umfang erreicht. Die zusätzliche Anerkennung von Behinderungen würde an dem Ausmaß dieser Vergünstigungen nichts mehr ändern.

Allerdings ist mit dem Erreichen des maximalen Wertes von 100 vH das Rechtsschutzinteresse des Klägers, das auf die Anerkennung von weiteren Behinderungen gerichtet ist, nicht ausnahmslos zu verneinen. Die nach anderen Gesetzen vorgesehenen Vergünstigungen für Schwerbehinderte sind davon abhängig, daß in einem Verfahren nach dem SchwbG die dafür maßgeblichen gesundheitlichen Merkmale - Nachtragsausgleiche - festgestellt sind. § 4 Abs 4 SchwbG 1986 besagt: "Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Abs 1." Die Zuerkennung solcher gesundheitlicher Merkmale setzt - wie ausgeführt - die Anerkennung von Behinderungen voraus, auf denen sie basieren (BSG SozR 3870 § 3 Nr 14). Dies macht auch die Verweisung des § 4 Abs 4 SchwbG 1986 auf Abs 1 deutlich.

Dem steht die Annahme des LSG entgegen, die Feststellung von Vergünstigungsmerkmalen erfolge "nach anderen Kriterien". Mit dieser Begründung hätte es die begehrte Feststellung weiterer Behinderungen nicht ohne weiteres ablehnen dürfen (vgl den Zulassungsbeschluß des erkennenden Senats). Dieser Verfahrensfehler führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, denn es stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).

Über die vom Kläger begehrte Anerkennung weiterer Behinderungen wäre sachlich zu entscheiden gewesen, wenn der Streitgegenstand im Berufungsverfahren auch die Zuerkennung weiterer gesundheitlicher Merkmale/Nachteilsausgleiche - neben den bereits zugebilligten "RF" und "B" - umfaßt hätte. Dies setzt ein entsprechendes Klagebegehren voraus. Zwar hat das LSG festgestellt, daß Vergünstigungsmerkmale nicht streitig seien. Nach den Umständen des Falles war nicht auszuschließen, daß der Kläger hiergegen zulässige und begründete Revisionsgründe vorbringen würde (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Aufgrund dessen war die Revision zuzulassen. Jedoch legt die Revision nicht im einzelnen dar, einen entsprechenden Antrag im Klage- bzw Berufungsverfahren gestellt zu haben. Mit der Revision wird lediglich vorgetragen - ohne dies allerdings zu erläutern -, daß weitere Behinderungen für die Zuerkennung von gesundheitlichen Merkmalen eine bedeutsame Rolle spielten. Damit hat der Kläger die Feststellungen des LSG nicht erfolgreich angegriffen; sie sind bindend (§ 163 SGG).

Im übrigen erscheint es überhaupt zweifelhaft, ob die Gerichte befugt sind, Feststellungen nach § 3 Abs 4 SchwbG 1979 bzw § 4 Abs 4 SchwbG 1986 aufgrund einer erstmalig im Klageverfahren begehrten Zuerkennung von gesundheitlichen Merkmalen/Nachteilsausgleichen zu treffen, bevor ein Verwaltungsverfahren durchgeführt ist. Denn über den fraglichen Anspruch hat, wie § 3 Abs 4 und 5 SchwbG 1979 bzw § 4 Abs 4 und 5 SchwbG 1986 vorschreiben, die Verwaltung - durch Verwaltungsakt: § 31 SGB 10 - zu entscheiden. Sie trifft die erforderlichen Feststellungen nach § 3 Abs 4 SchwbG 1979 bzw § 4 Abs 4 SchwbG 1986, die Grundlage für die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises sind. Dem gegenwärtigen Streitverfahren liegt, wie den Feststellungen des LSG zu entnehmen ist, keine Verwaltungsentscheidung zugrunde, die Streitgegenstand sein könnte. Der Kläger hat weder eine Anfechtungsklage gegen eine die Vergünstigungsmerkmale ablehnende Verwaltungsentscheidung erhoben, noch ist eine solche Klage kraft Gesetzes (§§ 97, 153 SGG) anhängig geworden.

Vorstehende Ausführungen sollen nicht besagen, daß die Gerichte grundsätzlich nicht befugt sein könnten, über das Vorliegen weiterer Behinderungen zu entscheiden. Vielmehr ist hierzu - wie ausgeführt - Voraussetzung, daß eine mit der Klage angefochtene Verwaltungsentscheidung vorliegt, hinsichtlich deren ggfs weitere Feststellungen relevant sind (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 -).

Ebenso fehlt es für die Feststellung des Einzelgrades der jeweiligen Behinderungen an einem Rechtsschutzinteresse. Bei mehreren Behinderungen sind nicht etwa mathematische Bewertungsmaßstäbe zur Bildung des Grades der MdE/Behinderung zugrundezulegen, was das Klagebegehren hätte rechtfertigen können. Vielmehr sind alle Behinderungsmomente in einer Gesamtschau unter Beachtung ihrer wechselseitigen Beziehungen einzuschätzen (BSGE 48, 82 = SozR 3870 § 3 Nr 4). Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze haben nunmehr in § 4 Abs 3 SchwbG 1986 ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden. Darin heißt es: "Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ist der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen."

Die Bezugnahme des Klägers auf das Urteil des Senats vom 25. Juni 1985 (SozR 1300 § 44 Nr 19 - fälschlich zitiert: 25. Juni 1986 in ARV 61/83 S 7 Abs 2) stützt sein Anliegen gleichfalls nicht. Nach diesem Urteil kann eine Antragstellung nach dem SchwbG als eine solche nach dem BVG gewertet werden. Weitergehende rechtliche Berührungsmomente bestehen nicht. Das Verwaltungs- wie auch das Gerichtsverfahren ist unabhängig voneinander durchzuführen. Dies gebietet die rechtsdogmatisch selbständige Stellung des Behindertenrechts (§§ 10, 20, 29, Art II § 1 Nr 3 SGB 1) gegenüber dem Recht der sozialen Entschädigung, zu dem vor allem das Kriegsopferrecht auf der Grundlage des BVG gehört (§§ 5, 24, Art II § 1 Nrn 11 und 12 SGB 1). Nach dem Schwerbehindertenrecht sind alle Personen mit dem Grad der MdE/Behinderung um wenigstens 50 vH unabhängig von den Ursachen als Schwerbehinderte anzuerkennen (§ 1 SchwbG). Demgegenüber ist das Kriegsopferrecht auf Personen beschränkt, die durch bestimmte Vorgänge geschädigt worden sind (§ 1 Abs 1 BVG>). Gleichwohl hat der Gesetzgeber in § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG 1979/§ 4 Abs 1 Satz 2 SchwbG 1986 durch die Verweisung auf § 30 Abs 1 BVG die Anwendung der im KOV-Recht vorgegebenen Bewertungsgrundsätze aus praktischen Erwägungen angeordnet. Die unterschiedliche Zielsetzung des SchwbG sowie des BVG bleibt aber unberührt (BSG SozR 3870 § 1 Nr 4). Ausnahmsweise mag die Feststellung auch der Einzel-MdE bei der Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen bedeutsam sein, etwa wenn die Körperbehinderung zu einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat und der Grad der MdE 25 vH bis unter 50 vH beträgt (§ 33 Abs 2 EStG). Das ist beim Kläger nicht der Fall.

Aufgrund dessen könnte, selbst wenn eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 106 SGG) anzunehmen wäre, das Berufungsurteil nicht darauf beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657694

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