Entscheidungsstichwort (Thema)
KVdR. Versicherungspflicht. Vorversicherungszeit. Entwicklungshelfer. Entwicklungsdienst. private Krankenversicherung. Gleichstellung. Pflichtversicherung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zeiten einer privaten Krankenversicherung während des Entwicklungsdienstes stehen für den Zugang zur KVdR den Zeiten einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleich.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 11 Hs. 1 Fassung: 1992-12-21; EhfG § 7 Abs. 1, §§ 11, 13 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. September 1997 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der 1934 geborene Kläger nahm erstmalig im März 1959 eine Erwerbstätigkeit auf. Er war in der Zeit von Februar 1977 bis Juli 1985 fast lückenlos versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Von August 1985 bis Januar 1992 arbeitete er als Entwicklungshelfer in Nicaragua und wurde von dem Träger des Entwicklungsdienstes im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages privat krankenversichert. Vom 1. Februar 1992 bis zum 8. Mai 1995 war er Pflichtmitglied bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Anschließend blieb er vorsorglich freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, und zwar bei der beigeladenen AOK (Beigeladene zu 2). Die beigeladene Landesversicherungsanstalt (Beigeladene zu 1) bewilligte dem Kläger aufgrund seines Rentenantrags von Januar 1995 ab 1. Februar 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab 9. Mai 1995 einen Zuschuß zu den Krankenversicherungsbeiträgen.
Die Beklagte lehnte eine Versicherung des Klägers in der KVdR mit Bescheid vom 2. März 1995 und Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1995 ab, weil die Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Die Zeit des Entwicklungsdienstes könne nicht angerechnet werden, weil keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. September 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 4. September 1997). Er habe die zweite Hälfte des Erwerbslebens nicht zu neun Zehnteln mit Zeiten der Pflichtmitgliedschaft iS des § 5 Abs 1 Nr 11 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) belegt, weil die Zeit des Entwicklungsdienstes nicht zu berücksichtigen sei. Die während dieser Zeit bestehende private Krankenversicherung sei der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleichzustellen. Eine Gesetzeslücke, die von den Gerichten ausgefüllt werden könne, liege nicht vor. Dies bestätigten die vom SG eingeholten Stellungnahmen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundesministeriums für Gesundheit. Der Ausschluß des Klägers von der Mitgliedschaft in der KVdR sei nicht verfassungswidrig.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des Schutzgedankens des Entwicklungshelfer-Gesetzes (EhfG). Sollte der Gesetzgeber bewußt die notwendigen Regelungen zur Gleichstellung der Entwicklungshelfer mit versicherungspflichtigen Arbeitnehmern beim Zugang zur KVdR nicht getroffen haben, sei auch eine Verletzung des Art 3 des Grundgesetzes (GG) zu prüfen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 4. September 1997, das Urteil des SG vom 3. September 1996 und den Bescheid der Beklagten vom 2. März 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1995 aufzuheben sowie festzustellen, daß er seit dem 9. Mai 1995 Mitglied in der KVdR ist.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie begründen dies mit der Entwicklung der Vorschriften über den Versicherungsschutz der Entwicklungshelfer sowie der Rechtsprechung des Senats, nach der die Verschärfung des Zugangs zur KVdR ab 1. Januar 1993 durch das Erfordernis von Pflichtmitgliedschaftszeiten grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Das müsse erst recht für den Kläger gelten, der in der Zeit seines Entwicklungsdienstes nicht einmal freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war.
Die Beigeladene zu 2) hat sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
1. Nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des Art 1 Nr 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) sind Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung gelten auch Zeiten, in denen wegen des Bezuges von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus (§ 38 Nr 2 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫) eine freiwillige Versicherung bestanden hat. Durch Art 1 Nr 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB V vom 10. Mai 1995 (BGBl I 678) wurde § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V rückwirkend zum 1. Januar 1993 ergänzt: In Halbsatz 2 wurde die Gleichstellung von Zeiten der freiwilligen Versicherung mit Zeiten der Pflichtversicherung auf Bezieher von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse ausgedehnt. Die Regelungen finden uneingeschränkt Anwendung auf Rentner, die wie der Kläger die Rente nach dem 31. Dezember 1993 beantragt haben. Für Rentenantragstellungen ab 1994 gilt die Übergangsregelung des Art 56 Abs 1 iVm Abs 3 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) idF des GSG nicht mehr.
Der Kläger ist durch die Ablehnung seiner Mitgliedschaft in der KVdR beschwert. Als freiwillig versicherter Rentner hat er gegenüber einem versicherungspflichtigen Rentner beitragsrechtliche Nachteile zu tragen (vgl BSGE 78, 297, 307, 308 = SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 111, 112).
Der Kläger ist nach dem Ende der bisherigen Pflichtversicherung am 9. Mai 1995 nicht als Rentenbezieher nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V Mitglied der KVdR geworden. Er war in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist nicht zu neun Zehnteln in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied. Die in § 5 Abs 1 Nr 11 Halbs 1 SGB V maßgebende Rahmenfrist reichte bei ihm von der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit im März 1959 bis zur Stellung des Rentenantrags im Januar 1995. Die zweite Hälfte dieses Zeitraums begann im Februar 1977. Von da an war der Kläger nur bis Juli 1985 und ab Februar 1992 aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied. Während des Entwicklungsdienstes von August 1985 bis Januar 1992 bestand zwar eine Krankenversicherung, die aufgrund einer gesetzlichen Pflicht begründet worden war, jedoch als Privatversicherung. § 7 Abs 1 EhfG verpflichtet den Träger des Entwicklungsdienstes, für dessen Dauer einen Gruppenversicherungsvertrag zu schließen und aufrechtzuerhalten, der dem Entwicklungshelfer sowie dessen unterhaltsberechtigtem Ehegatten und unterhaltsberechtigten Kindern Versicherungsschutz mit bestimmten Mindestleistungen gewährt. Der aufgrund gesetzlicher Verpflichtung eingegangene private Krankenversicherungsvertrag reicht als Vorversicherung für die KVdR nicht aus. Erforderlich sind vielmehr Zeiten einer Pflichtmitgliedschaft (als Versicherung kraft Gesetzes) in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Neun-Zehntel-Belegung mit einer Pflichtmitgliedschaft erfüllt der Kläger infolge der Lücke von sechs Jahren und sechs Monaten nicht; er hätte sie nur bei Anrechnung dieser Zeit aufzuweisen.
2. Eine Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V dahin, daß für die Neun-Zehntel-Belegung auch Zeiten einer privaten Krankenversicherung genügen, ist ausgeschlossen. Die Wiedereinführung einer Vorversicherungszeit als Voraussetzung für den Zugang zur KVdR zunächst in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) mit Wirkung vom 1. Juli 1977 wurde bereits damit begründet, daß nur solche Rentner in der KVdR versichert werden könnten, die auch während ihres Erwerbslebens am Solidarausgleich der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend beteiligt gewesen sind (vgl hierzu BSGE 78, 297, 300 = SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 104 mwN). Dem gleichen Zweck diente die erneute Änderung der Zugangsvoraussetzungen durch das GRG zum 1. Januar 1989 von der Halbbelegung des Erwerbslebens (§ 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO) in die Neun-Zehntel-Belegung der zweiten Hälfte des Erwerbslebens (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des Art 1 GRG; vgl zur Begründung BT-Drucks 11/2237 S 159 zu § 5 Abs 1 und 2 am Ende). Die nochmalige Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen durch das GSG zum 1. Januar 1993 (Neun-Zehntel-Belegung der zweiten Hälfte des Erwerbslebens mit einer Pflichtversicherung) soll darüber hinaus die Kontinuität der versicherungsrechtlichen Verhältnisse während der Erwerbstätigkeit im Rentenalter sicherstellen, um mit den Leistungsaufwendungen für Rentner diejenige Solidargemeinschaft der (freiwillig oder pflichtversicherten) Mitglieder zu belasten, der sie im Erwerbsleben angehört haben (vgl zur Begründung BT-Drucks 12/3608 S 75 zu § 5 Abs 1 Nr 11 und S 115 zu § 240 Buchst b). Die Voraussetzung einer Pflichtversicherung schließt das Erfordernis der Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung, dh einer Vorversicherungszeit überhaupt, ein. Hiermit wäre es unvereinbar, Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Rentner der Solidargemeinschaft nicht angehört hat. Dem Ziel des Gesetzes, die KVdR nur den bisher schon solidarisch Versicherten zu öffnen, entspricht es, daß nach § 5 Abs 1 Nr 11 Halbs 2 SGB V die Zeiten des Bezuges von Anpassungsgeld und von Überbrückungsgeld nur dann als Zeiten der Pflichtversicherung gelten, wenn während des Leistungsbezuges jedenfalls eine freiwillige Versicherung bestanden hat. Ein Krankenversicherungsschutz außerhalb der Solidargemeinschaft genügt nicht.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar § 200 Abs 1 Satz 1 RVO, wonach der Anspruch auf Mutterschaftsgeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung das Vorliegen eines inländischen Arbeitsverhältnisses verlangt, erweiternd dahin ausgelegt, daß auch Zeiten eines (beendeten) Entwicklungsdienstes als anspruchswahrend zu berücksichtigen sind (BSGE 69, 66, 70 = SozR 3-2200 § 200 Nr 2 S 9). Die Auslegung beruht jedoch auf dem Sinn der Regelung des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO, eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Mutterschaftsleistungen auszuschließen. Der Gefahr des Mißbrauchs kann durch Berücksichtigung von Zeiten des Entwicklungsdienstes nach ihrem sozialpolitischen Zweck in gleicher Weise wie durch die Berücksichtigung eines Arbeitsverhältnisses begegnet werden (vgl BSGE 69, 66, 70 = SozR 3-2200 § 200 Nr 2 S 9). Sinn und Zweck der in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V geforderten Vorversicherungszeit erlaubt es dagegen nicht, Zeiten einer privaten Krankenversicherung einzubeziehen.
3. Die Regelung über die Vorversicherungszeit in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V ist nicht hinsichtlich des Entwicklungsdienstes lückenhaft und kann daher nicht um eine Anrechnung dieser Zeit ergänzt werden. Dieses gilt auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des EhfG. Dieses Gesetz geht allerdings davon aus, daß die Besonderheiten des Entwicklungsdienstes gesetzliche Regelungen zur sozialen Sicherung der Entwicklungshelfer erfordern. Denn Entwicklungshelfer stehen während des Entwicklungsdienstes nicht in einem entgeltlichen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis zu einem inländischen Arbeitgeber. Entwicklungshelfer iS dieses Gesetzes ist nur, wer Entwicklungsdienst leistet und eine vertragliche Bindung zu einer anerkannten Organisation eingegangen ist, jedoch keine erwerbsbestimmte Vergütung erhält (§ 1 Abs 1 EhfG vom 18. Juni 1969 ≪BGBl I 549≫, geändert durch Art 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des EhfG vom 24. April 1986 ≪BGBl I 599≫ und § 1 Abs 2 EhfG). Das Gesetz trifft daher für Entwicklungshelfer Regelungen zur Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung mit dem Ziel, die soziale Sicherung im Ergebnis so zu gestalten, wie sie bei Tätigkeiten im Inland besteht, und darüber hinaus den besonderen Risiken Rechnung zu tragen, die ein Dienst in Entwicklungsländern mit sich bringt (vgl zur Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks V/2696 S 8).
a) In der Krankenversicherung sind Entwicklungshelfer während des Entwicklungsdienstes im Ausland nicht hinreichend geschützt. Selbst bei einer freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ruhen ihre Leistungsansprüche (vgl früher § 313 Abs 5 Satz 1 RVO, jetzt § 16 Abs 1 Nr 3 SGB V). Daher hat sich der Gesetzgeber für die Absicherung in der Privatversicherung entschieden und in § 7 Abs 1 EhfG weitere Anforderungen an den Gruppenversicherungsvertrag geregelt. Dieser muß dem Entwicklungshelfer das Recht einräumen, die Versicherung innerhalb eines Monats nach dem Ausscheiden aus dem Vertrag oder nach dessen Beendigung als Einzelversicherung nach den geltenden Krankheitskostentarifen fortzusetzen. Krankheiten, die sich der Entwicklungshelfer oder ein Familienangehöriger während der Dauer seiner Versicherung im Gruppenversicherungsvertrag zugezogen hat, sind dabei ohne Risikozuschlag in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Außerdem schreibt § 8 EhfG idF des Art 1 Nr 6 des Gesetzes zur Änderung des EhfG vom 29. Juni 1976 (BGBl I 1701) die Weitergewährung der Unterhaltsleistungen durch den Träger bis zu sechs Wochen bei nicht vorsätzlich herbeigeführter Verhinderung an der Dienstleistung und während der Mutterschutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz vor. Bei Arbeitsunfähigkeit ist anschließend ein Tagegeld für längstens 78 Wochen wegen derselben Krankheit aus Bundesmitteln zu zahlen (§ 9 EhfG, geändert durch Art 1 Nr 7 Gesetz vom 29. Juni 1976, aaO, und durch Art 75 Nr 1 des Rentenreformgesetzes ≪RRG≫ 1992 vom 18. Dezember 1992 ≪BGBl I 2261≫). Ferner regelt § 10 EhfG (geändert durch Art 1 Nr 8 Gesetz vom 29. Juni 1976, aaO, und durch Art 75 Nr 2 RRG 1992 vom 18. Dezember 1992, aaO) Leistungsansprüche gegen den Bund bei Gesundheitsstörungen oder Tod infolge typischer Risiken des Entwicklungslandes.
b) Hinsichtlich der Rentenversicherung verpflichtet § 11 EhfG den Träger des Entwicklungsdienstes, bei dessen Beginn den Antrag auf Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 RVO, § 2 Abs 1 Nr 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes ≪AVG≫, seit 1. Januar 1992 § 4 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) zu stellen oder Beitragszuschüsse in Höhe der Beiträge zur Pflichtversicherung entweder zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder zu einer von der Versicherungspflicht befreienden Versicherung zu gewähren, wenn nicht eine Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist.
c) Für den Fall der Arbeitslosigkeit nach Ende des Entwicklungsdienstes stellte § 13 Abs 1 EhfG idF des Art 2 Nr 1 des Gesetzes vom 27. Juni 1987 (BGBl I 1542) mit Wirkung vom 1. Juli 1987 an die Zeiten des Entwicklungsdienstes für Ansprüche nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung. An dieser Regelung hat sich im Ergebnis nach Ablösung des AFG durch das Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) zum 1. Januar 1998 nichts geändert: Nach § 13 Abs 1 EhfG idF des Art 48 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594) stehen nunmehr für Ansprüche nach dem SGB III Zeiten des Entwicklungsdienstes den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses nach dem Recht der Arbeitsförderung gleich.
d) Diese Regelungen zur sozialen Sicherung der Entwicklungshelfer knüpfen zwar teilweise an die sozialrechtlichen Vorschriften für Versicherungstatbestände im Inland an. Das gilt insbesondere für die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung, durch die Risiken abgedeckt werden, die entweder regelmäßig zur Beendigung des Entwicklungsdienstes führen (Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Tod des Entwicklungshelfers) oder nach dessen Beendigung eintreten (Alter, Tod des Entwicklungshelfers; Arbeitslosigkeit) und Leistungsansprüche begründen, die im wesentlichen im Inland zu erfüllen sind. Für die Krankenversicherung, die für Versicherungsfälle während des Entwicklungsdienstes im Ausland einstehen muß, hat das Gesetz dagegen keine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgeschrieben. Der Gesetzgeber wollte damit der Tatsache Rechnung tragen, daß „die gesetzliche Krankenversicherung wegen der für sie geltenden Strukturprinzipien, insbesondere des Territorialitätsprinzips, diese Aufgabe allenfalls teilweise übernehmen könnte, zB für in Deutschland bleibende Familienangehörige” (BT-Drucks V/2696 S 11 zu § 7). Für die Krankenversicherung gibt es auch keine Regelung, die nach Beendigung des Entwicklungsdienstes wie § 13 Abs 1 EhfG für den Fall der Arbeitslosigkeit die Zeit dieses Dienstes einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichstellt. Eine solche Gleichstellung entspricht erkennbar nicht der Absicht des Gesetzgebers. Er hat für den Personenkreis der Entwicklungshelfer ein „pluralistisches System der sozialen Sicherung” entwickelt (Hax, BArbBl 1967 S 436). Entwicklungshelfer werden in die deutsche Sozialversicherung nur soweit einbezogen, wie dies mit deren Strukturprinzipien vereinbar ist (vgl Echterhölter, BArbBl 1968, S 125, 126; ders, KrV 1976 S 147, 149). Eine Korrektur der Rechtsfolgen dieser Entscheidung im Hinblick auf einen späteren Krankenversicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung ist dem EhfG nicht zu entnehmen. Vielmehr stellt dieses Gesetz für den Fall, daß nach Beendigung des Entwicklungsdienstes kein Versicherungspflichttatbestand, früher insbesondere nach § 165 Abs 1 Nrn 1, 2, 3 RVO und § 155 Abs 1 AFG (jetzt § 5 Abs 1 SGB V) und keine Berechtigung zur freiwilligen Versicherung, früher nach §§ 176 ff RVO (jetzt § 9 Abs 1 Nr 5 SGB V) oder in Fortführung einer freiwilligen Weiterversicherung nach § 313 RVO (jetzt § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V) besteht, nur sicher, daß die private Krankenversicherung fortgesetzt werden kann.
Dementsprechend enthält auch § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V keine unbewußte Regelungslücke, wenn er eine Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung verlangt. Zwar war bei Inkrafttreten des EhfG im Jahre 1969 die Versicherungspflicht in der KVdR nicht von einer Vorversicherungszeit abhängig (vgl BSGE 78, 297, 299 = BSGE SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 103), so daß eine Gleichstellungsregelung nicht erforderlich war. Vielmehr waren alle Rentner nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) versicherungspflichtig. Das EhfG ist jedoch auch nach Wiedereinführung einer Vorversicherungszeit für den Zugang zur KVdR ab 1. Juli 1977 mehrfach, insbesondere in den Vorschriften zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung, geändert sowie mit den Entwicklungen auf diesen Rechtsgebieten in Einklang gebracht worden. Eine besondere Regelung für Entwicklungshelfer hat der Gesetzgeber bei den wiederholten Änderungen der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR nicht getroffen. Wenn eine „nachgehende Gleichstellung” beim Zugang zur KVdR gewollt gewesen wäre, hätte sie spätestens zum 1. Januar 1989 (Inkrafttreten des GRG) nahegelegen. Zu diesem Zeitpunkt wurde aus dem früheren Recht (§ 313 Abs 5 RVO) zwar das Ruhen von Leistungen während des Entwicklungsdienstes, nicht aber die entsprechende Beitragsermäßigung ins neue Recht übernommen (vgl § 16 Abs 1 Nr 3, § 243 SGB V). Damit war für Entwicklungshelfer ohne Familienangehörige eine Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr wirtschaftlich. Neuerdings ist zwar durch Art 3 Nr 2 Buchst b, Nr 3, Art 6 Abs 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Medizinproduktegesetzes vom 6. August 1998 (BGBl I 2005) nach Maßgabe des § 240 Abs 4a und des § 243 Abs 2 Satz 1 SGB V nF den gesetzlichen Krankenkassen für die Zukunft wieder eine Beitragsermäßigung in einer freiwilligen Weiterversicherung während des Entwicklungsdienstes gestattet worden. Damit soll eine „Art beitragsrechtliche Anwartschaftsversicherung” eingeführt werden (so die Begründung in BT-Drucks 13/11021 S 11). Sie gewährleistet das Recht zur Fortsetzung der freiwilligen Versicherung als „Voll”-Versicherung nach Rückkehr aus dem Ausland. Daß eine solche (frühere) Anwartschaftsversicherung oder sogar eine frühere private Versicherung beim Zugang zur KVdR auf die Vorversicherungszeit angerechnet wird, ist jedoch auch bei dieser Gelegenheit nicht geregelt worden.
Das „bewußte Schweigen” des Gesetzgebers wird durch die Auskünfte bestätigt, die das SG im vorliegenden Verfahren vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Bundesministerium für Gesundheit 1995/1996 eingeholt und auf die sich das LSG in dem angefochtenen Urteil gestützt hat. Danach ist sich der Gesetzgeber seit langem bewußt, daß der Zugang zur KVdR für Entwicklungshelfer gefährdet ist. Eine Regelung über die Gleichstellung des Entwicklungsdienstes mit Zeiten der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung scheitert jedoch nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit daran, daß der Zugang zur Versicherungspflicht als Rentner nur dann vertretbar ist, wenn die Betreffenden selbst für einen angemessenen Zeitraum einen Beitrag zur Finanzierung der Solidarlasten für die älteren Versicherten getragen haben. Auf die Erfüllung der Vorversicherungszeit für die KVdR könne daher auch bei ehemaligen Entwicklungshelfern nicht verzichtet werden.
4. § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, weil Zeiten des Entwicklungsdienstes unberücksichtigt bleiben.
a) Während des Entwicklungsdienstes waren Entwicklungshelfer nicht aus Gleichbehandlungsgründen den im Inland krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern gleichzustellen. Für die unterschiedliche Absicherung des Krankheitsrisikos bestehen sachliche Gründe. Die Leistungsgewährung im Ausland widerspricht den Leistungsgrundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere dem Sachleistungsprinzip. Leistungsort ist grundsätzlich das Inland (vgl zum Recht der RVO Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Anm 7 zu § 182; jetzt § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V). Zwar kann versicherungspflichtigen Arbeitnehmern bei Entsendung ins Ausland unter den Voraussetzungen der Ausstrahlung (§ 4 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ≪SGB IV≫) oder nach über- oder zwischenstaatlichem Recht Versicherungsschutz im Ausland zu gewähren sein. Die Voraussetzungen, die eine Leistungsgewährung im Ausland in diesen Fällen zulassen, liegen bei Entwicklungshelfern jedoch regelmäßig nicht vor. So hat bei Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV der (inländische) Arbeitgeber den im Ausland eingesetzten Arbeitnehmern die Leistungen zu gewähren (vgl früher § 221 RVO, jetzt § 17 SGB V). Einen inländischen Arbeitgeber gibt es für Entwicklungshelfer während des Entwicklungsdienstes jedoch nicht (vgl BSGE 69, 66, 68 ff = SozR 3-2200 § 200 Nr 2 S 7 ff). Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit Entwicklungsländern regelmäßig ein Abkommen über Soziale Sicherheit besteht, das der deutschen Krankenkasse die Leistungserbringung im anderen Staat aufgrund über- oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen ermöglichen könnte.
b) Bei der demnach gerechtfertigten Zuordnung der Entwicklungshelfer zur privaten Krankenversicherung während des Entwicklungsdienstes konnte es der Gesetzgeber für den Zugang zur KVdR belassen. Er war verfassungsrechtlich nicht gehalten, hierbei Zeiten des privat versicherten Entwicklungsdienstes im Wege einer „nachgehenden Gleichbehandlung” den Zeiten einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzustellen. Ein solches Gebot ergibt sich auch nicht daraus, daß in anderen Versicherungszweigen eine weitgehende Eingliederung des Entwicklungsdienstes in die Sozialversicherung erfolgt ist. In der Rentenversicherung wird die Gleichstellung dieser Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten durch eine Antragspflichtversicherung mit Beitragsleistung erreicht. Die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten wird nicht etwa durch die beitragsfreie Berücksichtigung von Zeiten des Entwicklungsdienstes als rentenrechtlicher Zeiten belastet. Zur Arbeitslosenversicherung sind allerdings während des Entwicklungsdienstes Beiträge nicht entrichtet worden. Die in § 13 Abs 1 EhfG vorgeschriebene beitragsfreie Gleichstellung des Entwicklungsdienstes mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw einem Versicherungspflichtverhältnis führt jedoch nur zu einer zeitlich begrenzten Begünstigung: Sie gilt nur dann, wenn der Entwicklungsdienst in die für die Anwartschaftszeit auf Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit oder die Vorbeschäftigungszeiten für sonstige Leistungen der Arbeitsförderung maßgebende, in der Regel dreijährige Rahmenfrist fällt. Schließlich sind die Mehraufwendungen, die der Bundesanstalt für Arbeit (BA) durch die Berücksichtigung von Zeiten des Entwicklungsdienstes bei der Leistungsgewährung entstehen, nicht aus den Beiträgen für die in der Arbeitslosenversicherung Versicherten aufzubringen, sondern der BA vom Bund zu erstatten (§ 13 Abs 3 EhfG). Die Kosten gehen also, wie in der Rentenversicherung, nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft. Ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber in der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls möglichst alle nachteiligen Auswirkungen eines früheren Entwicklungsdienstes vermeidet, unterliegt seiner Gestaltungsfreiheit. Die Berücksichtigung von Zeiten des Entwicklungsdienstes als Vorversicherungszeit beim Zugang zur KVdR würde, wenn die Neun-Zehntel-Belegung nur dadurch erreicht wird, zu einer zeitlich nicht eingrenzbaren, allein durch die Dauer des Rentenbezuges bestimmten Begünstigung führen. Sie ginge mangels Beitragsleistung während der Zeit des Entwicklungsdienstes und ohne einen Ausgleich durch den Bund zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten.
c) Immerhin sind frühere Entwicklungshelfer auch bei Verfehlen der KVdR krankenversicherungsrechtlich abgesichert und beitragsmäßig entlastet. Hat sich der Entwicklungshelfer schon während des Entwicklungsdienstes freiwillig weiterversichert, besteht diese Versicherung, soweit sie nicht von einer Pflichtversicherung verdrängt oder gekündigt worden ist, auch während des Rentenbezuges fort. Tritt nach Beendigung des Entwicklungsdienstes wie beim Kläger Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ein, kann die Versicherung in der Regel während des Rentenbezuges freiwillig fortgesetzt werden (früher § 313 Abs 1 Satz 1 RVO, jetzt § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V). Besteht nach Ende des Entwicklungsdienstes keine Versicherungspflicht und auch keine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, kann die private Krankenversicherung unter den besonderen Bedingungen des § 7 Abs 1 Satz 2 und 3 EhfG fortgesetzt und im Rentenalter aufrechterhalten werden. Während des Rentenbezuges besteht sowohl bei freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch bei privater Krankenversicherung Anspruch auf Beitragszuschuß aus der Rentenversicherung (früher § 1304e RVO, § 83e AVG; jetzt § 106 Abs 1 SGB VI), den auch der Kläger erhält. Die Höhe des Zuschusses richtet sich ua nach der Höhe der Rente und wird daher mittelbar durch die Beitragszeiten beeinflußt, die während des Entwicklungsdienstes durch die Antragspflichtversicherung in der Rentenversicherung begründet worden sind.
d) Schließlich würde die Anrechnung der Zeiten, in denen die Entwicklungshelfer privat krankenversichert waren, auf die Vorversicherungszeit die Frage aufwerfen, ob es noch zu rechtfertigen ist, daß Zeiten einer freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 11 Halbsatz 1 SGB V nicht ausreichen. Diese Regelung hält der Senat grundsätzlich für verfassungsmäßig (vgl BSGE 78, 297 = SozR 3-2500 § 5 Nr 29). Auch Zeiten einer freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung können darauf beruhen, daß aus anderen anerkennenswerten Gründen als dem Entwicklungsdienst zeitweise eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht ausgeübt wurde, daran aber gleichwohl der Zugang zur KVdR scheitert.
5. Hiernach erwies sich die Revision als unbegründet und war zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 1175272 |
DStR 1999, 1204 |
NZS 1999, 298 |
SozR 3-2500 § 5, Nr.39 |
SozSi 1999, 224 |