Leitsatz (amtlich)

Entrichtet eine Versicherte aufgrund des ArVNG Art 2 § 28 ( = AnVNG Art 2 § 27 idF des 3. RVÄndG Beiträge für Zeiten nach, für die ihr wegen Heirat Beiträge erstattet worden sind, so ist als "Eintritt in die Versicherung" iS der AVG §§ 32 Abs 4, 36 Abs 3 (RVO §§ 1255 Abs 4, 1259 Abs 3) der Beginn des Zeitraums anzusehen, für den die Beiträge nachentrichtet sind, sofern vor ihm keine weiteren Beitragszeiten liegen.

 

Normenkette

AVG § 32 Abs. 4 Buchst. a Fassung: 1965-06-09; RVO § 1255 Abs. 4 Buchst. a Fassung: 1965-06-09; AVG § 36 Abs. 3 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1259 Abs. 3 Fassung: 1965-06-09; AnVNG Art. 2 § 27 Fassung: 1969-07-28; ArVNG Art. 2 § 28 Fassung: 1969-07-28

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 1973 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die am … 1907 geborene Klägerin hatte sich wegen Heirat im Jahre 1934 ihre zwischen dem 1. April 1924 und dem 28. Februar 1934 zur Angestelltenversicherung (AnV) entrichteten Beiträge erstatten lassen. Am 16. April 1951 nahm sie erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Auf Grund des Art. 2 § 27 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 23. Juli 1969 (BGBl I 956) entrichtete sie Anfang Juni 1970 für die Zeit vom 1. März 1932 bis 28. Februar 1934 24 freiwillige Beiträge der Klasse 500 im Gesamtbetrage von 2040,--DM zur AnV nach, womit sie 182 Beitragsmonate aufzuweisen und damit die große Wartezeit von 180 Kalendermonaten Versicherungszeit erfüllt hatte.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1970 bewilligte ihr die Beklagte Altersruhegeld nach § 25 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) vom 1. Juni 1970 an. Dabei war sie für die Berechnung der Rente davon ausgegangen, daß die Versicherte aufgrund der Nachentrichtung am 1. März 1932 in die Versicherung eingetreten sei.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage mit der Begründung, durch das Vorgehen der Beklagten werde sie benachteiligt. Durch die Festlegung des Zeitpunktes ihres Eintritts in die Versicherung auf den 1. März 1932 statt auf den 16. April 1951 verringere sich ihr Altersruhegeld. Einmal kennten ihr ihre nachgewiesenen Ausfallzeiten nicht angerechnet werden, weil sie nicht mehr die erforderliche Halbbelegung nach s 36 Abs. 3 AVG erfülle. Zum anderen seien ihre Versicherungszeiten vom 16. April 1951 bis Januar 1956 nicht mehr die mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate der ersten fünf Jahre seit ihrem Eintritt in die Versicherung, wodurch sie die für sie günstigere Bewertung dieser Zeiten nach § 32 Abs. 4 Buchst. a) AVG verliere.

Vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin beantragt, die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 17. Juli 1970 zu verurteilen, bei der Ermittlung der persönlichen Bemessungsgrundlage und bei der Berechnung der Halbdeckung für die Anrechnung der nachgewiesenen Ausfallzeiten vom Beginn der Versicherung am 16. April 1951 auszugehen. Das SG München hat durch Urteil vom 9. Juli 1971 im wesentlichen antragsgemäß die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 17. Juli 1970 verurteilt, vom Beginn der Versicherung der Klägerin am 16. April 1951 auszugehen, die Halbdeckung dementsprechend zu berechnen, und die nachentrichteten freiwilligen Beiträge der Klägerin ebenfalls entsprechend zu berücksichtigen. Es war der Auffassung, durch die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen ändere sich die Bewertung der ersten fünf mit Pflichtbeiträgen belegten Jahre und die Anrechnung der nachgewiesenen Ausfallzeiten nicht. Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage gegen den Rentenbescheid vom 17. Juli 1970 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 9. Juli 1971 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Das LSG hat zu Recht mit im wesentlichen zutreffender Begründung die erhobene Klage abgewiesen. Der Zweite Abschnitt des AVG regelt in den 32 bis 39 unter der Überschrift "Gemeinsame Bestimmungen für die Berechnung der Renten" im einzelnen, wie sich die durch die Rentenreform des Jahres 1957 eingeführte dynamische bruttolohnbezogene Rente des neuen Rechts errechnet. Dabei enthält § 32 Abs. 1 AVG das Kernstück der Neuregelung. Danach ist die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage der Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis entspricht, in dem während der zurückgelegten Beitragszeiten das Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zu dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherungen der Angestellten und der Arbeiter ohne Lehrlinge und Anlernlinge gestanden hat. Abs. 4 bringt sodann eine Sonderregelung hinsichtlich der mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate der ersten fünf Kalenderjahre seit dem Eintritt in die Versicherung, um zu vermeiden, daß die während der ersten Zeit des Berufslebens erzielten und meist niedrigen Entgelte die persönliche Bemessungsgrundlage des Versicherten ungünstig beeinflussen. Sie werden deshalb unter bestimmten Voraussetzungen günstiger bewertet als es der tatsächlichen Beitragsleistung entspricht. Dazu enthält § 32 Abs. 5 AVG eine wichtige Ergänzung. Danach sind Beiträge, die aufgrund der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung oder zur Selbstversicherung entrichtet sind, bei Anwendung der Absätze 1 und 3 wie Pflichtbeiträge derjenigen Beitragsklasse zu behandeln, mit der sie im Betrag des Beitrages übereinstimmen. Für freiwillige Beiträge gilt somit der Abs. 4 nicht (vgl. auch Eisholz/Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Nr. 37 Ann. 13). Sie können ferner nicht als Pflichtbeiträge bei der Ermittlung der sog. Halbbelegung mitgezählt werden, die Voraussetzung für die Anrechnung von Ausfall- und Zurechnungszeiten ist (§§ 36 und 37 AVG).

Zu den freiwilligen Beiträgen i.S. des § 32 Abs. 5 AVG gehören auch die aufgrund des Art. 2 § 27 AnVNG idF des 3. RVÄndG nachentrichteten Beiträge (Pappai, Nachentrichtung von Beiträgen für weibliche Versicherte, Bundesarbeitsblatt - BABl - 1969, 481). Die Rechtsnatur dieser nachentrichteten Beiträge ist somit eine andere als z.B. die der Nachentrichtungsbeiträge für die Verfolgten nach Art. 1 § 8 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22. Dezember 1970 - BGBl I 1846 - (von Borries, Neue Vorschriften zur Wiedergutmachung in der Sozialversicherung, BABl 1971, 153), für die ausdrücklich angeordnet ist, daß sie als rechtzeitig entrichtete Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit - also als Pflichtbeiträge - gelten. Von einer ähnlich weitgehenden Regelung hat Art. 2 § 27 AnVNG abgesehen.

Aus der Regelung des § 32 Abs. 5 AVG folgt zwingend, daß die von der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1932 bis zum 28. Februar 1934 nachentrichteten Beiträge nicht nur bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (§ 27 AVG), sondern auch sonst bei der Rentenberechnung, insbesondere bei der Ermittlung der maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind. Damit entfällt eher auch die Möglichkeit einer Sonderbehandlung dieser freiwilligen Beiträge im Rahmen des § 32 Abs. 4 AVG. Dieser stellt ausschließlich auf die mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate der ersten fünf Jahre seit dem Eintritt in die Versicherung ab und nicht auf den Beginn der Pflichtversicherung. Falls daher ein Versicherter seine Versicherung z.B. im Wege der Selbstversicherung mit niedrigen freiwilligen Beiträgen begonnen hat, müssen die Kalendermonate, für welche diese Beiträge entrichtet worden sind, bei der Anwendung des § 32 Abs. 4 AVG auf den Zeitraum der ersten fünf Jahre seit dem Eintritt in die Versicherung angerechnet werden. Dadurch kann für einen solchen Versicherten hinsichtlich nachfolgender, mit Pflichtbeiträgen belegter Kalendermonate die Möglichkeit einer günstigeren Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 AVG ganz oder teilweise entfallen. Für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 27 AnVNG nF kann aber nichts anderes gelten. Anderenfalls würden die nach Beitragserstattung wegen Heirat zur Nachentrichtung von Beiträgen berechtigten weiblichen Versicherten ohne überzeugenden Grund gegenüber denjenigen Versicherten bevorzugt, die schon früher freiwillig in die Versicherung eingetreten sind. Unter dem Begriff "Eintritt in die Versicherung" i.S. des § 32 Abs. 4 AVG kann deshalb stets nur der Beginn des Zeitabschnitts verstanden werden, für den der erste, bei der Rentenberechnung zu berücksichtigende Beitrag bestimmt ist, und ist dies ein rechtsgültig entrichteter freiwilliger Beitrag, so ist es bedeutungslos, wann er entrichtet ist; maßgebend ist vielmehr allein, für welchen Zeitabschnitt er bestimmt und entrichtet ist.

Nicht anders liegt es hinsichtlich der Errechnung der Halbbelegung nach § 36 Abs. 3 und § 37 Abs. 1 Satz 2 AVG. Hierfür ist es nicht entscheidend, welche Wirkungen eine Beitragsnachentrichtung im übrigen hat. Für die Beitragsnachentrichtung nach § 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 1970 ist z.B., wie bereits erwähnt, ausdrücklich vorgeschrieben, daß sie als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gelten. Hierdurch ist Kraft Gesetzes sichergestellt, daß durch diese Beiträge auch die für die Anrechnung von Ausfall- und Zurechnungszeiten vorgeschriebene Halbbelegung sowie die Anschlußversicherung nach Ausfallzeiten erfüllt werden kann (vgl. von Borries aaO unter II 2). Darüber hinaus begründen derartige für die Zeit vor dem Beginn einer Ersatzzeit nachentrichtete Beiträge sogar eine "vorher bestandene Versicherung" i.S. des § 28 Abs, 2 AVG, (vgl. Mitt. der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1971, 204, 207 sowie Knöbber/Schöning, Die Angestelltenversicherung 1971, 114). Da die Verfolgten durch die genannten Bestimmungen aber besonders begünstigt werden sollten folgt hieraus, daß eine Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 27 AnVNG nicht diese Wirkungen haben kann, zumal hier eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht getroffen worden ist. Demgemäß hat z.B. auch der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) durch Urteil vom 25. Mai 1973 (SozR Nr. 66 zu § 1251 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) entschieden, daß die freiwillige Nachentrichtung, von Beiträgen durch Vertriebene nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG für Zeiten vor der Wehrdienstzeit nicht rückwirkend dazu führt, daß i.S. des § 28 Abs. 2 AVG eine Versicherung vorher bestanden hat, so daß die Wehrdienstzeit nicht als Ersatzzeit anzurechnen ist. Daraus kann aber nicht wie die Revision es will, gefolgert werden, daß deshalb auch im Falle der Nachentrichtung von Beitragen nach Art. 2 § 27 AnVNG der Eintritt in die Versicherung im Sinne des § 56 Abs. 3 AVG nicht verschoben wird. Bei Anwendung der Vorschriften über die Halbbelegung besteht kein Anhalt dafür, von dem in der Rechtsprechung des BSG anerkannten, allgemein geltenden Grundsatz abzuweichen, daß nachentrichtete Beiträge dieselbe Wirkung haben wie rechtzeitig entrichtete Beiträge und so zu behandeln sind, als seien sie während der Zeit entrichtet, für die sie gelten sollen. Denn für die Berechnung der Halbbelegung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß es bewußt hier eine andere Regelung treffen wollte.

Die unterschiedlichen Auswirkungen der teilweise voneinander abweichend geregelten Beitragsnachentrichtungen nach den hierfür in Betracht kommenden Sondervorschriften hinsichtlich der Anrechnung von Ausfall- und Ersatzzeiten können für die Auslegung des Begriffs "Eintritt in die Versicherung" i.S. der Vorschriften über die Halbbelegung nicht maßgebend sein. Die Vorschriften über die Rentenberechnung im einzelnen sind dabei im übrigen nicht so auszulegen, daß, wie die Klägerin meint, mit einem Mindestmaß an Beiträgen stets ein Optimum an Leistungen erzielt werden kann, vielmehr muß einmal das Grundanliegen des Gesetzes nach einer möglichst beitragsgerechten Rente und zum anderen das in sich geschlossene System der "Gemeinsamen Bestimmungen für die Berechnung der Renten" erhalten bleiben.

Daß Ausfallzeiten einem Versicherten überhaupt angerechnet werden, ist zudem eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft, die nicht auf einer eigenen Beitragsleistung beruht. Die Bestimmungen über die Halbbelegung zeigen ferner deutlich, worauf das BSG schon wiederholt hingewiesen hat, daß Ausfallzeiten nur den üblicherweise versicherungspflichtig tätig gewesenen Personen angerechnet weiden sollen. Eine Rente soll sich grundsätzlich auf geleisteten Beiträgen aufbauen und nicht überwiegend auf Ersatz- und Ausfallzeiten (vgl. ua SozR Nr. 25.= BSG 30, 165 und Nr. CA zu § 1259 RVO sowie Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 700 b). Auch hieraus folgt, daß hier unter dem Eintritt in die Versicherung nichts anderes zu verstehen ist, als dies für § 32 Abs, 4 AVG gilt. Im übrigen können Ehefrauen mit Beitragserstattungen wegen Heirat auf Grund der ihnen gewährten Vergünstigung nach Art. 2 27 AnVNG nur beanspruchen so gestellt zu werden, wie sie nach entsprechender Beitragsnachentrichtung ohne die Beitragserstattung gestanden hätten. Es ist somit nicht angängig, die für die früheren Zeiten der Beitragserstattung vom 1. März 1932 bis zum 28. Februar 1934 nachentrichteten Beiträge wohl auf die erforderliche Wartezeit anzurechnen, sie aber im übrigen bei der Rentenberechnung nicht als für diese Zeit entrichtet gelten zu lassen.

Die Beklagte hat sonach die Rente der Klägerin zutreffend berechnet, indem sie vom Eintritt in die Versicherung am 1. März 1932 ausgegangen ist.

Die Revision gegen das angefochtene Urteil ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1669113

BSGE, 191

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