Verfahrensgang
SG Kiel (Urteil vom 25.11.1977) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 25. November 1977 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Kiel zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, wie die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung für Empfänger von Kurzarbeitergeld (KuG) zu berechnen sind, wenn in den Wochen, in denen Kurzarbeit anfiel, auch Überstunden geleistet wurden.
In den Monaten Mai, Juni und August bis Oktober 1975 wurde im Betrieb der Klägerin kurzgearbeitet, und zwar dergestalt, daß jeweils an den Montagen die Arbeit ganz ausfiel, an den übrigen Arbeitstagen der Woche dagegen voll gearbeitet wurde. Für eine größere Anzahl von Arbeitnehmern fielen dabei auch Überstunden an. Anläßlich einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte fest, daß für diese Überstunden von der Klägerin keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Mit Bescheid vom 12. April 1976 forderte sie deshalb von der Klägerin Beiträge in Höhe von 1.927,78 DM (586,03 DM Krankenversicherungsbeiträge; 1.341,75 DM Rentenversicherungsbeiträge) nach. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 1. November 1976, Urteil des Sozialgerichts –SG– Kiel vom 25. November 1977). Das SG hat die Auffassung vertreten, die Beiträge seien im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum zweifach zu errechnen: Einmal für das tatsächlich erarbeitete Entgelt an den Tagen von Dienstag bis Freitag, wozu auch die Entlohnung für die wirklich geleisteten Überstunden gehöre. Zusätzlich seien dann die Beiträge für den fiktiven Lohn in den Ausfallstunden des jeweiligen Montags zu ermitteln. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, daß sich die Sozialversicherungsbeiträge in der genannten Zeitspanne, in der die Arbeitnehmer KuG erhalten haben, nach dem fiktiven Stundenlohn in der fiktiven Arbeitszeit (§§ 68, 69 Arbeitsförderungsgesetz –AFG–) bemessen würden.
Mit der – vom SG im Urteil zugelassenen – Sprungrevision wendet sich die Klägerin gegen diese Rechtsansicht. Sie macht geltend, eine zweifache Berechnung der Beiträge im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum stehe im Widerspruch zu § 163 AFG. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, die Beiträge der Empfänger von KuG während der gesamten Dauer einer Bezugsfrist iS des § 67 AFG auf der Basis einer von tatsächlicher Arbeitszeit oder Entgelthöhe unabhängigen Bezugsgröße zu errechnen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 12. April 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 1976 aufzuheben.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich diesem Antrag an.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des SG muß aufgehoben werden. Der Rechtsstreit ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden, weil die Arbeitnehmer der Beklagten, die Überstunden während der Kurzarbeit geleistet haben, nicht zum Verfahren beigeladen sind. Von der Frage, ob der aus diesen Überstunden erzielte Lohn bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen ist oder nicht, hängt die Höhe der zu entrichtenden Rentenversicherungsbeiträge und damit auch die Höhe der sich aus der Gesamtheit der entrichteten Beiträge ergebenden Renten der betroffenen Arbeitnehmer ab. Die Entscheidung des Rechtsstreits greift damit über das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zugleich in die Rechtssphäre dieser versicherten Arbeitnehmer ein. Sie sind daher nach § 75 Abs. 2 Alternative 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig beizuladen (BSGE 11, 262; Urteil des erkennenden Senats vom 2. Februar 1978 – 12 RK 59/76 – SozR 1500 § 75 Nr. 15 mwN). Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 1; Urteil des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1976 – 12/3/12 RK 23/74 – Breithaupt 1977, 846 = USK 76312).
Eine notwendige Beiladung der Betriebsvertretung der Klägerin kommt nicht in Betracht, wie dies der Fall wäre, wenn der Rechtsstreit den Anspruch auf KuG selbst beträfe. Eine sich aus § 72 Abs. 1 Satz 1 und 2 AFG – wie für das Schlechtwettergeld aus § 88 Abs. 1 und 2 AFG und für das Wintergeld aus § 81 Abs. 3 AFG (vgl. BSG SozR 1500 § 75 Nr. 10 mwN) – ergebende Stellung der Betriebsvertretung als Prozeßstandschafter ist auf das KuG-Verfahren beschränkt und erfaßt nicht auch noch die beitragsrechtlichen Folgen der KuG-Gewährung. In Beitrags Streitigkeiten nach §§ 162, 163 und 166 AFG stehen sich Arbeitgeber als Beitrags Schuldner und Einzugsstelle als Verfahrensbeteiligte ohne Einschaltung der Betriebsvertretung gegenüber. Außer den bereits beigeladenen beitragsberechtigten Versicherungsträgern und der ebenfalls beigeladenen erstattungspflichtigen Bundesanstalt für Arbeit (§ 163 Abs. 2 Satz 2 AFG) sind deshalb nur die betroffenen Arbeitnehmer selbst notwendig beizuladen. Da deren Beiladung in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden kann (§ 168 SGG), ist es geboten, das Urteil des SG aufzuheben und die Sache an das SG zurückzuverweisen, damit die Beiladung erfolgen kann.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen