Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Nachentrichtungsrecht für Verfolgten mit reichsgesetzlichen Beiträgen in den „Ostgebieten”
Leitsatz (amtlich)
Ein Nachentrichtungsrecht nach § 21 Abs 1 S 3 und § 22 Abs 1 S 2 WGSVG steht einem Verfolgten nicht zu, für den in den „eingegliederten Ostgebieten” Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen entrichtet worden sind.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
WGSVG § 21 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1989-12-18, § 22 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1989-12-18; FRG § 17 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1960-02-25; FRG § 17 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1989-12-18; RVO § 1250 Abs. 1; SVOstgebiete EV § 30 Abs. 1; WGSVG § 9 Fassung: 1989-12-18, § 10 Fassung: 1989-12-18
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. März 1997 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachentrichtung zur Rentenversicherung.
Die 1921 geborene Klägerin stammt aus S. … in Ostoberschlesien (Polen), war polnische Staatsangehörige und ist Verfolgte. 1944 wanderte sie nach Palästina aus. Sie lebt seit 1948 als israelische Staatsangehörige in Israel.
Im Oktober 1990 beantragte sie bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Anerkennung von Fremdbeitragszeiten nach § 17 Abs 1 Buchst b des Fremdrentengesetzes (FRG) in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung (Fassung 1990) und die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 21, 22 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Juni 1992 ab, weil Zeiten nach dem FRG nicht glaubhaft gemacht worden seien. Die Klägerin erhob Widerspruch und gab an, nach Abschluß des Gymnasiums im Juni 1939 eine Ausbildung als Krankenschwester im jüdischen Krankenhaus von S. … begonnen zu haben. Sie sei dort auch nach ihrer Einweisung in das Ghetto S. … am 15. Januar 1940 gegen Entgelt in deutscher Währung als Krankenschwester beschäftigt und in der staatlichen Rentenversicherung versichert gewesen. Diese Beschäftigung habe sie fortgesetzt, als das jüdische Krankenhaus im März 1943 in das neu errichtete Ghetto S. … /S. … verlegt worden sei. Nach Auflösung dieses Ghettos im August 1943 sei sie zunächst dort verblieben und mit der Liquidation von Vermögen in S. … betraut worden. Im Januar 1944 sei ihr die Flucht gelungen. Die Beklagte erkannte nach weiteren Ermittlungen mit Bescheid vom 4. Juni 1993 die Zeit vom 15. Januar 1940 bis zum 14. Januar 1944 als glaubhaft gemachte Beitragszeit an; die Anerkennung der Zeit vom 1. Juni 1939 bis 14. Januar 1940 lehnte sie ab, weil eine Beitragsentrichtung nicht glaubhaft erscheine. Hierzu teilte die Klägerin der Beklagten mit (Schreiben vom 1. September 1993), sie habe zutreffend entschieden, daß Zeiten nach § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1990) nicht vorlägen. Sie mache jedoch weiterhin ein Nachentrichtungsrecht nach den §§ 21, 22 WGSVG geltend. Diese Vorschriften müßten nach Anerkennung der genannten Beitragszeit entsprechend angewandt werden. Daraufhin lehnte die Beklagte die Nachentrichtung mit Bescheid vom 6. September 1993 erneut ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1993 wies sie den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Juni 1992 in der Fassung des Bescheides vom 6. September 1993 zurück. Die anerkannte Zeit vom 15. Januar 1940 bis 14. Januar 1944 sei keine Beitragszeit nach dem FRG. Vielmehr handele es sich um eine reichsgesetzliche Beitragszeit.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 28. März 1996 die Beklagte unter Abänderung der Bescheide verurteilt, die Nachentrichtung nach § 22 WGSVG zuzulassen; hinsichtlich der Nachentrichtung nach § 21 WGSVG hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 20. März 1997 das Urteil des SG geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Ihr stehe ein Nachentrichtungsrecht weder nach § 21 WGSVG noch nach § 22 WGSVG zu, weil die Zeit vom 15. Januar 1940 bis 14. Dezember 1944 keine Beitragszeit nach § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1990) sei. Beiträge für diese Zeit seien nicht im Sinne dieser Vorschrift an einen nichtdeutschen, sondern an einen deutschen Träger entrichtet worden. Eine entsprechende Anwendung des § 21 Abs 1 Satz 3 und des § 22 Abs 1 Satz 2 WGSVG sei ausgeschlossen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 21 Abs 1 und des § 22 Abs 1 WGSVG. Ihr stehe ein Nachentrichtungsrecht in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften zu. Die Zufälligkeit administrativer Anordnungen der deutschen nationalsozialistischen Besatzungsmacht in Ostoberschlesien könne kein Abgrenzungskriterium dafür sein, ob jemand den durch Verfolgung erlittenen Schaden in der Sozialversicherung durch Nachentrichten von Beiträgen wieder ausgleichen dürfe oder nicht. Entscheidend sei allein, daß die Verfolgung nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst weitgehend wiedergutgemacht werden solle. Dieser Zweck dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, daß mehr oder weniger zufällig zu bestimmten Zeitpunkten durch den nationalsozialistischen Staat Eingliederungsregelungen in Kraft gesetzt worden seien, die nur das Ziel im Auge gehabt hätten, die jüdische Bevölkerung zu diskriminieren und zu vernichten. Im übrigen bezieht sich die Revision auf das Gutachten von Prof. Dr. A. … vom 2. Mai 1995.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 20. März 1997 und unter Abänderung des Urteils des SG vom 28. März 1996 sowie der Bescheide der Beklagten vom 15. Juni 1992 und vom 6. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 1993 die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß den §§ 21, 22 WGSVG zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Klägerin war aufgrund der Anerkennung der Zeit vom 15. Januar 1940 bis zum 14. Januar 1944 nicht zur Nachentrichtung nach den §§ 21, 22 WGSVG berechtigt.
1. Die Vorschriften sind durch Art 21 Nr 5 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl 2261) in das WGSVG eingefügt worden und nach Art 85 Abs 5 RRG 1992 am 1. Januar 1990 in Kraft getreten. Sie enthalten in § 21 WGSVG eine Regelung zur Wiedereröffnung von Nachentrichtungsrechten und begründen in § 22 WGSVG ein neues Nachentrichtungsrecht. Nach § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG können Verfolgte, für die erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind, auf Antrag die Nachentrichtung des § 10 WGSVG in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung (aF) ausüben, wenn sie vor dem 1. Januar 1976 einen Antrag nach § 10 WGSVG aF gestellt haben oder in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis 1. Dezember 1980 berechtigt waren, einen solchen Antrag zu stellen. Nach Maßgabe des Abs 1 Satz 2 der Vorschrift können Verfolgte iS des Satzes 1, die eine Nachentrichtung in einer Weise genutzt haben, die sich durch das erstmalige Berücksichtigen von Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG als ungünstig erweist, auf Antrag die Nachentrichtung neu ausüben. Gemäß Satz 3 der Vorschrift gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend für Verfolgte, für die nach § 17 Abs 1 Buchst b letzter Halbsatz FRG (Fassung 1990) Beitragszeiten nach dem FRG erstmals zu berücksichtigen sind, wobei es auch ausreicht, wenn sie vor dem 1. Januar 1976 berechtigt waren, einen Antrag nach § 10 WGSVG aF zu stellen. Nach Satz 1 des § 22 Abs 1 WGSVG können Verfolgte, für die erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind und die die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Januar 1990 verlassen haben, auf Antrag freiwillige Beiträge für Zeiten nachentrichten, für die sie durch die Berücksichtigung der Beitragszeiten und Beschäftigungszeiten nach dem FRG die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erstmalig erlangen. Nach Satz 2 des § 22 Abs 1 WGSVG gilt Satz 1 entsprechend für Personen, für die nach § 17 Abs 1 Buchst b letzter Halbsatz FRG (Fassung 1990) Beitragszeiten nach dem FRG erstmals zu berücksichtigen sind; § 1 Abs 1 WGSVG findet keine Anwendung.
2. Die Klägerin ist zunächst nicht nach Satz 1 oder Satz 2 des § 21 Abs 1 WGSVG und nicht nach Satz 1 des § 22 Abs 1 WGSVG zur Nachentrichtung berechtigt. Diese Vorschriften, die der Senat bereits eingehend behandelt hat (BSGE 74, 165 = SozR 3-5070 § 22 Nr 1), knüpfen an § 20 Abs 2 WGSVG idF des Art 21 Nr 4 RRG 1992 an und setzen die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis voraus. Diese ist bei der Klägerin weder vom LSG festgestellt noch wird sie von der Revision geltend gemacht. Die Revision stützt ihren Antrag vielmehr inhaltlich auf die Nachentrichtungstatbestände des Satz 3 des § 21 Abs 1 und des Satz 2 des § 22 Abs 1 WGSVG. Diese knüpfen an die Ergänzung des § 17 Abs 1 Buchst b FRG um den Halbsatz 2 an, sind aber bei der Klägerin ebenfalls weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
Der Halbsatz ist durch Art 15 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb RRG 1992 dem bis zum Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 1990 (Art 85 Abs 5 RRG 1992) geltenden § 17 Abs 1 Buchst b FRG idF des Art 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) angefügt worden. Nach dieser am 1. Januar 1959 in Kraft getretenen früheren Fassung (Fassung 1959) fand ua § 15 FRG (Anerkennung nichtdeutscher Beitragszeiten) auch auf Personen Anwendung, die nicht zu dem Personenkreis des § 1 Buchst a bis d FRG (Vertriebene iS des § 1 BVFG, Deutsche iS des Art 116 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫ bzw frühere Deutsche iS des Art 116 Abs 2 Satz 2 GG) gehörten, wenn die Beiträge an einen nichtdeutschen Träger entrichtet waren und ein deutscher Träger sie im Versicherungsfall wie nach den Reichsversicherungsgesetzen entrichtete Beiträge zu behandeln hatte. Nichtdeutsche Versicherungsträger iS des § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1959) waren solche Träger, die nicht die Voraussetzungen des § 3 FRG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung des Art 1 FANG erfüllten. Nach dieser Vorschrift waren als deutsche Versicherungsträger iS des FRG alle Versicherungsträger anzusehen, die ihren Sitz innerhalb des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 haben oder hatten oder außerhalb dieses Gebiets die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt haben, jedoch mit Ausnahme der Versicherungsträger, die in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten nach Beginn dieser Verwaltung errichtet worden waren.
3. Die Beiträge, deren Entrichtung die Beklagte bei der Klägerin anerkannt hat (15. Januar 1940 bis 14. Januar 1944), waren zu einem deutschen und nicht, wie die gesetzliche Regelung voraussetzt, zu einem nichtdeutschen Versicherungsträger entrichtet. Dieses ergibt sich aus der Entwicklung der Sozialversicherung in Polnisch-Ostoberschlesien nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im September 1939:
a) Der Reichsarbeitsminister (RMA) erließ die Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den der Provinz Schlesien eingegliederten, ehemals polnischen Gebieten (Schlesien-VO) vom 16. Januar 1940 (RGBl I 196), die am 1. Januar 1940 in Kraft trat (§ 42 Schlesien-VO). Von diesem Zeitpunkt an galten nach Maßgabe des § 1 Schlesien-VO die Reichsversicherungsgesetze in dem der Provinz Schlesien eingegliederten, ehemals polnischen Gebiet. Beiträge waren vom 1. Januar 1940 an (auch) für zurückliegende Zeiten nach Reichsrecht zu entrichten (§ 26 Abs 1, § 31 Schlesien-VO). Mit dem 31. Dezember 1939 wurden mit Ausnahme der Krankenversicherungsträger die Versicherungsträger, die in den eingegliederten Gebieten ihren Sitz hatten, aufgelöst; der RMA bestimmte das Nähere über die Abwicklung, den Übergang des Vermögens und die Rechte und Pflichten der Bediensteten dieser Versicherungsträger (§ 37 Schlesien-VO).
b) Durch die Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten (Ostgebiete-VO) vom 22. Dezember 1941 (RGBl I 777), die nach ihrem § 48 Abs 1 Satz 1 am 1. Januar 1942 in Kraft trat, wurde die Schlesien-VO zum selben Zeitpunkt aufgehoben (§ 48 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO). Diese für die gesamten eingegliederten Ostgebiete geltende Neuregelung bestimmte in inhaltlicher Übereinstimmung mit § 1 Schlesien-VO für die inzwischen durch Aufteilung der Provinz Schlesien neu geschaffene Provinz Oberschlesien, daß in den eingegliederten Gebieten die Reichsversicherungsgesetze vom Stichtag des 1. Januar 1940 an galten (§ 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Ostgebiete-VO). Beiträge in diesen Gebieten waren wie nach § 26 Abs 1, § 31 Schlesien-VO vom 1. Januar 1940 an (auch) für zurückliegende Zeiten nach Reichsrecht zu entrichten (§ 30 Abs 1, § 35 Ostgebiete-VO). Ebenfalls wurde bestimmt, daß mit dem 31. Dezember 1939 die Versicherungsträger, die in den eingegliederten Gebieten ihren Sitz hatten, mit Ausnahme der Krankenversicherungsträger aufgelöst wurden (§ 45 Abs 1 Satz 1 Ostgebiete-VO). Die Träger der Reichsversicherung, die an die Stelle der aufgelösten Versicherungsträger traten, waren hinsichtlich der Rechte und des Vermögens Rechtsnachfolger der aufgelösten Versicherungsträger; der RMA konnte bestimmen, ob und in welchem Umfang auch eine Rechtsnachfolge hinsichtlich der Verpflichtungen bestand (§ 45 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO). Wie nach § 37 Schlesien-VO bestimmte der RMA das Nähere über die Abwicklung, den Übergang des Vermögens und die Rechte und Pflichten der Bediensteten dieser Versicherungsträger. In den der Provinz Oberschlesien eingegliederten Gebieten war Träger der Invalidenversicherung die Landesversicherungsanstalt Schlesien (§ 31 Abs 1 Buchst a Ostgebiete-VO), Träger der Angestelltenversicherung die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (§ 104 des Angestelltenversicherungsgesetzes ≪AVG≫ idF vom 28. Mai 1924 ≪RGBl I 563≫ iVm § 1 Abs 1 Satz 1 und § 34 Abs 1 Satz 1 Ostgebiete-VO).
Im Gegensatz zur Schlesien-VO wurde in § 1 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO bestimmt, daß ihre Vorschriften keine Anwendung auf „Schutzangehörige und Staatenlose polnischen Volkstums” fanden. Der RMA konnte den in § 1 Abs 1 Ostgebiete-VO genannten Personenkreis durch Verwaltungsanordnung anderweitig (§ 1 Abs 2 Ostgebiete-VO) sowie das Nähere über die Behandlung der Personen bestimmen, auf welche die durch § 1 Abs 1 Ostgebiete-VO eingeführten Vorschriften keine Anwendung fanden (§ 43 Abs 2 Ostgebiete-VO). Mit Erlaß vom 5. Januar 1942 und Erlaß vom 10. Januar 1942 (beide in AN II 38) erklärte sich der RMA damit einverstanden, daß bereits vor einer Regelung iS des § 43 Abs 2 Ostgebiete-VO die Beiträge nach Reichsrecht erhoben wurden. Durch Verordnung des RMA vom 29. Juni 1942 (AN II 408) wurde der Personenkreis nach § 1 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO abgegrenzt und dabei teils eingeschränkt, teils erweitert. So wurde nach Maßgabe des Abschnitts C der Verordnung angeordnet, daß die Reichsversicherungsgesetze auf Juden in den eingegliederten Ostgebieten keine Anwendung fanden. Diese Bestimmung, die unabhängig von der polnischen Volkszugehörigkeit alle in den eingegliederten Ostgebieten lebenden Juden erfaßte, galt rückwirkend seit dem Stichtag des § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO, dh in Ostoberschlesien vom 1. Januar 1940 an. Der RMA behielt sich vor, die Behandlung der Juden in einem besonderen Erlaß zu regeln. Mit dem „Erlaß über die den Schutzangehörigen und den Staatenlosen in den eingegliederten Ostgebieten an Stelle der Leistungen der Reichsversicherung zu gewährenden Unterstützungen” (sog Polenstatut) vom 26. August 1942 (AN II 469) gewährte der RMA den in den eingegliederten Ostgebieten lebenden Polen in Anlehnung an die Reichsversicherungsgesetze bestimmte Unterstützungsleistungen mit Wirkung vom 1. Oktober 1942 (§ 1 „Polenstatut”). Mit Erlaß vom 13. März 1943 (AN II 126) bestimmte der RMA, daß für Juden in den eingegliederten Ostgebieten Beiträge nach reichsrechtlichen Vorschriften zu entrichten seien, und zwar rückwirkend zum Stichtag des § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO, dh in Ostoberschlesien vom 1. Januar 1940 an. Im übrigen ordnete er in dem Erlaß für diese Juden lediglich die entsprechende Anwendung des § 3 Abs 6 Polenstatut (Festlegung eines einheitlichen Grundlohns) und des § 6 „Polenstatut” (Behandlung auch der Angestellten nach der Invalidenversicherung) an.
c) Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland fielen die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten erworbenen Beitragszeiten zunächst unter die Regelungen des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I 848), weil die 1957 in Kraft getretenen Gesetze zur Neuregelung der Rentenversicherung nur Ansprüche und Anwartschaften erfaßten, die im Bundesgebiet erworben worden waren (vgl hierzu Allgemeiner Teil der Begründung zum Entwurf eines FANG, BT-Drucks III/1109 S 35). Mit Wirkung vom 1. Januar 1959 wurden aber durch Art 2 Nr 1 FANG der § 1250 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und durch Art 3 Nr 1 der § 27 Abs 1 AVG dahin neu gefaßt, daß auch Zeiten, für die nach früherem Reichsrecht Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten, anrechnungsfähige bundesrechtliche Versicherungszeiten sind. Hinsichtlich der Ostgebiete-VO ging der bundesdeutsche Gesetzgeber zunächst jedenfalls von der Weitergeltung der anwartschaftsbezogenen Vorschriften aus, denn er schrieb in § 3 Abs 4 FAG die Anwendung dieser Verordnung auch auf Leistungsansprüche und Anwartschaften aus Versicherungsverhältnissen der „Schutzangehörigen und Staatenlosen polnischen Volkstums” und der „Juden in den eingegliederten Ostgebieten” vor. Damit sollten den Personen, die von der Anwendung der Ostgebiete-VO ausgeschlossen waren und sich befugt im Bundesgebiet aufhielten, die Vorschriften der Ostgebiete-VO zugute kommen (vgl Begründung zu § 3 Abs 4 des Entwurfs eines FAG, BT-Drucks I/4201 S 17). Nach Art 7 § 3 Abs 1 Satz 2 Buchst o FANG ist die Ostgebiete-VO jedoch am 1. Januar 1959 außer Kraft getreten.
d) Hinsichtlich der Beiträge, die vor Einführung der Reichsversicherungsgesetze in den „eingegliederten Ostgebieten” an polnische Versicherungsträger entrichtet worden waren, wurde nach der Rechtsprechung die auf § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1959) beruhende Pflicht der damaligen deutschen Versicherungsträger, diese Beiträge wie nach den Reichsversicherungsgesetzen entrichtet zu behandeln, allein nach der Rechtslage während der Geltung der Reichsversicherungsgesetze beurteilt; maßgeblich war danach die ursprüngliche Fassung der Ostgebiete-VO nebst ihren Durchführungsbestimmungen und nicht etwa die Fassung, wie sie sich aus § 3 Abs 4 FAG ergab. Demnach bestand insbesondere bei polnischen Staatsangehörigen einschließlich der polnischen Juden wegen § 1 Abs 1 Satz 3 Ostgebiete-VO keine Verpflichtung, die früher in den „eingegliederten Ostgebieten” an polnische Versicherungsträger entrichteten Beiträge wie nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze entrichtet zu behandeln (BSG SozR Nr 5 zu § 17 FRG; BSGE 62, 109 = SozR 5050 § 17 Nr 11; BSG SozR 5050 § 17 Nr 12). Als Folge dieser Rechtsprechung erhielten Personen, die nach der damaligen Auffassung zu den „Schutzangehörigen und Staatenlosen polnischen Volkstums” gehörten, für ihre vor dem Stichtag des § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO an polnische Versicherungsträger entrichteten Beiträge grundsätzlich keine Leistungen aus der bundesdeutschen Rentenversicherung.
4. Diese Benachteiligung des genannten Personenkreises gegenüber den nichtjüdischen Bewohnern der damals eingegliederten Ostgebiete, die nicht polnischen Volkstums waren, hat der Gesetzgeber nunmehr dadurch beseitigt, daß er durch Art 15 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb RRG 1992 dem § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1959) den Halbsatz 2 angefügt hat. Nach den Gesetzesmaterialien sollte diese Ergänzung gewährleisten, daß Personen, die von der Anwendung der Ostgebiete-VO durch dessen § 1 Abs 1 Satz 2 und den Erlaß vom 29. Juni 1942 (AN II 408) ausgeschlossen waren, nach § 17 Abs 1 FRG Rentenleistungen für die an den polnischen Versicherungsträger entrichteten Beiträge erhalten können, sofern sie die Stichtagsvoraussetzungen der Ostgebiete-VO und die allgemein gültigen innerstaatlichen Leistungsvoraussetzungen erfüllten (vgl Begründung zu Art 10 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb des Entwurfs eines RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 218).
Die Ergänzung des § 17 Abs 1 FRG durch das RRG 1992 reichte allerdings nicht aus, um sämtliche Nachteile auszugleichen, welche den damals als „Schutzangehörigen oder Staatenlose polnischen Volkstums” unter § 1 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO fallenden Personen entstanden waren. Denn wegen der Nichtübernahme der polnischen Beitragszeiten in der Vergangenheit hatten manche von ihnen innerhalb der vorgesehenen Fristen keine oder nur eingeschränkte Nachentrichtungsanträge gestellt, oder es waren bei ihnen aus diesem Grunde Anträge ganz oder zum Teil abgelehnt worden, oder sie hatten dadurch kein Recht erhalten, sich in der deutschen Rentenversicherung freiwillig zu versichern. Diese Nachteile hat der Gesetzgeber mit Art 21 Nr 5 RRG 1992 beseitigt, indem er den von der bisherigen Nichtanerkennung polnischer Beitragszeiten Betroffenen in Satz 3 des § 21 Abs 1 und in Satz 2 des § 22 Abs 1 WGSVG Nachentrichtungsrechte einräumte. Damit erhielten diese Personen ähnliche Nachentrichtungsrechte, wie sie den von § 20 Abs 2 WGSVG erfaßten, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehörenden vertriebenen Verfolgten in Satz 1 und 2 des § 21 Abs 1 und in Satz 1 des § 22 Abs 1 WGSVG eingeräumt wurden, weil sie sich wie jene häufig im Ausland aufhielten und mangels bisheriger Nachentrichtungsrechte deutsche Renten dorthin nicht erhielten (vgl Begründung zu Art 15 Nr 5 § 21 des Entwurfs eines RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 226).
5. Für die Klägerin wurde hierdurch wegen der Anerkennung der Zeit vom 15. Januar 1940 bis 14. Januar 1944 ein Nachentrichtungsrecht nach Satz 3 des § 21 Abs 1 oder nach Satz 2 des § 22 Abs 1 WGSVG nicht begründet. Die genannte Ergänzung des § 17 Abs 1 Buchst b FRG hat nichts daran geändert, daß die Vorschrift sich nur auf Beiträge bezieht, die an nichtdeutsche Träger entrichtet worden sind. Beiträge, die in Ostoberschlesien seit dem 1. Januar 1940 an deutsche Versicherungsträger iS des § 3 FRG entrichtet wurden, sind keine an nichtdeutsche Träger entrichtete Beiträge. Eine entgegen dem Wortsinn des § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1990) vorgenommene Bewertung der in den „eingegliederten Ostgebieten” erworbenen deutschen Beitragszeiten als nichtdeutsche Beitragszeiten liefe dem Sinn und Zweck der Ergänzung durch das RRG 1992 zuwider; denn sie sollte im Zusammenwirken mit den Nachentrichtungsvorschriften des § 21 Abs 1 Satz 3 und des § 22 Abs 1 Satz 2 WGSVG lediglich die Nachteile ausgleichen, die darin bestanden, daß bei den ehemaligen „Schutzangehörigen und Staatenlosen polnischen Volkstums” nichtdeutsche, dh polnische, Beitragszeiten nicht übernommen wurden. Nicht beabsichtigt war dagegen der Ausgleich sonstiger Nachteile, die in Zusammenhang mit der Einführung der Reichsversicherungsgesetze bei Polen und Juden in den „eingegliederten Ostgebieten” entstanden waren. Die beschränkte Zweckbestimmung ist auch den genannten Gesetzesmaterialien zum RRG 1992 zu entnehmen. Das Ergebnis wird durch die Gesetzesmaterialien zu Art 14 Nr 16 Buchst b des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) bestätigt, durch den § 17 Abs 1 FRG (Stand 1990) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 gestrichen wurde. In der Begründung zum Entwurf dieser Vorschrift heißt es: „Abs 1 Satz 1 Buchst b (dh § 17 Abs 1 FRG – Fassung 1990) ist infolge Zeitablaufs entbehrlich. Es handelt sich hierbei um Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Rentenversicherungsträger, die längstens bis 31. Dezember 1941 zurückgelegt worden sind” (vgl Begründung zu Art 14 Nr 16 Buchst b des Entwurfs eines RÜG, BT-Drucks 12/405 S 162). Damit hat der Gesetzgeber seine Auffassung bestätigt, daß unter § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1990) nur Beitragszeiten in den „eingegliederten Ostgebieten” fallen sollten, die vor den in § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO aufgeführten Stichtagen lagen. Angesichts der hiernach bewußt begrenzten Zweckbestimmung der Nachentrichtungsvorschriften scheidet die von der Revision angestrebte entsprechende Anwendung aus.
6. Die gegen das Ergebnis vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.
a) Die Reichsbeitragszeiten, welche die Klägerin vom 15. Januar 1940 bis 14. Januar 1944 in Ostoberschlesien erworben hat, sind nicht deswegen polnische Beitragszeiten und die für dieses Gebiet zuständigen reichsgesetzlichen Versicherungsträger nicht deshalb polnische Träger, weil das genannte Gebiet völkerrechtswidrig vom Deutschen Reich annektiert wurde. Hiergegen spricht schon, daß § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1990) formal-organisatorisch an tatsächliche Geschehensabläufe anknüpft, ohne diese völkerrechtlich zu bewerten. Aber auch völkerrechtlich läßt sich das von der Klägerin angestrebte Ergebnis nicht stützen. Der 4. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1997 (4 RA 63/96, zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden, daß während der deutschen Besatzung seit 1940 in Ostoberschlesien für polnische Juden gezahlte Rentenversicherungsbeiträge iS des § 17 Abs 1 Buchst b FRG (Fassung 1990) an einen deutschen und nicht an einen polnischen Rentenversicherungsträger entrichtet worden sind und daß eine Anwendung dieser Vorschrift auf den genannten Personenkreis weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich geboten ist. Auf die Begründung dazu wird Bezug genommen. Der erkennende 12. Senat schließt sich der Auffassung des 4. Senats nach eigener Prüfung an.
b) Reichsbeitragszeiten waren nicht deshalb als polnische Beitragszeiten anzusehen und reichsgesetzliche Träger nicht als polnische Träger, weil die Einführung der Reichsversicherungsgesetze für Polen und Juden unvollständig war. Die auf § 1 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO und Abschnitt C des Erlasses vom 29. Juli 1942 beruhende Nichtanwendbarkeit der Reichsversicherungsgesetze auf Juden betraf nur die Übertragung der sich aus diesen Gesetzen ergebenden Rechte, nicht aber die Pflichten, insbesondere nicht die Pflicht, Beiträge für beschäftigte Juden zu entrichten. Dies ergab sich aus dem Erlaß vom 13. März 1942. Dieser Erlaß, dem damals Gesetzeswirkung im materiell-rechtlichen Sinne zukam, war auf den Vorbehalt in Abschnitt C des Erlasses vom 29. Juni 1942 gestützt, der seinerseits auf der Ermächtigung des § 43 Abs 1 und § 1 Abs 2 Ostgebiete-VO beruhte. Er stand nicht in Widerspruch zur Ostgebiete-VO, sondern ergänzte sie.
c) Auch aus dem „Polenstatut” ist für die Klägerin ein späterer Stichtag als der 1. Januar 1940, nämlich der 1. Oktober 1942, nicht abzuleiten, zu dem ihre Beiträge reichsrechtliche Beiträge wurden. Das „Polenstatut” galt für Juden schon deshalb nicht, weil sie seit dem Erlaß vom 29. Juni 1942 einer Sonderbehandlung unterlagen. Unabhängig hiervon waren auch für die in Ostoberschlesien lebenden nichtjüdischen Polen nach der Schlesien-VO und den genannten Erlassen vom 5. Januar 1942 und vom 10. Januar 1942 seit dem 1. Januar 1940 bei einer Beschäftigung Rentenversicherungsbeiträge nach Reichsrecht zu entrichten. Diese Erlasse wurden durch das „Polenstatut” nicht aufgehoben. Der in § 1 Abs 3 „Polenstatut” aufgeführte Stichtag des 1. Oktober 1942, der für die Polen an die Stelle des in § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO trat, hatte nur Bedeutung für den Beginn der Unterstützungsleistungen, nicht dagegen für den Beginn der Beitragserhebung nach Reichsrecht.
d) Reichsbeitragszeiten sind schließlich nicht deshalb polnische Beitragszeiten und polnische Träger blieben nicht deshalb bestehen, weil die Reichsbeiträge der Polen und Juden angeblich zur Abwicklungsmasse der aufgelösten Träger gehörten. Die polnischen Rentenversicherungsträger, die in Ostoberschlesien ihren Sitz hatten, wurden nach § 37 Satz 1 Schlesien-VO und § 45 Abs 1 Satz 1 Ostgebiete-VO zum 1. Januar 1940 aufgelöst. Eine Rechtsnachfolge der deutschen Rentenversicherungsträger, auf die das Vermögen der polnischen Träger überging, ist jedenfalls im Hinblick auf die Juden nur hinsichtlich der Rechte, nicht der Verpflichtungen eingetreten (§ 45 Abs 1 Satz 2 Ostgebiete-VO). Da es einen allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz, bei Vermögensübernahme auch die Verpflichtungen zu übernehmen, nicht gibt, kann ein Fortbestehen der seit dem 1. Januar 1940 nicht mehr existenten polnischen Versicherungsträger auch nicht über eine Rechtsnachfolge angenommen werden. Im übrigen hat der bundesdeutsche Gesetzgeber zunächst durch § 3 Abs 4 FAG und später durch die Anerkennung auch der Beitragszeiten in den ehemaligen deutschen Ostgebieten in § 1250 Abs 1 Buchst a RVO und § 27 Abs 1 Buchst a AVG einen Ausgleich für das damalige Unrecht in der Sozialversicherung geschaffen.
7. Der Ausschluß von der Nachentrichtung verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht nach Art 3 Abs 1 GG, so daß weder eine verfassungskonforme entsprechende Anwendung des § 21 Abs 1 Satz 3 und des § 22 Abs 1 Satz 2 WGSVG geboten ist noch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG in Betracht kommt. Denn die unterschiedliche Behandlung der Verfolgten, die wie die Klägerin in den „eingegliederten Ostgebieten” seit dem Stichtag des § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO Beiträge entrichtet haben, gegenüber denen, deren Beitragsentrichtung vor diesem Stichtag lag, beruht auf sachgerechten Erwägungen. Zwar waren nach damaligem Reichsrecht beide Personenkreise von Leistungen der deutschen Sozialversicherung ausgeschlossen. Für diejenigen, die vor dem Stichtag Beiträge entrichtet hatten, wirkte dieser Ausschluß insoweit nach, als sie keine Beitragszeiten nach dem FRG anerkannt erhielten (BSG SozR Nr 5 zu § 17 FRG; BSGE 62, 109 = SozR 5050 § 17 Nr 11; BSG SozR 5050 § 17 Nr 12) und dadurch eine Nachentrichtung ganz oder zum Teil ausgeschlossen wurde. Diese Nachteile galten für die Gruppe nicht, der die Klägerin angehört. Die genannte Rechtsprechung betraf sie nicht; höchstrichterliche Entscheidungen, die wegen der damaligen Sonderbehandlung der „Schutzangehörigen und Staatenlosen polnischen Volkstums” die Anerkennung ihrer Beitragszeiten als Reichsbeitragszeiten abgelehnt hätten, sind dem Senat nicht bekannt. Die Beklagte hat vorgetragen, daß es auch eine entsprechende Verwaltungspraxis nicht gegeben habe. Die Revision hat Gegenteiliges nicht im einzelnen vorgebracht und belegt. Sollte es gleichwohl in Einzelfällen zu Ablehnungen gekommen sein, hätte hiergegen der Rechtsweg beschritten werden können. Auch konnte der Personenkreis, dem die Klägerin angehört, mit Reichsbeitragszeiten die Voraussetzungen der Nachentrichtung nach § 10 WGSVG aF erfüllen. Insbesondere stellte es die verfolgungsbedingte Unterbrechung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 10 iVm § 9 WGSVG aF) dar, wenn eine seit dem Stichtag des § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO ausgeübte Beschäftigung in den „eingegliederten Ostgebieten” aus Verfolgungsgründen unterbrochen wurde. Denn eine solche Beschäftigung führte selbst nach den damaligen Regelungen zu einer Versicherungspflicht in der Invalidenversicherung (vgl Satz 3 des Erlasses vom 13. März 1943 iVm § 6 „Polenstatut”).
Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Klägerin während der nunmehr anerkannten Zeiten vom 15. Januar 1940 bis zum 14. Januar 1944 in einem Ghetto beschäftigt war. Der Zweck der hier geprüften Nachentrichtungsregelungen besteht allein darin, Nachteile auszugleichen, die durch die frühere Nichtberücksichtigung polnischer Zeiten entstanden sind. Sie bezweckt jedoch nicht, Nachteile zu kompensieren, die durch eine mögliche frühere Nichtanrechnung der unter der Geltung von Reichsrecht verbrachten Ghetto-Zeiten als Beitragszeiten verursacht worden sein könnten. Des weiteren liegt eine höchstrichterliche Rechtsprechung, eine in einem Ghetto gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung stelle unter keinen Umständen eine versicherungspflichtige Beschäftigung dar, nicht vor (vgl zu Zwangsarbeit in einem Ghetto BSG SozR 5070 § 14 Nr 9, zur entgeltlichen Beschäftigung in einem Ghetto BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 5). Unter diesen Umständen kann selbst eine frühere Praxis, Arbeiten von Verfolgten in einem Ghetto überwiegend als nicht versicherungspflichtige Zwangsarbeit zu bewerten, nicht dazu führen, die vorliegenden Nachentrichtungsregelungen zu beanstanden.
Hiernach erwies sich die Revision der Klägerin als unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 1998, 576 |
SGb 1998, 407 |
SozR 3-5070 § 21, Nr.7 |
SozSi 1999, 120 |