Leitsatz (amtlich)

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Versicherte zur Zeit seines Todes der geschiedenen Frau Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes zu leisten hatte, bleiben zurückliegende Zeiten einer nur kurzfristigen Unterhaltspflicht außer Betracht, wenn der Versicherte im übrigen wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit vor seinem Tode keinen Unterhalt leisten konnte.

 

Normenkette

AVG § 42 S. 1 Alt. 1 Fassung: 1957-02-23; EheG § 58 Fassung: 1946-02-20, § 59 Fassung: 1946-02-20; RVO § 1265 S. 1 Alt. 1 Fassung: 1952-02-23

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 6. März 1959 wird aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 1958 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt die Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am 10. September 1953 verstorbenen Eberhard B. Ihre Ehe mit dem Versicherten war im Juli 1948 aus dessen alleinigem Verschulden geschieden worden. Aus der Ehe war 1938 ein Kind hervorgegangen, das nach der Scheidung im Haushalt der Klägerin blieb. Der Versicherte hatte ein 1946 geborenes uneheliches Kind, für das er zeitweise Unterhalt leistete. Im Mai 1953 heiratete er die Mutter dieses Kindes.

In den ersten Monaten nach der Scheidung zahlte er an die Klägerin monatlich 100,- DM Unterhalt. Von November 1948 an war er mit kurzen Unterbrechungen arbeitslos. Seine letzte Beschäftigung fand er in der Zeit von Mai bis Oktober 1952; damals erzielte er ein monatliches Nettogehalt von 307,65 DM. In der Zeit vorher und nachher bezog er Arbeitslosenunterstützung, die - ohne Miet- und Kinderzuschläge - wöchentlich etwa 30,- DM betrug. Von Mitte April 1953 an bis zu seinem Tode war er krank und bezog Krankengeld; es betrug nach seiner Wiederverheiratung wöchentlich 27,60 DM. Das Gesamteinkommen der Klägerin - zusammen mit dem Verdienst aus einer Nebenbeschäftigung - belief sich monatlich auf etwa 150,- DM.

Im Jahre 1952 erhob die Klägerin eine Unterhaltsklage gegen den Versicherten. Vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg kam am 24. November 1952 ein Vergleich zustande, in dem sich der Versicherte verpflichtete, zur Abgeltung aller damals rückständigen Unterhaltsbeträge 150,- DM in monatlichen Raten von 5,- DM an die Klägerin zu zahlen; er verpflichtete sich weiter, einen angemessenen Unterhaltsbetrag von dem Zeitpunkt an zu leisten, in dem er wieder eine Arbeit aufgenommen haben würde.

Der Versicherte zahlte gemäß diesem Vergleich von Januar bis Juli 1953 monatlich 5,- DM.

Die Klägerin beantragte erstmals im Jahre 1954 die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch bindend gewordenen Bescheid vom 7. September 1954 mit der Begründung ab, die Klägerin habe gegen den Versicherten zur Zeit seines Todes keinen Unterhaltsanspruch nach den ehegesetzlichen Vorschriften gehabt (§§ 28 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - aF, 1256 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF). Im Jahre 1957 wiederholte die Klägerin ihren Antrag. Die Beklagte lehnte auch ihn mit dem Hinweis ab, daß keine der alternativ erforderlichen Voraussetzungen des § 42 AVG nF gegeben seien (Bescheid vom 4. September 1957). Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Berlin vom 21. Januar 1958). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hingegen gab der Klage - unter Zulassung der Revision - statt; Die bindende Wirkung des im Jahre 1954 erteilten ablehnenden Bescheides stehe einer erneuten Prüfung des Antrags nicht entgegen, denn § 42 AVG nF gewähre einen Rechtsanspruch, der mit der Kannleistung des früheren Rechts nicht identisch sei. Der Versicherte sei in den Zeiten, in denen er gearbeitet habe, nachehegesetzlichen Vorschriften verpflichtet gewesen, der Klägerin Unterhalt zu leisten. Da allgemein anerkannt sei, daß die Unterhaltspflicht nicht unmittelbar vor dem Tode bestanden haben müsse, sei für die Erfüllung des Tatbestands des § 42 AVG (Erste Alternative) ausreichend, daß der Versicherte von Mai bis Oktober 1952 nach dem Ehegesetz zur Unterhaltsleistung verpflichtet war. Im übrigen sei § 42 AVG auch deshalb erfüllt, weil der Versicherte auf Grund des Vergleichs - und deshalb "aus sonstigen Gründen" - verpflichtet gewesen sei (Urteil vom 6. März 1959).

Die Beklagte legte gegen das ihr am 3. April 1959 zugestellte Urteil am 25. April 1959 Revision ein mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Sie begründete ihre Revision am 20. Mai 1959, indem sie die fehlerhafte Anwendung des § 42 AVG rügte. Aus der kurzen Zeit der Unterhaltspflicht des Versicherten zwischen Scheidung und Tod könne nicht gefolgert werden, er sei "zur Zeit seines Todes" verpflichtet gewesen. Eine solche weitgehende Anwendung des § 42 AVG widerspreche dem Grundgedanken dieser Vorschrift, die zum Ziele habe, der geschiedenen Frau einen Ersatz für eine durch den Tod des Versicherten verlorengegangene Unterhaltsposition zu bieten.

Die Klägerin beantragte, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist zulässig und begründet. Das LSG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, der Klägerin stehe - weil ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes zu leisten gehabt habe - vom 1. Januar 1957 an die Hinterbliebenenrente gemäß der Ersten Alternative (1. Unterfall) des § 42 AVG zu.

An einer Entscheidung dieses Inhalts war das LSG - wie es im Ergebnis zu Recht angenommen hat - nicht schon deshalb gehindert, weil die Beklagte einen früheren Antrag der Klägerin, ihr aus der Versicherung des geschiedenen Mannes die Hinterbliebenenrente zu gewähren, durch den bindend gewordenen Bescheid vom 7. September 1954 abgelehnt hatte. Die Bindungswirkung eines Bescheids, die auch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu beachten ist, hat wohl zur Folge, daß zwischen den Beteiligten eine abweichende Entscheidung im allgemeinen nur ergehen kann, wenn ein Gesetz dies zuläßt (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Als solches Gesetz kommt hier Art. 2 § 43 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) in Betracht; diese Vorschrift verweist ausdrücklich auf Art. 2 § 18 AnVNG und erfaßt damit gerade die Ansprüche auf die "Geschiedenenwitwenrente", wenn der frühere Ehemann - wie im vorliegenden Rechtsstreit - vor dem Inkrafttreten des AnVNG, aber nach dem 30. April 1942 gestorben ist. Angesichts dieser besonderen Regelung kann der Auffassung des LSG nicht gefolgt werden, eine erneute Prüfung sei schon deshalb unbeschränkt möglich, weil § 42 AVG einen völlig anders gearteten Anspruch gewähre als das frühere Recht. Art. 2 § 43 Satz 2 AnVNG läßt vielmehr bei den Ansprüchen auf die "Geschiedenenwitwenrente" eine neue Prüfung nur in der Richtung zu, ob das vom 1. Januar 1957 an geltende Recht günstiger ist. Wenn es nun auch zutrifft, daß § 42 AVG die Voraussetzungen, unter denen geschiedene Frauen die Hinterbliebenenrente erhalten können, gegenüber dem früheren Recht wesentlich erweitert und statt der bisherigen Kannleistung einen Rechtsanspruch auf die Rente gebracht hat, so stimmt doch die Erste Alternative (1. Unterfall) des § 42 AVG wörtlich mit der Anspruchsvoraussetzung der §§ 28 AVG, 1256 Abs. 4 RVO aF überein. Da die Beklagte ihre Ablehnung im Jahre 1954 mit dem Fehlen gerade dieser Voraussetzung begründet hat, kann es fraglich sein, ob die §§ 43 und 18 in Art. 2 AnVNG eine andere sachliche Entscheidung über diese Voraussetzung bei der Anwendung des § 42 AVG ermöglichen.

Der vorliegende Rechtsstreit nötigt indessen nicht zu einer Entscheidung dieser Frage. Die Vorinstanzen konnten über das Vorliegen der Voraussetzungen der Ersten Alternative (1. Unterfall) des § 42 AVG trotz des bindend gewordenen früheren Ablehnungsbescheids der Beklagten jedenfalls deshalb entscheiden, weil die Beklagte - ohne sich auf die Bindungswirkung des früheren Bescheids zu berufen - den Anspruch der Klägerin auch insoweit auf Grund des neuen Rechts neu geprüft und in ihrem Bescheid eine neue Regelung getroffen - mithin einen neuen, im Sozialgerichtsverfahren anfechtbaren Verwaltungsakt gesetzt hat. Dies ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) schon wiederholt entschieden hat, rechtlich zulässig (BSG 10, 248 und SozR Bl. Da 8 Nr. 21 zu § 77 SGG) und gibt auch dem Gericht die Möglichkeit, über den Anspruch der Klägerin ohne Rücksicht auf die frühere, bindend gewordene Ablehnung erneut sachlich zu entscheiden.

Entgegen der Auffassung des BSG war jedoch der Versicherte zur Zeit seines Todes nicht nach den Vorschriften des Ehegesetzes zur Unterhaltsleistung an die Klägerin verpflichtet. Das LSG geht zwar mit Recht davon aus, daß die Bestimmung in § 42 AVG "zur Zeit seines Todes" nicht im wörtlichen sondern in einem weiteren Sinn verstanden werden muß. Es kommt danach - anders als bei der Auslegung des gleichlautenden Begriffs in § 40 Abs. 2 AVG (vgl. auch §§ 45 Abs. 5, 56 Abs. 1 AVG und Art. 2 § 17 Satz 2 AnVNG) - nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes (Todesmonat), sondern auf einen vor dem Tode liegenden Zeitraum an, der nach der von den Gerichten gebilligten Handhabung der Verwaltung je nach Lage des Falles auch eine längere Zeitspanne (im allgemeinen bis zu einem Jahr) umfassen kann (BSG 3, 197, 200). Das LSG hat in dieser Hinsicht festgestellt, der Versicherte sei, weil er bis Ende Oktober 1952 über ein ausreichendes Arbeitseinkommen verfügt habe, noch innerhalb des Zeitraums von einem Jahr vor seinem Tode (September 1953) nach §§ 58, 59 des Ehegesetzes zum Unterhalt an die Klägerin verpflichtet gewesen; es hat deshalb die Erfordernisse als gegeben an gesehen, die das BSG schon bisher (vgl. zuletzt SozR Bl. Aa 4 Nr. 6 und Aa 7 Nr. 8 zu § 1265 RVO) für den in § 42 AVG verwendeten Zeitbegriff als ausreichend ansah. Das LSG hat aber nicht berücksichtigt, daß eine solche ausdehnende Anwendung des § 42 (Erste Alternative) AVG nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Maßgebend für die - mit dem Wortlaut nur schwer zu vereinbarende - Ausdehnung des Zeitbegriffs über einen so langen Zeitraum ist die Erwägung, daß kurze Unterbrechungen der grundsätzlich auf Lebenszeit berechneten Unterhaltspflicht des Geschiedenen nicht ins Gewicht fallen. Es wäre unbillig, die Rente zu versagen, weil eine grundsätzlich zu bejahende Unterhaltspflicht kurz vor dem Tode weggefallen und nur wegen des Eintritts des Todes nicht wieder entstanden ist. Man würde damit die Entscheidung von allzu großen Zufälligkeiten (BSG 5, 179, 184) abhängig machen. Dies wäre insbesondere dann nicht zu billigen, wenn die Unterhaltspflicht gerade wegen einer Leistungsunfähigkeit des Versicherten entfiel, die im Zusammenhang mit einer zum Tode führenden Krankheit eingetreten ist. Der Zweck des Gesetzes - Unterhaltsersatz - gebietet in solchen Fällen seine Anwendung, wenn dies auch dem Wortlaut möglicherweise nicht ganz entspricht.

Der vorliegende Rechtsstreit erfordert indessen nicht, dem Begriff "zur Zeit des Todes" eine so weite Ausdehnung zu geben. Der Umstand, daß noch für den Beginn des einjährigen Zeitraums (Oktober 1952) vor dem Tode des Versicherten eine ehegesetzliche Pflicht zur Unterhaltsleistung bejaht werden kann, rechtfertigt nicht die Feststellung, er sei zur Zeit seines Todes verpflichtet gewesen. Der Versicherte stand nach der Ehescheidung nur noch kurze Zeit in Arbeit. Die im November 1948 eingetretene Arbeitslosigkeit hielt in den folgenden Jahren im wesentlichen an. Nur in der Zeit von Mai bis Oktober 1952 hatte er durchgehende Arbeit gefunden und waren seine wirtschaftlichen Verhältnisse so günstig, daß er der Klägerin hätte Unterhalt leisten können. Schon im November 1952 trat wieder der frühere Zustand ein; die von da an bestehende Arbeitslosigkeit hielt bis zu seiner Erkrankung im April 1953 an und konnte vor seinem Tode im September 1953 nicht mehr behoben werden. Der seit der Ehescheidung bis zum Tod überwiegend bestehende Zustand in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten ist aber maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt an die Klägerin nach den Vorschriften des Ehegesetzes zu leisten hatte. Nach Lage des Falles muß dies verneint werden, weil der Versicherte, solange er arbeitslos und allein auf Unterstützungen angewiesen war, zur Unterhaltsleistung an die Klägerin nicht imstande war (§§ 58, 59 Ehegesetz).

Weil sich die durch die Arbeitslosigkeit geprägten wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten schon lange Zeit vor seinem Tode stabilisiert hatten, ist es nicht gerechtfertigt, bei der Beurteilung der Frage der Unterhaltspflicht von den Verhältnissen der kurzen Zwischenzeit auszugehen, in der seine Arbeitslosigkeit vorübergehend unterbrochen und eine zeitlich begrenzte Unterhaltspflicht gegeben war. Der Wegfall der Unterhaltspflicht durch erneute Arbeitslosigkeit im November 1952 ist auch kein zufälliges Ereignis, das die Versagung der Rente als unbillig erscheinen lassen könnte. Der Versicherte hatte in der Zeit zwischen der Scheidung und dem Tod keinen ständigen Arbeitsplatz mehr. Die Zeiten der Arbeitslosigkeit und der damit fehlenden Unterhaltspflicht überwiegen bei weitem die Zeiten, in denen er arbeitete und Unterhalt hätte leisten können. Da der Versicherte überdies einige Monate vor seinem Tode eine neue Ehe einging und daher weitere Unterhaltspflichten entstehen konnten, kann nicht angenommen werden, daß sich die Unterhaltssituation der Klägerin durch den Tod des Versicherten verschlechtert hat. Der Hinterbliebenenrente kann unter diesen Umständen keine Unterhaltsersatzfunktion zukommen.

Der Versicherte war auch nicht "aus sonstigen Gründen" zur Zeit seines Todes verpflichtet, Unterhalt zu leisten. Die Leistungsverpflichtung, die er durch den Vergleich vom 24. November 1952 übernommen hatte, bestand zwar noch zur Zeit des Todes. Der Gegenstand dieser Verpflichtung ist aber nicht als Unterhaltsgewährung zu beurteilen.

Die Parteien des Vergleichs gingen ersichtlich davon aus, daß der Versicherte, solange er arbeitslos war, weder zum Unterhalt nach dem Ehegesetz verpflichtet noch in der Lage war, eine vertragliche Unterhaltspflicht zu erfüllen. Das ergibt sich daraus, daß der Versicherte erst vom Zeitpunkt einer etwaigen Arbeitsaufnahme an einen Unterhaltsbetrag zahlen sollte. Der Vergleich beinhaltet also einen Ausschluß der Unterhaltspflicht für die Zeit fehlenden Arbeitseinkommens, die bis zum Tode des Versicherten andauerte. Die Leistungen, die er nach dem Vergleich "zur Abgeltung der rückständigen Unterhaltsbeträge" leisten sollte, hatten ihren Rechtsgrund in der Verletzung der Unterhaltspflicht. Da der Versicherte diese Leistungen auch in der Zeit fehlender Unterhaltspflicht erbringen sollte, wäre es widersprüchlich, sie als Unterhaltsleistungen zu behandeln.

Auch wenn man dieser Erwägung nicht folgen und den Vergleich dahingehend auslegen wollte, daß die Parteien beabsichtigten, an Stelle der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit eine neue Unterhaltspflicht für die Zukunft zu begründen, so führt dies deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil die monatlichen Zahlungen von 5,- DM, zu denen der Versicherte verpflichtet wurde, wegen ihrer Geringfügigkeit nicht als Unterhaltsleistung gelten können (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1959 - 4 RJ 35/59; BSG Hamburg, Breithaupt 1961, 724; Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, S. 128). Eine Unterhaltsleistung - auch lediglich ein Beitrag zum Unterhalt - kann jedenfalls im Rahmen des § 42 AVG nur bejaht werden, wenn durch die Zahlungen die Lebensführung der Berechtigten merklich verbessert wird. Dies ist schon deshalb geboten, weil die Höhe der "Geschiedenenwitwenrente" sich heute (im Gegensatz zu § 1272 Abs. 4 RVO aF) nicht mehr nach der Höhe des Unterhaltsanspruchs richtet. Dem mehrfach angeführten Grundgedanken dieser Rentengewährung - Unterhaltsersatz - entspräche es nicht, wenn wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallende Zahlungspflichten eine möglicherweise hohe Rente auslösten. Auch im Interesse anderer Rentenberechtigter (§§ 45 Abs. 4, 47 AVG), insbesondere der Witwe des Versicherten - sie hätte zum Verfahren beigeladen werden sollen (§ 75 Abs. 1 SGG) -, ist zu verlangen, daß die Unterhaltssituation der Klägerin durch den Tod des Versicherten merklich beeinträchtigt wurde (LSG Niedersachsen, Breithaupt 1959, 312, 314). Aber auch im allgemeinen Sprachgebrauch, der mangels anderer Anhaltspunkte für die Auslegung von gesetzlichen Begriffen maßgebend sein kann, werden Zuwendungen, die für den Stand der Lebensführung unerheblich sind, nicht als Unterhaltsleistung bezeichnet, Selbst wenn sie regelmäßig erfolgen. Eine Leistung von 5,- DM je Monat fällt auch bei bescheidener Lebensführung nicht ins Gewicht. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Kaufkraft des Geldes im Jahre 1953 noch etwas größer war als heute, so erscheinen doch 5,- DM im Verhältnis zu den monatlichen Ausgaben allein für den täglichen Bedarf als unerheblich.

Aus demselben Grunde entfällt auch die Möglichkeit, die Zweite Alternative des § 42 AVG - tatsächliche Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Tode - als erfüllt anzusehen. Im übrigen wäre auch das Erfordernis der "Freiwilligkeit" dieser Leistungen nicht gegeben (BSG in SozR RVO § 1265 Nr. 6).

Aus diesen Gründen muß das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das im Ergebnis richtige Urteil des SG zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1983734

NJW 1962, 174

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge