Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
I.
In dem Rechtsstreit um die Gewährung von Witwenrente streiten die Beteiligten, ob der plötzliche Herztod des Versicherten Folge einer durch einen Verkehrsunfall ausgelösten psychischen Belastung gewesen ist.
Der am 31. August 1931 geborene Ehemann der Klägerin, A R (Versicherter), war als Aufseher im Städtischen Museum beschäftigt. Am Morgen des 23. Oktober 1984 machte er sich von seinem außerhalb der Stadt gelegenen Wohnort mit seinem Pkw auf den Weg, um in die Stadt zu fahren und seine Arbeit aufzunehmen. Als er die Stadtgrenze erreicht hatte, fuhr er mit seinem Pkw auf den vor ihm befindlichen Wagen auf, der gerade am Ende eines Fahrzeugstaus hielt. Dieser Wagen wurde dadurch gegen ein weiteres davor haltendes Fahrzeug gedrückt. In der Verkehrsunfallanzeige schätzte die Polizei den Sachschaden zunächst auf 6.500,- DM, was sich später nach dem Unfalltag als zu niedrig erwies. Die Polizei erteilte dem Versicherten eine gebührenpflichtige Verwarnung. Dieser half danach mit, sein eigenes Fahrzeug zur Seite zu schieben. Während die nicht mehr fahrbereiten Wagen auf den Tieflader der Abschleppunternehmen aufgeladen wurden, unterhielt sich der Versicherte mit einem Polizeibeamten. Dabei sank er plötzlich ohne irgendwelche Vorzeichen zu Boden. Mit einem sofort herbeigerufenen Rettungshubschrauber wurde er in die Universitätsklinik gebracht. Dort stellten die Ärzte ein Herzkammerflimmern fest, das sich als therapieresistent erwies. Reanimationsversuche blieben erfolglos. Der Versicherte verstarb gegen 11.30 Uhr. Er wurde am 24. Oktober 1984 obduziert. Nach dem von dem Beklagten eingeholten pathologischen Gutachten des Prof. Dr. R vom 29. August 1986 litt der Versicherte schon vor dem Verkehrsunfall an einer koronaren Herzerkrankung. Der linke Koronararterienhauptstamm war bei exzentrischer Koronararteriensklerose durch einen bindegewebig ersetzten revaskularisierten thrombotischen Verschluß weitgehend verlegt. Hochgradige Stenosen fanden sich auch im Anfangsteil des absteigenden linken und des umschlingenden linken Koronararterienastes. Folge des alten, rekanalisierten thrombotischen Verschlusses im linken Koronararterienhauptstamm war eine ausgedehnte Innenschichtverschwielung in der Seiten- und Vorderwand des linken Ventrikels sowie subendokardiale Mikronarben in der Hinterwand und im Septum des linken Ventrikels. Eine akute Koronarthrombose oder ein akuter Deckplattenaufbruch ließ sich nicht nachweisen. Prof. R kam zu dem Ergebnis, der Versicherte sei an einem sogenannten akuten Koronartod bei klinisch nachgewiesenem Kammerflimmern im Anschluß an den Verkehrsunfall verstorben. In einem klinisch-internistischen Gutachten vom 12. November 1986 mit Ergänzung vom 10. Juni 1987 vertraten die Dres. W und M die Meinung, aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Unfall und Tod sei der durch den Unfall hervorgerufene Streß verbunden mit einer körperlichen Anstrengung beim Wegschieben des Autos als wesentliche Teilursache des Todes zu werten.
Der Beklagte lehnte es jedoch ab, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil die Krankheitsanlage des Versicherten so leicht ansprechbar gewesen sei, daß es zur Auslösung des tödlichen Herzkammerflimmerns keiner besonderen äußeren Einwirkungen bedurft habe (Bescheid vom 9. September 1987).
Während die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim ohne Erfolg geblieben ist (Urteil vom 30. November 1988), hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen den Beklagten verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren (Urteil vom 17. Januar 1991) : Die durch den Verkehrsunfall unmittelbar ausgelösten Einwirkungen auf den Versicherten hätten nicht zu (äußerlich sichtbaren) gesundheitlichen Veränderungen geführt. Dementsprechend könne die zum Tode führende Kausalkette nur mittelbar dadurch in Gang gesetzt worden sein, daß der Unfall und seine Abwicklung psychisch so belastend auf die Person eingewirkt hätten, daß dadurch bei dem schon vorher an einer schweren koronaren Herzerkrankung leidenden Versicherten Arrhmythmien ausgelöst worden seien, die zu seinem Tode geführt hätten. Dazu hat das LSG festgestellt, daß die unfallbedingte psychische Anspannung von besonders starker Qualität gewesen sei, weil der Versicherte wegen des von ihm verschuldeten Gesamtschadens mit finanziellen Belastungen rechnen mußte, die im Verhältnis zu seinem Einkommen erheblich waren. Durch die von ihm - dem LSG -mittels mehrerer medizinischer Gutachten betriebene Sachaufklärung sei nachgewiesen, daß der psychische Streß jedenfalls im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne eine Mitbedingung des Todes gewesen sei. Wenn es diese Mitbedingung und die schwere Herzerkrankung als weitere Mitbedingung in ihrer Bedeutung für den Eintritt des Todes gegeneinander abwäge, so sei es der Überzeugung, daß der konkrete Todeseintritt jedenfalls auch durch den psychischen Streß wesentlich geprägt und insoweit wesentlich mitbedingt worden sei. Zwar sei dem Beklagten einzuräumen, der Versicherte habe vor dem Unfall an einer so schweren Herzerkrankung gelitten, daß die zum Tode führenden Arrhythmien durchaus auch ohne besondere äußere Einwirkungen oder aufgrund von belanglosen alltäglichen Belastungssituationen hätten auftreten können. Aber es sei nur möglich, nicht jedoch wahrscheinlich, daß ein solcher hypothetischer Kausalverlauf zu etwa derselben Zeit zu dem tödlichen Schadenserfolg geführt hätte. Dr. N habe ausgeführt, niemand könne sagen, ob bei dem Versicherten eine vergleichbare Situation in den nächsten Jahren eingetreten wäre, Prof. Dr. L und Dr. T hätten die jährliche Mortalität eines Patienten mit signifikanter Stenose des Hauptstammes der linken Kranzarterie mit 20 bis 30% angegeben und Prof. Dr. S. sei der Auffassung gewesen, in der Situation des Versicherten könne eine jährliche Mortalitätsprognose nur bei der Hälfte vergleichbarer Vorgeschädigter abgegeben werden. Danach könne das Unfallereignis, bei dem es sich aus der Sicht des Versicherten nicht um einen beliebig austauschbaren alltäglichen Vorgang gehandelt habe, nicht als bloße Gelegenheitsursache angesehen werden. Eine Gelegenheitsursache liege nicht schon dann vor, wenn lediglich die Möglichkeit bestehe, daß der Schaden auch ohne äußere Einwirkungen oder aufgrund eines austauschbaren alltäglich vorkommenden Ereignisses etwa zur gleichen Zeit eingetreten wäre. Vielmehr müßte der Schadenseintritt aufgrund eines anderen Ereignisses oder ohne jede äußere Einwirkung zumindest wahrscheinlich sein. Das treffe dann noch nicht zu, wenn mit einem letalen Ausgang innerhalb eines Jahres nur in 50% aller Fälle mit vergleichbarer Vorschädigung zur rechnen sei. Das sei nach dem Gutachten von Prof. S. hier anzunehmen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte, das LSG habe sowohl einen Arbeitsunfall als auch dessen Ursächlichkeit für den Tod des Versicherten zu Unrecht angenommen. Während es zunächst einen äußerlich nicht erkennbaren und auch nicht meßbaren psychischen Streß als Teil des Arbeitsunfalls zugrunde gelegt habe, sei dann diese nicht nachweisbare Einwirkung auf die Psyche entgegen der in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebenden Ursachenlehre von der wesentlichen Bedingung zur Ursache des Todes erklärt worden. Nicht allgemeine epidemiologische Daten, wie sie Prof. S. genannt habe, sondern nur die besonderen Befunde des Einzelfalls seien entscheidend, um die Wahrscheinlichkeit des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zu beurteilen. Daran aber fehle es im vorliegenden Fall. Das LSG habe überdies verfahrensfehlerhaft einen Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Tode festgestellt. Es fehlten nicht nur der Nachweis einer gesundheitlich schädigenden seelischen Anspannung, sondern auch nachvollziehbare, stichhaltige Gründe, die die wissenschaftlich begründete Gegenmeinung von Prof. L und Dr. T widerlegten. Solche Gegengründe seien weder im Gutachten von Prof. S. noch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu finden. Damit habe das LSG die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung verletzt.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig.
Der Senat hat dem Beklagten gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil der Beklagte ohne Verschulden durch die ungewöhnlich lange Laufzeit der Briefbeförderung von mehr als fünf Tagen von Frankfurt am Main nach Kassel verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1, § 153 Abs. 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Die Revision ist auch in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war. Es fehlen tatsächliche Feststellungen über die Belastbarkeit des Verstorbenen aufgrund seiner Herzerkrankung zum Zeitpunkt unmittelbar vor dem Unfall.
Nach den tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil war der Versicherte auf dem Weg nach seinem Beschäftigungsort, als er mit seinem Pkw auf den vor ihm befindlichen Wagen auffuhr. Entgegen der Meinung der Revision ist das LSG damit fehlerfrei davon ausgegangen, daß der Ehemann der Klägerin eine versicherte Tätigkeit i.S. des § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausübte, als er verunglückte.
Zur weiteren Frage, ob diese versicherte Tätigkeit zu einem Arbeitsunfall, also einem Unfall geführt hat, infolgedessen es nicht nur zu einem Sachschaden, sondern auch zu einer gesundheitlichen Schädigung gekommen ist, hat das LSG zunächst festgestellt, daß der Verkehrsunfall zwar keine körperliche Verletzung, jedoch eine psychische Anspannung verursacht habe, die im einzelnen objektiv nicht weiter meßbar, aber doch ausreichend gewesen sei, um bei dem Versicherten tatsächlich eine schreckhafte Streßreaktion hervorzurufen. Es hat dies aus den äußeren Umständen des Verkehrsunfalls mit eigenem Verschulden, Polizeibeteiligung, der Notwendigkeit, zwei Fahrzeuge abzuschleppen,
sowie aus den abzusehenden finanziellen Auswirkungen des Sachschadens im Vergleich zu den eigenen Einkommensverhältnissen abgeleitet. Dafür und auch für die Annahme, daß dem die äußerlich gefaßte Haltung des Versicherten nach dem Verkehrsunfall nicht widerspricht, konnte das LSG sich auf die in diesem Fall gehörten medizinischen Sachverständigen berufen. Entgegen der Meinung des Beklagten war es nicht erforderlich, den Grad der psychischen Einwirkung und das Ausmaß der seelischen Verletzung näher zu beschreiben. Vielmehr reichen die Feststellungen des LSG für die ihm obliegende Beweiswürdigung aus, die Streßsituation sei jedenfalls belastend genug gewesen, um beim Versicherten eine individuelle Streßreaktion hervorzurufen. Das LSG hat sich dafür auf Prof. S. berufen können, der dargelegt hat, daß es nicht auf ein bestimmtes schweres Ausmaß der Streßeinwirkung von außen, sondern - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei der Feststellung der Kausalität (s Brackmann, Handbuch des Sozialrechts, 11. Aufl., S. 480 l, 488 t) - vielmehr auf die subjektive individuelle Streßreaktion ankomme.
Diese Feststellungen und die darauf beruhende Beweiswürdigung des LSG im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität sind somit rechtlich einwandfrei erfolgt. Da die dagegen erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten nicht durchgreifen (§ 170 Abs. 3 SGG), ist der Senat an diese Feststellungen gebunden (§ 163 SGG).
Der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt indessen auf dem Gebiet der haftungsausfüllenden Kausalität. Das LSG ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß der unfallbedingte psychische Streß, verbunden mit der nicht übermäßigen körperlichen Anstrengung beim Wegschieben des Wagens, im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne eine Bedingung für das tödliche Herzkammerflimmern gewesen ist. Dazu hat es sich auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesen Einwirkungen und dem Zusammenbrechen des Versicherten sowie auf die Tatsache gestützt, daß der Verkehrsunfall für ihn kein alltägliches, sondern ein außergewöhnliches Ereignis war. Es hat ausgeführt, die grundsätzliche Eignung dieser Einwirkungen, insbesondere der psychischen Anstrengung, bei dem Versicherten mit seinem erheblichen Vorschaden ein tödliches Herzkammerflimmern hervorzurufen, sei durch die Gutachten von Dres. W und M , Privatdozent Dr. N und Prof. Dr. S. bewiesen. Wenn der Beklagte dagegen anführt, es fehle an einem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang, weil der Versicherte erst 40 Minuten nach dem Verkehrsunfall zusammengebrochen sei, dann kann das nicht durchgreifen. Denn schon Dres. W und M halten diesen konkreten zeitlichen Zusammenhang für eng und ursächlich bedeutsam, und Dr. N sowie Prof. S. bestätigen diese Auffassung sinngemäß.
Warum das LSG entgegen der Beurteilung von Prof. L und Dr. T die psychische Belastung des R. als Bedingung des tödlichen Herzkammerflimmerns festgestellt hat, ist von dem Gericht entgegen der Meinung der Revision ausführlich unter Berufung auf die o.a. Sachverständigen dargelegt worden. Es hält mit Prof. S. das Argument nicht für ausschlaggebend, in der Literatur seien bisher keine eindeutigen Arbeiten erschienen, wonach Streß nachweisbar zum Tode führende Arrhythmien verursachen könne (Prof. L und Dr. T Bl. 127 LSG-A). Dasselbe gelte für das Argument, vielmehr werde in Arbeiten, die 1981 und 1983 erschienen seien, beschrieben, daß Streßfaktoren weder die Krankheitshäufigkeit (Morbidität) noch die Sterblichkeit (Mortalität) der koronaren Herzkrankheit beeinflußten (Prof. L und Dr. T a.a.O.). Prof. S. , auf dessen Meinung sich das LSG beruft, räumt zwar ein, die Bedeutung psychischer Belastung als auslösendes Moment für letale Arrhythmien lasse sich bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung nur durch zahlreiche anekdotische Berichte belegen und systematische Untersuchungen hierzu fehlten bisher. Aber, so hält Prof. S. dem entgegen, der verursachende Mechanismus sei tierexperimentell gut belegt (Prof. S. Bl. 154 LSG-A). Er vertrete die Auffassung, daß Streß bei Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung ein tödliches Herzkammerflimmern auslösen könne, und stütze sich dafür weniger auf klinische Beweise als vielmehr auf die gut dokumentierten tierexperimentellen Untersuchungen (Prof. S. Bl. 155 LSG-A). Epidemiologische Untersuchungen hätten im übrigen ergeben, daß der plötzliche Herztod in jeweils etwa einem Viertel der Fälle bei körperlicher oder psychischer Belastung eingetreten sei (Prof. S. Bl. 156 LSG-A). Der Streß, so legt Prof. S. die Wirkungsweise dar, führe zu einer Aktivierung einer Reihe von Organsystemen, u.a. des sympathischen. Durch die Überträgerstoffe des Sympathikus (Katecholamine) werde sowohl direkt als auch indirekt, z.B. durch die Erhöhung der Herzfrequenz und des Blutdrucks, der Sauerstoffverbrauch des Herzens gesteigert. Da bei einer vorbestehenden Verengung (Stenose) der Herzkranzgefäße (des Koronarsystems) dieser vermehrte Sauerstoffbedarf des Herzmuskels nicht durch eine Steigerung der Durchblutung ausgeglichen werden könne, entstehe ein relatives Sauerstoffdefizit aufgrund des Mißverhältnisses zwischen Sauerstoffangebot und Nachfrage (sogenannte Ischämie). Diese Ischämie erhöhe die Bereitschaft des Herzmuskels zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (Kammerflimmern) dramatisch. Unabhängig davon habe der Sympathikus zudem einen direkten Effekt auf den Herzmuskel, der zu einer Verminderung der Flimmerschwelle auch bei normaler Durchblutung führe und es damit erleichtere, Herzkammerflimmern auszulösen. In dieser Situation könne dann ein harmloser Eigenschlag der Herzkammer (Extrasystole) das tödliche Kammerflimmern auslösen (Prof. S. unter Berufung auf Brachmann und Schömig, 1989, Bl. 157 f. LSG-A).
Das LSG hat die rechtlichen Grenzen seiner ihm und nicht dem Revisionsgericht obliegenden freien richterlichen Beweiswürdigung nicht überschritten, soweit es diesen, sich auch mit der Gegenmeinung auseinandersetzenden Argumenten dafür beigetreten ist, die psychische Belastung des Ehemannes der Klägerin durch den Verkehrsunfall sei eine Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für das Auslösen des tödlichen Herzkammerflimmerns gewesen.
Im Anschluß daran hat das LSG zutreffend erkannt, daß die Entscheidung des Rechtsstreits vor allem von der Frage abhängt, ob der Arbeitsunfall das Herzkammerflimmern auch im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung verursacht hat. Dazu muß er im Vergleich zu der vorbestandenen schweren Herzerkrankung als weiterer Mitbedingung für den Eintritt des Herzkammerflimmerns auch von wesentlicher Bedeutung gewesen sein. Daran fehlt es, wenn die Herzerkrankung so schwer, d.h. die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, daß die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf (BSGE 62, 220, 221 f. m.w.N.). Diese ursächliche Bedeutung für den Eintritt des tödlichen Erfolges hat eine Krankheitsanlage z.B. dann, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten könnten oder auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte (BSGE a.a.O. S. 222).
In dem rechtlichen Ansatz, wie das zu beurteilen und was ausschlaggebend ist, vermag der Senat dem LSG nicht zu folgen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist die Schwere der Erkrankung zeitlich unmittelbar vor dem Unfall, ist ihre Bedrohung des Patienten mit der Gefahr, zu dem betreffenden Schadenserfolg zu führen. Hier ist nicht primär ein hypothetischer Ursachenverlauf, sondern ein Krankheitszustand festzustellen. Das LSG zeigt an diesem Fall mit beachtlichen Gründen auf, daß sich die gegensätzlichen medizinischen Meinungen an der entscheidenden Stelle besonders in der Beurteilung des Schweregrades der Herzerkrankung des Versicherten unterscheiden. Dabei gehen die Meinungen nicht etwa in der Feststellung der pathologisch-anatomischen Befunde auseinander, sondern in der Beurteilung der akuten Lebensbedrohung. Sowohl Prof. L und Dr. T als auch Prof. S. stimmen dabei im Ausgangspunkt darin überein, daß die hochgradige Verengung gerade des linken Hauptstammes mit zusätzlichen Verengungen der beiden Hauptäste eine ganz besonders ungünstige Prognose, also eine ganz besonders starke Lebensbedrohung darstellt. Prof. S. schätzt in diesem speziellen Fall die Sterblichkeit im ersten Jahr nach dem Auftreten der Verengung als überdurchschnittlich hoch ein und beziffert sie mit 50 vH; Prof. L und Dr. T geben die jährliche Sterblichkeit von Patienten, die an Hauptstammstenosen der linken Kranzarterie leiden, mit 20 bis 30% an. Während indessen Prof. L und Dr. T absolut und ohne Einschränkung davon ausgehen, daß bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit nach durchgemachtem Myokardinfarkt eine elektrische Inhomogenität des Gewebes vorliege, so daß der klinische Verlauf jederzeit durch lebensbedrohliche Kammerarrhythmien kompliziert werden könne, streitet Prof. S. dies zwar nicht ab, aber er hält die Lebensbedrohung noch nicht für so stark, daß eine äußere Einwirkung wie der Arbeitsunfall dem konkreten Eintritt des Herzkammerflimmerns nicht doch noch eine wesentliche Prägung geben könne, also für den konkreten Fall eine unersetzbare und damit wesentliche Bedeutung habe.
Diese Gegensätzlichkeit der medizinischen Meinungen zeigt auf, wie notwendig die Berücksichtigung und Wertung aller Umstände des Einzelfalles ist, um zur Beantwortung der Frage, ob die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende psychische Belastung des Versicherten durch den Verkehrsunfall das tödliche Herzkammerflimmern wesentlich mitbestimmt hat, den dazu juristisch erforderlichen Schweregrad der vorbestehenden Krankheit zu bestimmen. Die vom LSG vorgeschlagene Wahrscheinlichkeitsbewertung aufgrund epidemiologischer Untersuchungen ist, wie der vorliegende Fall zeigt, allem Anschein nach zu abstrakt, um dem medizinischen Sachverständigen zu verdeutlichen, welches Gewicht die Krankheit haben muß, um rechtlich von alles überwältigender ursächlicher Bedeutung für den betreffenden (Todes-) Erfolg zu sein.
Indessen ist der Senat in diesem Zusammenhang schon einmal auf die Belastbarkeit des Patienten eingegangen. Zu der Feststellung eines LSG, der Patient sei zwar für die täglichen Spaziergänge, die Wildfütterung und ähnliches noch belastbar, aber den außergewöhnlichen Anstrengungen des Schlachtens nicht mehr gewachsen gewesen, hat der Senat ausgeführt, danach sei nicht ersichtlich, daß die Vorschädigung so stark gewesen sei, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurft hätte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit den Tod ausgelöst haben würde (BSGE 62, 220, 223).
Auf der Suche nach Entscheidungshilfen für die Tatsachengerichte sieht der Senat in der verbliebenen, den medizinischen Sachverständigen - die in der Regel Ärzte sind - als Therapeuten geläufigen Belastbarkeit des Patienten ein geeignetes, wesentliches Kriterium in diesem Zusammenhang. Die Belastbarkeit bildet ein Kriterium, das die Frage zu beantworten hilft, ob eine Krankheitsanlage bereits so stark oder leicht ansprechbar war, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern diese Erscheinungen auch durch jedes andere alltägliche Ereignis oder ganz ohne äußere Einwirkung etwa zu derselben Zeit ausgelöst worden wären (s BSGE a.a.O. S. 223). Der Umfang der Belastbarkeit kann im Zeitpunkt der Auslösung akuter Erscheinungen bekannt gewesen sein oder aus rückschauender medizinischer Sicht festgestellt werden, so als ob der behandelnde Arzt alle Befunde gekannt hätte, die später zu Tage gefördert worden sind. Wesentlich könnte sein, ob der Patient von allen fremdbestimmten Belastungen, wie sie auf dem Gebiet des allgemeinen Erwerbslebens auftreten, befreit war oder hätte befreit werden müssen. Im zu entscheidenden Fall haben Prof. L und Dr. T ausgeführt, linke Hauptstammstenosen stellten aufgrund der sehr ungünstigen Prognose heute eine der Hauptindikationen zu elektivem therapeutischem Vorgehen, also zur aorto-koronaren Bypass-Chirurgie dar. Eine der Hauptaufgaben der Kardiologie liege in der Risikoidentifikation von gefährdeten Patienten, um durch geeignete therapeutische Maßnahmen (endokardiale Katheterablation, antitachykarde Rhythmus-Chirurgie, Implantation eines automatischen Defibrillators) einen letalen Verlauf zu vermeiden. Prof. L und Dr. T haben aber nicht ausdrücklich die bei dem Versicherten angezeigten Konsequenzen aufgezeigt. Auch Prof. S. ist darauf nicht eingegangen. Der Senat meint, die ursächliche Bedeutung der Vorerkrankung des Ehemanns der Klägerin für die später zum Tode führende Erkrankung könne noch mehr verdeutlicht werden, wenn der medizinische Sachverständige die Belastbarkeit des Patienten vor dem Unfall aus rückschauender Sicht einschätzt. Es ist in die Würdigung aller Umstände für die Wertung, ob auch die Anforderungen durch den Verkehrsunfall eine wesentliche Bedingung des Todes waren, mit einzubeziehen, ob und wie stark der vorgeschädigte Patient noch belastbar war, ob ein Arzt in Kenntnis aller maßgebenden Umstände aus rückschauender Sicht es noch verantworten konnte, den Patienten weiterhin Einflüssen des allgemeinen Erwerbslebens auszusetzen, oder ob der Versicherte diesen Einflüssen nicht mehr ausgesetzt werden durfte und ggf so schnell wie möglich einer Therapie zuzuführen war.
Fehlt die Belastbarkeit wegen des Ausmaßes der Vorerkrankung und der konkreten Gefahr, daß der betreffende Krankheitserfolg im Sinne der Definition der sog. Gelegenheitsursache jederzeit eintreten kann, dann ist dies ein wesentliches Merkmal dafür, daß diese Vorerkrankung allein die wesentliche Bedingung des Todes ist.
Ob es aus rückschauender medizinischer Sicht bei Kenntnis aller später erhobenen Befunde nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu verantworten gewesen ist, den Ehemann der Klägerin den Belastungen des allgemeinen Erwerbslebens auszusetzen, oder ob sein Krankheitszustand dazu gezwungen hätte, ihn von jeder fremdbestimmten Belastung zu befreien und wenn möglich sofort eine Therapie einzuleiten, ob der Versicherte also noch wenigstens in einem geringen Umfang belastbar gewesen ist, hat das LSG - von seiner Sicht aus zu Recht - nicht festgestellt. Insbesondere ist das auch dem Gutachten von Prof. S. nicht zu entnehmen. Sollte der Versicherte in diesem Sinne nicht mehr belastbar gewesen sein, so kann dem Verkehrsunfall nicht mehr als die unbeachtliche Bedeutung einer nicht wesentlichen Bedingung beigemessen werden.
Unter dem Gesichtspunkt der Lebensverkürzung um ein Jahr kann dem Unfall keine wesentlich bedingende Bedeutung mehr beigemessen werden, weil das LSG bereits festgestellt hat, aufgrund der vorliegenden Befunde lasse sich nicht zumindest mit Wahrscheinlichkeit absehen, zu welchem Zeitpunkt die unfallunabhängige Herzerkrankung zum Tode geführt hätte (s BSGE 62, 220, 223 f.).
Das LSG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.
Das Berufungsgericht hat für die Zulassung der Revision als wesentlich die Frage angesehen, "ob eine rechtlich unbeachtliche Gelegenheitsursache schon dann anzunehmen ist, wenn lediglich die Möglichkeit bestand, daß der Schaden auch ohne äußere Einwirkungen bzw. durch ein austauschbares alltägliches Ereignis etwa zur gleichen Zeit eingetreten wäre, oder ob das zumindest wahrscheinlich sein müsse". Ebenso wie die haftungsbegründende muß auch die haftungsausfüllende Kausalität wahrscheinlich sein. Im Rahmen der Prüfung der Wahrscheinlichkeit ist wertend zu entscheiden, ob - bezogen auf den vorliegenden Fall - der Verkehrsunfall wahrscheinlich eine wesentliche Ursache der zum Tode führenden Erkrankungen war oder ob nur die Krankheitsanlage die wesentliche Ursache des Todes bildete. Bei dieser Wertung ist die nach allen sonstigen Umständen zu beurteilende Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn es nur möglich, aber nicht wahrscheinlich ist, daß auch jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis die zum Tode führende Erkrankung hervorgerufen hätte (s dazu auch Brackmann a.a.O. S. 488 u). Soweit die Rechtsprechung des BSG außerdem davon ausgeht, ob auch jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis "in etwa zu derselben Zeit" die Erscheinung ausgelöst hätte, liegt auch darin nur ein Kriterium für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Dazu wird nicht vorausgesetzt, daß der Versicherte auch ohne das seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnende Ereignis zu derselben Zeit gestorben wäre. Diese Feststellung würde sich in der Regel nicht treffen, auch nicht einmal als wahrscheinlich annehmen lassen. Es soll mit diesem Kriterium nur die Schwere der Krankheitsanlage näher umschrieben werden. Wenn es nicht wahrscheinlich ist, daß alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignisse in absehbarer Zeit die Krankheit zum Entstehen gebracht oder - für den vorliegenden Fall - zum Tode des Versicherten geführt hätten, dann war die Krankheitsanlage auch noch nicht so schwer, daß ihr allein die wesentliche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges beizumessen ist und deshalb die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit verneint werden muß.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens obliegt dem LSG.
Fundstellen