Leitsatz (amtlich)

Die zur Begründung einer Rentenanwartschaft nach § 1587b Abs 3 BGB gezahlten Beträge wirken sich leistungsrechtlich wie freiwillige Beiträge aus; sind sie nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit gezahlt, so können sie auch dann nur auf einen späteren Versicherungsfall angerechnet werden, wenn die Erwerbsunfähigkeit erst nach dem Ende der Ehezeit eingetreten ist.

 

Normenkette

BGB § 1587b Abs 3 S 1 Halbs 1 Fassung: 1976-06-14; RVO § 1304a Abs 1 Fassung: 1976-06-14

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 14.12.1982; Aktenzeichen L 2 J 574/82)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.04.1982; Aktenzeichen S 17/8 J 195/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die rentensteigernde Anrechnung von Beiträgen, die der geschiedene Ehemann der Klägerin (Versicherter) im Rahmen des Versorgungsausgleichs zur Begründung einer Rentenanwartschaft in Höhe von DM 13,43 monatlich geleistet hat.

Die Ehe der im Jahre 1923 geborenen Klägerin mit dem Versicherten wurde durch Urteil des Amtsgerichts Offenbach - Familiengericht - vom 31. März 1981, rechtskräftig seit 30. Mai 1981, geschieden. Im Scheidungsurteil wurden von dem Versicherungskonto des Versicherten Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 30. April 1980 beendet war, übertragen. Gleichzeitig wurde dem Versicherten, der bei seinem Arbeitgeber eine Anwartschaft auf betriebliche Alters- und Invaliditätsversorgung erworben hatte, auferlegt, zu Gunsten der Klägerin auf deren Versicherungskonto bei der Beklagten den Betrag von DM 2.511,42, bezogen auf eine Beitragsentrichtung im Jahre 1981, einzuzahlen. Der Versicherte kam dieser Auflage im Juli 1981 nach.

Am 21. Oktober 1980 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diese wurde ihr durch Bescheid vom 13. März 1981 aufgrund des im Oktober 1980 eingetretenen Versicherungsfalles vom 1. November 1980 an gewährt. Bei der Rentenberechnung wurden die im Wege des Versorgungsausgleichs der Klägerin zugeflossenen Rentenanwartschaften nicht berücksichtigt. Nach Klageerhebung erhöhte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Oktober 1981 die Rente unter Berücksichtigung der Übertragung der Rentenanwartschaft in Höhe von DM 171,70 monatlich, lehnte jedoch eine Erhöhung der Rente aufgrund der Beitragsentrichtung zur Begründung einer monatlichen Rentenanwartschaft von DM 13,43 ab.

Die Klage auf Erhöhung der Rente um DM 13,43 monatlich blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Frankfurt -SG- vom 23. April 1982, Urteil des Hessischen Landessozialgerichts -LSG- vom 14. Dezember 1982). In den Entscheidungsgründen führt das LSG ua aus, die zur Begründung dieser Rentenanwartschaft notwendige Beitragszahlung des Versicherten sei erst nach Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit erfolgt, so daß die Rentenerhöhung erst nach Eintritt des nächsten Versicherungsfalles des Alters durchgeführt werden könne. Es handele sich im vorliegenden Fall nicht um eine Übertragung einer beim Versicherten bereits bestehenden Rentenanwartschaft, sondern um die im Wege der Beitragszahlung neu zu begründende Rentenanwartschaft.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Klägerin mit der vom LSG zugelassenen Revision. Sie trägt vor, die Erwerbsunfähigkeit sei erst nach dem Ende der Ehezeit (30. April 1980) eingetreten. Für die Anrechenbarkeit der Beiträge sei auf das Ende der Ehezeit abzustellen. Bei dem vom Versicherten an die Beklagte gezahlten Betrag handele es sich nicht um einen freiwilligen Beitrag, vielmehr habe eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung bestanden.

Die Klägerin beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 13. März 1981 und vom 2. Oktober 1981 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung der im Juli 1981 erfolgten Beitragszahlung eine höhere Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente aus dem vom Versicherten im Wege des Versorgungsausgleichs zur Begründung einer Rentenanwartschaft gezahlten Betrag. Diese Zahlung erfolgte erst nach Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit; sie kann deshalb nach § 1304b Abs 1 letzter Satz iVm § 1233 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht auf die Rente wegen dieses Versicherungsfalles, sondern erst bei einem späteren Versicherungsfall angerechnet werden. Dies hat das LSG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt.

Der Versorgungsausgleich kann in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Übertragung bestehender Rentenanwartschaften ("Rentensplitting", § 1587b Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), Neubegründung von Rentenanwartschaften ("Quasi-Splitting", § 1587b Abs 2 BGB) oder Zahlungsanordnung zur Begründung von Rentenanwartschaften (§ 1587b Abs 3 BGB) durchgeführt werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem auf familienrechtlichen Gebiet liegenden Formen der Durchführung (§ 1587b BGB) und den sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen (§ 1304 ff RVO). Auf diese ist schon im Wortlaut des § 1587b BGB für alle in diesem Bereich aufgeführte Formen des Versorgungsausgleichs verwiesen.

Wird der Versorgungsausgleich durch Übertragung bereits bestehender Rentenanwartschaften durchgeführt (Rentensplitting), so kommt diese übertragene Anwartschaft dem Begünstigten auch dann zugute, wenn der Versicherungsfall, aus dem eine Rente zu gewähren ist, bereits vor Übertragung der Rentenanwartschaft, selbst schon vor Eingehung der Ehe eingetreten ist (so Urteil des BSG vom 11. Februar 1982 - 11 RA 8/81 - BSGE 53, 78 = SozR 2200 § 1304 a Nr 2 mwN aus den Gesetzesmaterialien und der Rechtsprechung). Insoweit gilt § 1233 Abs 2 RVO nicht. Hierin mag eine Verletzung des Versicherungsprinzips liegen (vgl BSG aaO, S 81), wonach ein Risiko nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht mehr versichert werden kann. Indessen wird das Versicherungsprinzip bei der Übertragung von Rentenanwartschaften (Rentensplitting) nicht völlig durchbrochen. Einmal sind die Beiträge bereits geleistet, dies unter Umständen sogar im vollen Umfang vor Eintritt des Versicherungsfalles, und zum anderen sind die versicherten Risiken gleichartig. Unterschiede bestehen lediglich in der Person des Versicherten, des Ausgleichspflichtigen, und des Begünstigten, des Ausgleichsberechtigten. In jedem Falle erbringt der Rentenversicherungsträger seine Leistungen aus einem auf bereits entrichteten Beiträgen beruhenden Versicherungsverhältnis.

Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle des § 1587b Abs 2 und 3 BGB, in denen eine noch nicht vorhandene Rentenanwartschaft erst durch Beitragsleistungen begründet werden muß. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Zahlungsanordnung zur Begründung einer Rentenanwartschaft nach § 1587b Abs 3 BGB, weil der Versicherte seinen Anspruch auf eine Betriebsrente anteilig durch Begründung einer Rentenanwartschaft auf die Klägerin zu übertragen hatte. Hierzu bedurfte es einer Beitragsleistung zur Rentenversicherung in Form einer einmaligen Zahlung. Die sozialversicherungsrechtlichen Folgen aus der Begründung dieser Rentenanwartschaft ergeben sich aus § 1304b RVO. Dieser verweist im letzten Satz seines Abs 1 auf § 1233 Abs 2 RVO, wonach eine zulässige Versicherung während einer Erwerbsunfähigkeit nur zur Anrechnung für einen späteren Versicherungsfall erfolgen kann. In diesem Punkt unterscheidet sich die Regelung des § 1304b RVO von der des § 1304a RVO, der sich ausschließlich mit den Folgen der Übertragung einer beim Versicherten bereits bestehenden Rentenanwartschaft nach § 1587b Abs 1 BGB befaßt. Diese Vorschrift enthält die Einschränkung des § 1233 Abs 2 RVO nur insoweit, als der Ausgleichsverpflichtete die Minderung seiner Rentenanwartschaften ganz oder teilweise durch Entrichtung von Beiträgen ausgleichen darf (aaO, Abs 6). Aber auch hier handelt es sich wie im Bereich des § 1304b RVO um die Begründung von Rentenanwartschaften bzw von Rentenansprüchen durch Entrichtung von Beiträgen und damit um die Begründung eines Versicherungsverhältnisses, während bei der bloßen Übertragung einer Rentenanwartschaft die Beiträge bereits entrichtet sind. Insgesamt werden die zur Begründung einer Rentenanwartschaft im Wege des Versorgungsausgleichs entrichteten Beträge leistungsrechtlich wie freiwillige Beiträge behandelt. In diesem Zusammenhang ist der Eintritt des Versicherungsfalles vom Ende der Ehezeit zu unterscheiden. Diese ist nach § 1587 BGB maßgebend für die Höhe der zu begründenden Rentenanwartschaft und damit der vom Ausgleichspflichtigen zu zahlenden Beiträge. Die Ehezeit hat nur eine familienrechtliche Bedeutung; sie ist zu unterscheiden von den auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet liegenden Auswirkungen geleisteter Beiträge auf den Rentenanspruch. Hierfür gelten die Vorschriften der RVO.

Im vorliegenden Fall hat der Versicherte durch seine Zahlung die hier streitige Rentenanwartschaft erst nach Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin begründet. Mit Recht hat deshalb die Beklagte die Zahlung des Versicherten bei der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin nicht berücksichtigt. Diese Berücksichtigung ist erst beim Altersruhegeld der Klägerin möglich.

Hieran ändert sich auch nichts durch die Verfassungswidrigkeit des § 1587b Abs 3 S 1 BGB, aufgrund dessen der Versicherte die Rentenanwartschaft begründete (vgl Beschluß des BVerfG vom 27.1.1983 - 1 BvR 1008/79 - BVerfGE 63, 88 = SozR 7610 § 1587b Nr 3), sowie durch das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (BGBl I, 105); denn diese Regelungen beziehen sich nur auf die Zahlungsverpflichtungen, nicht aber auf die Rentenberechnung.

Nach alldem war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Breith. 1984, 878

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