Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtskundige Tatsache
Leitsatz (redaktionell)
1. Gerichtskundige Tatsache:
Sieht das Gericht eine Tatsache als gerichtskundig an (zB für die Bewertung der Haushaltsarbeit von Ehegatten, die Auskunft einer Gewerkschaft über die Höhe der Löhne von Hausgehilfinnen in einer anderen Streitsache) so muß es die Beteiligten darauf hinweisen; dabei genügt es nicht, nur zu sagen, was das Gericht als festgestellt ansehen will; vielmehr muß es auch unmißverständlich deutlich machen, daß ihm die festzustellende Tatsache gerichtsbekannt ist. Das Unterlassen eines solchen Hinweises stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (Anschluß an BSG 1964-10-01 11/1 RA 174/62 = SozR Nr 70 zu § 128 SGG; Anschluß an BSG 1972-09-26 11 RA 119/72 = SozR Nr 90 zu § 128 SGG).
2. Bei der Feststellung des Familienunterhalts iS des AVG § 43 Abs 1 müssen als Unterhaltsleistungen des Ehemannes auch die Haushaltsarbeiten berücksichtigt werden, zu deren anteiliger Verrichtung der Mann bis zum Tode seiner Ehefrau nach dem bürgerlichen Recht verpflichtet war.
AVG § 43 Abs 1 ist mit dem GG (Gleichheitsgrundsatz) vereinbar.
Normenkette
SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 150 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; AVG § 43 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1266 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; GG Art. 3 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Dezember 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt Witwerrente aus der Versicherung seiner am 24. Mai 1967 gestorbenen Ehefrau nach § 43 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Streitig ist, ob die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Witwerrente mit Bescheid vom 22. September 1967 ab. Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat die gegen den Bescheid erhobene Klage durch Urteil vom 22. Mai 1968 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil durch Urteil vom 7. Dezember 1971 zurückgewiesen; es hat die Revision nicht zugelassen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, die Ehefrau habe im Sinne des § 43 Abs. 1 AVG den Unterhalt ihrer Familie nicht überwiegend bestritten. Die Eheleute lebten in kinderloser Ehe und waren beide berufstätig. Die Ehefrau war bis zu ihrer Erkrankung Anfang April 1967 als kaufmännische Angestellte beschäftigt und bezog zuletzt für März 1967 - nach Abzug der Steuern - ein Gehalt von 760,-- DM, wovon für Sozialabgaben etwa 100,-- DM einbehalten wurden. Der Kläger war als Bundesbahnsekretär tätig und erhielt ein Nettogehalt von 805,-- DM monatlich. Der Familienunterhalt wurde von den Einkünften beider Eheleute bestritten. Von ihren Einkünften ersparten sie monatlich etwa 250,-- DM, die auf ein Sparkonto des Klägers eingezahlt wurden. Außerdem wendeten sie für einen auf den Namen des Klägers lautenden Bausparvertrag 100,-- DM auf. Für die Beurteilung, ob die Versicherte ihre Familie überwiegend unterhalten habe - so hat das LSG ausgeführt -, sei von dem Unterhaltsbedarf der Familie auszugehen, der grundsätzlich deren Gesamteinkommen abzüglich der unterhaltsfremden Aufwendungen und zuzüglich des Wertes der Haushaltsführung gleichzusetzen sei. Unterhaltfremde Aufwendungen seien die Spareinlagen, die Bausparprämie sowie die Beiträge zu den Sach- und Haftpflichtversicherungen. Maßgebend sei die Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode der Versicherten vom 1. März 1967 an. Von diesem Zeitpunkt an habe der Kläger die letzte Gehaltserhöhung erhalten. Da die Erkrankung der Versicherten nur kurze Zeit bestanden habe, müsse die Zeit der zu ihrem Tode führenden Krankheit außer Betracht bleiben. Die sicher zu erwartenden Weihnachtsgratifikationen in Höhe der Vorjahresbeträge seien als Einkünfte anteilig anzurechnen, während die im Mai 1967 für die Versicherte nachgezahlte Jubiläumszulage von 1.200,-- DM als einmalige Zahlung unberücksichtigt zu bleiben habe. Aus diesen Erwägungen ergebe sich ein Familienunterhalt von monatlich etwa 1.395,-- DM, der sich aus dem Nettoeinkommen des Klägers von 825,-- DM und dem der Versicherten von 785,-- DM zuzüglich des Wertes der Haushaltsführung von 145,-- DM, also von insgesamt 1.755,-- DM, abzüglich der unterhaltsfremden Aufwendungen im Betrage von 360,-- DM ergebe.
Für die Ermittlung des tatsächlichen Wertes der Haushaltsführung sei von dem nach einer Auskunft der Gewerkschaft Nahrungs-Genuß-Gaststätten, Landesbezirksverwaltung Baden-Württemberg vom 10. Mai 1971 für geprüfte Hausgehilfinnen (Lohngruppe III, Ortsklasse I) für das Jahr 1967 geltenden Stundenlohn von 2,05 DM auszugehen. Die Eheleute hätten monatlich etwa 70 Stunden für die Haushaltsführung aufgewandt, woraus sich der eingesetzte tatsächliche Wert von etwa 145,-- DM errechne. Die monatlichen Nettoeinkünfte des Klägers von etwa 825,-- DM hätten somit die Hälfte des Unterhaltsbedarfs der Familie überschritten. In einem solchen Falle habe die versicherte Frau ihre Familie nicht überwiegend unterhalten. Würden die Sozialabgaben von etwa monatlich 100,-- DM von den Einkünften der Frau abgesetzt, so würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er rügt in formeller Hinsicht Verletzung der §§ 136 Abs. 1 Nr. 6, 103, 128 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und in sachlich-rechtlicher Hinsicht unrichtige Anwendung des § 43 Abs. 1 AVG. Zudem macht er geltend, § 43 Abs. 1 AVG sei wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Mai 1968 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. September 1967 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau Witwerrente zu gewähren,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat davon abgesehen, einen Antrag zu stellen und sich zur Sache zu äußern.
II
Die Revision des Klägers ist zwar zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Obschon das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, ist sie nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft, weil der Kläger zu Recht als wesentlichen Mangel im Verfahren des Berufungsgerichts eine Verletzung des § 128 Abs. 1 und 2 SGG rügt. Nach diesen Vorschriften entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.
Die Feststellung des tatsächlichen Werts der Haushaltsführung, den das LSG zu den Aufwendungen für den Unterhaltsbedarf der Familie gerechnet hat, hat es in seiner Entscheidung aufgrund der Auskunft der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten, Landesbezirksverwaltung Baden-Württemberg vom 10. Mai 1971 getroffen. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils und den Vorgängen im Berufungsverfahren, das seit dem 1. August 1968 vor dem LSG anhängig gewesen ist, ist indessen nicht zu ersehen, daß in dem unter den Prozeßbeteiligten anhängig gewesenen Gerichtsverfahren von der Gewerkschaft Nahrungs-Genuß-Gaststätten eine derartige Auskunft eingeholt und am 10. Mai 1971 erteilt worden ist. Die Vorgänge des LSG weisen auch nicht aus, daß das Berufungsgericht eine solche Auskunft zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat aber bereits entschieden, daß das Gericht eine "Auskunft in anderer Sache" für seine Entscheidung nur verwerten darf, wenn sich die Beteiligten zu dieser Auskunft haben äußern können. Dies gilt ebenso für Tatsachen, die als gerichtskundig angesehen werden (BSG in SozR Nrn. 70 und 91 zu § 128 SGG). Das Gesamtergebnis des Verfahrens im Sinne von § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG - so ist in dieser Entscheidung ausgeführt - darf vom Gericht nur insoweit verwertet werden, als der Grundsatz des rechtlichen Gehörs beachtet worden ist; ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG enthalte daher zugleich auch einen Verstoß gegen § 62 SGG und Art. 103 Abs. 1 GG. Auch eine gerichtskundige Tatsache muß zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden. Sieht das Gericht eine Tatsache als gerichtskundig an, so muß es die Beteiligten darauf hinweisen; dabei genügt es nicht, nur zu sagen, was das Gericht als festgestellt ansehen will; vielmehr muß es auch unmißverständlich deutlich machen, daß ihm die festzustellende Tatsache gerichtsbekannt ist. Das Unterlassen eines solchen Hinweises wird vom Kläger im Revisionsverfahren mit Recht gerügt.
Da das Verfahren des LSG schon aus diesem Grunde an einem wesentlichen Mangel leidet, ist die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft, ohne daß es darauf ankommt, ob auch die anderen von der Revision gerügten wesentlichen Mangel im Berufungsverfahren vorliegen.
Die danach zulässige Revision ist jedoch nicht begründet und zurückzuweisen. Der Entscheidung des LSG ist im Ergebnis beizutreten. Sie ist aus anderen Gründen richtig, ohne daß es einer Feststellung des tatsächlichen Wertes der Haushaltsführung bedarf. Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Witwerrente nach § 43 Abs. 1 AVG ist nicht begründet, weil es an der gesetzlichen Voraussetzung fehlt, daß die versicherte Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG hat bei einer aus Mann und Frau bestehenden Familie mit gemeinsamer Haushaltsführung die Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie im Sinne des § 43 AVG nur dann überwiegend bestritten, wenn sie in dem für die Beurteilung maßgebenden Zeitraum unter Berücksichtigung ihrer Geldleistungen und des Wertes der Haushaltsarbeit zum ehelichen Aufwand tatsächlich mehr als die Hälfte beigesteuert hat (BSG in SozR Nr. 4 zu § 1266 der Reichsversicherungsordnung -RVO-; BSG 31, 91, 92 = SozR Nr. 7 zu § 1266 RVO; BSG in SozR Nr. 9 zu § 1266 RVO). Dabei kommt es auch nach § 43 Abs. 1 AVG für die Frage, ob die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, auf die Unterhaltsleistungen während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes von ihrem Tode an (BSG in SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. Februar 1964 (SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO) klargelegt hat, kann entgegen der Auffassung des LSG der überwiegende Unterhalt der Familie durch die Versicherte nicht schon mit Rücksicht auf die Höhe des Einkommens des Mannes verneint werden, weil es anders als zB in § 589 RVO aF und in § 43 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht auf den überwiegenden Unterhalt für den anderen Ehegatten ankommt. Vielmehr muß nach § 43 Abs. 1 AVG festgestellt werden, wer von den Ehegatten in dem maßgeblichen Zeitraum zum Unterhalt der Familie tatsächlich mehr als die Hälfte beigesteuert hat.
Dem LSG ist darin beizupflichten, daß für die Beurteilung der Unterhaltsverhältnisse der wirtschaftliche Dauerzustand vom 1. März 1967 an maßgebend ist, wogegen von der Revision Einwendungen auch nicht erhoben worden sind. Der Kläger hat vom 1. März 1967 an erhöhte Bezüge erhalten; die Krankheitszeit der Versicherten kann, wie das BSG bereits ebenfalls entschieden hat, unberücksichtigt bleiben, weil von der ersten Auswirkung der Krankheit bis zum Eintritt des Todes nur eine verhältnismäßig kurze Zeit vergangen ist und damit der ursächliche Zusammenhang besonders deutlich und der zeitliche Zusammenhang als eng anzusehen ist (BSG in SozR Kr. 13 zu § 1266 RVO).
Das BSG hat jedoch entgegen der Ansicht des LSG ausgesprochen, daß die von den gemeinsamen Einkünften der Eheleute gemachten Aufwendungen für Spareinlagen in Höhe von etwa 250,-- DM im Monat und für den Bausparvertrag in Höhe von etwa 100,-- DM nicht als unterhaltsfremde Aufwendungen von den jeweiligen Einkünften abgezogen werden dürfen (BSG in SozR Nr. 10 zu § 1266 RVO). Es besteht kein Anhalt dafür, daß diese Spareinlagen keine Rückstellungen für gemeinsame Anschaffungen gewesen sind, sondern Aufwendungen darstellten, die in keiner Beziehung zu den gemeinsamen Lebensbedürfnissen der Familie gestanden hätten, wie zB Vermögensbildung nur für einen der Ehegatten, Zuwendungen an nicht zur Familie gehörende Personen oder außer gewöhnliche Liebhabereien und Steckenpferde nur eines Ehegatten. Dies bedarf aber keiner weiteren Klärung, weil nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG, an die das Revisionsgericht nach § 163 SGG gebunden ist, die Spareinlagen von den Einkünften beider Eheleute zu gleichen Anteilen gemacht worden sind, von ihren Einkünften also der gleiche Betrag hätte abgezogen werden müssen.
Ob die vom Gehalt der Versicherten einbehaltenen Sozialabgaben zu den unterhaltsfremden Aufwendungen zu zählen sind, bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung. Solche Abzüge sind nur von den monatlichen Einkünften der versicherten Ehefrau im Betrage von etwa 100,-- DM einbehalten worden, nicht aber von den Dienstbezügen des Klägers als Beamten. Der Abzug von Sozialabgaben als unterhaltsfremde Aufwendungen könnte also nur den Unterhaltsbeitrag der versicherten Ehefrau im Monat um 100,-- DM mindern.
Sodann bedarf es aber auch keiner weiteren Aufklärung und Entscheidung darüber, wie der tatsächliche Wert der Haushaltsführung der Eheleute zu bemessen ist. Denn bei der Ermittlung des "Unterhalts der Familie" sind als Unterhaltsleistungen des Ehemannes auch die Arbeiten im Haushalt zu berücksichtigen, zu deren anteiliger Verrichtung er bis zum Tode der Frau nach bürgerlichem Recht verpflichtet war, unabhängig davon, ob er dieser Verpflichtung tatsächlich nachgekommen ist, wie der 12. Senat in seinem Urteil vom 26. Mai 1971 bereits ausgesprochen hat (BSG in SozR Nr. 10 zu § 1266 RVO). In seinem Urteil hat der 12. Senat zutreffend darauf hingewiesen, daß auch bei den Haushaltsarbeiten als Bestandteil des für die Familie geleisteten Unterhaltes in der Regel auf die tatsächlich erfolgte Leistung abzustellen ist. Jedoch könne es bei der Bewertung der Haushaltsführung dann nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommen, wenn in einer kinderlosen Ehe die Frau im beiderseitigen Einvernehmen einer ganztägigen Berufsarbeit nachgeht. Ist die Ehefrau darüber hinaus noch im Haushalt tätig, so handelt es sich dabei um eine zusätzliche Tätigkeit, auf die der Mann nur Anspruch haben kann, wenn er umgekehrt bei gleicher beruflicher Belastung zu einer entsprechenden Mitarbeit im Haushalt bereit ist. Bei gemeinsam verdienenden, kinderlosen Eheleuten sind als Unterhaltsleistungen des Ehemannes daher auch die Arbeiten im Haushalt zu berücksichtigen, zu denen der Mann gemäß § 1360 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) rechtlich verpflichtet war, und zwar unabhängig davon, ob er sie auch tatsächlich erbracht hat. Da nach den Feststellungen des LSG beide Eheleute durch ihre Erwerbstätigkeit an fünf Wochentagen ohne Arbeitswege je acht Stunden täglich also in gleicher Weise beansprucht waren, ist hier der Fall gegeben, daß sich der Wert der Haushaltarbeiten, die von den Eheleuten tatsächlich geleistet worden sind und zu denen sie gesetzlich gegenseitig verpflichtet waren, sich gegenseitig ausgleicht und deshalb außer Betracht bleiben kann. In diesem Falle gewährt derjenige Ehegatte den überwiegenden Unterhalt der Familie, der den höheren Geldbeitrag zum Familienunterhalt leistet (BSG in SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO).
Es braucht schließlich auch nicht entschieden zu werden, ob das LSG mit Recht die Beiträge für die Sach- und Haftpflichtversicherungen von etwa 10,-- DM monatlicht als unterhaltsfremde Aufwendungen bewertet hat. Es steht nicht einmal fest, ob diese Aufwendungen von den Einkünften des Klägers bestritten worden sind. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte und sich deshalb sein Geldbeitrag zum Unterhalt der Familie um 10,-- DM monatlich verringert, ergibt sich nicht, daß die versicherte Ehefrau durch ihre Geldleistungen zum Aufwand des Familienunterhalts tatsächlich mehr als die Hälfte beigesteuert hat. Können nämlich für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Familie die Zahlungen für Spareinlagen und für den Bausparvertrag von den Einkünften nicht abgesetzt werden, bleiben dagegen aber die Sozialabgaben und die Beiträge zu den Versicherungen unberücksichtigt, so ergibt sich, daß der Kläger zu dem Unterhaltsaufwand der Familie an Geldleistungen den Betrag von 825,-- DM abzüglich 10,-- DM für die Versicherungen, also von 815,-- DM monatlich beigesteuert hat, während die versicherte Ehefrau den Betrag von 785,-- DM aufgewandt hat. Ohne Rücksicht auf den unter den Eheleuten ausgeglichenen Wert der Haushaltsführung hat der monatliche Unterhaltsbedarf der Familie mithin etwa 1.600,-- DM betragen. Mit ihrem Geldbeitrag von 785,-- DM zu diesem Unterhaltsaufwand der Familie hat die Versicherte sonach nicht mehr als die Hälfte beigesteuert. Sie hat deshalb auch im Sinne des § 43 AVG den Unterhalt ihrer Familie nicht überwiegend bestritten.
Die von der Revision gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 1 AVG erhobenen Einwendungen teilt der Senat nicht. In ständiger Rechtsprechung haben der erkennende Senat sowie andere Senate des BSG § 43 Abs. 1 AVG und die mit ihm wörtlich übereinstimmende Vorschrift des § 1266 Abs. 1 RVO als mit der Verfassung vereinbar angesehen (Urteile des 1. Senats vom 14. Februar 1964 und vom 30. April 1971 in SozR Nrn. 4 und 9 zu § 1266 RVO; Urteil des 4. Senats vom 29. Mai 1968 in BSG 28, 96 = SozR Nr. 5 zu § 1266 RVO; Urteil des 11. Senats vom 17. März 1970 in BSG 31, 91 = SozR Nr. 7 zu § 1266 RVO und Urteil des 12. Senats vom 26. Mai 1971 in SozR Nr. 10 zu § 1266 RVO). Die dafür maßgebenden Gründe sind in der Rechtsprechung wiederholt dargelegt worden. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen sieht der Sent keine Veranlassung.
Die Revision des Klägers kann aus diesen Gründen keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen