Orientierungssatz

Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens (GAL § 2):

Nach dem bis zum 1961-12-31 geltenden Rechtszustand liegt eine Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens (GAL § 2) auch dann vor, wenn kleine Teile zurückbehalten werden. Unschädlich ist im allgemeinen das Zurückbehalten bis etwa 1/4 der bisherigen Betriebsgröße, es sei denn, daß der zurückbehaltene Teil selbst noch eine dauerhafte Existenzgrundlage gemäß GAL § 1 Abs 4 darstellt (vgl BSG 1962-06-20 7/3 RLw 14/61 = SozR Nr 3 zu § 2 GAL).

 

Normenkette

GAL § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27, § 2 Fassung: 1957-07-27, § 25 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1957-07-27

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.04.1962)

SG Stade (Entscheidung vom 25.05.1961)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. April 1962 und des Sozialgerichts Stade vom 25. Mai 1961 insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1958 bis zum 31. Dezember 1961 verurteilt worden ist. In diesem Umfange wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der im Juli 1882 geborene Kläger bewirtschaftete von 1913 bis 1951 ein landwirtschaftliches Unternehmen von 8,65 ha. 1951 verkleinerte er durch Abgabe des Pachtlandes den Betrieb auf 4,99 ha, zum 1. Oktober 1952 auf 3,19 ha. In der Zeit von 1956 bis 1. Oktober 1958 gab er noch weitere 2,19 ha ab und bewirtschaftete vom 1. Oktober 1958 an nur noch 1 ha. Seit 1. August 1957 erhält der Kläger eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter. Seinen Antrag auf Altersgeld lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die nach § 25 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1063 - GAL aF -) geforderte 15-jährige Unternehmertätigkeit vor der Abgabe sei nicht gegeben, weil die bewirtschaftete Fläche in den letzten der Veräußerung vorausgegangenen Jahren keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr gebildet habe. Auf die Klage hin verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld vom 1. Oktober 1958 an. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten, nachdem diese den Anspruch vom 1. Januar 1962 an anerkannt hatte, bezüglich der noch streitigen Zeit zurück. Zur Begründung führte es aus, der Betrieb des Klägers habe von 1913 bis 1952 eine Existenzgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 4 GAL aF dargestellt. Durch die Abgabe von 1,8 ha im Oktober 1952 sei eine Restfläche verblieben, die nicht mehr als dauerhafte Existenzgrundlage angesehen werden könne. Als der für die Bewilligung des Altersgeldes maßgebende Zeitpunkt der Abgabe müsse der Oktober 1952 angesehen werden, weil für die Übergangsfälle des § 25 GAL aF das Ausscheiden des Landwirts aus der Rechtsstellung des landwirtschaftlichen Unternehmens derjenige Zeitpunkt sei, der als Entäußerung nach § 2 Abs. 1 Buchst. c GAL aF gelte. Das LSG ließ die Revision zu.

Die Beklagte legte gegen das am 22. Juni 1962 zugestellte Urteil am 13. Juli 1962 Revision ein und begründete sie am 8. August 1962.

Sie wendet sich gegen ihre Verurteilung nur für die Zeit vom 1. Oktober 1958 bis zum 31. Dezember 1961 und trägt vor: Wenn das LSG eine Abgabe schon im Jahre 1952 angenommen habe, so sei dies fehlerhaft, weil unter der Geltung des GAL aF eine Zurückbehaltung von Grundstücksteilen nur dann unschädlich sei, wenn der Rest unter 25% der Gesamtfläche gelegen und keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr gebildet habe. Die Abgabe habe daher erst im Jahre 1958 stattgefunden, da vom 1. Oktober 1958 an der zurückbehaltene Teil weniger als 25 v. H. der Gesamtfläche betragen habe. Der Kläger habe deshalb keinen Anspruch auf Altersgeld, weil er in den der Entäußerung vorangegangenen 15 Jahren keine 15-jährige hauptberufliche Unternehmerzeit aufweisen könne, wie dies § 25 Abs. 1 GAL aF verlange.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG Niedersachsen vom 25. April 1962 und des SG Stade vom 25. Mai 1961 aufzuheben, soweit sie die Zeit vom 1. Oktober 1958 bis zum 31. Dezember 1961 betreffen, und in diesem Umfange die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (Bl. 38 bis 43).

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig und begründet.

Nach § 25 Abs. 1 Buchst. b GAL aF ist Voraussetzung für das Altersgeld u. a., daß der Antragssteller während der 15 Jahre, die der Übergabe oder Entäußerung des Unternehmens vorausgegangen sind, hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 bis 4 war. Da nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher nach § 163 für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden Feststellungen des LSG das Unternehmen von 1952 bis 1958 keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr dargestellt hat, würde es bei einer Abgabe erst im Jahre 1958 an der 15-jährigen Unternehmereigenschaft fehlen. Der Kläger könnte daher unter der Geltung des GAL aF nur dann Altersgeld erhalten, wenn die Abgabe bereits im Jahre 1952 vorgenommen worden wäre, weil dann die vom Gesetz geforderte 15-jährige Unternehmertätigkeit vor der Abgabe zu bejahen wäre. Eine Abgabe im Jahre 1952 muß jedoch mit Rücksicht auf die Größe des damals zurückbehaltenen Grundstücksteils verneint werden. Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Juni 1962 (SozR GAL § 2 Nr. 3) mit näherer Begründung ausgeführt hat, liegt nach dem bis zum 31. Dezember 1961 geltenden Recht eine Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens (§ 2 GAL aF) auch dann vor, wenn kleinere Teile zurückbehalten werden; unschädlich ist im allgemeinen das Zurückbehalten bis zu etwa einem Viertel der bisherigen Betriebsgröße, es sei denn, daß der zurückbehaltene Teil selbst noch eine dauerhafte Existenzgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 4 GAL aF darstellt. Den in dieser Entscheidung genannten Satz von 25% hat der Kläger erheblich überschritten, denn er hat von den bis 1951 bewirtschafteten 8,65 ha im Jahre 1952 noch 3,19 ha, mithin rd. 36% der Gesamtfläche zurückbehalten. Geht man von den bis 1952 bewirtschafteten 4,99 ha aus, so ist der zurückbehaltene Teil sogar noch größer. In beiden Fällen ist dieser Anteil zu hoch, um von einer Abgabe sprechen zu können, und zwar auch dann, wenn, wie der Kläger behauptet, der zurückbehaltene Teil der wirtschaftlich weniger wertvolle gewesen ist. Ein Anspruch auf Altersgeld für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961 ist daher nicht begründet.

Der Kläger kann sich auch nicht auf ein etwaiges Anerkenntnis der Beklagten vom 20. Dezember 1960 berufen. Abgesehen davon, daß ein solches nur wirksam wäre, wenn es mit dem Gesetz im Einklang stünde (BSG 16 S. 61), ist diese Erklärung nicht als ein unbedingtes Anerkenntnis aufzufassen. Denn es heißt in ihr ausdrücklich, der Anspruch werde anerkannt, wenn die Neufassung des GAL den Anspruch zubillige. Sie setzt also voraus, daß die gesetzliche Neufassung einen Anspruch auch für die zurückliegende Zeit zubilligt. Dies ist aber nicht der Fall.

Unter diesen Umständen hat der Kläger keinen Anspruch auf Altersgeld für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961, so daß die Urteile der Vorinstanzen, wie geschehen, abzuändern waren.

Die Kostenentscheidung ergibt aich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375253

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