Entscheidungsstichwort (Thema)
"Dauerzustand"
Leitsatz (redaktionell)
Auch ein Ereignis, das nur wenige Monate oder Wochen vor dem Tode des Versicherten eingetreten ist, kann zum Beginn eines neuen - letzten - wirtschaftlichen Dauerzustandes führen.
Normenkette
AVG § 42 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 1968 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 4. Oktober 1967 an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
I
Die am 10. Oktober 1903 geborene Klägerin war seit 1922 mit dem Angestellten A L (Versicherter) verheiratet. Diese Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Hof vom 12. Februar 1959 aus alleinigem Verschulden des Versicherten geschieden.
Im Mai 1964 heiratete der Versicherte die Beigeladene; er adoptierte später ihren im Jahre 1952 geborenen Sohn. Am 17. März 1966 starb er; die Ehe mit der Beigeladenen bestand bis zu seinem Tode.
Der Versicherte war seit Februar 1961 berufsunfähig; seine Rente wegen Berufsunfähigkeit betrug zunächst 301,50 DM monatlich, sie erhöhte sich laufend und betrug ab 1. Januar 1965 426,70 DM, ab 1. Juli 1965 432,80 DM und ab 1. Januar 1966 471,- DM. Außerdem hatte er aus einer Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter im Jahre 1965 ein Einkommen von im Durchschnitt rd. 700,- DM monatlich und in den Monaten Januar und Februar 1966 von zusammen 1.300,- DM. Anschließend war er bis zu seinem Tode krank; Einkommen aus Arbeit hatte er in dieser Zeit nicht mehr.
Die Klägerin verdiente im Jahre 1965 brutto insgesamt 4.374,- DM, außerdem erhielt sie in diesem Jahr 819,- DM Krankengeld. Ab Januar 1966 erhielt sie zunächst nur Krankengeld. Durch Bescheide vom 9. Mai und 8. Oktober 1966 bewilligte ihr die Landesversicherungsanstalt (LVA) O und M rückwirkend ab 1. Januar 1966 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 133,60 DM monatlich. Von der Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1966 (800,80 DM) behielt die LVA zugunsten der Betriebskrankenkasse der Klägerin 403,50 DM ein (§ 183 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Als Krankengeld verblieb der Klägerin damit ein Betrag von 1.032,- DM. Ab 1. Juni 1966 erhielt die Klägerin neben ihrer Rente Sozialhilfe in Höhe von 62,- DM monatlich.
Ende April 1966 beantragte die Beigeladene Witwenrente und für ihren Sohn (den Adoptivsohn des Versicherten) Waisenrente. Ende Juni 1966 stellte die Klägerin Antrag auf "Geschiedenen-Witwenrente". Die Beklagte entsprach mit "Vorschußbescheiden" vom 13. Juli 1966 den Anträgen der Beigeladenen. Den Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Oktober 1966 ab.
Die Klägerin begehrte mit der Klage die Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 1966. Das Sozialgericht (SG) Bayreuth verurteilte - nach Beiladung der Witwe - die Beklagte unter Aufhebung dieses Bescheides, "der Klägerin Rente nach § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nach Maßgabe des § 45 Abs. 4 AVG zu zahlen" (Urteil vom 4. Oktober 1967). Es verneinte für die Zeit bis Ende 1965 eine Unterhaltspflicht des Versicherten im Hinblick auf das eigene Arbeitseinkommen der Klägerin, bejahte jedoch die Unterhaltspflicht für die Zeit ab 1. Januar 1966, weil die Klägerin in diesem Monat infolge ihrer Erwerbsunfähigkeit und der niedrigen Erwerbsunfähigkeitsrente dauernd unterhaltsbedürftig geworden sei; dabei könnten auch ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Tode des Versicherten berücksichtigt werden. Sonach sei der Versicherte der Klägerin "zur Zeit seines Todes" unterhaltspflichtig gewesen (§ 42 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -, 1. Alternative).
Auf die Berufung der Beigeladenen hob das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf und wies die Klage ab (Urteil vom 12. März 1968). Es führte aus: Für die Frage, ob der Versicherte gegenüber der Klägerin "zur Zeit seines Todes" unterhaltspflichtig gewesen sei, komme es auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten an. Bis Ende 1965 sei der Versicherte der Klägerin gegenüber wegen ihres Arbeitseinkommens nicht unterhaltspflichtig gewesen. Die Zeit von Januar bis 17. März 1966 sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu kurz, um als der letzte wirtschaftliche Dauerzustand gelten zu können. Für eine Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Klägerin nach dem Tode des Versicherten sei entgegen der Auffassung des SG kein Raum; es sei auch nicht bekannt, ob die Einkommensverhältnisse des Versicherten, falls er nicht gestorben wäre, die gleichen geblieben wären wie im Jahre 1965 und in den ersten zwei Monaten des Jahres 1966.
Feststellungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Versicherten und der Klägerin zur Zeit der Scheidung im Jahre 1959 enthält das Urteil des LSG nicht.
Die Klägerin legte frist- und formgerecht die vom LSG zugelassene Revision ein. Sie beantragte,
1. das Urteil des LSG vom 12. März 1968 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente nach den §§ 42, 45 Abs. 4 AVG zu gewähren,
3. die Beklagte und die Beigeladene zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verurteilen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beigeladene beantragte,
1. die Revision zurückzuweisen,
2. die Klägerin zu verurteilen, der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Klägerin rügte eine Verletzung des materiellen Rechts (§§ 42, 45 AVG; 183 RVO) und des formellen Rechts (§§ 103, 106, 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Beklagte stellte keinen Antrag.
Alle Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Sie ist auch begründet in dem Sinne, daß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Die Beklagte hat der Beigeladenen auf ihren Antrag von Ende April 1966 mit dem "Vorschußbescheid" vom 13. Juli 1966 die (volle) Witwenrente ab 1. April 1966 gewährt. Über den Antrag der Klägerin auf "Geschiedenen-Witwenrente" von Ende Juni 1966 hat die Beklagte erst mit Bescheid vom 14. Oktober 1966 entschieden, obwohl dieser Antrag auch schon vorgelegen hat, als am 13. Juli 1966 über den Antrag der beigeladenen Witwe entschieden worden ist. Der Bescheid vom 13. Juli 1966, der die Rente der beigeladenen Witwe regelt, ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung jedenfalls hinsichtlich des Fortbestands der darin festgestellten Rentenhöhe nur dann rechtmäßig, wenn der Klägerin ein Anspruch auf "Geschiedenen-Witwenrente" nicht zusteht, wenn also nicht "mehrere Beteiligte nach den §§ 41, 42 AVG" vorhanden sind und keine "Teilung" der Rente erfolgen muß (§ 45 Abs. 4 AVG). Die Klage betrifft deshalb nicht nur den ablehnenden Bescheid vom 14. Oktober 1966, den die Klägerin erhalten hat, sondern auch den Bescheid, den die Beklagte der beigeladenen Witwe am 13. Juli 1966 erteilt hat (vgl. Urteile des BSG vom 25. Oktober 1963, SozR Nr. 3 zu § 1268 RVO, vom 23. Juni 1964, BSG 21, 125, 127 und vom 22. November 1968 - 11 RA 62/68 -). Der Senat kann aber über die Rechtmäßigkeit der beiden Bescheide nicht entscheiden, weil das LSG nicht alle tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, auf die es für die Rechtmäßigkeit der Bescheide ankommt.
Das LSG hat den Anspruch der Klägerin auf "Geschiedenen-Witwenrente" nach § 42 Satz 1 AVG - und damit die Voraussetzungen für eine "Rententeilung" zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nach § 45 Abs. 4 Satz 1 AVG - verneint, weil es der Auffassung gewesen ist, der Versicherte habe der Klägerin "zur Zeit seines Todes" keinen Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) - hier des EheG 1946 - zu leisten gehabt (§ 42 Satz 1 AVG, 1. Alternative; die Voraussetzungen der 2. und 3. Alternative dieser Vorschrift kommen nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht in Betracht). Das LSG ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß mit dem Begriff "zur Zeit des Todes" nach dem Sinn und Zweck des § 42 AVG nur der "letzte wirtschaftliche Dauerzustand" vor dem Tode des Versicherten, der im Verhältnis zwischen dem Versicherten und der Klägerin bestanden hat, gemeint sein kann (vgl. z.B. Urteil des LSG vom 23. Juni 1964, SozR Nr. 22 zu § 1265 RVO = § 42 AVG mit weiteren Hinweisen; ständige Rechtsprechung des BSG). Die Vorschrift knüpft an die Unterhaltspflicht des Versicherten "zur Zeit seines Todes" deshalb an, weil das Gesetz kraft genereller (und unwiderleglicher) Vermutung unterstellt, daß dieser Zustand ohne den Tod des Versicherten und die damit zusammenhängenden Ereignisse wahrscheinlich fortbestanden hätte; an die Stelle des durch den Tod des Versicherten weggefallenen Unterhaltsanspruchs soll die Rente in ihrer Eigenschaft als "Unterhaltsersatz" treten. Die Vermutung, daß der Zustand, der zur Zeit des Todes des Versicherten gegeben war, fortbestanden hätte, erscheint aber nur gerechtfertigt, wenn es sich um einen "Dauerzustand" vor dem Tode des Versicherten gehandelt hat. Nur diese Betrachtungsweise schließt es aus, daß vorübergehende Besonderheiten in den unterhaltsrechtlichen Beziehungen bei der Gewährung oder Versagung der Hinterbliebenenrente den Ausschlag geben (BSG aaO). Das Ende des maßgebenden "Dauerzustandes" wird eindeutig durch den Tod des Versicherten bzw. durch den Beginn der zum Tode führenden Krankheit bestimmt, die Krankheit ist hier nur eine "Vorstufe" zu dem Ereignis (dem Tod des Versicherten), dessen wirtschaftliche Folgen durch die Rente ausgeglichen werden sollen (ebenso Dapprich, Sozialgerichtsbarkeit 1964, 224, 226). Wirtschaftlich bedeutsame Umstände, die sich bei dem Versicherten oder der geschiedenen Frau nach dem Tode des Versicherten bzw. nach dem Beginn der zu seinem Tode führenden Krankheit ergeben haben, müssen - wovon zutreffend auch das LSG ausgegangen ist - außer Betracht bleiben, weil sie auf eine Unterhaltspflicht "zur Zeit des Todes" keinen Einfluß mehr haben können und im übrigen, soweit es sich um den Versicherten selbst handelt, auch nur auf Spekulationen beruhen könnten. Anders ist es dann, wenn - was hier nicht der Fall ist - der Zeitraum zwischen der Scheidung und dem Tod des Versicherten so kurz ist, daß sich ein wirtschaftlicher "Dauerzustand" in den Verhältnissen der geschiedenen Eheleute noch nicht hat entwickeln können; nur für diesen Fall ist in dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. Februar 1966 (SozR Nr. 32 zu § 1265 RVO) und in den dort zitierten früheren Urteilen auf den wirtschaftlichen Dauerzustand abgehoben, der sich unter den geschiedenen Eheleuten bei einem längeren Zeitraum zwischen Scheidung und Tod des Versicherten wahrscheinlich ergeben hätte. Der Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes und damit auch der Zeitraum, der als der letzte wirtschaftliche Dauerzustand anzusehen ist, läßt sich dagegen nicht allgemein, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles bestimmen. Auszugehen ist von der letzten wesentlichen Änderung in den (Vermögens- und) Einkommensverhältnissen der geschiedenen Eheleute, von der aus auf einen Dauerzustand geschlossen werden kann. Ereignisse, die ihrer Natur nach nur vorübergehende Veränderungen bewirken - wie etwa in der Regel der Eintritt von Krankheit oder Arbeitslosigkeit - scheiden damit als Merkmale für den Beginn eines Dauerzustandes aus. Der erkennende Senat hat deshalb in dem Urteil vom 23. Juni 1964 (aaO), auf das sich das LSG gestützt hat, ausgeführt, daß sich eine allgemeine Begrenzung der "Zeit des Todes" auf das letzte Vierteljahr vor dem Tode des Versicherten, wenn nicht überhaupt jede zeitliche Festlegung, verbiete. Nicht gesagt ist damit aber, daß ein Zustand, der nur verhältnismäßig kurze Zeit vor dem Tode des Versicherten bestanden hat, in keinem Fall als der maßgebende "Dauerzustand" angesehen werden könne. Auch ein Ereignis, das nur wenige Monate oder Wochen vor dem Tode des Versicherten eingetreten ist, kann zum Beginn eines neuen - letzten - wirtschaftlichen Dauerzustandes führen, dann nämlich, wenn es die bisherigen Verhältnisse entscheidend verändert und diese Änderung ihrer Natur nach von Dauer ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn bei dem Versicherten oder der geschiedenen Frau die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigende oder sie beseitigende dauernde gesundheitliche Behinderungen auftreten oder wenn bei dem Versicherten neue Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten hinzukommen. In solchen Fällen ist es unerheblich, wenn dieser Zustand nach kurzer Zeit durch den Tod des Versicherten beendet worden ist.
Dies hat das LSG verkannt; es hat bei der Beurteilung der Frage, ob der Versicherte der Klägerin "zur Zeit seines Todes" unterhaltspflichtig gewesen ist, nur auf die Verhältnisse im Jahre 1965 abgehoben, weil es diesen Zeitraum als "letzten wirtschaftlichen Dauerzustand" angesehen hat. Dies wäre dann unrichtig, wenn der Versicherte gegenüber der Klägerin ab Anfang Januar 1966 bis Ende Februar 1966 (ab 1. März 1966 hat der Versicherte wegen der zu seinem Tode führenden Krankheit kein Arbeitseinkommen mehr gehabt) deshalb unterhaltspflichtig gewesen wäre, weil sie Anfang Januar 1966 (dauernd) erwerbsunfähig geworden ist. Die Unterhaltsbedürftigkeit kann allerdings nicht, wie die Klägerin offenbar meint, auch schon für das Jahr 1965 bejaht und damit diese Zeit in den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand mit einbezogen werden. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG - ebenso wie das SG - der Auffassung gewesen ist, im Jahre 1965 habe die Klägerin einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten deshalb nicht gehabt, weil sie ihren Unterhalt aus eigenem Arbeitseinkommen habe bestreiten können. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. die Urteile des 12. Senats vom 31. Mai 1967, BSG 26, 293, 297, des 1. Senats vom 22. März 1968, SozR Nr. 42 zu § 1265 RVO, des 4. Senats vom 27. Juni 1968 - 4 RJ 255/66 - und des 11. Senats vom 22. November 1968 - 11 (12) RJ 328/67 -) ist zwar auch nach § 58 Abs. 1 EheG 1946 - ebenso wie nach § 66 EheG vom 8. Juli 1938 (RGBl I 867) - die "Zumutbarkeit" der Erwerbstätigkeit zu prüfen, es ist aber davon auszugehen, daß eine Erwerbstätigkeit, der die geschiedene Frau tatsächlich nachgegangen ist, ihr in der Regel auch "zuzumuten" gewesen ist und daß tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen nur dann - ausnahmsweise - für den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau außer Betracht zu bleiben hat, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Verweisung auf dieses Erwerbseinkommen grob unbillig erscheinen lassen. Das Revisionsvorbringen der Klägerin, eine solche "grobe Unbilligkeit" ergebe sich daraus, daß sie "nur unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte und unter Hintansetzung ihrer Gesundheit" gearbeitet habe, ist nicht substantiiert im Sinne von § 164 Abs. 1 Satz 2 SGG; eine solche Feststellung hätte das LSG auch nicht etwa deshalb treffen müssen, weil die Klägerin im Jahre 1965 zeitweilig arbeitsunfähig krank gewesen ist. Die Klägerin hat auch keine Tatsachen und Beweismittel dafür bezeichnet, daß ihr diese Erwerbstätigkeit deshalb nicht habe zugemutet werden können, weil es sich dabei um "niedere Arbeiten" gehandelt habe. Da die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin bis Ende 1965 wegen ihres eigenen Arbeitseinkommens zu verneinen ist, kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherte in dieser Zeit unterhaltsfähig gewesen ist oder nicht.
Diese früheren Verhältnisse haben sich aber möglicherweise ab Anfang 1966 entscheidend geändert. Die Klägerin hat von diesem Zeitpunkt an - bis zum Tode des Versicherten - keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt und kein Arbeitsentgelt mehr bezogen, sie ist krank gewesen. Die spätere Gewährung der Rente wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab 1. Januar 1966 kann ein Indiz dafür sein, daß in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin Anfang 1966 eine wesentliche und dauernde Verschlechterung eingetreten ist. Jedenfalls von Anfang 1966 an ist die Erwerbstätigkeit der Klägerin wohl nicht mehr wie im Jahre 1965 nur vorübergehend durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unterbrochen gewesen, es kann vielmehr sein, daß von diesem Zeitpunkt an keine Aussicht auf Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin mehr bestanden hat. Wenn dies zutrifft, hätte das LSG von diesen Verhältnissen als von dem maßgebenden "letzten wirtschaftlichen Dauerzustand" ausgehen müssen; es hätte dann den Anspruch der Klägerin auf "Geschiedenen-Witwenrente" nicht so - wie es dies getan hat - ohne Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin und der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten in der Zeit von Januar bis Ende Februar 1966 verneinen dürfen.
Auch für eine Entscheidung darüber, ob die Klägerin während dieser Zeit vom Versicherten Unterhalt nach den §§ 58, 59 EheG hat verlangen können, reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus. Ob die Klägerin einen Anspruch auf "angemessenen" Unterhalt gehabt hat und welcher Betrag als angemessen anzusehen wäre, ist gemäß § 58 EheG nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten (dem Lebenszuschnitt) zur Zeit der Ehe zu beurteilen; an einer zur Zeit der Scheidung nicht mit voller Sicherheit voraussehbaren späteren Erhöhung des Einkommens des Versicherten würde die Klägerin nicht teilnehmen, Änderungen der allgemeinen Lebenshaltungskosten und die diesen entsprechenden allgemeinen Einkommenserhöhungen wären jedoch zu berücksichtigen (vgl. Hoffmann-Stephan, Ehegesetz, Anm. V A 1-3; Palandt, BGB-Kommentar, 27. Aufl. Anm. 3, je zu § 58 EheG; ferner Urteile des BSG vom 28. November 1964, SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO und vom 29. Oktober 1968, 4 RJ 421/67). Möglicherweise hätte der Versicherte der Klägerin "zur Zeit des Todes" auch nur Unterhalt in dem sich aus § 59 EheG ergebenden Umfang zu leisten gehabt. Bei der Prüfung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten, dessen Gesamteinkommen nach den Feststellungen des LSG in den Monaten Januar und Februar 1966 (bis zum Beginn der zu seinem Tode führenden Krankheit) ebenso wie im Jahre 1965 mehr als 1.000,- DM monatlich betragen hat, wären neben dem möglicherweise durch Krankheit erhöhten Lebensbedarf des Versicherten und den Bedürfnissen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beigeladenen und des Adoptivsohnes auch etwaige "sonstige Verpflichtungen" zu berücksichtigen. Ein unverhältnismäßig hoher Mietaufwand könnte nicht in voller Höhe berücksichtigt werden, zumal wenn die Höhe der Miete durch die früher in den Mieträumen verrichtete Erwerbstätigkeit der Beigeladenen bedingt gewesen wäre; auch Einkommen, das die Beigeladene aus ihr zumutbarer - wenn auch tatsächlich nicht verrichteter - Arbeit hätte erzielen können, wäre für die Unterhaltsfähigkeit des Versicherten gegenüber der Klägerin zu beachten (vgl. Palandt, Anm. 4 und 5 zu § 59 EheG). Auf Seiten der Klägerin wäre die ihr erst mit den Bescheiden vom 9. Mai und 8. Oktober 1966 gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente für die Frage ihrer Unterhaltsbedürftigkeit nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin vor der Rentenfeststellung und damit während des hier maßgebenden Zeitraums von Anfang Januar bis Ende Februar 1966 die Auszahlung ihrer Rente nicht hat verlangen können und auch nicht festgestellt ist, daß sie einen Rentenvorschuß hätte erlangen können oder erhalten hat (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 15. Dezember 1966, SozR Nr. 36 zu § 1265 RVO). Dagegen wäre das der Klägerin gezahlte Krankengeld, auf das sie einen Rechtsanspruch gehabt hat und das als "Lohnersatz" an die Stelle des Einkommens aus ihrer Erwerbstätigkeit getreten ist, bei der Beurteilung ihrer Unterhaltsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen; entgegen der Meinung der Revision ist ihr nämlich dieses Krankengeld im Ergebnis auch nach Ablauf der ersten sechs Krankheitswochen trotz rückwirkender Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente verblieben (vgl. § 183 Abs. 3 und 4 RVO).
Da das Urteil des LSG aus den von ihm dargelegten Gründen keinen Bestand haben kann und der bisher vom LSG festgestellte Sachverhalt für die Entscheidung darüber, ob das Urteil aus anderen Gründen aufrecht zu erhalten wäre, nicht ausreicht, ist das Urteil des LSG aufzuheben; die Sache ist zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen