Leitsatz (amtlich)
Die Neufassung des KGG § 28, die mit Wirkung vom 1957-10-01 an auch für das Kindergeldrecht das Vorverfahren einführte, hat nicht zur Folge, daß dieses bei Klagen nachzuholen ist, die zu jenem Zeitpunkt bereits in der Sozialgerichtsbarkeit anhängig waren.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Regelung in SGG § 91 stellt nur die Fiktion auf, daß die Frist für die Erhebung der Klage gewahrt ist; sie ist nicht gleichbedeutend mit der Erhebung der Klage selbst und der Rechtshängigkeit des Streitfalles beim zuständigen Gericht.
Infolgedessen werden für diesen Fall die Erfordernisse nicht entbehrlich, die an eine ordnungsgemäße Klage allgemein zu stellen sind.
2. Aus dem Inhalt der entweder durch Schriftsatz oder zur Niederschrift eingelegten Klage muß sich vor allem der Wille des Urhebers ergeben, daß er überhaupt eine Klage erheben will, dh einen öffentlich-rechtlichen Anspruch vor dem Gericht verfolgen oder eine hoheitliche Maßnahme (Verwaltungsakt) durch ein Gericht nachprüfen lassen will; ist diese Absicht nicht zu erkennen oder läßt sich feststellen, daß der Wille des Rechtsuchenden hierauf nicht gerichtet ist, so liegt keine Klage vor.
Der Ausdruck der bloßen Unzufriedenheit oder der Kritik an einer behördlichen Maßnahme gegenüber einer Behörde kann für sich gesehen noch nicht als Klage betrachtet werden - allenfalls als Widerspruch -, solange nicht erkennbar die Überprüfung durch ein Gericht begehrt wird. Es kann sich auch nur um "Gegenvorstellungen" handeln, mit denen der von einer Verwaltungsmaßnahme Betroffene unter Darlegung seines Rechtsstandpunkts an die Behörde appelliert, eine neuerliche Prüfung der Sache in seinem Sinn vorzunehmen, ohne daß hiermit ein förmlicher Rechtsbehelf eingelegt wird.
Normenkette
SGG § 78 Fassung: 1953-09-03; KGG § 28 Fassung: 1957-07-27
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. September 1959 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I. Der Kläger, als Wirtschaftstreuhänder tätig, ist zugleich Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke; diese bewirtschaftet er nicht selbst, sondern er hat sie ohne eigene unternehmerische Funktionen in Teilen an andere Personen verpachtet.
Nach dem vom Landessozialgericht (LSG) zugrunde gelegten Sachverhalt - die einschlägigen Urkunden lagen weder den Tatsacheninstanzen noch dem Revisionsgericht vor - erhielt der Kläger von der Stadtverwaltung N am 27. September und 8. Dezember 1955 Zahlungsaufforderungen zur Landwirtschaftlichen Familienausgleichskasse (FAK) Württemberg für 1955 in Höhe von 17,50 DM sowie am 15. September 1956 für 1956 in Höhe von 15,- DM. Seine Gegenvorstellungen vom 6. August und 28. Dezember 1955 an die Stadt N wie auch seine Beschwerde vom 5. März 1956 an die Beklagte, mit der er sich gegen die Anforderung und Erhebung von Kindergeldbeiträgen wandte und einen "Freistellungsbescheid" erbat, blieben erfolglos.
Am 2. November 1956 erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage und beantragte festzustellen, daß er nicht zur Beklagten beitragspflichtig sei. Durch Urteil vom 8. Oktober 1957 wurden die Zahlungsaufforderungen vom 27. Juli 1955, 8. Dezember 1955 und 15. September 1956 aufgehoben. Das SG ging davon aus, daß der Kläger insoweit bereits durch die Gegenvorstellungen vom 6. August und 28. Dezember 1955, spätestens jedoch durch die Beschwerde vom 6. März 1956 Anfechtungsklage erhoben habe. Hinsichtlich des Feststellungsantrags wurde die Klage mangels eines weitergehenden berechtigten Interesses abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wies das LSG mit Urteil vom 9. September 1959 als unbegründet zurück. Es sah ebenfalls die Gegenvorstellungen des Klägers aus dem Jahre 1955, mindestens aber seine Beschwerde vom 6. März 1956 als Anfechtungsklage an. Sachlich war es der Auffassung, daß der Kläger wohl hinsichtlich seiner Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder ein Unternehmer bzw. Selbständiger sei, nicht aber hinsichtlich der in seinem Eigentum stehenden, von ihm nicht bewirtschafteten landwirtschaftlichen Grundstücke. Er gehöre somit nicht zu dem nach § 10 Abs. 1 des Kindergeldgesetzes (KGG) beitragspflichtigen Personenkreis, da er kein landwirtschaftlicher Selbständiger sei. Er habe überdies auch keine Beiträge zu der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft aufzubringen, sondern sei dort allenfalls nur gemäß § 1009 der Reichsversicherungsordnung (RVO) "zahlungspflichtig". Auch über § 29 KGG könnten vom Kläger nicht in sinngemäßer Anwendung der §§ 1009 und 1010 RVO Kindergeldbeiträge gefordert werden, weil diese Vorschrift eine sonst nicht statuierte Beitrags- oder Zahlungspflicht nicht selbständig begründe, sondern nur dahin zu verstehen sei, daß bei unzweifelhaft nach dem KGG bestehender Beitrags- und Zahlungspflicht die Vorschriften u. a. des Dritten Buches der RVO sinngemäß Anwendung finden. Für das Kindergeldrecht scheitere die Annahme einer Zahlungspflicht des Klägers zudem daran, daß § 1009 RVO eine spezielle, auf die Erfordernisse der landwirtschaftlichen Unfallversicherung abgestimmte Sondervorschrift darstelle, die wegen ihrer möglichen Auswirkungen eine auch nur sinngemäße Anwendung auf die Kindergeldbeiträge verbiete. Sonst könne der Fall eintreten, daß ein Pächter mehrerer Grundstücke verschiedenen Eigentümern, die nach § 1009 Abs. 1 RVO zahlungspflichtig gemacht worden seien, gemäß § 1009 Abs. 2 RVO ersatzpflichtig wäre und dann ein Mehrfaches seines eigenen Kindergeldbeitrags zu leisten habe. Die Tendenz des KGG wolle aber gerade den landwirtschaftlichen Kleinunternehmer begünstigen und stehe schon deswegen einer sinngemäßen Anwendung des § 1009 RVO entgegen.
Revision wurde zugelassen.
II. Gegen das ihr am 16. Oktober 1959 zugestellte Urteil des LSG legte die Beklagte am 3. November 1959 Revision ein und begründete diese - nach Fristverlängerung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) - am 15. Januar 1960. Sie macht unter Hinweis auf die am 1. Oktober 1957 in Kraft getretene Änderung des § 28 Abs. 2 KGG geltend, die Klage sei unzulässig, da das für Streitigkeiten des Kindergeldrechts zwingend eingeführte Vorverfahren nicht stattgefunden habe. Es handele sich dabei um eine Prozeßvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft und deren Fehlen jederzeit beachtet werden müsse. Dieser Mangel könne auch nicht geheilt werden. In sachlicher Hinsicht rügt die Beklagte, daß das LSG nicht die Anwendbarkeit der Vorschriften des § 1009 RVO für das Kindergeldrecht anerkannt habe. Die Entstehungsgeschichte des § 29 KGG erweise den Willen des Gesetzgebers, die Beitragsvorschriften der Berufsgenossenschaften auch für die bei diesen zu errichtenden Familienausgleichskassen anzuwenden. Im übrigen stelle § 1009 RVO keine so spezifische Sonderregelung dar, daß er für den Kindergeldbeitrag nicht gelten könne. Die darin enthaltene Zahlungspflicht sei aus Vereinfachungsgründen dem Eigentümer von Grundbesitz auferlegt. Wegen der Übereinstimmung des beitragspflichtigen Personenkreises in der Unfallversicherung und im Kindergeldrecht könne daher hier wie dort dieselbe Regelung Anwendung finden. Das Verfahren nach § 1009 RVO gefährde auch nicht den Schutz kleinlandwirtschaftlicher Unternehmer im KGG. Sollte der Beitrag unter die Mindesthöhe des § 11 Abs. 2 KGG sinken, könne der Unternehmer (Pächter) die Zahlung an den Eigentümer, dieser dann die Zahlung an die FAK verweigern.
Die Beklagte beantragte,
das angefochtene und das sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Beitragsbescheide vom 27. Juli 1955 und 15. September 1956 wiederherzustellen.
Der Kläger, der im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten ist (§ 166 SGG), hat zur Sache Anträge nicht gestellt und Erklärungen nicht abgegeben. Sein Begehren vom 20. Juni 1962, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben und vorläufig das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, ist durch Beschluß des erkennenden Senats vom 25. Juni 1962 abgelehnt worden, da hierfür erhebliche Gründe im Sinne des § 227 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in Verbindung mit § 202 SGG nicht vorgebracht waren.
III. Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet wurde (§§ 164, 166 SGG).
Die Revision ist auch gerechtfertigt.
Unzutreffend ist allerdings die Rüge der Beklagten, ein wesentlicher Mangel des Verfahrens sei gegeben, weil die angefochtenen Bescheide nicht in einem Vorverfahren nachgeprüft wurden. Für den Bereich des Kindergeldrechts ist der Vorverfahrenszwang erst durch die Änderung des § 28 Abs. 2 KGG eingeführt worden, die durch Art. I Nr. 7 des Kindergeldänderungsgesetzes (KGÄndG) vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1061) bewirkt wurde; das Gesetz trat am 1. Oktober 1957 in Kraft. Damit entfiel die bisherige Bestimmung, daß das Vorverfahren nach dem SGG bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in bezug auf das KGG nicht stattfindet. Aus dem KGÄndG wird aber nicht ersichtlich, daß es sich rückwirkende Geltung beilegen wollte. Daher hat die Neufassung des § 28 Abs. 2 KGG nicht zur Folge, daß das Vorverfahren (§§ 78 ff SGG) auch bei Klagen nachzuholen ist, die am 1. Oktober 1957 bereits in der Sozialgerichtsbarkeit anhängig waren. Der Kläger hatte seine Klage schon am 2. November 1956 erhoben; deswegen wird sie von den nachträglich eingeführten Vorschriften über das Vorverfahren im Kindergeldrecht nicht mehr erfaßt (vgl. BSG 5, 60, 65). War eine Prozeßhandlung beim Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts bereits abgeschlossen, so ist ihre Rechtswirksamkeit allein nach den Vorschriften des alten Verfahrensrechts zu beurteilen. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn eine Rückwirkung der neuen Vorschriften auf "Altfälle" nicht ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. hierzu auch BSG in SozR zu § 143 SGG Bl. Da 2 Nr. 3). Bei seiner bisherigen Rechtsprechung in Kindergeldsachen ist der Senat im übrigen auch stets davon ausgegangen, daß im Falle der Anfechtungsklage gegen vor dem 1. Oktober 1957 ergangene Verwaltungsakte ein besonderes Vorverfahren nicht erforderlich ist.
Ist sonach die Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht unter dem Gesichtspunkt des mangelnden Vorverfahrens in Zweifel zu ziehen, so bestehen doch Bedenken aus anderen Gründen, deren Prüfung - da es sich um eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung handelt - dem Revisionsgericht von Amts wegen obliegt, auch wenn dahinzielende Rügen nicht erhoben sind (vgl. RG 122, 100 ff; BSG 1, 227, 230; 2, 225, 226; 3, 124, 126; 4, 70, 72 und 281, 284; 6, 256, 258; 11, 63, 64).
IV. Nach dem vom LSG zugrunde gelegten Tatbestand hat der Kläger Zahlungsaufforderungen bezüglich der Kindergeldbeiträge für 1955 am 27. Juli und am 8. Dezember 1955 sowie für 1956 am 19. September 1956 jeweils von der Stadtverwaltung N erhalten. Jene Zahlungsaufforderungen wurden nicht zum Verfahren beigezogen, sondern diesbezüglich die (unstreitigen) Behauptungen der Beteiligten als richtig unterstellt. Daher ist auch nicht festgestellt, welchen Inhalt jene Schreiben im einzelnen hatten, insbesondere ob sie überhaupt - sie sind nicht von der Beklagten erteilt (S. 5 des LSG-Urteils) - Bescheide nach §§ 10 und 11 KGG darstellen und damit anfechtbare Verwaltungsakte nach § 54 SGG in Verbindung mit § 28 KGG sind. Ferner hat das LSG für den Fall, daß sie die Eigenschaft von Verwaltungsakten besitzen, nicht festgestellt, ob jene Zahlungsaufforderungen mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen waren, gegebenenfalls mit Welcher. Zwar hat der Kläger dagegen am 6. August und 28. Dezember 1955 "Gegenvorstellungen" bei der Stadt N und am 5. März 1956 eine "Beschwerde" bei der Beklagten erhoben.
Die förmliche Klage ging bei dem SG jedoch erst am 2. November 1956 ein. Nach § 28 Abs. 2 KGG waren aber schon in seiner ursprünglichen Fassung (vgl. KGG vom 13. November 1954 - BGBl I 333 -) für das Verfahren bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes die Vorschriften des SGG, abgesehen vom Vorverfahrenszwang, anzuwenden. Eine Klage vorliegender Art war daher auch nach der alten Regelung nur zulässig, wenn sie binnen eines Monats nach Zustellung oder Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben wurde (§ 87 Abs. 1 SGG). Sollten die Zahlungsaufforderungen eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung im Sinne von § 66 Abs. 1 SGG enthalten haben, so wäre die Klage vom 2. November 1956 verspätet eingelegt und damit unzulässig. Ermangeln jene Schreiben der Stadt N allerdings einer zutreffenden und vollständigen Rechtsmittelbelehrung, so würde die Klagefrist von einem Jahr seit Zustellung oder Bekanntgabe gelten (§ 66 Abs. 2 SGG). Bezüglich der Zahlungsaufforderungen vom 8. Dezember 1955 und 19. September 1956 wäre die Frist durch die Klage vom 2. November 1956 alsdann noch gewahrt. Hinsichtlich der Zahlungsaufforderung vom 27. Juli 1955 bliebe, falls die Klagefrist hiergegen versäumt ist, weiterhin zu prüfen, ob insoweit der Rechtsweg nicht durch die Zahlungsaufforderung vom 8. Dezember 1955 neu eröffnet wurde, da sie offenbar den gleichen Gegenstand betrifft. Alle diese Fragen können indessen ohne Kenntnis von Form und Inhalt jedes einzelnen Bescheides nicht beantwortet werden. Es wäre zudem vorstellbar, daß dem Kläger im Falle der Fristversäumnis Umstände zur Seite stehen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten.
Das LSG hat sich zwar der Beurteilung des SG angeschlossen, daß bereits die "Gegenvorstellungen" des Klägers aus dem Jahre 1955, mindestens aber seine "Beschwerde" vom 5. März 1956 als Klage anzusehen seien. Diese Auffassung ist aber unzutreffend. Wohl gilt § 91 SGG zufolge die Frist zur Erhebung der sozialgerichtlichen Klage auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger u. a. eingegangen ist. Diese Regelung stellt jedoch nur die Fiktion auf, daß die Frist für die Erhebung der Klage gewahrt ist; sie ist nicht gleichbedeutend mit der Erhebung der Klage selbst und der Rechtshängigkeit des Streitfalles beim zuständigen Gericht (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGb, Anm. 3 zu § 91; Dapprich, Das sozialgerichtliche Verfahren 1959 S. 102). Infolgedessen werden für diesen Fall die Erfordernisse nicht entbehrlich, die an eine ordnungsgemäße Klage allgemein zu stellen sind. Aus dem Inhalt der entweder durch Schriftsatz oder zur Niederschrift eingelegten Klage muß sich also vor allem der Wille des Urhebers ergeben, daß er überhaupt eine Klage erheben will, d. h. einen öffentlich-rechtlichen Anspruch vor dem Gericht verfolgen oder eine hoheitliche Maßnahme (Verwaltungsakt) durch ein Gericht nachprüfen lassen will. Ist diese Absicht nicht zu erkennen oder läßt sich feststellen, daß der Wille des Rechtsuchenden hierauf nicht gerichtet ist, so liegt keine Klage vor (Peters, Sautter/Wolff, aaO, Anm. 1 zu § 92 SGG). Der Ausdruck der bloßen Unzufriedenheit oder der Kritik an einer behördlichen Maßnahme gegenüber einer Behörde kann für sich gesehen noch nicht als Klage betrachtet werden - allenfalls als Widerspruch -, solange nicht erkennbar die Überprüfung durch ein Gericht begehrt wird. Die vorbezeichneten Schreiben des Klägers aus dem Jahre 1955 an die Stadt Niedernhall und seine Beschwerde vom 5. März 1956 an die Beklagte erfüllen dieses grundlegende Merkmal nicht. Im Schreiben vom 6. August 1955 an die Stadt N nimmt er zu der Zahlungsaufforderung vom 27. Juli 1955 nur in der Weise Stellung, daß er sich nicht für beitragspflichtig nach dem KGG hält. Er rügt dabei, daß er noch nicht einmal einen förmlichen Beitragsbescheid von der Beklagten erhalten habe, bittet um Zusendung eines solchen und macht ferner geltend, daß für ihn die FAK bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, nicht aber die landwirtschaftliche FAK zuständig sei. Hieraus ergibt sich keinesfalls sein Wille, dieses Schreiben als Klage aufgefaßt und eine gerichtliche Überprüfung veranlaßt zu wissen. Noch weniger erfüllt sein Schreiben vom 28. Dezember 1955 an die Stadt N die Voraussetzungen einer Klage. Das erhellt insbesondere der Umstand, daß der Kläger darin in erster Linie auf den Grundsteuerbescheid der Stadtverwaltung antwortet und bei dieser Gelegenheit lediglich seine Absicht ankündigt, die Kindergeldangelegenheit späterhin vor das SG zu bringen. Deshalb erbittet er abermals einen förmlichen Bescheid, "um die Klage beim SG erheben zu können". Beide Schreiben sind typische Beispiele sogenannter "Gegenvorstellungen", mit denen der von einer Verwaltungsmaßnahme Betroffene unter Darlegung seines Rechtsstandpunkts an die Behörde appelliert, eine neuerliche Prüfung der Sache in seinem Sinn vorzunehmen, ohne daß hiermit ein förmlicher Rechtsbehelf eingelegt wird (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts 7. Aufl. 1. Bd. S. 478). Folgerichtig haben daher zunächst auch die Vorderrichter jene Schreiben als Gegenvorstellungen bezeichnet, ohne sie allerdings dann als solche zu behandeln. Aus dem Umstand, daß der Kläger mit Schreiben vom 5. März 1956 nachfolgend eine "Beschwerde" bei der Beklagten erhoben hat, ergibt sich übrigens, daß ihm der Unterschied zwischen einer formlosen Gegenvorstellung und einem förmlichen Rechtsbehelf geläufig ist. Diese "Beschwerde" aber kann ebenfalls nicht als sozialgerichtliche Klage aufgefaßt werden. Darin verneint der Kläger wiederum seine Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen FAK und bittet abschließend um "Freistellungsbescheid". Der hieraus zu entnehmende Wille ist also abermals eindeutig auf ein neues Tätigwerden der Verwaltung derart gerichtet, daß sie ihn von den vorausgehenden Zahlungsaufforderungen durch förmlichen Bescheid befreie. An keiner Stelle wird ersichtlich, daß der Kläger hiermit eine Überprüfung seiner Angelegenheit durch ein Gericht herbeiführen will. Das gerade aber wäre - wie dargelegt - notwendig, um die Grundelemente einer Klage erkennen zu lassen. Weder die Stadt N noch die Beklagte selbst sahen sich denn auch veranlaßt, die Schreiben vom 27. Juli und 8. Dezember 1955 oder die Beschwerde vom 19. September 1956 als Klage aufzufassen und sie etwa unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben (§ 91 Abs. 2 SGG). Schließlich muß beachtet werden, daß der Kläger dann am 2. November 1956 selbst regelrecht Klage beim SG Stuttgart eingelegt hat (vgl. Bl. 1 der SG-Akte). Er gebraucht jetzt ausdrücklich das Wort "Klage" und stellt einen förmlichen Antrag. Dieses Verhalten wäre unverständlich, wenn er zuvor bereits mit den genannten Angaben bewußt und gewollt Klage erhoben hätte.
V. Aus alledem erweist sich, daß die anhängige Klage nicht bereits mit den Schreiben aus dem Jahre 1955 oder der Beschwerde vom 5. März 1956, sondern erst durch den am 2. November 1956 beim SG eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom gleichen Tage eingelegt worden ist. Mithin bleibt zu prüfen, ob und inwieweit diese Klage im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zu den angefochtenen Zahlungsaufforderungen, soweit sie Verwaltungsakte darstellen, noch zulässig ist. Die für die Beurteilung dieser Frage erforderlichen Tatsachen hat das LSG nicht ausreichend festgestellt. Sie sind für den erkennenden Senat auch nicht aus dem Akteninhalt sonst zu entnehmen. Das Revisionsgericht ist nicht ermächtigt, fehlende Feststellungen von sich aus zu treffen, insbesondere die Vorgänge, die sich zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie deren Beauftragten vor der Klageerhebung abspielten, im einzelnen aufzuklären. Die sachliche Verbescheidung einer möglicherweise ganz Oder teilweise unzulässigen Klage durch die Vorderrichter stellt aber einen Verfahrensmangel dar, der bis in die Revisionsinstanz fortwirkt. Da das angefochtene Urteil somit keine geeignete Grundlage für eine eigene Sachentscheidung des Senats bietet, mußte es aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG; vgl. auch Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 8. Aufl. S. 714; Haueisen in NJW 1961, 2329, 2331 ff mit weiteren Nachweisen; BSG 1, 277 ff; 7, 3 ff). Prozeßrechtlich war dies geboten, wenngleich materiell-rechtlich die Auffassung der Vorderrichter, daß die wegen der besonderen Gefahren- und Risikolage in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung geschaffenen Vorschriften über die Zahlungspflicht der zur Grundsteuer Veranlagten (§§ 1009 ff RVO) sich nicht sinngemäß (§ 29 KGG) auf die Beitragspflicht im Kindergeldrecht (§§ 10 ff KGG) anwenden lassen, im Ergebnis frei von Rechtsirrtum erscheint.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen