Leitsatz (amtlich)

Kosten einer Lebensversicherung (Versicherungsprämien), zu deren Zahlung der Teilnehmer an einer Maßnahme der beruflichen Bildung schon vor Eintritt in die Maßnahme verpflichtet war, sind nicht iS von AFG § 45 unmittelbar durch die Teilnahme an der Maßnahme entstanden.

 

Normenkette

AFG § 45 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 18 Fassung: 1971-09-09

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Juni 1974 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für die Dauer der von ihr geförderten Bildungsmaßnahme dem Kläger die Prämien seiner Lebensversicherung zu zahlen hat, soweit sie bisher vom Arbeitgeber getragen wurden.

Der im August 1946 geborene Kläger ist gelernter Industriekaufmann (Industriekaufmannsgehilfe). Zuletzt war er vom 1. Januar 1970 bis 30. September 1972 als Programmierer bei der N-Computer AG tätig. Seit Beginn dieses Arbeitsverhältnisses (Januar 1971) unterhielt er einen Lebensversicherungsvertrag mit der A-Lebensversicherungs-AG, B. Aufgrund dieses Vertrages war er verpflichtet, monatlich 52,- DM als Beitrag zu zahlen und damit vermögenswirksam anzulegen. Die Hälfte der Versicherungsprämie wurde ihm von seinem Arbeitgeber erstattet. Der Kläger nahm aufgrund des Lebensversicherungsvertrages und der von ihm erbrachten vermögenswirksamen Leistungen die Rechte aus dem 3. Vermögensbildungsgesetz wahr.

In der Zeit vom 1. Oktober 1972 bis 31. März 1974 besuchte der Kläger einen Lehrgang "praktischer Betriebswirt" an der Akademie für Betriebswirtschaft in B. Die Beklagte förderte die Teilnahme des Klägers an dem Kursus als berufliche Fortbildung.

Sie lehnte jedoch den Antrag ab, die Versicherungsprämien des Klägers für seine Lebensversicherung zu übernehmen (Bescheid vom 17. August 1972; Widerspruchsbescheid vom 29. November 1972).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 29. November 1973 die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 28. Juni 1974 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ausgeführt:

Aus der Formulierung des § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), daß die Beklagte nur die unmittelbar entstehenden notwendigen Kosten ganz oder teilweise zu erstatten habe, sei zu entnehmen, daß der Gesetzgeber den Kostenerstattungsrahmen eng gefaßt habe. Das ergebe sich auch aus der beispielhaften Aufzählung der erstattungsfähigen Kosten, die nur solche enthielten, welche durch die Fortbildungsmaßnahme direkt anfielen. Bei dem Abschluß des Lebensversicherungsvertrages, der schon über 1 Jahr vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme bestanden habe, sei es aber für den Kläger bereits erkennbar gewesen, daß er im Falle eines Ausscheidens aus einer abhängigen Beschäftigung die dann anfallenden monatlichen Prämien selbst zu erbringen haben werde. Die gänzliche Belastung des Klägers durch den Versicherungsvertrag sei daher nicht eine unmittelbare, sondern nur mittelbare Folge der Fortbildungsmaßnahme.

Zu beachten sei auch, daß der Gesetzgeber die versicherungsrechtliche Situation der zu Fördernden in § 45 AFG ausdrücklich angesprochen habe und hierbei die Kostentragung durch die Beklagte auf die Versicherungszweige Kranken- und Unfallversicherung beschränkt habe. Alle anderen durch Bestehen einer Versicherung entstehenden Kosten seien deshalb von dem Bildungswilligen selbst zu tragen.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 45 AFG und des § 18 der Anordnung des Verwaltungsrates über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 9. September 1971 (AFuU 1971) und führt hierzu insbesondere aus: Wäre er, der Kläger, nicht nach dem AFG gefördert worden, hätte der Arbeitgeber, wie bisher, die Hälfte der Prämien der Lebensversicherung zahlen müssen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte für den Zeitraum der Förderung Arbeitgeber sei. Sie müsse sich jedoch genauso behandeln lassen wie ein normaler Arbeitgeber. Das bedeute, daß sie auch für den Verlust aufzukommen habe, der dem Geförderten unmittelbar durch die Förderungsmaßnahme entstehe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. November 1973 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 17. August 1972 und 29. November 1972 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten seiner Lebensversicherung insoweit zu zahlen, als sie vom Arbeitgeber nach dem 3. Vermögensbildungsgesetz getragen werden mußten, und zwar für die Dauer der Förderungsmaßnahme nach dem AFG.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung seiner Lebensversicherungsprämien, auch nicht insoweit, als sie von seinem Arbeitgeber getragen worden wären, wenn er nicht sein Arbeitsverhältnis gekündigt hätte, um eine von der Beklagten geförderte Fortbildungsmaßnahme zu beginnen.

Daß die Beklagte die Teilnahme des Klägers an dem Lehrgang von Oktober 1972 bis März 1974 an der Akademie für Betriebswirtschaft in B zu fördern hat, ist von der Beklagten zugunsten des Klägers bereits entschieden worden. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Das Ausmaß der von der Beklagten zu erstattenden Kosten bestimmt sich nach § 45 AFG. Gemäß dieser Bestimmung trägt die Bundesanstalt ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen.

Unmittelbar entstanden im Sinne des § 45 AFG sind sie dann, wenn sie ausschließlich durch die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme verursacht worden sind (BSG SozR 4100 § 45 Nr. 1; § 44 Nr. 1).

Zwischen der Teilnahme an der Maßnahme und der Entstehung der Kosten muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Durch die Fortbildungsmaßnahme entstanden sind die Kosten, die dem Bildungswilligen nicht angefallen wären, wenn er auf die Teilnahme an der Maßnahme verzichtet hätte. Solche Kosten sind, wie § 45 AFG hervorhebt, insbesondere die Lehrgangskosten, etwa die Lehrgangsgebühren, die Kosten für Lernmittel, beispielsweise Bücher, die der Fahrt zum Maßnahmeort und die der Arbeitskleidung. Da der Kläger zur Zahlung der Versicherungsprämien an seine Lebensversicherungsgesellschaft schon verpflichtet war, bevor er mit der Bildungsmaßnahme begann, fehlt es an dem ursächlichen Zusammenhang der Prämienverpflichtung mit der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme.

Der § 45 AFG gibt keinen Hinweis darauf, daß von der Bundesanstalt alle Kosten zu tragen sind, die dem Teilnehmer während der Maßnahme ohnehin zur Last fallen und die - wie im vorliegenden Fall - nur deshalb durch die Maßnahme "verursacht" werden, weil sie wegen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von dem Kläger allein aufzubringen sind. Lediglich für zwei besonders genannte Fälle ordnet das Gesetz einen Ersatz von Kosten durch die Beklagte an, die zwar auch ohne Maßnahme entstehen können, für die aber der Bildungswillige bei Beibehaltung oder Aufnahme einer Berufstätigkeit nicht oder nicht allein hätte aufkommen müssen. Hierbei handelt es sich nach § 45 AFG um die Kosten der Kranken- und Unfallversicherung. Aus der Aufzählung der Kosten für die Unfall- und Krankenversicherung in § 45 AFG neben den übrigen durch die Teilnahme an der Maßnahme unmittelbar sonst entstehenden Kosten wird deutlich, daß es sich insoweit um eine besondere vom Gesetzgeber gewollte Leistung der sozialen Sicherung eines Bildungswilligen für die Maßnahmedauer handeln soll. Der Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme soll während der Dauer dieser Maßnahme nicht gezwungen sein, Kosten des Schutzes vor Krankheit und Unfall allein zu tragen, die er regelmäßig vor Eintritt in die Maßnahme entweder gar nicht oder nur anteilig hat aufbringen müssen, wobei es sich jeweils nur um solche Aufwendungen handelt, die der aktuellen, nicht aber der zukünftigen sozialen Sicherung dienen. Allerdings müssen auch diese der aktuellen sozialen Sicherung dienenden Aufwendungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Maßnahme selbst stehen. Die Aufwendungen, die der zukünftigen sozialen Sicherung gelten, also insbesondere der Alterssicherung, werden in § 45 AFG ausdrücklich nicht erwähnt; sie sind im Rahmen der beruflichen Bildung von der Beklagten auch nicht zu tragen. Insoweit handelt es sich nicht um Kosten, die "unmittelbar" durch die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme verursacht werden. Im übrigen ist die Beklagte auch sonst gegenüber den Versicherten nach dem AFG nicht verpflichtet, Beiträge für die Altersvorsorge - zur Rentenversicherung - im Falle ihrer sonstigen Leistungspflicht zu zahlen, vielmehr nur solche für die Krankenversicherung (§ 155 AFG), wobei hinsichtlich der Unfallversicherung die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung gelten (§ 165 AFG). Die Beklagte tritt - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht in die Stellung des Arbeitgebers ein, sie ist vielmehr nur verpflichtet, die Teilnahme der beruflichen Bildung, die in der freien Wahl des Bildungswilligen steht, im Rahmen des AFG zu fördern. Hierbei ist bezüglich der in § 45 AFG aufgeführten Kosten darauf hinzuweisen, daß diese nicht einmal ganz übernommen zu werden brauchen. Der Einsatz von Einkünften und Vermögen des Bildungswilligen kann grundsätzlich erwartet werden (Hennig, Kühl, Heuer, Komm. z. AFG, § 45 Anm. 2).

Von dem Kläger kann daher auch erwartet werden, daß er entweder eine Aussetzung der Versicherungsprämienzahlung bei seiner Versicherung erreicht, oder aber die Prämien aus seinen Ersparnissen trägt.

Aus den §§ 10 bis 18 der AFuU 1971 läßt sich keine weitergehende Verpflichtung der Beklagten zur Tragung von Kosten herleiten, als sie durch § 45 AFG ausgedrückt ist.

Das LSG hat somit im Ergebnis zutreffend entschieden, so daß die Revision des Klägers unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649199

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