Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsmittel. Krankenfahrstuhl. Verladerampe
Orientierungssatz
1. Das maßgebliche Kriterium für die Leistungspflicht einer Krankenkasse neben der Eignung eines Geräts (hier: Verladerampe für Krankenfahrstuhl) als Hilfsmittel iS des § 182b RVO ist dessen Notwendigkeit gemäß § 182 Abs 2 RVO (vgl BSG vom 22.5.1984 8 RK 45/83 = SozR 2200 § 182b Nr 30 mwN und vom 20.5.1987 8 RK 45/85 = SozR 2200 § 182b Nr 34). Insoweit haben der dritte und der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl die Nachweise in den vg Urteilen des erkennenden Senats) darauf abgehoben, daß es bei der Anwendung des § 182b RVO auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung des RehaAnglG vom 7.8.1984 darauf ankommt, ob der Einsatz des Hilfsmittels für die alltägliche Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Soweit es dagegen nur besonderen, insbesondere dem gesellschaftlichen oder privaten Bereich allein zuzurechnenden Tätigkeiten dient, gehört es nicht zu den notwendigen, nach § 182 Abs 2 RVO zu gewährenden Leistungen (erkennender Senat aaO mwN).
2. Sind Behinderte mit einem Rollstuhl ausgestattet, der konstruktionsbedingt ohne Zuhilfenahme einer Rampe in einen PKW verladen werden kann (Falt-Rollstuhl), so haben sie keinen Anspruch auf Ausstattung mit einer Rampe.
Normenkette
RVO § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs 2 Fassung: 1930-07-26, § 182b Fassung: 1981-12-22; RehaAnglG
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 28.04.1987; Aktenzeichen L 5 Kr 38/86) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 27.06.1986; Aktenzeichen S 7 Kr 22/85) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger mit einer Basisrampe mit Verlängerung für die Verladung eines Elektro-Rollstuhles in einen Pkw auszustatten hat.
Der Kläger leidet an einer Multiplen Sklerose mit Lähmung beider Beine. Die Beklagte hat ihm neben einem Falt-Rollstuhl auch einen Elektro-Rollstuhl zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit einer Basisrampe nebst Verlängerung hat sie durch den Bescheid vom 24. Januar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1985 mit der Begründung abgelehnt, bei dem Gerät handele es sich nicht um ein von ihr zu gewährendes Hilfsmittel, weil es nicht dem Ausgleich der Behinderung selbst diene, sondern lediglich die Benutzung eines Personenkraftwagens erleichtere.
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat durch Urteil vom 27. Juni 1986 die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Basisrampe sei kein Hilfsmittel iS des § 182b der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der Kläger sie nicht benötige, um elementare Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Hierzu sei er schon deshalb nicht in der Lage, weil er infolge seiner Krankheit nicht fähig sei, sein Kraftfahrzeug zu fahren und seinen Elektro-Rollstuhl in seinem Pkw mitzunehmen. Überdies sei die Ausstattung des Klägers mit der Laderampe auch nicht notwendig. Der Kläger könne den Falt-Rollstuhl in seinem Pkw transportieren und mit seinem Elektro-Rollstuhl etwa 40 km selbst fahren, ohne die Batterien nachladen zu müssen.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner - vom LSG zugelassenen - Revision vor, das LSG habe den Begriff der elementaren Lebensbedürfnisse verkannt. Hierzu gehöre auch die möglichst volle Beweglichkeit des Behinderten.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landes- sozialgerichts vom 28. April 1987 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 27. Juni 1986 zurück- zuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, dem Kläger - über die Versorgung mit einem Falt-Rollstuhl und einem Elektro-Rollstuhl hinaus - mit der begehrten Basisrampe nebst Führungsschiene auszustatten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des LSG zutrifft, die Basisrampe nebst Verlängerungsschiene sei schon deshalb kein Hilfsmittel iS des § 182b RVO, weil sie zwar zur Verladung des Elektro-Rollstuhles in den Pkw des Klägers diene, jedoch für den Kläger selbst nutzlos sei, weil er infolge seiner Behinderung keinen Pkw führen könne. Denn auch wenn die Rampe trotz dieser besonderen Umstände als Hilfsmittel anzusehen ist, würde, wie das LSG weiter zutreffend entschieden hat, die Notwendigkeit der Ausstattung des Klägers mit diesem Hilfsmittel durch die Kasse (§ 182 Abs 2 RVO) entfallen.
Der erkennende Senat hat bereits wiederholt entschieden (vgl Urteil vom 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83 -, SozR 2200 § 182b Nr 30 mwN - Schreibtelefon -; Urteil vom 20. Mai 1987 - 8 RK 45/85 -, zur Veröffentlichung bestimmt, - Optacon-Lesegerät -), daß das maßgebliche Kriterium für die Leistungspflicht einer Krankenkasse neben der Eignung eines Geräts als Hilfsmittel iS des § 182b RVO dessen Notwendigkeit gemäß § 182 Abs 2 RVO ist. Insoweit haben der dritte und der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl die Nachweise in den vorgenannten Urteilen des erkennenden Senats) darauf abgehoben, daß es bei der Anwendung des § 182b RVO auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) vom 27. August 1984 (BGBl I 1881) darauf ankommt, ob der Einsatz des Hilfsmittels für die alltägliche Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Soweit es dagegen nur besonderen, insbesondere dem gesellschaftlichen oder privaten Bereich allein zuzurechnenden Tätigkeiten dient, gehört es nicht zu den notwendigen, nach § 182 Abs 2 RVO zu gewährenden Leistungen (erkennender Senat aaO mwN). Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen gehören nicht nur die Ernährung oder die elementare Körperpflege (BSG SozR 2200 § 182b Nrn 10, 17 mwN), sondern auch die Schaffung eines gewissen körperlichen oder geistigen Freiraumes (BSG SozR 2200 § 182b Nrn 12, 17, 29). Immer aber muß, wie der Senat in den vorgenannten Urteilen vom 22. Mai 1984 und 20. Mai 1987 (aaO) erneut verdeutlicht hat, das Hilfsmittel im Einzelfall für die elementare Lebensbetätigung des Behinderten oder deren wesentliche Verbesserung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse notwendig seien.
An dieser Inhaltsbestimmung des Begriffes der Notwendigkeit der Ausstattung mit einem Hilfsmittel hält der Senat fest. Auch das LSG hat sie seiner weiteren Begründung zutreffend zugrunde gelegt. Dem Kläger stehen mit dem Falt-Rollstuhl und dem Elektro-Rollstuhl Hilfsmittel zur Verfügung, die sein Grundbedürfnis der Fortbewegung, insbesondere soweit dieses der Schaffung eines körperlichen und geistigen Freiraumes und der Befriedigung der übrigen Grundbedürfnisse dient, in einem der Zielsetzung des § 182 Abs 2 RVO entsprechenden Umfang befriedigen. Es kann dahingestellt bleiben, welchen Umfang das Grundbedürfnis der Fortbewegung haben muß, insbesondere ob die Krankenkasse dem Gehbehinderten ermöglichen muß, auch größere Entfernungen zu überbrücken. Nach den unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG kann der Kläger mit seinem Elektro-Rollstuhl ohne fremde Hilfe eine gewisse Wegstrecke bis zu 40 km zurücklegen und damit an viele Ziele gelangen, die er im täglichen Leben gewöhnlich erreichen muß. Für die Zurücklegung des Weges zu weiter entfernt liegenden Zielen, an die er im Einzelfall zur Deckung seiner allgemeinen Grundbedürfnisse gelangen können muß, steht dem Kläger, wie das LSG festgestellt hat, der Falt-Rollstuhl zur Verfügung, der ohne die begehrte Zusatzeinrichtung in einen Personenkraftwagen verladen werden kann. Damit reichen die beim Kläger schon jetzt vorhandenen Hilfsmittel in jedem Fall aus, um das Grundbedürfnis der Fortbewegung im Bereich der allgemeinen Lebensbetätigung zu befriedigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen