Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Rechtsnatur eines Bescheides kommt es allein auf seinen Inhalt an; dabei ist es unerheblich, wie er überschrieben ist.
Enthält ein Schreiben des Versorgungsamts alle Merkmale eines Bescheides, so hat es als solcher zu gelten; dies gilt insbesondere dann, wenn in dem Schreiben irgendwelche Vorbehalte, die darauf hindeuten könnten, daß es sich nur um eine vorläufige Benachrichtigung handeln sollte, nicht enthalten sind.
2. Gegen die nachträgliche andere Begründung eines Bescheides bestehen keine Bedenken, wenn der Bescheid hierdurch eine wesentliche Änderung seines Inhalts nicht erfährt und die Rechtsverteidigung des Beschädigten dadurch nicht erschwert wird.
3. Ein "Nachschieben" von Gründen durch die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, ist jedenfalls dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die andere Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht etwas wesentlich anderes wird; in solchen Fällen wird durch eine nachträglich andere Begründung kein anderer Verwaltungsakt geschaffen, sondern nur der bestehende Verwaltungsakt auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt.
Unter den gleichen Voraussetzungen ist ein Verwaltungsakt der eine unzutreffende Begründung enthält, aber auf andere rechtliche Vorschriften gestützt werden kann, auch vom Gericht als rechtmäßig zu werten; ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die rechtliche Begründung, die ihm von der Verwaltung beigegeben ist, nicht zutrifft.
Normenkette
KOVVfG § 22 Fassung: 1955-05-02; SGG § 54 Fassung: 1953-09-03
Tenor
1.) Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 17.Februar 1955 wird zurückgewiesen.
2.) Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen
Gründe
Der im Jahre 1956 verstorbene Ehemann der Revisionsklägerin zu 1 und Vater der Revisionsklägerinnen zu 2 und 3 - im folgenden als der Beschädigte bezeichnet, erhielt gemäß Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA.) Hannover, Außenstelle Oldenburg, vom 10. November 1947 wegen Neurasthenie, Verdauungsstörungen und Lungenspitzenkatarrh vom 1. August 1947 ab, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27, eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 50 v.H. In der bei den Akten verbliebenen Urschrift dieses Bescheides war die Anerkennung der erwähnten Leiden im Sinne der Verschlimmerung durch Kriegseinwirkung verfügt worden. In der dem Beschädigten übersandten Reinschrift des Bescheides war aber die Anerkennung im Sinne der Entstehung vermerkt, wie sich erst später in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG.) am 17. Februar 1955 herausgestellt hat.
Auf Grund einer Nachuntersuchung des Beschädigten änderte die Außenstelle Oldenburg den letzten Bescheid mit dem Bescheid vom 25. September 1950. Sie erkannte hierbei nicht mehr die Neurasthenie, sondern nur noch "Verdauungsstörung nach Ruhr, abgeheilter Lungenspitzenkatarrh, abgeheilte leichte Gehirnerschütterung" als Gesundheitsstörungen, die einen Versorgungsanspruch begründen, an und gewährte dem Beschädigten vom 1. November 1950 ab eine Rente nach einer MdE. um 30 v.H. In der Begründung ihres Rentenänderungsbescheides führte die Außenstelle an, daß in den Verhältnissen, die für die Feststellung der bisherigen Rente maßgebend gewesen waren, eine wesentliche Änderung eingetreten sei und eine neue Feststellung gemäß § 608 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit der SVD Nr. 27 getroffen werden könne.
Gegen den Rentenänderungsbescheid erhob der Beschädigte Einspruch. Bevor über den Einspruch entschieden wurde, erließ das Versorgungsamt (VersorgA.) Oldenburg auf Grund des am 1. Oktober 1950 in Kraft getretenen Bundesversorgungsgesetzes (BVG) den Umanerkennungsbescheid vom 26. Oktober 1951. In ihm erkannte es als Schädigungsfolgen, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG, "Verdauungsstörungen nach Ruhr, abgeheilter Lungenspitzenkatarrh, abgeheilte Gehirnerschütterung" an. In dem Bescheid heißt es sodann: "Durch diese Gesundheitsstörungen ist Ihre Erwerbsfähigkeit gemindert um 50 v.H. ab 1. Oktober 1950, um 30 v.H. ab 1. Dezember 1951 (Ablauf des Monats, der auf die Zustellung dieses Bescheides folgt), vgl. Bescheid vom 25. September 1950, der hiermit aufgehoben wird." Weiterhin vermerkte das VersorgA., daß der gegen den Bescheid vom 25. September 1950 eingelegte Einspruch gleichzeitig als Einspruch gegen diesen Bescheid gilt. Der Beschwerdeausschuß für den Versorgungsamtsbezirk Oldenburg wies mit seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1951 den Einspruch gegen die Bescheide vom 25. September 1950 und 26. Oktober 1951 als unbegründet zurück. Hiergegen legte der Beschädigte Berufung bei dem damals zuständigen Oberversicherungsamt (OVA.) Aurich ein, das ein weiteres Gutachten von der Klinik Sanderbusch einholte. Das Sozialgericht (SG.) Aurich, das nach dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) über die nunmehr als Klage geltende Berufung zu entscheiden hatte (§ 215 Abs. 4 SGG), hob mit Urteil vom 28. Mai 1954 die Entscheidung des Beschwerdeausschusses auf und änderte den Umanerkennungsbescheid des VersorgA. Oldenburg dahin ab, daß der Beklagte dem Beschädigten vom 1. Dezember 1951 ab eine Rente nach einer MdE. um 40 v.H. für chronischen Magenkatarrh mit Magensäurenmangel nach Ruhr, Leberzellenschädigung und abgeheilten Lungenspitzenkatarrh zu gewähren habe. Im übrigen wies es die Klage ab.
Gegen dieses Urteil legte der Beschädigte Berufung ein mit dem Antrag, Emphysem-Bronchitis, Herzmuskelschaden, Aorten-Sklerose und Neurasthenie als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und eine höhere MdE. festzusetzen.
Das LSG. Celle wies mit Urteil vom 17. Februar 1955 die Berufung zurück. In der Begründung führt es aus, daß die chronische Bronchitis, der Herzmuskelschaden und die Herzkranzgefäßverkalkung durch den Wehrdienst weder verursacht noch verschlimmert worden seien. Die Anerkennung der Neurasthenie in dem Bescheid vom 10. November 1947 als Kriegsdienstfolge sei nach dem Gutachten der Klinik Sanderbusch, deren Ausführungen sich das Gericht zu eigen macht, fehlerhaft gewesen. Gemäß Ziffer 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 habe die LVA. die Möglichkeit gehabt, die Anerkennung dieses Leidens mit Bescheid vom 25. September 1950 zurückzunehmen. Die Zurücknahme sei nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Bescheid anstatt der Ziffer 26 SVA Nr. 11 den § 608 RVO als Rechtsgrundlage bezeichne. Die LVA. habe geglaubt, in dem Bescheid vom 10. November 1947 die Neurasthenie nur im Sinne der Verschlimmerung anerkannt zu haben. Darauf sei es zurückzuführen, daß der Bescheid vom 25. September 1950 sich nicht Berichtigungsbescheid, sondern Rentenänderungsbescheid nannte.
Das LSG. ließ die Revision gegen dieses Urteil zu, weil hinsichtlich der Anwendung der Ziffer 26 SVA Nr. 11 über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war.
Gegen das am 13. April 1955 zugestellte Urteil hat der Beschädigte mit Schriftsatz vom 10. Mai 1955, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 12. Mai 1955, Revision eingelegt und diese zugleich begründet. Für den Beschädigten, der am 1. Juni 1956 verstorben ist, haben die Revisionsklägerinnen das Verfahren aufgenommen und zum Nachweis ihrer Rechtsnachfolge den gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Weener vom 3. August 1956 eingereicht. Sie beantragen,
1) unter Aufhebung des Urteils des LSG. Celle vom 17. Februar 1955 und unter teilweiser Aufhebung des Urteils des SG. Aurich vom 28. Mai 1954 den Beklagten zu verurteilen, als Versorgungsleiden für den am 1. Juni 1956 verstorbenen A. M. Neurasthenie anzuerkennen und über den 30. November 1951 hinaus bis 1. Juni 1956 Versorgungsrente nach einer MdE. um 50 v.H. an die Revisionskläger zu zahlen,
2) die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
Sie führen aus, daß nach der SVD Nr. 27 für die Gewährung von Leistungen die Grundsätze der Unfallversicherung anzuwenden seien. Diese ließen aber eine Aufhebung rechtskräftig gewordener Bescheide nur im Rahmen des § 608 RVO zu. Die Ziffer 26 SVA Nr. 11, die darüber hinaus eine Aufhebung rechtskräftiger Bescheide dann zulasse, wenn diese sich als unzutreffend erweisen, überschreite daher die Ermächtigung des Präsidenten des Zentralamts für Arbeit, soweit diese Vorschrift dahin ausgelegt wird, daß mit ihrer Hilfe Versorgungsleiden aberkannt werden sollten, die auf Grund der SVD Nr. 27 rechtskräftig anerkannt waren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG. im Ergebnis für zutreffend. Seiner Ansicht nach ist die Versorgungsrente des Klägers im Jahre 1947 ohne Neuantrag gewährt worden. Mithin habe es sich um einen Fall des § 14 Abs. 2 SVD Nr. 27 gehandelt; die Benachrichtigung vom 10. November 1947 habe, unabhängig von ihrer Bezeichnung als Bescheid, nur vorläufigen Charakter gehabt. Durch Ziffer 26 SVA Nr. 11 habe der Präsident des Zentralamts die Möglichkeit geschaffen, solche Verwaltungsakte mit dem Vorbehalt des Widerrufs zu beseitigen, soweit sie Entscheidungen nach früherem Recht als vorläufig maßgebend zu Grunde gelegt hatten.
Demgegenüber führen die Revisionskläger aus, daß in dem Bescheid vom 10. November 1947 die Neurasthenie nicht nur "vorläufig" als Versorgungsleiden anerkannt worden sei. Tatsächlich sei die Neurasthenie auch nicht auf Grund früherer Entscheidungen in den Bescheid vom 10. November 1947 aufgenommen worden, sondern auf Grund eines ordnungsgemäßen Feststellungsverfahrens, das auf den Antrag des Beschädigten hin im Jahre 1947 eingeleitet worden sei.
Im übrigen wird zur Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt des angefochtenen Urteils und die Schriftsätze der Beteiligten vom 10. Mai 1955, 8. September 1955 und vom 22. August 1955 Bezug genommen.
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Da das LSG. sie im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung seiner Entscheidung über die Auslegung der Ziffer 26 SVA Nr. 11 zugelassen hat, ist sie statthaft und somit zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Auch gegen die Aufnahme des Verfahrens durch die Revisionsklägerinnen bestehen keine Bedenken, nachdem diese den Nachweis ihrer Rechtsnachfolge nach dem Beschädigten durch den gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Weener vom 3. August 1956 erbracht haben. Die Revision ist aber nicht begründet.
Zutreffend hat das LSG. angenommen, daß die LVA. Hannover, Außenstelle Oldenburg, ihren früheren Bescheid vom 10. November 1947 mit Bescheid vom 25. September 1950 aufgehoben hat und daß sie diesen Bescheid auf Grund der Ziffer 26 SVA Nr. 11 erlassen durfte. Dabei ist es unerheblich, daß sie den Bescheid vom 25. September 1950 mit "Rentenänderungsbescheid" überschrieb. Seinem Inhalt nach, auf den es allein ankommt, änderte der Bescheid vom 25. September 1950 den vom 10. November 1947 nicht nur ab, sondern hob ihn auf, indem er dem Rentenanspruch des Beschädigten durch eine andere Bezeichnung der Gesundheitsstörungen und eine andere Bewertung der MdE. eine neue Grundlage gab. Auch der Umstand ändert an der Art des Bescheides vom 25. September 1950 nichts, daß in dem an den Beschädigten übersandten Bescheid vom 10. November 1947 die Neurasthenie im Sinne der Entstehung anerkannt war, die LVA. dagegen glaubte, dieses Leiden nur im Sinne der Verschlimmerung anerkannt zu haben. In dem Aufhebungsbescheid vom 25. September 1950 bringt die LVA. Hannover, Außenstelle Oldenburg, unmißverständlich zum Ausdruck, daß die Neurasthenie ein anlagebedingtes Leiden ist und auf keinen Fall mehr als Schädigungsfolge anerkannt werden soll, so daß es gleichgültig ist, ob diese Gesundheitsstörung bisher im Sinne der Entstehung oder im Sinne der Verschlimmerung anerkannt war.
Zu der Aufhebung des Bescheides von 1947 war die LVA. Hannover, Außenstelle Oldenburg, berechtigt und zwar auf Grund der Ziffer 26 SVA Nr. 11, nicht, wie der Beklagte meint, deshalb, weil es sich bei dem Schreiben vom 10. November 1947 nur um eine Benachrichtigung mit vorläufigem Charakter gehandelt habe. Allein aus § 14 Abs. 2 SVD Nr. 27 kann dies nicht ohne weiteres gefolgert werden. Im übrigen enthält das Schreiben vom 10. November 1947 alle Merkmale eines Bescheides und hat daher als solcher zu gelten, zumal in ihm irgendwelche Vorbehalte, die darauf hindeuten könnten, daß es sich nur um eine vorläufige Benachrichtigung handeln solle, nicht enthalten sind.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 4. September 1956 - 10 RV 70/54 - ausgeführt hat, handelt es sich bei der SVA Nr. 11 um revisibles Recht im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG. Die Nachprüfung dieser Bestimmungen hinsichtlich ihrer richtigen Anwendung und Auslegung war auch den deutschen Gerichten weder entzogen noch ist sie ihnen zur Zeit entzogen, weil diese Bestimmungen von einer deutschen Stelle erlassen waren, wenn auch die Ermächtigung dazu in einer besatzungsrechtlichen Vorschrift erteilt war (§ 22 SVD Nr. 27). Wie der Senat weiterhin in der erwähnten Entscheidung ausgeführt hat, bezieht sich die Ziffer 26 SVA Nr. 11 auf Bescheide, die nach dem Recht der SVD Nr. 27 ergangen waren. Gegen diese Auslegung können berechtigte Einwendungen weder aus dem Prinzip der Rechtskraftwirkung von Bescheiden noch aus den Vorschriften der SVD Nr. 27 oder anderer vergleichbarer Gesetze hergeleitet werden. Insbesondere greift auch der vornehmlich zur Begründung der Revision vorgebrachte Einwand nicht durch, daß rechtskräftige, nach dem Recht der SVD Nr. 27 erlassene Bescheide nur im Rahmen des § 608 RVO aufgehoben werden könnten. Die Revisionsklägerinnen berufen sich darauf, daß die Grundsätze der Unfallversicherung gemäß §§ 1, 2 SVD Nr. 27 für die Gewährung von Leistungen anzuwenden seien und daß deshalb nur in den Grenzen des § 608 RVO rechtskräftige Bescheide aufgehoben werden durften. Es trifft zwar zu, daß das Recht der Unfallversicherung keine der Ziffer 26 SVA Nr. 11 entsprechende Vorschrift kennt, sondern die Aufhebung eines Bescheides nur bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zuläßt (§ 608 RVO). Trotzdem war der Präsident des Zentralamts für Arbeit berechtigt, durch die Ziffer 26 SVA Nr. 11 eine von dem Recht der RVO verschiedene Regelung zu treffen, ohne damit gegen § 1 SVD Nr. 27 zu verstoßen. Einmal schreibt § 1 SVD Nr. 27 nur die Anwendung der "Grundsätze" der gesetzlichen Unfallversicherung vor, so daß danach ohnehin Sonderregelungen möglich waren, zum anderen enthält § 2 SVD Nr. 27 den ausdrücklichen Vorbehalt, daß Abweichungen auch durch Anweisungen außerhalb der Direktive festgelegt werden können. Zu diesen Anweisungen außerhalb der Direktive muß auch die SVA Nr. 11 gerechnet werden, die in der SVD Nr. 27 selbst vorgesehen ist (§ 22).
Der Hinweis der Revisionsklägerinnen auf eine Verwaltungsverfügung des Landesversorgungsamts (LVersorgA.) Hannover Nr. 1 vom 26. Januar 1951 und auf den Erlaß des Bundesarbeitsministers vom 3. Dezember 1953 - IV b 2 - 5729/53, die nach ihrer Ansicht die der Revisionsbegründung zugrunde liegende Auffassung bestätigen, geht fehl. In der angezogenen Verfügung des LVersorgA. Hannover wird lediglich die Ansicht vertreten, daß die Anwendbarkeit der Ziffer 26 SVA Nr. 11 mit dem Inkrafttreten des BVG am 1. Oktober 1950 entfallen sei. Ob diese Ansicht zutrifft, kann dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall der Bescheid vom 25.September 1950, der am 26. September 1950 zur Post gegeben wurde, noch vor dem Inkrafttreten des BVG erlassen und auch gemäß § 1 der Postzustellungsverordnung vom 23. August 1943 noch am 30. September 1950 zugestellt worden war. Wenn in dem Erlaß des Bundesarbeitsministers vom 3. Dezember 1953 zum Ausdruck kommt, daß in der britischen Zone die Erteilung von Berechtigungsbescheiden auf Grund der Ziffer 26 SVA Nr. 11 nicht möglich sei, so trifft diese Ansicht für den Zeitpunkt des Erlasses auch unzweifelhaft zu; denn zu diesem Zeitpunkt war diese Bestimmung, wie aus ihrem Abs. 2 hervorgeht, bereits seit dem 31. Dezember 1952 außer Kraft getreten.
War somit die Ziffer 26 SVA Nr. 11 auf die nach dem Recht der SVD Nr. 27 ergangenen Bescheide anwendbar, so konnte die LVA. Hannover, Außenstelle Oldenburg, mit ihrem Bescheid vom 25. September 1950 den Bescheid vom 10. November 1947 aufheben, da dessen Voraussetzungen sich als unzutreffend erwiesen hatten. Nach den Feststellungen des LSG., die von der Revision nicht angegriffen und daher für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG), ist die Neurasthenie des Beschädigten anlagebedingt und nicht, wie ursprünglich angenommen war, ein durch den Wehrdienst entstandenes oder verschlimmertes Leiden. Bei dieser Sachlage steht der Rechtswirksamkeit des Bescheides vom 25. September 1950 nicht entgegen, daß er sich nach seinem Wortlaut auf § 608 RVO stützt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 4. September 1956 - 10 RV 70/54 - ausgeführt hat, wird die Gültigkeit eines Bescheides nicht dadurch berührt, daß er irrtümlich § 608 als Rechtsquelle anführt, in Wirklichkeit aber nur in Ziffer 26 SVA Nr. 11 eine Rechtsgrundlage haben kann. Bedenken gegen die nachträgliche Begründung des Bescheides vom 25. September 1950 mit der Ziffer 26 SVA Nr. 11 bestehen nicht. Der Bescheid hat hierdurch eine wesentliche Änderung seines Inhalts nicht erfahren, und die Rechtsverteidigung des Beschädigten ist dadurch nicht erschwert worden (vgl. BSG. Urteil vom 23.8.1956 - 3 RJ 293/55 - und BVerwG. 1 S. 311). Aus dem Bescheid vom 25. September 1950 geht eindeutig hervor, daß der Bescheid vom 10. November 1947 aufgehoben werden sollte, weil die Neurasthenie anlagebedingt ist.
Das VersorgA. Oldenburg hat deshalb mit Recht den Bescheid vom 25. September 1950 als gültig angesehen und ihn seinem Umanerkennungsbescheid vom 26. Oktober 1951 zugrunde gelegt, wie aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf jenen Bescheid zu erkennen ist.
Der Vermerk in dem Umanerkennungsbescheid, daß der Bescheid vom 25. September 1950 aufgehoben werde, ist allerdings mißverständlich. In Wirklichkeit wollte das VersorgA. damit lediglich zum Ausdruck bringen, daß dieser Bescheid nunmehr überholt ist, da der Umanerkennungsbescheid die Rente rückwirkend günstiger regelt als der Bescheid vom 25. September 1950. Auch seinem übrigen Inhalt nach läßt der Umanerkennungsbescheid nicht die Deutung zu, - was bisher auch von keiner Seite vorgebracht worden ist -, daß er etwa den Bescheid vom 25. September 1950 aufheben und die mit dem Bescheid von 1947 bewilligte Rente nach den Vorschriften des BVG neu feststellen wolle.
Der Umanerkennungsbescheid verstieß daher nicht gegen § 85 BVG. Das VersorgA. legte mit Recht den Bescheid vom 25. September 1950 der Umanerkennung zu Grunde; denn dieser Bescheid war die Entscheidung, durch die nach den bisherigen Vorschriften über den Zusammenhang der Gesundheitsstörungen des Beschädigten mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG entschieden worden war. Das LSG. hat mithin zutreffend den Bescheid vom 25. September 1950 und den Umanerkennungsbescheid vom 26. Oktober 1951 als gültig angesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen