Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. September 1979 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1976 die Bergmannsrente entziehen durfte, die er seit 1964 bezogen hat.
Der 1917 geborene Kläger war seit 1948 im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau nacheinander als Schlepper, Gedingeschlepper, Lehrhauer, Kohlenstoßtränker und von 1959 bis 1964 als Hauer tätig. Ab 1. Januar 1964 erhielt er Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) – Bescheid der damaligen Ruhrknappschaft vom 13. Oktober 1964 –. Bis März 1966 arbeitete er als Ausbauhelfer im Bergbau. Von 1966 bis 1977 war er beim Staatshochbauamt für die Universität Dortmund angestellt. Dort verrichtete er Druck-, Lichtpaus- und Fotokopierarbeiten. Vom 1. Januar 1971 an wurde er nach der Vergütungsgruppe BAT VIII entlohnt. Seit 1. Oktober 1977 erhält er die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Beklagte entzog dem Kläger die Bergmannsrente mit Wirkung ab 1. Januar 1976, weil der Kläger sich neue Kenntnisse und Fertigkeiten angeeignet habe, die ihn befähigten, in einem knappschafflich versicherten Betrieb dem Hauer im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten als technischer Angestellter über Tage (Gruppen 11 oder 12) oder als kaufmännischer Angestellter (Gruppe 42) zu verrichten (Bescheid vom 12. November 1975; Widerspruchsbescheid vom 12. April 1976).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 9. September 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 11. September 1979 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger sei bei seiner Höhergruppierung im Jahre 1971 einem Offsetvervielfältiger mit Lehrabschluß gleichgesetzt worden. Zur Bewältigung der Aufgaben, die dem Kläger übertragen worden seien, reichten weder das einem normalen Versicherten regelmäßig ohnehin zu Gebote stehende Wissen und Können, noch die Fachkenntnisse eines früheren Hauers aus. Es sei für diese Arbeiten eine Einweisungs- und Einarbeitungszeit von mehr als drei Monaten erforderlich. Der Kläger fülle aufgrund langjähriger Erfahrung und Selbst Schulung seinen Arbeitsplatz nun voll und ganz aus. Aufgrund dieser Fähigkeiten sei er imstande, in knappschaftlich versicherten Betrieben auf dem Druckerei- und Vervielfältigungssektor tätig zu werden, und zwar auf Stellen, die zumeist entweder nach den Gruppen 11 oder 12 der technischen Angestellten über Tage entsprechend dem Berufsgruppenverzeichnis für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus oder ähnlicher Tarifgruppen vergütet würden. Derartige Tätigkeiten seien dem Hauptberuf des Klägers auch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Ein Hauer erziele in der Gewinnung nach dem seit dem 1. Mai 1975 geltenden Tarifvertrag ein tägliches Entgelt von 75,95 DM. Dies entspreche unter Zugrundelegung von 22 Schichten pro Monat einem Verdienst von 1.671,90 DM. Bei Berücksichtigung einer als zumutbar angesehenen Lohneinbuße von 12,5 vH sei bereits ein Entgelt von 1.462,13 DM der Hauertätigkeit in der Gewinnung im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Als technischer Angestellter über Tage der Gruppe 12 hätte der Kläger demgegenüber schon ein Anfangsgehalt von monatlich 1.538,– DM ohne Berücksichtigung jeglicher Steigerungsraten erzielt. Gleiches hätte für die Gruppe 11 unter Berücksichtigung weniger Steigerungsstufen bei Anrechnung der vorher verrichteten knappschaftlichen Arbeiten gegolten.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 45, 86 RKG. Bei der Würdigung der Zeugenaussage habe das LSG zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß in bestimmten Situationen Vorgesetzte kleinerer Abteilungen einer Verwaltung die notwendige Qualifikation ihrer nachgeordneten Mitarbeiter überbewerten, um dadurch die Wichtigkeit ihrer eigenen Position herauszustellen. Die Druck- und Vervielfältigungsvorgänge würden vereinfacht. Auch der Zeuge habe bekundet, daß die Nachfolgerin des Klägers lediglich im Arbeiterverhältnis beschäftigt werde und allenfalls in Gruppe IX BAT eingestuft werden könne. Wenn man davon ausgehe, daß der Kläger in einem knappschafflich versicherten Betrieb lediglich in Lohngruppe 11 eingestuft werde, sei sein Anfangsgehalt nicht mehr hoch genug, um es als im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig mit der Tätigkeit eines Hauers bezeichnen zu können. Einen tariflichen Anspruch darauf, sofort vier jährliche Steigerungen zu erhalten, wie sie erforderlich seien, damit die wesentliche wirtschaftliche Gleichwertigkeit gegeben sei, habe der Kläger nicht. Das LSG hätte sich daher nicht damit begnügen dürfen, mehr als 60 Arbeitsplätze im Ruhrbergbau, bei der Beklagten und Saarbergbau als genügend für eine Verweisung anzusehen. Es hätte auch prüfen müssen, wieviel Arbeitsplätze es gebe, auf denen der Kläger einen im wesentlichen gleichwertigen Lohn erzielen könne. Wenn geprüft werde, ob eine genügende Zahl von Arbeitsplätzen vorhanden sei, könne dies nur an Verhältnis zahlen geschehen, da absolute Zahlen nicht unbedingt etwas darüber aussagten, ob eine Verweisung rein hypothetischer Natur sei.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. September 1976 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte durfte dem Kläger ab 1. Januar 1976 die Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit entziehen.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 RKG wird die Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG) entzogen, wenn der Empfänger infolge Änderungen in seinen Verhältnissen nicht mehr vermindert bergmännisch berufsfähig ist. Der Kläger war spätestens ab 1. Januar 1976 infolge Änderungen in seinen Verhältnissen nicht mehr vermindert bergmännisch berufsfähig iS des § 45 Abs. 2 RKG, weil er im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in knappschafflich versicherten Betrieben ausüben konnte.
Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger in den Jahren nach 1964 Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, mit denen er als Vervielfältigter arbeitete. Darin liegt eine Änderung der Verhältnisse des Klägers, die dann anzunehmen ist, wenn nach der Rentengewährung irgendein Umstand eintritt, der die Erwerbsfähigkeit des Versicherten erhöht. Dazu gehört auch der Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten (BSG SozR 2600 § 86 Nr. 1 Bl 1). Der Kläger war durch diesen Erwerb neuer Kenntnisse und Fertigkeiten ab 1. Januar 1976 in der Lage, im wesentlichen wirtschaftliche gleichwertige Arbeiten von Personen mit gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in knappschaftlich versicherten Betrieben auszuüben.
Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger mit den Fähigkeiten und spezifischen Berufserfahrungen, die er während seiner jahrelangen Tätigkeit erworben hatte, einen Arbeitsplatz in knappschaftlich versicherten Betrieben auf dem Druckerei- und Vervielfältigungssektor hätte ausfüllen können, bei dem er entweder in den Gruppen 11 oder 12 der technischen Angestellten über Tage nach dem Berufsgruppenverzeichnis für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus oder ähnlichen Tarifgruppen entlohnt worden wäre. Jedenfalls eine Angestelltentätigkeit der Gruppe 12 war der früheren Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Zu Recht ist das LSG bei der Berechnung des Hauerlohnes von der Lohngruppe 10 der Lohntafel für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau ausgegangen, wenn auch der Kläger bereits vor dem 1. Juli 1976 aus der Hauertätigkeit ausgeschieden war (vgl BSG SozR 2600 § 45 Nr. 4). Ein Hauer der Lohngruppe 10 verdiente entsprechend dem ab 1. Mai 1975 geltenden Tarifvertrag täglich 75,95 DM. Bei 22 Schichten im Monat entspricht das einem Monatsverdienst von 1.670,90 DM. Im wesentlichen wirtschaftlich dem Hauptberuf gleichwertig sind Tätigkeiten dann, wenn die Differenz zwischen der tariflichen Einstufung des Hauptberufs des Versicherten und der tariflichen Einstufung der in Betracht gezogenen Verweisungsberufe nicht größer als 12,5 % ist (BSG SozR 2600 § 45 Nr. 16). Eine Arbeit mit einem Entgelt von 1.462,04 DM wäre also einer Tätigkeit als Hauer in der Gewinnung – dem Hauptberuf des Klägers – wirtschaftlich im wesentlichen gleichwertig. Bereits das Mindestanfangsgehalt nach der Gruppe 12 der technischen Angestellten über Tage (vgl Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaues vom 16. Juli 1973) liegt über dieser Grenze.
Das LSG hat zwar auch eine Tätigkeit des Klägers nach Gruppe 11 (mit Steigerungsstufen) in Betracht gezogen, jedoch keinen Zweifel daran gelassen, daß es den Kläger für fähig hält, die Arbeiten zu verrichten, die unter die Lohngruppe 12 fallen. Geht man – aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) – davon aus, daß der Kläger in der Lage wäre, im Bergbau Tätigkeiten der Tarifgruppe 12 der technischen Angestellten über Tage zu verrichten, so wäre er mithin fähig, im Bergbau im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten auszuführen, denn die Differenz betrug weniger als 12,5 vH.
Diese Arbeit (Offsetvervielfältiger im Bergbau) wäre auch der bisherigen Tätigkeit des Klägers im Bergbau (Hauer) hinsichtlich der Kenntnisse und Fähigkeiten gleichwertig. Dem Merkmal der „ähnlichen Ausbildung” in § 45 RKG kommt keine selbständige und zusätzliche Bedeutung zu. Es ist in dem Merkmal der gleichwertigen Kenntnisse und Fähigkeiten enthalten (BSG SozR Nr. 42 zu § 45 RKG, Bl Aa Nr. 36). Der Offsetvervielfältiger im Bergbau ist dem Hauer qualitativ im wesentlichen gleichwertig. Der Hauer ist ein Facharbeiter. Die Tätigkeiten der Gruppe 12 der technischen Angestellten über Tage werden nach der Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaues – Gehaltsgruppenverzeichnis – vom 16. Juli 1973 allgemein so beschrieben:
„Angestellte, die – ggf. beaufsichtigend – in einem einfachen Bereich nach Anweisung Tätigkeiten ausüben, für die Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die durch eine Fachausbildung, eine Spezialausbildung oder entsprechende Berufserfahrung erworben sein können”. Zu diesen Tätigkeiten rechnet nach dem Gehaltsgruppenverzeichnis auch das selbständige Herstellen von Vervielfältigungen aller Art. Die Tätigkeit dieses Vervielfältigers entspricht der vom Kläger außerhalb des Bergbaus ausgeübten Tätigkeit, die immerhin – ebenso wie die Tätigkeit eines Vervielfältigers mit abgeschlossener Ausbildung – in die Gruppe BAT VIII eingestuft war.
Grundsätzlich keine Rolle spielt bei der Verweisung nach § 45 RKG, ob es entsprechende freie Arbeitsplätze für den Versicherten gibt und ob er Aussicht hat, einen solchen Arbeitsplatz zu erlangen. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, ist grundsätzlich nicht von der Rentenversicherung, sondern gegebenenfalls von der Arbeitslosenversicherung zu tragen. Wenn allerdings die Zahl der Arbeitsplätze, die der Versicherte noch ausfüllen kann, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage so gering ist, daß sie praktisch nicht ins Gewicht fallen, haben sie außer Betracht zu bleiben. Der Versicherte ist dann oder wäre dann gegebenenfalls nicht nur arbeitslos, sondern er wäre von der Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewerben, insoweit praktisch ausgeschlossen (BSGE 5, 84, SozR 2600 § 46 Nr. 1 Bl 5, SozR 2600 § 45 Nr. 19 Bl 55).
Es muß davon ausgegangen werden, daß es für einen Versicherten, der vollschichtig arbeiten kann, Arbeitsplätze für Tätigkeiten, die tariflich erfaßt sind, in nennenswerter Zahl gibt. Ausnahmen können nur in ganz besonders liegenden Fällen anerkannt werden (BSG SozR 2600 § 46 Nr. 1, SozR Nr. 108 zu § 1246 Reichsversicherungsordnung –RVO–). Dafür, daß es in knapp schafflich versicherten Betrieben praktisch keine für die nunmehr vom Kläger erworbenen Fähigkeiten geeigneten Arbeitsplätze gibt, besteht angesichts der Feststellungen des LSG, daß es allein im Ruhrbergbau, bei der Beklagten und bei den Saarbergwerken mehr als 60 Arbeitsplätze der Art gibt, wie sie sich für den Kläger angesichst seiner seit 1971 bestehenden Vorbildung anbieten, kein Anhalt. Das gilt auch dann, wenn sich die Zahl der vom LSG festgestellten 60 Arbeitsplätze deshalb reduzieren sollte, weil einige zwar nach Gruppe 11 entlohnt werden, der Kläger aber keine Aussicht hätte, sofort einige Steigerungsstufen angerechnet zu erhalten. Die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze – seien sie besetzt oder nicht – wäre dann doch noch nicht völlig unbeachtlich. Das gilt vor allem dann, wenn man berücksichtigt, daß die Zahl der für diese Tätigkeiten befähigten Bewerber relativ begrenzt sein wird (vgl BSG SozR 2600 § 46 Nr. 1).
Zu Recht hat das LSG auch ausgeführt, daß es bei der Verweisung keine Rolle spielt, wenn der Kläger nicht alle von den Gruppen 11 und 12 erfaßten Tätigkeiten ausüben kann. Diese Lohngruppen fassen unterschiedliche Tätigkeiten bei einer Entlohnung zusammen. Die Unterteilung dieser Lohngruppen in verschiedene Tätigkeitsbereiche ist also von vornherein vorgegeben (vgl BSG SozR 2600 § 45 Nr. 19). Dabei handelt es sich bei der ausdrücklich aufgeführten Tätigkeit eines Vervielfältigers nicht um Teilbereiche einer tariflich erfaßten Tätigkeit, sondern um vollständige Arbeitsstellen.
An tatsächliche Feststellungen des LSG ist das Revisionsgericht gebunden, da in bezug auf sie keine Revisionsgründe vorgebracht sind. Soweit der Kläger die Feststellungen des LSG angreift, etwa mit der Begründung, das LSG habe die Aussagen des Zeugen falsch gewürdigt, enthält sein Vorbringen keine Revisionsgründe. Er würdigt lediglich die Aussagen und Umstände anders, als das LSG dies getan hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen