Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergeleiteter Rentenanspruch. Rente für den Sterbemonat

 

Orientierungssatz

Wie der Ersatzanspruch (§ 1531 RVO idF vom 29.3.1945) des Trägers der Sozialhilfe gegen den Träger der Rentenversicherung besteht auch der nach § 27e BVG idF vom 20.1.1967 übergeleitete Rentenanspruch des Trägers der Kriegsopferfürsorge gegen den Träger der Rentenversicherung nicht für die Zeit nach dem Tod des Rentners, umfaßt insbesondere nicht die Rente für die Zeit vom Todestag bis zum Ende des Sterbemonats (Fortführung von BSG 1980-02-21 4 RJ 55/79 = BSGE 50, 6).

 

Normenkette

BVG § 27e Abs 1 S 1 Fassung: 1967-01-20; BSHG § 90; RVO § 1531 Fassung: 1945-03-29

 

Verfahrensgang

SG Würzburg (Entscheidung vom 15.12.1982; Aktenzeichen S 4 Ar 269/82)

 

Tatbestand

Die Rentnerin A H bezog von der klagenden Landesversicherungsanstalt (LVA) Altersruhegeld. Die beklagte Stadt als Träger der Kriegsopferfürsorge gewährte ihr ab Februar 1975 Pflege in einem Alten- und Pflegeheim. Sie leitete mit Schreiben an die LVA vom 4. April 1975 das Altersruhegeld nach § 27e Bundesversorgungsgesetz aF (BVG) auf sich über, und die LVA zahlte daraufhin die Rente an sie aus. Die Rentnerin starb am 6. Juni 1980. Die LVA stellte die Rentenzahlung zum Ende des Monats Juli 1980 ein. Die Stadt zahlte das Altersruhegeld für den Monat Juli 1980 voll, für den Monat Juni 1980 aber um die von ihr bis zum Todestag erbrachten Aufwendungen vermindert zurück.

Mit der Klage hat die LVA beantragt, die Stadt zur Zahlung von 220,90 DM, also "aller tageweisen Rentenanteile für die Zeit nach dem Tod", zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 15. Dezember 1982 dem Antrag entsprochen und die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (BSGE 50, 6 = SozR 2200 § 1531 Nr 10), die für den Ersatzanspruch nach § 1531 Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangen sei, müsse auch für den Fall der Überleitung nach § 27e BVG gelten.

Mit der Revision trägt die beklagte Stadt vor, die angeführte Rechtsprechung des BSG könne für den Fall der Überleitung nicht gelten. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die klagende LVA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Auf ihren Schriftsatz vom 6. April 1983 wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der beklagten Stadt ist zulässig; der Sozialrechtsweg ist eröffnet; die Leistungsklage (§ 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist hier die richtige Form der Geltendmachung des Anspruchs. Insoweit nimmt der Senat auf sein früheres Urteil (BSGE 50, 6, 7) Bezug.

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die klagende LVA hat, wie das SG zutreffend entschieden hat, gegen die beklagte Stadt einen Anspruch auf den geforderten - der Höhe nach unstreitigen und von der Revision nicht beanstandeten - Betrag, der dem Altersruhegeld der Rentnerin für die Zeit vom Tag nach dem Todestag bis zum Ende des Sterbemonats, vermindert um einen von der Stadt bereits gezahlten Teilbetrag, entspricht.

Der Anspruch der LVA ist auf Rückzahlung des Teiles eines im voraus gezahlten Renten-Monatsbetrages gerichtet, der dem Empfänger - der Stadt - wegen des Todes der Rentnerin nicht zustand. Die Rechtsnatur dieses, im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen, Anspruchs ähnelt zum einen dem Rückforderungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung gegenüber dem Bürger nach § 1301 RVO aF (dort wird der Anspruch zwar nicht begründet, aber vorausgesetzt), § 43 Abs 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) und § 50 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X), zum anderen dem Erstattungsanspruch eines Trägers gegen einen anderen nach §§ 102 ff SGB X und schließlich dem bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch. Voraussetzung für den Anspruch kann nach Lage der Sache nur sein, daß die Stadt den streitigen Betrag ohne rechtfertigenden Grund von der LVA erlangt hat oder daß der zunächst angenommene rechtfertigende Grund nicht oder nicht in vollem Umfang eingetreten ist. Diese Voraussetzung ist hier zu bejahen.

Dazu kommt es zunächst auf den Rechtscharakter des Anspruches an, den die Stadt gegen die LVA hatte und zu dessen vorschußweiser Befriedigung die LVA an die Stadt einen Betrag in Höhe des Altersruhegeldes jeweils am Monatsanfang im voraus gezahlt hat.

Das SG nimmt zu Recht an, es habe sich um einen übergegangenen Rentenanspruch gehandelt. Die "Anzeige" der Stadt an die LVA hat nach § 27e Abs 1 Satz 1 BVG aF (jetzt § 27g Abs 1 Satz 1 BVG, diese Vorschrift zuletzt geändert durch Art II § 9 Nr 7 des Sozialgesetzbuches (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982, BGBl I, 1450) bewirkt, daß der Anspruch der Rentnerin gegen die LVA auf laufende Auszahlung des Altersruhegeldes bis zur Höhe der Aufwendungen der Stadt auf diese überging (dem entsprach die Regelung in § 90 Abs 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz -BSHG- aF). Nach der Rechtsprechung des BSG konnte der Träger der Sozialhilfe einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen einen Träger der Sozialversicherung nicht nach § 90 BSHG auf sich überleiten, weil ihm der Ersatzanspruch nach § 1531 RVO aF zur Verfügung stand (BSGE 16, 44, 49 = SozR Nr 2 zu § 1538 RVO; BSGE 21, 84, 85 = SozR Nr 13 zu § 1531 RVO; SozR Nr 32 zu § 1531 RVO; BSGE 50, 6, 7 = SozR 2200 § 1531 Nr 10). Das galt aber nicht für den Träger der Kriegsopferfürsorge, dem ja nicht - wie der unterstützenden Gemeinde oder dem Träger der Armenfürsorge (Sozialhilfe) - der Ersatzanspruch nach § 1531 RVO aF offen stand (so im Ergebnis schon der erkennende Senat in SozR 3100 § 27e Nr 1 S 2 und 4).

Der Rentenanspruch ging allerdings nur für die Zeit über, für die der Rentnerin Leistungen der Kriegsopferfürsorge gewährt wurden (§ 27e Abs 2 BVG aF; vgl auch § 90 Abs 2 BSHG).

Daß nach neuem Recht (§ 27g BVG idF des Gesetzes vom 4. November 1982) eine solche Überleitung nicht mehr möglich ist, macht die im Jahr 1975 vorgenommene Überleitung nicht unwirksam. Zwar sind nach Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften des SGB X zu Ende zu führen. Hier war und ist aber kein Verfahren mit Bezug auf "Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander" (§§ 102 bis 114 SGB X) anhängig. Die Stadt hat gegen die LVA keinen (originären) Erstattungsanspruch, sondern einen übergeleiteten Rentenanspruch geltend gemacht; dieser Anspruch ist zudem durch die von der LVA vorgenommene Erfüllung erloschen. Die Überleitungsanzeige hat die materiell-rechtliche Auswechselung des einen Gläubigers (Rentnerin) durch einen anderen (Stadt) bewirkt und damit allenfalls ein Verfahren auf Auszahlung der Rente von der LVA an die Stadt, aber kein Erstattungsverfahren in Gang gesetzt.

Die Stadt ist aufgrund des öffentlich-rechtlichen Forderungsüberganges in die Rechtsstellung der Rentnerin eingetreten. Diese hatte einen Rentenanspruch für den ganzen Sterbemonat. Das ergibt sich aus § 1294 RVO und entspricht dem Grundsatz, daß der Monatsbetrag die kleinste Renteneinheit ist, wie die §§ 1290, 1297, 631 und 619 Abs 1 RVO bezeugen, und nach § 1290 RVO normalerweise der erste Monatsbetrag am ersten eines Monats für den ganzen Monat fällig wird (BSG SozR 2200 § 1294 Nr 1).

Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß auch die Stadt die Rente für den ganzen Sterbemonat beanspruchen kann. Denn die Stadt hat der Rentnerin nur bis zum Todestag Leistungen gewährt, und nur für diese Zeit, also für die Periode vom Monatsanfang bis zum Todestag, ist der Rentenanspruch übergegangen. Zwar hat die Stadt möglicherweise einen Anspruch darauf gehabt, daß ihr die volle Monatsrente jeweils am Monatsersten ausgezahlt werde, aber dieser Anspruch stand nach § 27e Abs 2 BVG aF unter der auflösenden Bedingung des Todes der Rentnerin.

Die Stadt meint dazu, sie habe schon am ersten Tag des Monats gegen die Rentnerin einen Anspruch (wohl auf Kostenersatz, §§ 92 ff BSHG) gehabt, der über ein Dreißigstel der Monatsrente hinausging, und sie habe diesen Anspruch durch die Überleitung des Rentenanspruchs befriedigt. Das ändert jedoch nichts daran, daß nach § 27e Abs 2 BVG aF der Rentenanspruch nur für die Zeit bis zum Tod der Rentnerin überging. Die über das Altersruhegeld hinausgehenden Kosten der Sozialhilfe muß die Stadt, vorbehaltlich anderer Ersatzmöglichkeiten, im Verhältnis zum Träger der Rentenversicherung allein tragen, und zwar unabhängig davon, ob die Rentnerin während des ganzen Monats oder nur während eines Monatsteils gelebt hat.

Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob die LVA die zurückerhaltenen Rentenanteile für den Sterbemonat an die Rechtsnachfolger der Klägerin auszahlen muß, denn das macht ihren Anspruch gegen die Stadt nicht unbegründet. Insoweit wird auf das Urteil BSGE 50, 6, 8 f verwiesen.

Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661173

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