Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Stuttgart zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er beansprucht höhere Vergütung für die von ihm in den Quartalen II und III/1994 erbrachten präventiven Leistungen (Früherkennungsuntersuchungen sowie ärztliche Betreuung während und nach der Schwangerschaft und Schutzimpfungen).
Die Vertreterversammlung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) beschloß am 27. April 1994 zur Umsetzung der zwischen ihr und den Verbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen am selben Tag getroffenen Vergütungsvereinbarungen einen neuen Honorarverteilungsmaßstab (HVM). Nach ihm war die Honorarverteilung ab dem Quartal II/1994 in der Weise vorzunehmen, daß aus dem gesamten Honorarvolumen vorweg die Sachkosten (Wegegelder und Porti) sowie das auf die hausärztliche Vergütung entfallende Honorar mit einem Punktwert von 10 Pfennig vergütet wurden. Für alle anderen Leistungen galt danach ein einheitlicher durchschnittlicher Punktwert. Dieser wurde für die präventiven Leistungen in der Weise erhöht, daß der 6 %ige Zuschlag auf den Gesamtvergütungsanteil „Prävention” dividiert durch die anerkannten Punktzahlforderungen „Prävention” den Zuschlagspunktwert ergab.
Der Kläger legte gegen die Honorarabrechnungsbescheide vom 11. Oktober 1994 und 12. Januar 1995 (Primärkassen und Ersatzkassen) Widerspruch ein und trug vor, die Honorarverteilung sichere nicht, daß die gesetzlich vorgegebene Erhöhung der Gesamtvergütungen von 6 % für präventive Leistungen allein für die Honorierung dieser Leistungen verwendet werde. Die Honorarverteilung stütze vielmehr unzulässigerweise andere Honorarbereiche. Durch Bescheid vom 24. März 1995 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Dem von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) konkretisierten gesetzlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entspreche es am ehesten, zunächst einen einheitlichen Punktwert für alle Leistungen zu bilden und danach die in § 85 Abs 3a Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festgelegte zusätzliche 6 %ige Erhöhung der Gesamtvergütungen auf die abgerechneten Präventionsleistungen aufzuschlagen. So sei sichergestellt, daß der zusätzliche Vergütungsanteil nicht zur Stützung anderer Honorarbereiche verwendet werde.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart abgewiesen (Urteil vom 21. Mai 1997). In der vertragsärztlichen Versorgung sei strikt zwischen der Berechnung der Gesamtvergütung und ihrer Verteilung zu trennen. Letztere sei hier nicht zu beanstanden. Sie entspreche den gesetzlichen Vorgaben insbesondere des § 85 Abs 4 und Abs 4a SGB V. Dies ergebe sich aus den vom BSG in seinen Urteilen vom 7. Februar 1996 (6 RKa 42/95 und 6 RKa 61/94) dargelegten Grundsätzen zur Honorarverteilung für Leistungen des ambulanten Operierens. Das BSG habe in beiden Urteilen drei verschiedene Möglichkeiten zur Erfüllung des für die Leistungen des ambulanten Operierens vergleichbaren gesetzlichen Förderungsauftrages aufgezeigt und auch die von der Beklagten hier gewählte sog „Prämienlösung” rechtlich gebilligt.
Zur Begründung seiner (Sprung-)Revision trägt der Kläger vor, entgegen der Auffassung des SG ergebe sich die Verpflichtung zur Bildung von Teilbudgets bzw von gesonderten Honorartöpfen für Präventionsleistungen aus dem Gesetzeswortlaut des § 85 Abs 3a Satz 7 SGB V, der von dem „Teil der Gesamtvergütungen” spreche und auf § 85 Abs 4a Satz 3 SGB V verweise. Auch der Schriftwechsel zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und dem Bundesministerium für Gesundheit von Oktober 1993 belege diese Annahme. Ebenso habe es das BSG in seinem Urteil vom 7. Februar 1996 (BSGE 77, 279, 284 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59) gesehen, das der KÄV, die einen gesonderten Vergütungstopf für die Leistungen des ambulanten Operierens gebildet hatte, bescheinigt habe, den so bereitgestellten Vergütungsanteil „wie vorgeschrieben” für die Honorierung dieser Leistungen verwendet zu haben. Das BSG gehe somit von einer gesetzlichen Verpflichtung zur Bildung von Teilbudgets auf der Basis des Jahres 1991 aus. Auch die Beklagte sei bis zum Quartal I/1994 so verfahren und habe ihre Verpflichtung insoweit durchaus erkannt. Die von ihr ab dem Quartal II/1994 gewählte „Prämienlösung” verletze den gesetzlichen Auftrag zur Förderung der Präventionsleistungen. Dieser sei nämlich nur bei der Bildung von Teilbudgets umsetzbar. Es treffe nicht zu, daß eine Stützung anderer Leistungsbereiche durch Vermischung des zusätzlich zu entrichtenden Vergütungsanteils für präventive Leistungen nicht erfolge. Die sog Prämienlösung führe zu einer Subventionierung anderer Leistungsbereiche zu Lasten der Prävention.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 1997 aufzuheben und die Honorarbescheide vom 11. Oktober 1994 und 12. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1995 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Honoraranspruch für die Quartale II und III/1994 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an und verweist ergänzend darauf, daß § 85 Abs 3a SGB V sich auf die Ermittlung der von den Kassen zu leistenden Gesamtvergütungen beziehe. Nach Satz 7 dieser Vorschrift sei der Teil der Gesamtvergütungen, der auf den hier streitigen Leistungsbereich entfalle, um 6 % zu erhöhen. Das setze voraus, daß für die einzelnen Leistungsbereiche zunächst Gesamtvergütungsanteile festgelegt werden müßten. Sie, die Beklagte, habe dies getan, weil sie nur so überhaupt in der Lage gewesen sei, die 6 %ige Erhöhung betragsmäßig zu berechnen und den Kassen in Rechnung zu stellen. Darüber hinaus habe sie sich auch exakt an die Vorgaben in § 85 Abs 4a Satz 3 SGB V gehalten, indem sie diesen 6 %igen zusätzlichen Vergütungsanteil ausschließlich den in Abs 3a Satz 7 aaO genannten Leistungen zugeschlagen habe. Weitere Vorgaben insbesondere der vom Kläger geforderten Art seien den gesetzlichen Regelungen nicht zu entnehmen. Dem erstinstanzlichen Urteil sei auch in vollem Umfang zuzustimmen, als es für die Verteilung der Gesamtvergütung die Bildung von Teilbudgets bzw Honorartöpfen für zulässig, aber nicht für verpflichtend erklärt habe. Die gegenläufige Entwicklung in den einzelnen Honorartöpfen, die bis zum Quartal I/1994 entstanden sei, nämlich der rapide Punktwertverfall für den Topf „ambulantes Operieren” einerseits und ein Punktwert von 13 bis 14 Pfennigen für den Bereich Prävention andererseits, sei nicht weiter hinnehmbar gewesen.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen; denn die angefochtenen Bescheide sind – soweit sie die Honorierung der vom Kläger erbrachten präventiven Leistungen, die allein angegriffen wird, betreffen – rechtmäßig. Sie beruhen auf dem HVM der Beklagten in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 27. April 1994. Dessen Regelungen über die Vergütung präventiver Leistungen stehen – entgegen der Ansicht des Klägers – mit höherrangigem Recht in Einklang.
Nach § 85 Abs 3a Satz 7 SGB V, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1993 durch Art 1 Nr 43 Buchst f Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266), ist der Teil der Gesamtvergütungen, der auf die ärztlichen Leistungen nach den §§ 25 und 26 SGB V, die ärztlichen Leistungen der Schwangerschafts- und Mutterschaftsvorsorge im Rahmen des § 196 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie die ärztlichen Leistungen im Rahmen der von den Krankenkassen satzungsgemäß übernommenen Schutzimpfungen entfällt, zusätzlich zu den in § 85 Abs 3a Satz 1 SGB V festgelegten Veränderungen in den Jahren 1993, 1994 und 1995 um jeweils 6 vH zu erhöhen. Ergänzend regelt § 85 Abs 4a Satz 3 zweiter Halbsatz SGB V idF des GSG, daß der nach Abs 3a Satz 7 aaO zusätzlich zu entrichtende Vergütungsanteil nur zur Vergütung der Leistungen nach Abs 3a Satz 7 zu verwenden ist. Die Regelungen bezweckten, die genannten Präventionsleistungen aus der strikten Anbindung des Anstiegs der Gesamtvergütungen herauszunehmen (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 12/3937, S 13, zu Art 1 Nr 41 Buchst d) und sicherzustellen, daß die zusätzlichen Vergütungsanteile für die Prävention bei der Honorarverteilung nur diesen Leistungen zugute kommen (BT-Drucks, aaO, S 13 zu Art 1 Nr 41 Buchst g).
Wie der Auftrag aus § 85 Abs 4a Satz 3 SGB V von den KÄVen erfüllt werden sollte, läßt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Der Senat hat zu dem entsprechenden Problem bei der Förderung des ambulanten Operierens (§ 85 Abs 3a Satz 6, Abs 4a Satz 3 erster Halbsatz SGB V) im einzelnen ausgeführt (Urteile vom 7. Februar 1996, BSGE 77, 279, 284 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59 ff und BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 78 ff), daß die KÄVen bei der Honorarverteilung entweder ein separates Teilbudget für die zu fördernden Leistungen bilden und diesem die Zuschläge hinzufügen konnten. Sie durften auch die Leistungen mit demselben Punktwert wie die übrigen Leistungen vergüten und zusätzlich Zuschläge aus einem gesonderten Honorartopf gewähren. Schließlich konnten sie einen besonderen Honorartopf mit festem bzw gestütztem Punktwert bilden. Für die hier streitigen Präventionsleistungen kann auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung, die derjenigen für das ambulante Operieren entspricht, nichts anderes gelten.
Ausgehend von diesen Urteilen und ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit auch auf die Frage der Honorierung der Präventionsleistungen macht der Kläger geltend, daß für diesen Leistungsbereich gerade das erstgenannte Modell des separaten Teilbudgets mit zusätzlichen Zuschlägen hätte eingeführt werden müssen. Dies läßt sich indessen weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung des Senats (aaO) entnehmen. Vielmehr sind die aufgezeigten Umsetzungswege als gleichermaßen rechtlich zulässig beurteilt worden. Die in den genannten Entscheidungen bei der Erörterung des Modells eines separaten Teilbudgets verwendete Formulierung „wie vorgeschrieben” (BSGE 77, 279, 284 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59 und BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 78) bezieht sich, wie der Kontext deutlich macht, lediglich darauf, daß der zusätzlich bereitzustellende Anteil an der Gesamtvergütung für die zu fördernden Leistungen verwendet werden muß. Ihr kann nicht entnommen werden, daß gerade das Modell eines separaten Teilbudgets gesetzlich vorgeschrieben gewesen sei.
Im Hinblick darauf kommt es auf den vom Kläger angeführten Schriftwechsel zwischen der KÄBV und dem Bundesministerium für Gesundheit, das sich in seinem Schreiben vom 21. Oktober 1993 im Sinne einer „Separationslösung” statt der „Prämienlösung” geäußert habe, ungeachtet der Frage, welche Relevanz solche Äußerungen überhaupt haben können, nicht an; denn diese Auffassung hat in den gesetzlichen Regelungen keinen Niederschlag gefunden. Im übrigen ist nicht zu erkennen, daß auf der Grundlage der von der Beklagten getroffenen Regelung die Zuschläge für die präventiven Leistungen zu einer „Subventionierung” anderer Leistungsbereiche führen. Dagegen spricht auch die tatsächliche Entwicklung. Nach den Feststellungen des SG überschritten die Punktwerte für Präventionsleistungen in den Quartalen II und III/1994 diejenigen für kurative Leistungen um 7,5 und 8 % (für den Bereich der AOK Nord-Württemberg). Im Bereich der Angestellten- und Arbeiter-Ersatzkassen lagen die Punktwerte für die präventiven Leistungen prozentual noch höher über denjenigen für kurative Leistungen. Gegenüber dem Quartal I/1994 waren sie sogar angestiegen.
Nach allem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen