Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Festlegung des Erstattungsbetrags für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und anerkanntem Zusatznutzen nur für Patiententeilgruppen. Rechtmäßigkeit der sog Mischpreisbildung. Irrelevanz der Kosten einer zweckmäßigen Vergleichstherapie als Obergrenze. Schiedsspruch einer Schiedsstelle. Begründungsanforderung. Verfahrensrüge wegen der Ermöglichung weiteren tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Rechtmäßigkeit der sog Mischpreisbildung sowie zur Irrelevanz der Kosten einer zweckmäßigen Vergleichstherapie als Obergrenze für den von den Krankenkassen zu zahlenden Erstattungsbetrag für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und anerkanntem Zusatznutzen nur für Patiententeilgruppen (Übereinstimmung mit BSG vom 4.7.2018 - B 3 KR 20/17 R = BSGE 126, 149 = SozR 4-2500 § 130b Nr 1).
2. Der Schiedsspruch einer Schiedsstelle zur Festlegung des von den Krankenkassen zu zahlenden Erstattungsbetrags für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und Teil-Zusatznutzen muss die Gründe für die Entscheidung (nur) wenigstens andeutungsweise erkennen lassen (Anschluss an BSG vom 13.8.2014 - B 6 KA 6/14 R = BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2).
3. Verfahrensrügen der Beteiligten wegen der Ermöglichung weiteren tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens sind dem Vorsitzenden der Schiedsstelle grundsätzlich spätestens bis zur abschließenden Beratung mitzuteilen und im Sitzungsprotokoll zu dokumentieren.
Normenkette
SGB V § 130b Abs. 1 S. 1 Fassung: 2010-12-22, Abs. 1 Fassung: 2012-10-19, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Sätze 1, 2 Fassung: 2013-08-07, Abs. 5 Sätze 1-2, Abs. 9 Sätze 1, 3 Fassung: 2012-10-19, § 92 Abs. 2 S. 4, Abs. 1 S. 2 Nr. 6, § 35a Abs. 3 S. 6, Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Fassung: 2013-08-07, § 12 Abs. 1; AMG § 78 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2015-12-12; AMG 1976 § 78 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2015-12-12; AMG § 78 Abs. 3a; AMG 1976 § 78 Abs. 3a; AM-NutzenV § 5 Abs. 7 Nr. 1 Fassung: 2010-12-28, Nr. 2 Fassung: 2010-12-28, Nr. 3 Fassung: 2010-12-28, Nr. 4 Fassung: 2010-12-28; AMRL; AMNOG; SGB X § 24 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 42; ZPO § 295 Abs. 1-2; GG Art 12 Abs. 1; GG Art 19 Abs. 4; GG Art 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2017 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.
Kosten der Beigeladenen zu 1. und zu 2. sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs wegen des von der beklagten Schiedsstelle festgesetzten Erstattungsbetrages für das Fertigarzneimittel Zydelig®.
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Die Beigeladene zu 1. ist ein pharmazeutisches Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Sie erhielt am 18.9.2014 die arzneimittelrechtliche Zulassung für das Arzneimittel Zydelig® mit dem Wirkstoff Idelalisib in Kombination mit dem Wirkstoff Rituximab zur Behandlung von Erwachsenen mit chronischer lymphatischer Leukämie für drei Anwendungsgebiete: |
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bei Patienten, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben (Anwendungsgebiet 1), |
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als Erstlinientherapie bei Vorliegen einer 17p-Deletion oder einer TP53-Mutation bei Patienten, die für eine Chemoimmuntherapie ungeeignet sind (Anwendungsgebiet 2), |
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als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), das refraktär gegenüber zwei vorausgegangenen Therapielinien ist (Anwendungsgebiet 3). |
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Der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), beschloss am 19.3.2015 über die Nutzenbewertung des Wirkstoffs Idelalisib nach § 35a Abs 3 SGB V (BAnz AT 23.4.2015 B 2). Er legte die Anzahl der für die Behandlung in Frage kommenden Patienten wie folgt fest: |
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Anwendungsgebiet 1 unterteilt in vier Teilpopulationen (1a bis 1d: zwischen 2000 bis 7500 Patienten), |
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Anwendungsgebiet 2 (200 bis 300 Patienten) und Anwendungsgebiet 3 (800 bis 3300 Patienten). |
Lediglich in der Teilpopulation 1b des Anwendungsgebietes 1 und im Anwendungsgebiet 2 stellte der Beigeladene zu 2. jeweils einen Anhaltspunkt für einen nicht-quantifizierbaren Zusatznutzen des Arzneimittels Zydelig® im Verhältnis zu der zweckmäßigen Vergleichstherapie "Best-Supportive-Care" fest. Für die übrigen Teilpopulationen (1a, 1c, 1d Anwendungsgebiet 1, Anwendungsgebiet 3) stellte er fest, dass der Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie als nicht belegt gelte, weil die erforderlichen Nachweise vom pharmazeutischen Unternehmer nicht vorgelegt worden seien. Der Beschluss des Beigeladenen zu 2. wurde bis zum 1.4.2016 befristet.
Nach erfolglosen Preisverhandlungen beantragte der klagende Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) bei der beklagten Schiedsstelle die Festsetzung des Erstattungsbetrages für das Arzneimittel iHv 2968,56 bzw 1979,04 Euro je Packung und 0,32984 Euro je Bezugsgröße und Jahrestherapiekosten von 33 992 Euro. Die Beigeladene zu 1. forderte hingegen den Erstattungsbetrag iHv 4200 Euro je Packung bzw 140 Euro je Bezugsgröße und Jahrestherapiekosten von 51 100 Euro. Nach mündlicher Verhandlung am 14.1.2016 setzte die Beklagte mit Schiedsspruch vom 20.1.2016 den Erstattungsbetrag für Zydelig® für alle sechs Patientengruppen ab 24.9.2015 einheitlich auf 3900 Euro pro Packung und 130 Euro je Bezugsgröße sowie Jahrestherapiekosten von ca 44 650 Euro fest (sog Mischpreise). Die Jahrestherapiekosten des vergleichbaren Arzneimittels Ibrutinib legte sie mit 68 433 Euro zugrunde. Die Kosten des Einsatzes des Kombinationspräparates Rituximab wurden mitberechnet. Die europäischen Abgabepreise wurden mangels ausreichender Informationen nachrangig berücksichtigt. Die Beklagte ging davon aus, dass die hochspezialisierten Fachärzte Zydelig® weit überwiegend jenen Patientengruppen verordnen würden, für die ein nicht quantifizierbarer Zusatznutzen bestand.
Auf die Klage hat das LSG Berlin-Brandenburg den Schiedsspruch der Beklagten vom 20.1.2016 hinsichtlich des festgesetzten Erstattungsbetrages aufgehoben: Der Schiedsspruch, der auf § 130b Abs 1 und 3 SGB V, § 35a Abs 3 SGB V, § 130b Abs 9 SGB V aF beruhe (aF, Rechtslage vor dem seit 13.5.2017 geltenden GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz vom 4.5.2017 - AMVSG -, BGBl I 1050 ≪vgl Art 7 Abs 1≫), sei rechtswidrig und verletze den Kläger in eigenen Rechten. Die Beklagte habe damit ihren Gestaltungs- bzw Entscheidungsspielraum überschritten. Selbst vor dem LSG habe sie keine nachvollziehbare Berechnung des Erstattungsbetrages vorgelegt und nicht erkennen lassen, wie sie die Jahrestherapiekosten und den Erstattungsbetrag je Packung kalkuliert habe. Die Offenlegung des Rechenwegs sei aber erforderlich, um insbesondere nachvollziehen zu können, ob der Rechenweg frei von Fehlern sei. Auch wenn nach den Gesetzesmaterialien zu § 130b SGB V (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ≪14. Ausschuss≫ des Deutschen Bundestags zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksache 17/13083 eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drucks 17/13770 S 24) die Entscheidung der Schiedsstelle nicht im Sinne eines konkreten Entscheidungsalgorithmus vorgegeben sei, müsse die Gewichtung der maßgeblichen Kriterien nachvollziehbar sein. Mangels Offenlegung des Rechenwegs sei nicht auszuschließen, dass Jahrestherapiekosten hier "durch Würfeln oder im Losverfahren" ermittelt worden seien. Es bestünden "unabhängig davon weitere rechtliche Bedenken" gegen die praktizierte Methode der Mischpreisbildung. Diese führe zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen in den einzelnen Anwendungsbereichen bzw Patientengruppen und widerspreche der Grundidee des Gesetzes. Die Kalkulation eines (einheitlichen) Mischpreises für alle sechs Patientengruppen sei rechtswidrig. Für die Behandlung von Patienten ohne Zusatznutzen müssten unwirtschaftliche Arzneimittelpreise von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet werden; insofern bildeten die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie die rechtliche Obergrenze nach § 130b Abs 3 SGB V. Für die Behandlung von Patienten mit Zusatznutzen komme es hingegen zulasten der Pharmaunternehmer durchweg zu einem zu niedrigen Erstattungsbetrag. Die Festlegung eines Mischpreises führe auch zu nicht unerheblichen Regressrisiken in der vertragsärztlichen Versorgung, da die Verordnung von Arzneimitteln ohne Zusatznutzen unwirtschaftlich sei. Vertragsärzte seien bislang oft nur unzureichend durch den GBA über die Ergebnisse der Nutzenbewertung und den Zusatznutzen von Arzneimitteln durch den GBA informiert worden (Urteil vom 28.6.2017).
Hiergegen richtet sich die Revision der beklagten Schiedsstelle. Sie rügt die Verletzung von § 35 Abs 1 S 2, § 41 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB X iVm § 130b Abs 4, Abs 6 S 4 SGB V durch das LSG. Dieses habe ihren Gestaltungsspielraum durch die angenommene Pflicht zur Offenlegung des Rechenwegs verletzt sowie formelle Begründungspflichten mit materiellen Kriterien in unzutreffender Weise vermengt. Eine Schiedsstelle dürfe den Erstattungsbetrag aber genauso frei festsetzen wie die Verhandlungspartner selbst. Bislang existiere in der Gesundheitsökonomik keine allgemein anerkannte Methode zur Kalkulation des Mischpreises. Der angemessene Erstattungsbetrag könne daher allenfalls mit Hilfe des Niveaus europäischer Abgabepreise, der Kosten vergleichbarer Arzneimittel oder einer zweckmäßigen Vergleichstherapie rationalisiert werden. Dass die Grenzen des Gestaltungsspielraums hier gewahrt seien, folge auch aus der Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages, der sich im Korridor der von den Beteiligten gestellten Anträge bewege. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liege nicht vor. Sie (die Beklagte) habe spätestens in ihrer Klageerwiderung ausreichend dargelegt, wie sie den Zusatznutzen monetär bewertet habe. Der Schiedsspruch erfülle die abgemilderten Begründungsanforderungen, die die Rechtsprechung für Entscheidungen von Schiedseinrichtungen im SGB V aufgestellt habe (ua Hinweis auf BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58). Die relevanten Bewertungskriterien seien im Schiedsspruch im Einzelnen aufgezeigt worden. Der Rechenweg des Erstattungsbetrages sei in der Klageerwiderung vom 11.1.2017 offengelegt und durch die Revisionsbegründung verdeutlicht worden. Unter Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten stark umstrittenen europäischen Abgabepreise habe sich - wie näher ausgeführt wird - keine Änderung der Kalkulation des Erstattungsbetrages ergeben. Eine Mischpreisfestsetzung als solche verstoße auch nicht gegen Gesetzesrecht. Die Preisgrenze von § 130b Abs 3 S 1 SGB V sei auf Konstellationen, in denen - wie hier - ein Zusatznutzen für ein Arzneimittel nur für einzelne Patientengruppen bejaht worden sei, nicht anwendbar. Die Bildung des Mischpreises sei dem Umstand geschuldet, dass ein Arzneimittel nach § 78 Abs 3 S 1 Arzneimittelgesetz (AMG) nur ein einheitlicher Abgabepreis zugeordnet werden dürfe. Der Mischpreis sei im Rahmen des Normgefüges von § 130b Abs 1 SGB V iVm § 35a Abs 3 und § 130 Abs 9 SGB V aF zu verhandeln bzw festzusetzen gewesen. Die Problematik des Regresses für Vertragsärzte sei von der Rechtmäßigkeit des Mischpreises zu trennen und könne durch begleitende gesetzliche Regelungen gelöst werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG zum Überprüfungsmaßstab und zu den Begründungsanforderungen für zutreffend. Insbesondere fehle es an einer Datengrundlage der Beklagten dafür, dass die Patientengruppe 1 im Anwendungsgebiet 1 einen Anteil von 48,5 % aufweise. Der Schiedsspruch leide auch daran, dass die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie als Ausgangspunkt für den Erstattungsbetrag zur Festlegung des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens nicht offengelegt worden sei und Tatsachen zu weiteren Kriterien und deren Gewichtung in der Begründung fehlten (tatsächliche europäische Abgabepreise, Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel). Das Nachholen einer den Anforderungen von § 35 Abs 1 S 2 SGB X entsprechenden Begründung eines Verwaltungsakts sei im Klageverfahren unzulässig. Die Festsetzung der Höhe des Erstattungsbetrages sei nicht in das Belieben der beklagten Schiedsstelle gestellt. Er (der Kläger) sei nicht hinreichend zu den Daten angehört worden; die Vorgehensweise der Schiedsstelle verletze sein rechtliches Gehör. Die Bildung eines Mischpreises sei allerdings generell zulässig. Dies sei derzeit die einzige Möglichkeit, einen Preis für Arzneimittel mit unterschiedlichen Patientengruppen und unterschiedlichen Nutzenbewertungen zu bilden.
Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag und schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
Der Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig. Die beklagte Schiedsstelle konnte zulässigerweise Revision einlegen, da sie rechtsmittelbefugt ist. Sie war in ihrer Eigenschaft als Behörde (§ 1 Abs 2 SGB X) Klagegegnerin und ist schon deshalb durch das der Klage stattgebende Urteil formell beschwert, weil das LSG den von ihr erlassenen Schiedsspruch aufgehoben hat. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Beteiligten genügt regelmäßig eine formelle Beschwer in dem Sinne, dass die vorinstanzliche Entscheidung seinem antragsmäßigen Begehren nicht oder nicht in vollem Umfang entsprochen hat (so zB BSGE 86, 126, 129 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 289; BSGE 43, 1, 2 f = SozR 1500 § 131 Nr 4 S 4 f; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 40 S 82; BSGE 36, 62, 63 = SozR Nr 5 zu § 562 RVO).
Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Das Urteil des LSG war aufzuheben. Die gegen den Schiedsspruch der Beklagten wegen der Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages gerichtete Klage war abzuweisen. Entgegen der Ansicht des LSG hat die Beklagte im angefochtenen Schiedsspruch vom 20.1.2016 den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Zydelig® mit dem Wirkstoff Idelalisib ab 24.9.2015 revisionsrechtlich beanstandungsfrei festgesetzt; dies verletzt den klagenden GKV-Spitzenverband nicht in seinen Rechten.
A. Die auch im Revisionsverfahren zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen der fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) liegen vor. Eines Vorverfahrens vor Klageerhebung bedurfte es nicht (§ 130b Abs 4 S 6 SGB V idF des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes - AMNOG - vom 22.12.2010, BGBl I 2262, im Folgenden diese Fassung - soweit nicht anders gekennzeichnet). Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle des Schiedsspruchs ist auch die Überprüfung der Entscheidung des GBA über die Nutzenbewertung des Arzneimittels nach § 35a Abs 3 S 3 SGB V möglich (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S 32 zu Nr 17 zu Abs 4; vgl ähnlich zur Festbetragsfestsetzung Senatsurteil vom 3.5.2018 - B 3 KR 9/16 R unter II. 1. ≪Antianämika≫, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Einwände gegen den Beschluss des Beigeladenen zu 2. sind von den Beteiligten nicht erhoben worden.
B. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Das LSG hat den angefochtenen Schiedsspruch zu Unrecht hinsichtlich des darin festgesetzten Erstattungsbetrages aufgehoben. Dies führt zum Erfolg der Revision der Beklagten.
Der auf § 130b Abs 4 iVm Abs 1 und Abs 5 SGB V beruhende Schiedsspruch der Beklagten ist beanstandungsfrei unter Zugrundelegung der im Ausgangspunkt maßgebenden allgemeinen materiell-rechtlichen Vorgaben ergangen. Der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs steht nicht schon eine etwaige generelle rechtliche Unzulässigkeit der Mischpreisbildung entgegen (dazu 1.). Er ist auch im Übrigen revisionsrechtlich beanstandungsfrei unter Einhaltung der strukturellen Vorgaben zum Schiedsverfahren (dazu 2.), unter dem Blickwinkel des zugrunde gelegten Sachverhalts und unter Beachtung des der Beklagten zustehenden Gestaltungsspielraums (dazu 3.) sowie in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht ergangen (dazu 4).
1. Entgegen der Ansicht des LSG entspricht die Bildung eines sog Mischpreises dem materiellen Recht (dazu im Folgenden a, b). Die Mischpreisbildung wird nicht durch die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie begrenzt (§ 130b Abs 3 S 1 SGB V, dazu c). Der Mischpreisbildung steht weder das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V, dazu d) noch Verfassungsrecht (Art 12 Abs 1 GG, dazu e) entgegen (s zum Ganzen ebenfalls Parallelurteil des Senats vom 4.7.2018 - B 3 KR 20/17 R, zur Veröffentlichung für BSGE und SozR vorgesehen).
a) Das deutsche Arzneimittelpreisrecht sieht nach § 78 Abs 2 S 2 AMG (seit der Neufassung vom 12.12.2005, BGBl I 3394) für apothekenpflichtige und zulasten der GKV abgabefähige Arzneimittel grundsätzlich einheitliche Abgabepreise vor, auch bei einer Zulassung für verschiedene Indikationen. Dies gilt auch für die nach § 130b SGB V zu vereinbarenden bzw durch die Schiedsstelle festzusetzenden Erstattungsbeträge (§ 78 Abs 3a AMG seit Inkrafttreten des AMNOG). Für ein Arzneimittel gilt daher grundsätzlich auch nur ein Preis. Nach europäischem Recht werden Arzneimittel bei mehreren Anwendungsgebieten eines Wirkstoffs auch regelmäßig unter einem einheitlichen Namen mit einer einheitlichen Genehmigung zugelassen (vgl Art 6 Abs 1 RL 2001/83/EG; Art 6 Abs 1 S 3, Art 82 Abs 1 S 1 EGV Nr 726/2004).
b) Grundlage für einen nach § 130b Abs 1 S 1 SGB V zu vereinbarenden und bei nicht zustande gekommener Vereinbarung von der Schiedsstelle festzusetzenden (§ 130b Abs 4 S 1 SGB V) Erstattungsbetrag ist der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs 3 SGB V (idF des AMNOG). Das bedeutet, der einheitliche Erstattungsbetrag ist in erster Linie an dem festgestellten Zusatznutzen zu orientieren; er ist nutzenadäquat festzusetzen (vgl Gesetzentwurf zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S 20 zu Nr 5 zu Abs 1, S 31 zu Nr 17 zu Abs 1).
aa) Die frühe Nutzenbewertung durch den GBA nach § 35a SGB V muss demgegenüber nicht - wie die Festlegung eines einheitlichen Erstattungsbetrages - einheitlich für das Arzneimittel insgesamt erfolgen; vielmehr sieht das Gesetz an mehreren Stellen vor, dass dabei nach Patientengruppen unterschieden werden kann. Der Nutzenbewertungsbeschluss des GBA wird gemäß § 35a Abs 3 S 6 SGB V Bestandteil der Arzneimittelrichtlinie nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V; eine entsprechende Gruppenbildung durch den GBA ist in § 92 Abs 2 S 4 SGB V ausdrücklich vorgesehen. Nach der letztgenannten Vorschrift können für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in Gruppen zusammengefasst werden, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind. Ferner erfolgt die Nutzenbewertung nach § 35a Abs 1 S 3 Nr 4 SGB V (idF des Gesetzes vom 7.8.2013, BGBl I 3108) aufgrund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers ua zur "Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht". Die Differenzierung nach unterschiedlichen Patientengruppen bei der wissenschaftlichen Prüfung des Nutzens eines neuen Wirkstoffs ist medizinisch vorgeprägt, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ein unterschiedlicher Behandlungsstandard, dh eine unterschiedliche zweckmäßige Vergleichstherapie besteht (vgl hierzu Sodan/Ferlemann, PharmR 2018, 239, 241). Der GBA hat dies durch eine ggf nach Patientengruppen differenzierende Bewertung des Zusatznutzens und der zweckmäßigen Vergleichstherapie im Beschluss nach § 35a Abs 3 SGB V umzusetzen. Fällt die Bewertung des Zusatznutzens für verschiedene Patientengruppen unterschiedlich aus, ist die Bildung eines daran anknüpfenden Mischpreises unter der gesetzlichen Vorgabe einheitlicher Erstattungsbeträge unumgänglich (so auch Stallberg, PharmR 2017, 212, 214; Anders, A&R 2017, 80, 82; Huster, NZS 2017, 681, 682; Axer in: Gesundheit als Aufgabe des Sozialrechts, SDSRV Bd 67, 2018, S 77, 97 f; Sodan/Ferlemann, PharmR 2018, 239, 242 f).
bb) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der §§ 35a, 130b Abs 1 S 1 SGB V solche Konstellationen übersehen und die Festsetzung von Erstattungsbeträgen auf der Basis einer Mischkalkulation nicht gewollt haben könnte, liegen nicht vor. Vielmehr wird schon in der Begründung des Gesetzentwurfes des AMNOG zu § 35a SGB V auf die nach Patientengruppen differenzierende Bewertung des Zusatznutzens hingewiesen (vgl Gesetzentwurf zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S 20 zu Nr 5 zu Abs 1). Zudem ist nach dem gesetzlichen System die Festsetzung des Erstattungsbetrages in erster Linie einem - durch gesetzliche Vorgaben flankierten - Aushandlungsprozess zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung überlassen. Solche vertraglichen Verhandlungen sind grundsätzlich frei und unterliegen nur den ausdrücklich normierten Grenzen.
c) § 130b Abs 3 S 1 SGB V steht einer Mischpreisbildung nicht entgegen. Danach darf der Erstattungsbetrag für ein Arzneimittel ohne Zusatznutzen nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen, als die zweckmäßige Vergleichstherapie. Die Vorschrift findet schon ihrem Wortlaut nach nur auf Arzneimittel ohne Zusatznutzen Anwendung. "Ohne Zusatznutzen" sind nur solche Arzneimittel, für die der GBA in keiner Patientengruppe Belege, Hinweise oder Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen festgestellt hat. Dh, selbst ein nur ganz geringer, wenig gesicherter oder nur für wenige Patienten bedeutsamer Zusatznutzen ist bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages zu berücksichtigen, der dann regelmäßig oberhalb der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt. Das ergibt sich sowohl aus der Gesamtkonzeption des § 130b SGB V als auch aus dem gesetzgeberischen Ziel einer in erster Linie an der frühen Nutzenbewertung orientierten Festsetzung des Erstattungsbetrages (vgl hierzu Gesetzentwurf zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S 20 zu Nr 5 zu Abs 1; S 31 zu Nr 17 zu Abs 1; so zB auch Axer, aaO, S 77, 97 f; Huster, NZS 2017, 681, 682; Sodan/Ferlemann, PharmR 2018, 239, 242 f; Stallberg, PharmR 2017, 212, 214). Unabhängig davon hat der Gesetzgeber inzwischen auch für Arzneimittel ohne Zusatznutzen die strikte Begrenzung auf die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie durch eine Sollvorschrift ersetzt, die zumindest in begründeten Einzelfällen eine flexiblere Gestaltung des Erstattungsbetrages zulässt (vgl § 130b Abs 3 S 1 SGB V idF des AMVSG vom 4.5.2017, BGBl I 1050).
d) Der Bildung eines Mischpreises steht das (ebenfalls ohnehin nur einfachgesetzlich normierte) Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V auch nicht entgegen. Vielmehr dient die - auch eine Mischkalkulation zulassende - Regelung des § 130b SGB V insgesamt gerade der Umsetzung und Konkretisierung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots. Denn bis zum Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 1.1.2011 (durch das AMNOG), durfte der Hersteller den Preis eines Arzneimittels für die Dauer des Patentschutzes ohne jede Nutzenbewertung frei festlegen. Nunmehr ist die freie Preisfestsetzung durch den pharmazeutischen Unternehmer auf das erste Jahr des Inverkehrbringens eines neuen Arzneimittels begrenzt; für die Zeit ab dem 13. Monat wird der von den Krankenkassen für ein Arzneimittel zu zahlende Erstattungsbetrag nach den Vorgaben des § 130b SGB V vereinbart bzw festgesetzt. Die Gesetzesmaterialien zum AMNOG weisen sogar ausdrücklich darauf hin, dass die Nutzenbewertung und die Vereinbarung eines für die GKV einheitlichen Erstattungsbetrages die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Arzneimittels nach § 12 Abs 1 SGB V konkretisieren (vgl Gesetzentwurf zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413, S 20 zu Nr 5 zu Abs 1).
Bei der Festsetzung eines Erstattungsbetrages im Wege einer Mischkalkulation wird grundsätzlich nur für Patientengruppen, für die der GBA einen Zusatznutzen festgestellt hat, ein daran orientierter Betrag, als sog "Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" angesetzt; für Patientengruppen, für die der GBA einen Zusatznutzen nicht festgestellt hat, wird dagegen lediglich ein die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie in der Regel nicht übersteigender Betrag in Ansatz gebracht. Wie das LSG zutreffend ausführt, ist zwar der daraus als Mischpreis berechnete einheitliche Erstattungsbetrag bei singulärer Betrachtung der Patientenpopulationen, für die das Arzneimittel keinen Zusatznutzen bringt, zu hoch und bei ausschließlicher Betrachtung der Patientengruppen mit Zusatznutzen zu niedrig. Indessen führt eine gebotene Gesamtbetrachtung zu einem Ausgleich, der wirtschaftlich sowohl für die Krankenkassen als auch für den pharmazeutischen Unternehmer angemessen ist, wenn die Verteilung des Arzneimittels auf Patienten mit und ohne Zusatznutzen angemessen berücksichtigt wird. Daher verstoßen Mischpreise nicht per se gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Sie stellen vielmehr einen notwendigen Kompromiss dar, den ein einheitlicher Erstattungsbetrag dann erforderlich macht, wenn der Nutzen als das wesentliche Orientierungskriterium nicht einheitlich bewertet wurde.
Ob und unter welchen Voraussetzungen sich Vertragsärzte einer Regressgefahr aussetzen, wenn sie im Einzelfall ein Arzneimittel in einer Patientengruppe ohne Zusatznutzen zum Mischpreis verordnen, ist nach der Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht bislang noch nicht abschließend geklärt und bedarf aber im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Der Grundsatz, dass Vertragsärzte im Einzelfall das bei gleichem medizinischen Nutzen wirtschaftlichste Arzneimittel zu verordnen haben, das auf dem Markt verfügbar ist, bleibt von der Mischpreisbildung grundsätzlich unberührt (vgl auch Gesetzentwurf zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413, S 20 zu Nr 5 zu Abs 1; dazu näher Parallelurteil des Senats vom 4.7.2018 - B 3 KR 20/17 R - zur Veröffentlichung für BSGE und SozR vorgesehen).
e) Schließlich steht der Festsetzung eines Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V auf der Basis einer Mischkalkulation auch Verfassungsrecht nicht entgegen. Mischpreise, die nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen und nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen des pharmazeutischen Unternehmers führen, greifen nicht unzulässig in seine verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG ein. Die Berufsfreiheit des pharmazeutischen Unternehmers wird durch die Festsetzung eines Erstattungsbetrages seitens der Schiedsstelle allenfalls auf der Ebene der Berufsausübung, nicht der Berufswahl berührt (vgl BVerfG SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 17 ff = BVerfGE 106, 275 S 298 ff ≪zu Festbeträgen, bei denen das BVerfG die Einschränkung der Berufsfreiheit allerdings insgesamt verneint≫; die Berufsausübung als betroffen ansehend: zB BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 146 ff; vgl hierzu Huster, Gaßner, Grotjahn, Nitz, PharmR 2017, 273, 276). Eine solche Regelung der Berufsausübung ist regelmäßig durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls - wie die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV - gerechtfertigt (dazu zB BVerfGE 68, 193, 218; 103, 172, 184 f; 114, 196, 248; 123, 186, 264 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233). Die nach § 130b SGB V vorgesehene nutzenorientierte Preisregulierung stellt - auch wenn sie auf der Bildung eines Mischpreises beruht - sowohl ein geeignetes als auch das mildeste Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar. Die Beigeladene zu 1. wendet sich als betroffenes pharmazeutisches Unternehmen nicht gegen die Mischpreisbildung als solche und hält den hier von der Beklagten konkret festgesetzten Erstattungsbetrag für angemessen. Auch deshalb bestehen keine Zweifel daran, dass der von der Beklagten gefundene Mischpreis jedenfalls die Berufsfreiheit der Beigeladenen zu 1. aus Art 12 Abs 1 GG nicht unzulässig einschränkt.
2. Der angefochtene Schiedsspruch der Beklagten, der den Erstattungsbetrag auf der Basis eines gesetzlich zulässigen Mischpreises für das Arzneimittel Zydelig® mit dem Wirkstoff Idelalisib festlegt, ist revisionsrechtlich auch darüber hinausgehend nicht zu beanstanden. Das anzuwendende Recht für die Überprüfung des Schiedsspruchs richtet sich nach dem Zeitpunkt seines Erlasses (vgl BSGE ≪6. Senat≫ 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 24). Die strukturellen Anforderungen an die Bildung der Schiedsstelle (dazu a) und der ihr zur Entscheidungsfindung eingeräumte Gestaltungsspielraum (dazu b) orientieren sich an den allgemeinen Vorgaben für Schiedseinrichtungen nach dem SGB V.
a) Kommt eine Vereinbarung nach § 130b Abs 1 SGB V - bzw nach dem hier nicht einschlägigen § 130b Abs 3 SGB V (dazu bereits oben 1.c) - des klagenden GKV-Spitzenverbandes mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung auf Grundlage des Beschlusses des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs 3 SGB V über Erstattungsbeträge für solche Arzneimittel nicht zustande, die durch diesen Beschluss keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurden, setzt die Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB V den Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten fest (§ 130b Abs 4 S 1 iVm Abs 1 SGB V).
Die Schiedsstelle wird gemäß § 130b Abs 5 SGB V vom GKV-Spitzenverband und den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene gemeinsam gebildet. Sie besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie aus jeweils zwei Vertretern der Vertragsparteien. Die Patientenorganisationen nach § 140f SGB V können beratend an den Sitzungen der Schiedsstelle teilnehmen (§ 130b Abs 5 S 1 bis 3). Die Schiedsstelle gibt sich nach § 130b Abs 6 SGB V eine Geschäftsordnung (hier idF vom 9.9.2015, genehmigt durch Bescheid des BMAS vom 14.3.2016). Nach § 130b Abs 4 S 2 SGB V (idF des Gesetzes vom 7.8.2013, BGBl I 3108) entscheidet die Schiedsstelle unter freier Würdigung der Umstände des Einzelfalles und berücksichtigt dabei die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes. Die Schiedsstelle gibt dem Verband der privaten Krankenversicherung vor ihrer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 130b Abs 4 S 4 SGB V).
Die strukturellen Vorgaben zur Schiedsstelle in § 130b SGB V ähneln dem Grundmuster der Schiedsamtsvorschrift des § 89 SGB V aus dem Vertragsarztrecht (vgl Engelmann in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 346). Daneben ist die Norm an § 129 Abs 7 SGB V aus dem Bereich der Arzneimittelversorgung angelehnt (vgl Gesetzesentwurf zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413, S 32 zu Nr 17 zu Abs 5 und 6; vgl auch BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26 zu weiteren Schiedseinrichtungen, für die auch die Maßstäbe des § 89 SGB V gelten). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht kommt den Schiedsämtern bei der Festsetzung des Inhalts der Verträge ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Prüfung Grenzen setzt, ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung (zB BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 3 RdNr 51; BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 4 RdNr 29 mwN, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen).
b) Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (stRspr vgl nur BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36 mwN). Schiedssprüche, auch solche nach § 130b SGB V, unterliegen daher bei Anfechtung durch die Vertragsparteien nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (stRspr BSG; vgl nur BSGE 119, 43 = SozR 4- 2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der im Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt "zutrifft" und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (dazu näher unten 3.). Die zur gerichtlichen Überprüfung von Schiedssprüchen angerufenen Spruchkörper haben insoweit zu prüfen, ob die Schiedsstelle den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt verfahrensfehlerfrei - dh in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs - ermittelt hat und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt (dazu näher unten 4., stRspr vgl nur BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 13; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26; BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 3 RdNr 52 und SozR 4-2500 § 87a Nr 4 RdNr 30 - auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Beides ist hier zu bejahen.
3. Die Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs ergibt keine revisionsrechtlich zu beanstandenden Fehler im Hinblick auf den zugrunde gelegten Sachverhalt (dazu a) und die herangezogenen rechtlichen Maßstäbe bei der Ausfüllung des Gestaltungsspielraums (dazu b).
a) Der Kläger nimmt insoweit nicht hinreichend in den Blick, dass der Schiedsspruch im vorliegend zu entscheidenden Rechtsstreit einer nur unzureichend vorhandenen wissenschaftlichen Datenlage zum Nachweis des Zusatznutzen des betroffenen Arzneimittels im Zeitpunkt des Beschlusses des GBA Rechnung tragen musste. Bei den vom Kläger bemängelten "nicht bekannten Daten", auf denen die Entscheidung der beklagten Schiedsstelle aufbaut, handelt es sich nämlich nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachen, die gerichtlich als "richtig" oder "falsch" qualifiziert werden können. Es geht vielmehr um bloße Prognosen, Einschätzungen und Wertungen einer fachkundig besetzten Stelle, die diese in Ausübung ihres originären Gestaltungsspielraums (nur) auf der Basis der im Beschluss des GBA zur Verfügung gestellten Datenlage treffen konnte. Die gleichwohl bestehende Notwendigkeit der Festlegung eines Erstattungsbetrages für das Arzneimittel bereits zu diesem Zeitpunkt ergab sich indessen aus zwingenden gesetzlichen Vorgaben (vgl § 130b Abs 4 iVm Abs 1 und 3 SGB V), selbst wenn es zu diesem Zeitpunkt noch keine hinreichend fundierte wissenschaftliche Datenlage über den quantifizierbaren Zusatznutzen gab. Die durch den GBA erfolgte Qualifizierung des Zusatznutzens entsprach den Vorgaben der Klassifizierung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes des Zusatznutzens nach § 5 Abs 7 S 3 Nr 4 AM-NutzenV (idF vom 28.12.2010, BGBl I 2324). Angesichts der mit dieser Datenlage verbundenen Ungewissheit ist der Beschluss des GBA bis zum 1.4.2016 bewusst befristet worden (vgl Tragende Gründe zum Beschluss des GBA vom 19.3.2015, S 15, online verfügbar). Eine qualitative Aussage über den in den jeweiligen Teilpopulationen vorliegenden Zusatznutzen war nur im Hinblick auf die Kriterien von Mortalität und Morbidität nach den Ergebnissen der zugrundeliegenden Vergleichsstudie möglich (vgl Tragende Gründe aaO S 9). Der dem Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt kann damit - anders als vom Kläger gerügt - mangels existierender weitergehender Erkenntnisse bei verständiger Würdigung weder als "lückenhaft" noch "ergänzungsbedürftig" eingestuft werden. Die Feststellungen des LSG werden insoweit im Revisionsverfahren vom Kläger auch nicht mit Verfahrensrügen iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG angegriffen.
b) Die Schiedsstelle hat in Ausübung ihres Gestaltungspielraums das vorliegend einschlägige Normenprogramm in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Sie hat ihre Entscheidung insbesondere - wie § 130b Abs 4 S 2 SGB V (idF des Gesetzes vom 7.8.2013, BGBl I 3108) vorschreibt - "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes" getroffen. Als im Ausgangspunkt maßgebenden Normenkomplex hat sie ihrer Entscheidung zutreffend § 130b Abs 1 iVm Abs 9 S 3 SGB V (idF des Gesetzes vom 19.10.2012, BGBl I 2192) und das untergesetzliche Regelwerk der Rahmenvereinbarung (RahmenV) über die Maßstäbe für solche Vereinbarungen (§§ 4, 5, 6 RahmenV idF vom 26.8.2015) iVm der AM-NutzenV und mit dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs 3 SGB V zugrunde gelegt. Die auf der Grundlage des Beschlusses des GBA getroffenen Wertungen und Prognosen zur Festlegung des Erstattungsbetrages widersprechen weder den Denkgesetzen der Logik noch Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung (vgl zu den Grenzen gerichtlicher Sachverhaltsermittlung und -würdigung insoweit zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 128 RdNr 10 ff mwN).
aa) Nach § 130b Abs 9 S 1 SGB V treffen die Verbände eine RahmenV, in der auch die Kriterien festzulegen sind, die neben dem Beschluss des GBA aus § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs 1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b Abs 1 SGB V heranzuziehen sind. Nach § 5 Abs 2 der hier einschlägigen RahmenV wird bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, der Erstattungsbetrag durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie vereinbart. Der Zuschlag richtet sich nach dem im Beschluss des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens (§ 5 Abs 7 Nr 1 bis 3 AM-NutzenV) und nach einer Berücksichtigung der sonstigen Kriterien nach § 6 RahmenV. Dazu zählen der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs 3 SGB V mit den darin getroffenen Feststellungen (gemäß § 20 Abs 3 des 5. Kap der Verfahrensordnung des GBA), insbesondere zum Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, zur Anzahl der Patienten bzw Abgrenzung der für die Behandlung infrage kommenden Patientengruppen, zu den Therapiekosten auch im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie und zu den Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung, ferner die von dem pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilten tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern, sowie die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel. Daneben regelt § 130b Abs 9 S 3 SGB V (idF des Gesetzes vom 19.10.2012, BGBl I 2192) für Arzneimittel mit einem vom GBA nach § 35a Abs 3 SGB V festgestellten Zusatznutzen, dass die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden.
bb) Über diese Erwägungen unter aa) hinaus gibt es nur wenige Kriterien - und keine Bewertungsmaßstäbe - dazu, wie der vom GBA festgestellte Zusatznutzen monetär zu kalkulieren ist. Insbesondere ist (bislang) kein Modell oder Konzept ersichtlich, nach dem ein medizinischer Nutzen einer Gesundheitsleistung in Kosten umgerechnet werden könnte (vgl Kingreen, NZS 2011, 441, 443, 446). Es existieren hierzu auch keine konkreten gesetzlichen Vorgaben. Selbst die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, dass die Entscheidung nicht durch einen vorgegebenen "Entscheidungsalgorithmus" determiniert ist (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses zum Gesetzentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, vgl BT-Drucks 17/13770, S 24 zu Nr 5a zu Buchst b). All dies belässt der Schiedsstelle einen weiten Gestaltungsspielraum, der nicht kleiner ist als derjenige der Verhandlungspartner nach § 130b Abs 1 S 1 SGB V selbst, und überantwortet der sachkundig besetzten Schiedsstelle die Rolle als Garant für gesundheitsökonomisch vertretbare und wirtschaftlich akzeptable Entscheidungen im Fall der Nichteinigung (vgl dazu Parallelurteil des Senats vom 4.7.2018 - B 3 KR 20/17 R - zur Veröffentlichung für BSGE und SozR vorgesehen, mwN).
cc) Um den - laut Beschluss des GBA nicht quantifizierbaren - Zusatznutzen zu monetarisieren, hat die beklagte Schiedsstelle im vorliegend zu entscheidenden Fall absolute Patientenzahlen den vom GBA definierten jeweiligen Teilpopulationen der Anwendungsgebiete zugeordnet. Sie hat die Kosten des Einsatzes für das Kombinationspräparat (Wirkstoff Rituximab) in den jeweiligen Teilpopulationen mitberechnet und die Jahrestherapiekosten für eine nicht kurative, patientenindividuelle zweckmäßige Vergleichstherapie (best supportive care) berücksichtigt. Sie hat die Kosten des vergleichbaren Arzneimittels (Ibrutinib) gegenübergestellt und die - als wenig verlässlich eingestuften - Daten zu den europäischen Abgabepreisen zumindest mit berücksichtigt. Sie hat anhand der Prognose eines überwiegend den Teilpatientengruppen mit Zusatznutzen zugutekommenden ärztlichen Verordnungsverhaltens den Erstattungsbetrag kalkuliert. Nach Gewichtung dieser Faktoren hat sie den Erstattungsbetrag für Zydelig® kraft ihres eigenen Beurteilungsspielraums in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf einen Packungspreis von 3900 Euro (bei einer Bezugsgröße von je 130 Euro) festgelegt, mit Jahrestherapiekosten von ca 44 650 Euro, die damit im oberen Bereich des Korridors der von den Beteiligten gestellten Anträge (Jahrestherapiekosten zwischen 33 992 und 51 100 Euro) liegen. Dass die Kosten höher als die der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen dürfen (vgl dazu das Parallelurteil des Senats vom 4.7.2018 - B 3 KR 20/17 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), liegt auf der Hand, wenn die "Vergleichstherapie" - wie hier - nicht kurativ, sondern bislang patientenindividuell nur schmerzlindernd bzw palliativ ausgerichtet war. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, warum der monetäre Wert des zusätzlichen Nutzens von den Kosten einer ggf gänzlich andersartigen Therapie abhängen sollte (ebenso Huster, NZS 2017, 681, 685).
dd) Anhaltspunkte für sachwidrige Erwägungen ergeben sich aus dieser Entscheidungsfindung nicht. Denn ihren Abwägungsprozess hat die Beklagte am gesetzlichen und untergesetzlichen Regelwerk sachgerecht orientiert. Die vom LSG geäußerte Annahme, der Erstattungsbetrag sei durch ein "unwissenschaftliches Vorgehen wie Würfeln oder ein Losverfahren" ermittelt worden, entbehrt demgegenüber einer tragfähigen Grundlage. Das LSG beachtet insofern nicht hinreichend, dass die teils paritätisch, teils unparteiisch besetzte Schiedsstelle mit erheblicher Fachkompetenz ausgestattet ist (§ 130b Abs 5 S 1 und 2 SGB V), die sie befähigt, gesundheitsökonomische Fragestellungen nicht nur sachgerecht, sondern auch interessengerecht zu lösen. Diese gesetzliche Vorgabe für die Zusammensetzung des Gremiums ist zugleich eine organisatorische Vorkehrung gegen einseitig parteiisches oder gar willkürliches Handeln. Überdies war das Schiedsverfahren hier - wie bereits ausgeführt - von der Besonderheit geprägt, dass die Schiedsstelle die Monetarisierung des Zusatznutzens auf einer seinerzeit noch nicht hinreichend abgesicherten wissenschaftlichen Datenbasis zum quantitativen Zusatznutzen und auf unsicherer Kenntnis der genauen Patientenzahlen in den einzelnen Teilpopulationen treffen musste. Dabei durfte die Schiedsstelle in ihrer Wertung zwangsläufig umso freier in ihren Einschätzungen sein, je weniger sie auf eine valide Datenbasis zurückgreifen konnte. Dadurch wird deutlich, dass es nicht um einen "einzige richtigen" Erstattungsbetrag ging, sondern um eine von der Schiedsstelle vorgenommene bloße Annäherung an einen Betrag, der allen Unwägbarkeiten bei der Monetarisierung des Zusatznutzens im Rahmen des Möglichen Rechnung tragen musste. Angesichts der nur befristeten Geltung des GBA-Beschlusses und des bereits am 23.3.2016 getroffenen Änderungsbeschlusses zu den Anwendungsgebieten des Wirkstoffs Idelalisib sowie mit Rücksicht auf entsprechende weitere Änderungsbeschlüsse des GBA vom 15.9. und 19.9.2016 und 16.3.2017 ergeben sich gegen das Ergebnis keine durchgreifenden revisionsrechtlichen Bedenken.
4. Der von dem Kläger angefochtene Schiedsspruch der Beklagten ist auch außerhalb der materiell-rechtlich zu beachtenden Vorgaben revisionsrechtlich beanstandungsfrei ergangen. Die von ihm erhobenen verwaltungsverfahrensrechtlichen Einwände greifen schlussendlich vor dem Hintergrund revisionsrechtlich dafür gebotenen Vorbringens nicht durch.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung insbesondere des für Schiedsverfahren im Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, sind an die Begründung der Abwägungsentscheidung eines Schiedsspruchs keine hohen Anforderungen zu stellen. Es ist zwar erforderlich, dass der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt (stRspr vgl nur BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36 mwN, RdNr 60), dafür genügt allerdings angesichts des Kompromisscharakters der zu treffenden Entscheidung und des weiten Gestaltungsspielraums der Schiedsstellen, dass diese Gründe "wenigstens andeutungsweise" erkennbar sind (vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60 mwN). Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wird, da anderenfalls eine Art 19 Abs 4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Gestaltungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich wäre (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60 mwN).
aa) Diese Mindestanforderungen an die Begründung des Schiedsspruchs sind hier entgegen der Ansicht des LSG und des Klägers noch gewahrt. Die Begründung des Schiedsspruchs (vgl § 21 Abs 4 GO Schiedsstelle) erfüllt die Vorgaben von § 35 Abs 1 S 2 SGB X. Danach sind in der Begründung eines Verwaltungsakts die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der angefochtene Schiedsspruch enthält den zugrunde gelegten Sachverhalt, den Verfahrensablauf, die Anträge mit den unterschiedlichen Rechtspositionen und die Erwägungen der Schiedsstelle. Die Begründung lässt erkennen, auf welchen maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen Kriterien die Festlegung des Erstattungsbetrages beruht und welches Gewicht diesen Kriterien für die Ermittlung des Erstattungsbetrages beigemessen wurden. Weitergehende Begründungspflichten lassen sich weder aus dem gesetzlichen noch dem untergesetzlichen Normprogramm herleiten (vgl auch Axer, aaO, S 77, 100 ff).
bb) Aus dem Schiedsspruch geht auch noch hinreichend hervor (insbesondere Erwägungen S 14 ff), dass die Schiedsstelle einen Erstattungsbetrag für Zydelig® ermittelte, der den Zusatznutzen dieses Arzneimittels über alle sechs Teilpopulationen monetarisierte, auf der Basis der Annahme, dass die hochspezialisierten Ärzte Zydelig® überwiegend solchen Patienten verordnen werden, die in die beiden Teilpopulationen mit Zusatznutzen fallen. Die Jahrestherapiekosten von rund 44 650 Euro werden ebenso aufgezeigt wie die Kosten des vergleichbaren Arzneimittels (Ibrutinib) in Höhe von 68 433 Euro. Die Berücksichtigung des Einsatzes eines Kombinationspräparates (Rituximab) in den Anwendungsgebieten 1 und 2, die unbezifferten Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie wie die nachrangig berücksichtigten europäischen Abgabenpreise werden dargelegt (Schiedsspruch S 18 ff). Diese Kalkulationsfaktoren werden abgeglichen und überprüft (vgl Schiedsspruch S 19 f). Eine vertiefende Begründung ihrer Entscheidungsfindung hat die Beklagte im Übrigen in der Klageerwiderung vor dem LSG (Schriftsatz vom 11.1.2017, S 19 ff) vorgetragen. Selbst wenn die Begründung im Schiedsspruch formell nicht ausreichend gewesen wäre, gibt § 41 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 2 SGB X die Möglichkeit, die für den Erlass des Verwaltungsakts erforderliche formelle Begründung eines Verwaltungsakts bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialrechtlichen Verfahrens nachzuholen (vgl Schütze in von Wulffen/ders, SGB X, 8. Aufl 2014 § 41 RdNr 10 mwN). Der Senat musste dem aber nicht weiter nachgehen, weil schon der Schiedsspruch die Mindestanforderungen an eine formell ordnungsgemäße Begründung noch erfüllt. Daher kann auch dahinstehen, ob die von der Beklagten erst in ihrer Revisionsbegründung komplette zahlenmäßige Offenlegung ihrer gesamten Kalkulation (vgl die Tabelle, S 33 der Revisionsbegründung) unbeachtlicher neuer Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren (vgl § 163 SGG) darstellen würde.
Aus dem Normenprogramm von §§ 35a Abs 3, 130b SGB V iVm § 35 Abs 1 S 2 SGB X ergibt sich jedenfalls keine Pflicht der Beklagten, die erwogenen Teilrechenoperationen zahlenmäßig im Einzelnen in der Begründung des Schiedsspruchs auszuweisen (so auch Anders, A&R 2017, 80, 81). Das Offenlegen solcher Rechenschritte mag zwar für Betroffene hilfreich sein, um den Abwägungsprozess in jedem Detail nachzuvollziehen, gesetzlich erforderlich war dies aber auch nicht aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG). Dies gilt ungeachtet der Überlegung, dass eine überobligatorische Transparenz der Wertungen den Rechtsstreit möglicherweise hätte vermeiden können, wenn die Offenlegung des Rechenweges zur Akzeptanz des Erstattungsbetrages hätte beitragen können. Allerdings wäre hierfür auch die Einsicht des Klägers förderlich gewesen, dass ein auf noch nicht abgesicherter wissenschaftlicher Datenlage beruhender - und daher nicht quantifizierbarer - Zusatznutzen unter Berücksichtigung der sich aus dem Beschluss des GBA überdies abzeichnenden Unsicherheiten nicht mittels exakter mathematisch-logischer Rechenoperationen von der Schiedsstelle kalkuliert werden kann.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers kann revisionsrechtlich nicht festgestellt werden, dass der Schiedsspruch zu einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs führte.
aa) Auch bei Entscheidungen von Schiedseinrichtungen - die behördlichen Entscheidungen in der Form eines Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) gleichstehen - gilt allgemein, dass den Beteiligten zuvor Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X, Art 103 Abs 1 GG). Einem Schiedsspruch dürfen daher nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten; dadurch sollen auch Überraschungsentscheidungen vermieden werden (vgl Düring/Schnapp in dies ≪Hrsg≫, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 152). Für Schiedsverfahren, die einer sozialgerichtlichen (wenn auch eingeschränkten) Kontrolle unterliegen, gilt § 295 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG entsprechend (dazu vgl BSG Beschlüsse vom 27.6.2012 - B 6 KA 65/11 B - Juris RdNr 39; vom 25.8.1999 - B 6 KA 19/99 B - Juris RdNr 5; BSGE 51, 58, 59 f = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 3 ff; BSGE 52, 253 = SozR 2200 § 368g Nr 9 S 12; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 34). Nach dieser Norm kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn ein Beteiligter auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen wird, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Dies gilt nur dann nicht, wenn auf die verletzte Vorschrift nicht wirksam verzichtet werden kann (§ 295 Abs 2 ZPO). Auf die Gewährung rechtlichen Gehörs kann grundsätzlich verzichtet werden. In Bezug auf Schiedsverfahren lässt sich der unmittelbar für das gerichtliche Verfahren geltende Rechtsgedanke übertragen, dass eine entsprechende Rüge spätestens vor dem Eintritt des Schiedsamts bzw der Schiedsstelle in die "Beratung und Beschlussfassung" vorgebracht werden muss, da Schiedsverfahren regelmäßig nur eine mündliche Verhandlung haben. Über die Erhebung etwaiger Verfahrensrügen oder den Verzicht hierauf muss die Niederschrift über die mündliche Verhandlung (s § 20 GO Schiedsstelle) Auskunft geben (vgl Düring/Schnapp, aaO, RdNr 220).
bb) Dass der Kläger die von ihm in der Revisionserwiderung (S 18 f) vorgetragenen Einwände in Bezug auf die Verletzung seines rechtlichen Gehörs in der Sitzung der Schiedsstelle vom 14.1.2016, die unmittelbar dem Schiedsspruch vom 20.1.2016 vorausging, vorbrachte, hat das LSG nicht festgestellt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift der Schiedsstelle sind dort keine solchen Einwendungen erhoben bzw protokolliert worden. Die erst im gerichtlichen Verfahren erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist daher verspätet erfolgt. Es reicht hingegen nicht aus, solche vermeintlich formellen Mängel des Schiedsverfahrens erstmals erst nach Bekanntgabe des Schiedsspruchs zu erheben.
Im Übrigen gilt für den Anspruch auf rechtliches Gehör, der aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren entwickelt wurde, dass die entscheidenden Gremien die Ausführungen der Beteiligten lediglich zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen müssen (vgl BVerfGE 21, 191, 194; 96, 205, 216 stRspr). Hierbei muss das Entscheidungsgremium auch nicht das Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich bescheiden. Das Verfahrensgrundrecht aus Art 103 Abs 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt (BVerfGE 69, 145, 148 f; 96, 205, 216 f). Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl BVerfGE 64, 1, 12). Anhaltspunkte dafür, dass die Schiedsstelle den Tatsachen- bzw Rechtsvortrag des Klägers völlig außer Acht gelassen bzw unberücksichtigt gelassen hat, liegen nicht vor. Dagegen spricht bereits, dass die kontroversen Rechtspositionen des Klägers und der Beigeladenen zu 1. im Schiedsspruch sehr ausführlich wiedergegeben werden (dort S 17 f).
Anderes könnte nur dann gelten, wenn sich aus dem Protokoll der Schiedsverhandlung ergäbe, dass der Kläger dem Vorsitzenden der Schiedsstelle hinreichend deutlich signalisierte, aus welchen Gründen er den Sachverhalt noch nicht für ausreichend geklärt hielt oder er zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs noch zeitlichen Aufschub für weiteres substantiiertes Vorbringen, zB mittels eines Vertagungsantrags, benötigte. Insofern gilt auch hier, dass derjenige, der sich auf die Verletzung rechtlichen Gehörs beruft, grundsätzlich hinreichend deutlich machen muss, dass er bereits selbst alles Erforderliche unternommen hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl zB BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 62 RdNr 11d mwN).
Unbeschadet all dessen setzt eine erfolgreiche Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs zudem grundsätzlich voraus, dass auch dargetan wird, was der Betroffene ohne den vermeintlichen Gehörsverstoß noch vorgebracht hätte und dass sich sein Vortrag dann - ggf nach noch beantragten und vorzunehmenden Ermittlungen - zu seinen Gunsten ausgewirkt hätte (vgl für das Revisionsverfahren zB Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 62 SGG RdNr 11b mwN). Dazu hätte im vorliegend zu entscheidenden Schiedsverfahren besonderer Anlass bestanden angesichts der - wie bereits oben beschrieben - besonderen personellen Zusammensetzung der Schiedsstelle und des Umstandes, dass hier weitergehende Erkenntnisquellen bei der Ermittlung der Faktoren für die Mischpreisfestsetzung nicht ersichtlich schienen, sondern eine Prognose und eine Einschätzung im Raum standen.
c) Auch im Übrigen ergeben sich aus den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte, dass die Schiedsstelle Verfahrensrecht verletzt haben könnte. Insbesondere hat sie das Verfahren nach der Geschäftsstellenordnung durchgeführt und die Schiedsstelle hat in ordnungsgemäßer Besetzung entschieden (vgl § 130b Abs 5 S 2 SGB V). Selbst eine verspätete Entscheidung der Schiedsstelle (nach § 130b Abs 4 S 1 SGB V) wäre folgenlos gemäß § 42 SGB X geblieben (vgl das Parallelurteil des Senats vom 4.7.2018 - B 3 KR 20/17 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und Abs 3 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch gesonderten Beschluss.
Fundstellen
NZS 2019, 230 |
SGb 2018, 695 |
GesR 2019, 423 |